Stimmt der Vorwurf: Medien = "Lügenpresse"?

Politik und Weltgeschehen
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Yusuke
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#1 Stimmt der Vorwurf: Medien = "Lügenpresse"?

Beitrag von Yusuke » Mo 2. Feb 2015, 08:58

Guten Morgen zusammen,

jetzt ist es fast einen Monat her, seit dem Interview mit dem ukrainischen Ministerpräsidenten Arsenej Jazenjuk vom 07. Januar 2015 mit Reporterin Pinar Atalay in der Tagesschau. In diesem Interview ruft Jazenjuk zur Unterstützung der Ukraine gegen Russland auf.

Um sein Ziel zu erreichen, scheut Jazenjuk nicht davor die Geschichte umzustellen, indem er Putin mit "der bösen Sowjetunion" im zweiten Weltkrieg darstellt, die Hitler-Deutschland und die Ukraine angegriffen hat (in Wahrheit hat die SU mit den USA das Dritte Reich zusammen besiegt). Einen Tag darauf trifft Jazenjuk sich mit Frau Merkel um die "finanzielle Spritze" zu erhalten.

Hier könnt ihr euch das Interview nochmal selbst ansehen:


Im Vergleich dazu schaut euch bitte die Reaktionen unserer Medien auf das Interview mit Wladmir Putin am 15.11.2014. Dazu haben sich drei bedeutende Leute aus der Politik geäußert und mit Ausnahme von Gysi (Die Linke) beide kritisch. Dagegen kommentieren unsere Medien das Interview mit Jazenjuk wie folgt:

Bild
(vgl. dazu Nachricht von RTDeutsch)

Ich habe dazu auch meinen Lehrer in Geschichte konsultiert; er spielte die Situation herunter, weil er die Ukraine als "Spielball" (der USA und Russland?) betrachtet. Er fand es nicht der Rede wert. - Mich hat diese Äußerung schockiert und ich verstehe zum Teil den Einwand des einfachen Volkes, wenn sie unsere Medien als "gleichgeschaltet" oder "Lügenpresse" bezeichnen. Ich meine, man muss kein Putin-Verfechter sein, denn auch in Russland läuft einiges schief, aber an diesem Beispiel zeigt sich die Sorge des Volkes (siehe z.T. Pegida) berechtigt und es bestätigt die nationalsozialistische Gesinnung der ukrainischen Regierung.


Aber was meint ihr dazu?

piscator
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#2 Re: Stimmt der Vorwurf: Medien = "Lügenpresse"?

Beitrag von piscator » Mo 2. Feb 2015, 09:45

Yusuke hat geschrieben:Ich habe dazu auch meinen Lehrer in Geschichte konsultiert; er spielte die Situation herunter, weil er die Ukraine als "Spielball" (der USA und Russland?) betrachtet. Er fand es nicht der Rede wert. - Mich hat diese Äußerung schockiert und ich verstehe zum Teil den Einwand des einfachen Volkes, wenn sie unsere Medien als "gleichgeschaltet" oder "Lügenpresse" bezeichnen. Ich meine, man muss kein Putin-Verfechter sein, denn auch in Russland läuft einiges schief, aber an diesem Beispiel zeigt sich die Sorge des Volkes (siehe z.T. Pegida) berechtigt und es bestätigt die nationalsozialistische Gesinnung der ukrainischen Regierung.
Das so genannte "einfache" Volk verwendet den Begriff der "Lügenpresse" nicht, außerdem wehre ich mich dagegen, dass die Pegida-Bewegung die Sorge des Volkes (was das auch immer sein soll) widerspiegeln soll.
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closs
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#3 Re: Stimmt der Vorwurf: Medien = "Lügenpresse"?

Beitrag von closs » Mo 2. Feb 2015, 10:09

Yusuke hat geschrieben:ich verstehe zum Teil den Einwand des einfachen Volkes, wenn sie unsere Medien als "gleichgeschaltet" oder "Lügenpresse" bezeichnen.
Ich auch - wobei diese Aussage natürlich auch einseitig ist (obwohl ich den Begriff "gleichgeschaltete Presse" auch verwende, wenn ich ärgerlich bin).

