Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

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sven23
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#71 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von sven23 » Do 14. Mai 2015, 11:44

barbara hat geschrieben: Einen Kaspar Hauser braucht man dazu nicht; Menschen sind NUR mit Sozialisierung denkbar, nur im Kontext einer Gruppe, die sie pflegt und hegt und aufzieht und lehrt.
Genau das ist doch meine These.

barbara hat geschrieben: Man sieht auch, dass Geschwister, die ja wohl gleich sozialisiert werden, als Mitglieder derselben Familie, aber dennoch völlig unterschiedlich sein können in der Beurteilung von Werten.
Elterliche Erziehung ist ja nur ein Teil, wenn auch ein wichtiger, der Sozialisation. Hinzu kommt, daß jeder Mensch ein Individuum ist und sich auch unterschiedlich entwickeln kann.
Gibt es denn deiner Meinung nach allgemeingültige Regeln, die kulturübergreifend für alle Menschen gelten, unabhängig von Zeit und Ort?

barbara hat geschrieben: In Segelschiffen des 18./19. Jhds wurden lebendige Tiere mitgeführt, wegen den Eiern, der Milch, aber auch um gelegentlich frisches Fleisch zu haben. Die Person, die für die Tiere sorgte, musste dabei regelmässig ausgewechselt werden - sonst kam es dazu, dass eine zu nahe, enge Beziehung zwischen Mensch und Tier aufgebaut wurde, und die Leute sich weigerten, das Tier zu schlachten.
Oder man stapelte Riesenschildkröten auf dem Rücken liegend. Die Tiere litten sicher furchtbar, aber solange sie überlebten, lieferten sie Frischfleisch.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

barbara
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#72 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von barbara » Do 14. Mai 2015, 16:15

sven23 hat geschrieben: Genau das ist doch meine These.

nein. Deine These ist, dass das Gewissen sich an aktuellen Normen und Werten der Gruppe orientiert. Wie ich durch diverse Beispiele ausführte, ist dies aber nicht der Fall. Über-Ich ist nicht Gewissen (innere Gewissheit des Angemessenen) Über-Ich ist lediglich die exoterische, institutionalisierte Form davon, und gelegentlich auch die pervertierte Form von Gewissen.


Gibt es denn deiner Meinung nach allgemeingültige Regeln, die kulturübergreifend für alle Menschen gelten, unabhängig von Zeit und Ort?

Mein Gewissen sagt mir "ja"


Oder man stapelte Riesenschildkröten auf dem Rücken liegend. Die Tiere litten sicher furchtbar, aber solange sie überlebten, lieferten sie Frischfleisch.

Das war eine alte, rauhere Zeit - die Menschen wurden gleichermassen gestapelt.

gruss, barbara

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sven23
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#73 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von sven23 » Do 14. Mai 2015, 16:25

barbara hat geschrieben: nein. Deine These ist, dass das Gewissen sich an aktuellen Normen und Werten der Gruppe orientiert. Wie ich durch diverse Beispiele ausführte, ist dies aber nicht der Fall.


Eben noch hast du das Gegenteil geschrieben:
"Menschen sind NUR mit Sozialisierung denkbar, nur im Kontext einer Gruppe, die sie pflegt und hegt und aufzieht und lehrt"

Dem Satz kann ich übrigens zustimmen, weil er doch gerade die Sozialisierung beschreibt.

barbara hat geschrieben: Mein Gewissen sagt mir "ja"
Und was wären das für allgemeingültige Regeln?

barbara hat geschrieben: Das war eine alte, rauhere Zeit - die Menschen wurden gleichermassen gestapelt.
Sicher, aber eben hast du noch gemeint, daß die Menschen es nicht übers Herz brachten, ein Tier zu schlachten, das man als Proviant auf See mitgenommen hat.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Savonlinna
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#74 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von Savonlinna » Do 14. Mai 2015, 17:12

Pluto hat geschrieben:Da diese Debatte (Universalienstreit) bereits im 13. Jahrhundert zu Gunsten der Nominalien entschieden wurde, ist sie nur noch von geschichtlichem Interesse.
Für die Zukunft kann ja nichts entschieden werden. Noch nicht mal können ein paar Philosophen für alle Menschen ihrer Generation entscheiden, was diese zu denken hätten.

