Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Politik und Weltgeschehen
closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#51 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von closs » Do 14. Mai 2015, 00:43

Pluto hat geschrieben:Da diese Debatte (Universalienstreit) bereits im 13. Jahrhundert zu Gunsten der Nominalien entschieden wurde, ist sie nur noch von geschichtlichem Interesse.
Nee - nee - die Debatte wurde vielleicht damals aus Sicht einiger beendet - aber die Frage selbst ist genauso offen wie damals.

Pluto hat geschrieben:Insofern ist eine Verfeinerung der Gedanken über die Zeit Evolution, eine kulturelle Evolution.
Und hier schwingt so ein bißchen die Konnotation mit, es sei es (zwangsläufig) eine Entwicklung zum Besseren. - Dem könnte ich ganz und gar nicht zustimmen.

Pluto hat geschrieben:Deshalb kann es auch keinen festen moralischen Standards geben.
Das ist eben der Unterschied. - Der eine nimmt den Status Quo als Maßstab. - Der andere hat einen absoluten Maßstab und setzt den Status Quo in Relation dazu.

Benutzeravatar
Savonlinna
Beiträge: 4300
Registriert: So 2. Nov 2014, 23:19

#52 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von Savonlinna » Do 14. Mai 2015, 00:44

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich sehe nicht ein, warum man überhaupt einen Maßstab haben muss.
Das nehme ich Dir nicht ab. Ich bin überzeugt, dass Du aus Deinem geistigen/moralischen/nenn-wie-Du-es-willst Empfinden her sehr wohl einen Maßstab dafür hast, "was sich gehört" und was nicht. - Wenn ich es ok finden würde, Omas aus der Straßenbahn rauszuschmeißen: Wäre das dann aus Deiner Sicht für mich ok?
closs, Du wechselst ja einfach das Thema.
Ich habe meine Aussage streng auf die Verfeinerung von Wahrnehmung bezogen. Dort gilt, dass dies ohne Maßstab geschieht.
Willst Du das auf eine Oma übertragen, dann ist das, na, wie nennt man das vornehm? ;)

closs hat geschrieben:
Savonlinna hat geschrieben:Ich nehme wahr, dass auf dem Schlachtfeld gemordet wird.
Bereits das ist eine Wertung. - Ohne Wertung hieße es "töten".
Ich gebe auf.
Von "Wertung" war hier überhaupt nicht die Rede.

Gute Nacht.

closs
Beiträge: 39690
Registriert: Fr 19. Apr 2013, 20:39

#53 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von closs » Do 14. Mai 2015, 00:53

Savonlinna hat geschrieben:Von "Wertung" war hier überhaupt nicht die Rede.
Nein - war es nicht. - Aber es IST eine Wertung.

Savonlinna hat geschrieben:Ich habe meine Aussage streng auf die Verfeinerung von Wahrnehmung bezogen.
Wirklich nicht mehr? - So wie ein Pianist übt, dass er noch feiner spielen kann? - Egal welches Stück?

Savonlinna hat geschrieben:Gute Nacht.
Schlaf gut.

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#54 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von sven23 » Do 14. Mai 2015, 08:33

closs hat geschrieben: Und wie ist das eigentlich mit Kindern: Sind sie nicht alle gleich, bis sie von ihrem jeweiligen kulturellen Umfeld geprägt werden?
Ja eben, und das spricht doch gerade gegen ein universelles Gewissen. Ein Kind, das bei Menschenfressern aufwächst, findet nichts dabei, einen getöteten Feind zu verspeisen, weil es innerhalb der Gruppe so praktiziert und akzeptiert wird.
Das Gewissen meldet sich doch nur, wenn gegen die Regeln verstoßen wird, die die eigene Gruppe sich selbst gegeben hat.
Die Regeln bestehen dabei aus sozialen Normen und Tabus. Wer dagegen verstößt, steht unter Rechtfertigungsdruck gegenüber der eigenen Gruppe und in diesem Spannungsfeld entsteht ein "schlechtes" Gewissen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

barbara
Beiträge: 3269
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:07
Kontaktdaten:

#55 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von barbara » Do 14. Mai 2015, 09:17

sven23 hat geschrieben: Das Gewissen meldet sich doch nur, wenn gegen die Regeln verstoßen wird, die die eigene Gruppe sich selbst gegeben hat.
Die Regeln bestehen dabei aus sozialen Normen und Tabus. Wer dagegen verstößt, steht unter Rechtfertigungsdruck gegenüber der eigenen Gruppe und in diesem Spannungsfeld entsteht ein "schlechtes" Gewissen.

Diese Instanz würde ich, nach Freud, das "Über-Ich" nennen, aber nicht das Gewissen.

In Situationen von Diktatur, Krieg und Grausamkeit, wo unmenschliceh Zustände herrschen, gibt es aber immer wieder Menschen, denen ihr Gewissen sagt, sich GEGEN die aktuellen Normen zu wenden.

gruss, barbara

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#56 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von sven23 » Do 14. Mai 2015, 09:35

barbara hat geschrieben: In Situationen von Diktatur, Krieg und Grausamkeit, wo unmenschliceh Zustände herrschen, gibt es aber immer wieder Menschen, denen ihr Gewissen sagt, sich GEGEN die aktuellen Normen zu wenden.
Krieg würde ich als eine Art Ausnahmezustand verstehen, in dem die Regeln außer Kraft gesetzt sind oder neu definiert werden. Deshalb war es z. B. auch im 2. Weltkrieg möglich, daß sich "normale" Familienväter zu freiwilligen Erschießungskommandos an Kindern und Frauen meldeten oder in Einsatzgruppen unglaubliche Grausamkeiten gegen die Zivilbevölkerung begingen.
Wenn man Menschen vermittelt bekommt, daß ihr Handeln im Dienste einer Autorität steht und der eigenen Gruppe dient, dann sind Menschen zu unfaßbaren Grausamkeiten fähig. Dabei kann die Autorität der Führer sein oder Gott, das spielt dann keine Rolle mehr.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

barbara
Beiträge: 3269
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:07
Kontaktdaten:

#57 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von barbara » Do 14. Mai 2015, 09:55

sven23 hat geschrieben: Krieg würde ich als eine Art Ausnahmezustand verstehen, in dem die Regeln außer Kraft gesetzt sind oder neu definiert werden. Deshalb war es z. B. auch im 2. Weltkrieg möglich, daß sich "normale" Familienväter zu freiwilligen Erschießungskommandos an Kindern und Frauen meldeten oder in Einsatzgruppen unglaubliche Grausamkeiten gegen die Zivilbevölkerung begingen.

Das würde ich nicht wirklich als Ausnahmezustand beschreiben, eher als konsequentes Zu-Ende-Führen einer alt ehrwürdigen Tradition von Gehorsam, Obrigkeitshörigkeit und einem massiven Über-Ich?

Wer spöttelte schon wieder, dass es in Deutschland keine Revolutionen geben könne, weil dafür müsste man den Rasen betreten, und das ist ja verboten? 8-)


Wenn man Menschen vermittelt bekommt, daß ihr Handeln im Dienste einer Autorität steht und der eigenen Gruppe dient, dann sind Menschen zu unfaßbaren Grausamkeiten fähig. Dabei kann die Autorität der Führer sein oder Gott, das spielt dann keine Rolle mehr.

Nur bei Menschen, wo das Über-Ich lauter und dominanter ist als das Gewissen.

Aber gerade im Krieg gibt es auch immer wieder Menschen, die grosse Akte von selbstloser Menschlichkeit begehen, und die teils sogar ihr eigenes Leben für andere opfern.

gruss, barbara

Benutzeravatar
sven23
Beiträge: 23476
Registriert: Fr 10. Mai 2013, 15:55

#58 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von sven23 » Do 14. Mai 2015, 10:05

barbara hat geschrieben: Das würde ich nicht wirklich als Ausnahmezustand beschreiben, eher als konsequentes Zu-Ende-Führen einer alt ehrwürdigen Tradition von Gehorsam, Obrigkeitshörigkeit und einem massiven Über-Ich?
Und Gehorsam gegenüber Gott ist ein sehr dominantes Motiv in der Bibel.

barbara hat geschrieben: Wer spöttelte schon wieder, dass es in Deutschland keine Revolutionen geben könne, weil dafür müsste man den Rasen betreten, und das ist ja verboten? 8-)
Das tun die Franzosen, die- nicht ganz zu Unrecht- darauf hinweisen, daß Deutschland nie eine richtige Revolution zu Stande gebracht hat.