Der Realismus erfreut sich seit einigen Jahrzehnten neuer Beliebtheit.
Noch nicht mal kann man genau erkennen, ob da vielleicht mehr hintersteht als bloß Begriffsfetischismus.

Im Übrigen, Pluto, was meinst Du:
Könnte der Universalienstreit in veränderter Form im Positivismusstreit wieder aufgelebt sein? Es deucht mich mitunter so.

Ich selber finde immer, dass solche "Streite" nur für die interessant sind, die anschließend entdecken, dass beide Seiten gleichzeitig vorhanden sind und nur zusammen gesehen werden können.

barbara
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#75 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von barbara » Do 14. Mai 2015, 17:15

sven23 hat geschrieben:
barbara hat geschrieben: nein. Deine These ist, dass das Gewissen sich an aktuellen Normen und Werten der Gruppe orientiert. Wie ich durch diverse Beispiele ausführte, ist dies aber nicht der Fall.


Eben noch hast du das Gegenteil geschrieben:
"Menschen sind NUR mit Sozialisierung denkbar, nur im Kontext einer Gruppe, die sie pflegt und hegt und aufzieht und lehrt"

nein, das ist nicht das Gegenteil.

Leben in der Gruppe gehört zum Mensch Sein - anders überlebt ein Mensch gar nicht - was aber nicht heisst, dass sich das Empfinden für Recht und Unrecht ausschliesslich an Normen und Werten der Gruppe orientiert. Es ist nicht selten, dass Menschen in einer Gruppe aufwachsen, aber sich mit den Details der dort aktuellen Normen keineswegs wohl, einig und übereinstimmend fühlen, und zwar auch dann, wen nie jemand irgendwas anderes sagte oder erzählte. Das kommt von innen.

Sind zwei unterschiedliche Aussagen! bitte nicht mischen.



Und was wären das für allgemeingültige Regeln?

Immer mit gleichem Mass messen, zum Beispiel.

Sicher, aber eben hast du noch gemeint, daß die Menschen es nicht übers Herz brachten, ein Tier zu schlachten, das man als Proviant auf See mitgenommen hat.

Menschen in Kriegsschiffen des 18.19. Jhd lebten extrem beengt UND sie brachten es nicht übers Herz, Tiere zu schlachten, wenn der Pfleger zu ihnen eine allzu nahe Verbindung aufbauen konnte.

Auch hier wieder: beides ist gleichzeitig der Fall.

gruss, barbara

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#76 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von Pluto » Do 14. Mai 2015, 22:49

Savonlinna hat geschrieben:Im Übrigen, Pluto, was meinst Du:
Könnte der Universalienstreit in veränderter Form im Positivismusstreit wieder aufgelebt sein? Es deucht mich mitunter so.
Ich sehe im PositivismusStreit eine Art Fortsetung, aber auf ganz anderer Ebene. Der Nominalismus führte logischerweise in den Positivismus (nur alles was ist, ist). Diese Ansicht vertrat auch Adorno, doch Popper war das zu wenig. So kam er mit em kritischen Rationalismus (nicht alle Schwäne sind weiß) und Albers mit dem Münchhausen Trilemma, und Adorno und Habermas mussten am Ende zugeben, dass nichts nur durch Positivismus beweisbar ist.

Fortan wandte man also die Falsifizierung des kritischen Rationalismus an. Scheinbar mit großem Erfolg.:D
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#77 Re: Soziale Konflikte weil man nichts mehr miteinander zu tun hat

Beitrag von closs » Fr 15. Mai 2015, 08:39

Pluto hat geschrieben: Positivismus (nur alles was ist, ist)
Das sagt die andere Seite auch - der Unterschied ist ein anderer: "Alles was NACHWEISBAR ist, ist".

Pluto hat geschrieben:Fortan wandte man also die Falsifizierung des kritischen Rationalismus an. Scheinbar mit großem Erfolg.
Logisch - wenn nur das ist, was nachweisbar ist, müsste man nachweisen, dass etwas ist, was nicht nachweisbar ist. Und das geht nicht - kein Wunder, dass man erfolgreich ist.

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