barbara hat geschrieben: Nur bei Menschen, wo das Über-Ich lauter und dominanter ist als das Gewissen.
"Das Über-Ich kann im Freud'schen Strukturmodell der Psyche vereinfacht als die moralische Instanz oder auch das Gewissen angesehen werden und stellt den Gegenspieler für die elementaren Lusttriebe des Es dar. Freud sprach von dieser Instanz als einer Zensur."
Quelle: wikipedia

barbara hat geschrieben: Aber gerade im Krieg gibt es auch immer wieder Menschen, die grosse Akte von selbstloser Menschlichkeit begehen, und die teils sogar ihr eigenes Leben für andere opfern.
Auch, aber die muß man oft mit der Lupe suchen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

barbara
Beiträge: 3269
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:07
Kontaktdaten:

#59 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von barbara » Do 14. Mai 2015, 10:32

sven23 hat geschrieben: Und Gehorsam gegenüber Gott ist ein sehr dominantes Motiv in der Bibel.

und das aber vor allem darum, weil sich die Leute ständig selbst in Probleme brachten, weil sie eben die (psychischen, physischen) Naturgesetze missachteten.

Weil sie ihrem Gewissen (nicht Über-Ich, Gewissen) eben NICHT folgten.

Das tun die Franzosen, die- nicht ganz zu Unrecht- darauf hinweisen, daß Deutschland nie eine richtige Revolution zu Stande gebracht hat.

Wiedervereinigung 1989 find ich eigentlich gut genug als Revolution - es gab nicht mal Blutvergiessen. Zum Glück gibt's rund um die Berliner Mauer offenbar keine Rasenflächen. :thumbup:



"Das Über-Ich kann im Freud'schen Strukturmodell der Psyche vereinfacht als die moralische Instanz oder auch das Gewissen angesehen werden und stellt den Gegenspieler für die elementaren Lusttriebe des Es dar. Freud sprach von dieser Instanz als einer Zensur."
Quelle: wikipedia

naja, bei psychischen Feinheiten und den diversen Instanzen macht auch Wiki gelegentlich einen Kuddelmuddel.

Tatsache ist, es GIBT eine Instanz, die ist NICHT das Über-Ich, da sie sich nicht an den kollektiv und aktuelle vorhandenen gesellschaftlichen Regeln orientiert, sondern sie hat mit einem tieferen Bewusstsein für das Recht und das Unrechte zu tun - wenn nötig, auch entgegen allen Über-Ich-Regelwerken.

Kann man natürlich auch anders nennen als "Gewissen"; aber moderne Psychologie beachtet ja sowas eher nicht, da man mit solchen Dinge nicht mit gutem Gewissen experimentieren kann und auch Nachvollziehbarkeit, Wiederholbarkeit etc nicht wirklich machbar sind.


Auch, aber die muß man oft mit der Lupe suchen.

Klar, weil wenn die gegen die aktuellen Regeln verstossen, trompeten sie das nicht in die Welt hinaus... die wollen ja, wenn möglich, auch nicht von der Geheimpolizei abgeholt werden. Solche Akte finden meist privat und diskret statt, hinter verschlossenen Türen, das liegt in der Natur der Sache. Geht ja nicht anders!

Sprich, ich nehme an, das kommt deutlich häufiger vor, als dass es bekannt wird.

gruss, barbara

Pluto
Administrator
Beiträge: 43975
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:56
Wohnort: Deutschland

#60 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von Pluto » Do 14. Mai 2015, 10:45

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Da diese Debatte (Universalienstreit) bereits im 13. Jahrhundert zu Gunsten der Nominalien entschieden wurde, ist sie nur noch von geschichtlichem Interesse.
Nee - nee - die Debatte wurde vielleicht damals aus Sicht einiger beendet - aber die Frage selbst ist genauso offen wie damals.
Ich glaube hier bist du im falschen Film.
Kennst du das Essay von Willard Quine zum Thema, Was es gibt und zu den verwandten Problemen der Nichtexistenz und der Universalien?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Insofern ist eine Verfeinerung der Gedanken über die Zeit Evolution, eine kulturelle Evolution.
Und hier schwingt so ein bißchen die Konnotation mit, es sei es (zwangsläufig) eine Entwicklung zum Besseren. - Dem könnte ich ganz und gar nicht zustimmen.
Nicht des Besseren, sondern des besser angepassten, und wenn von Kultur die Rede ist, so ist eine Verfeinerung der ethischen und moralischen Ideale durchaus eine bessere Anpassung.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Deshalb kann es auch keinen festen moralischen Standards geben.
Das ist eben der Unterschied. - Der eine nimmt den Status Quo als Maßstab. - Der andere hat einen absoluten Maßstab und setzt den Status Quo in Relation dazu.
Dass Gut und Böse immer relativ zu einem gewählten System sind, steht doch außer Frage, oder?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Antworten