Was passiert da im konkreten und im allgemeinen:

Im konkreten Fall ist die Großwetterlage so, dass Ukraine "der Gute" und Russland "der Böse" ist. Man kann das zurecht damit begründen, dass Russland das Völkerrecht gebrochen hat und die Ukraine nicht (warum diese Begründung wenig gilt, wenn Europa das Völkerrecht in Kroatien und die USA in diversen Fällen dasselbe tun, ist genau Teil des allgemeinen Problems). - Nun steht Jazenjuk als "Guter" vor den Medien und will den Deutschen etwas Gutes sagen: Er schreibt situativ die Geschichte zugunsten der Deutschen um. - Die Medien reagieren darauf unterm Strich wohlwollend - schließlich kommt Deutschland damit gut weg - und Jazenjuk ist doch ein "Guter".

Nun ist dieses Beispiel unterm Strich nicht so ganz geeignet, weil es wohl ein Life-Interview war und man als Moderatorin bei solchen unerwarteten Aussagen des Gegenübers nicht immer schnell reagieren kann - man bedenke: Das war keine kritische Talk-Runde, sondern eine Nachrichten-Sendung (insofern keine Vorwürfe meinerseits gegen Pinar Atalay). - Aber die Reaktion der "Tagesschau" ist trotzdem schon bezeichnend: Die Simultan-Übersetzung und anderes hätten ein Eingreifen nahezu unmöglich gemacht - und die Moderatorin sei doch insgesamt kritisch gewesen. - Da ist was dran - und es ist grundsätzlich auch schön, wenn sich ein Sender hinter seine Angestellten stellt.

Wäre es umgekehrt genauso gewesen? - Man stelle sich vor, die Moderatorin hätte harsch auf Jaznejuks Unfug reagiert oder gar kritische Fragen zugunsten Putins gestellt: Es hätte eine ganz andere Reaktion des Senders gegen die Moderatorin geben können - vor allem, wenn es die sonstige Presse thematisiert hätte. - So aber stimmt man sich (wie üblich bei sensiblen DIngen wie diesen) auf oberster Ebene ab und vereinbart, da nichts draus zu machen.

Und das führt zum allgemeinen Problem: Die Medien haben einen verfassungsmäßigen Auftrag zur Bildung des Volks und halten diesen Anspruch dadurch erhalten, dass sie sich im Zweifelsfall streng an staatliche Vorgaben halten. - Bereits erwähntes Beispiel:

* Es gibt Stress zwischen Ukraine und Russland
* Russland tut etwas Völkerrechts-Widriges und somit juristisch eindeutig ANgreifbares
* Deutschland und Europa stellen sich auf die Seite der Ukraine (weil es in ihrem - vordergründigen - Interesse ist - - wäre es das nicht, würde die Politik schweigen)
* Die Medien erinnern sich ihres verfassungsgemäßen Auftrags und ziehen mit - obwohl sie oft genau das Gegenteil tun - nämlich Täuschung statt Bildung
* Die Mainstream-Berichterstattung ist dementsprechend (am besten "alternativlos" :devil: )
* Daraus kann dann eine Sonder-Sendung werden mit dem Titel "Putins Griff nach dem Westen!", obwohl der Westen die 20 Jahre zuvor erfolgreich ihren Griff nach dem Osten gemacht hat - und zwar um viele, viele 100 km. - Nicht, dass das illegal wäre - aber es "ist" so.

Der Bürger wird also bewusst getäuscht und auch noch aufgehetzt (Wenn man das hört, meint man wirklich, Putin stünde demnächst vor dem Brandenburger Tor) - es wird aber nicht als Täuschung oder Aufhetzung etikettiert, sondern als "Aufklärung" und als ERfüllung des verfassungsmäßigen Bildungsauftrags der Medien. - Unterm Strich: Ein großes Spiel, das primär mit "Wahrheit" nichts zu tun hat, selbst wenn diese sicherlich immer wieder mal vorkommt.

Und das merken die Leute langsam und immer mehr. - Die Einen und Wenigen analysieren, was sie da merken (das tun wir gerade) - Die Anderen und Vielen spüren es deutlich, können sich aber nicht artikulieren - außer über Schlagworte, die unterm Strich das eigene Empfinden zusammenfassen - hier: "Lügenpresse".

Als nächstes kommen jetzt die Medien und sagen: "Im Rahmen unseres verfassungsgemäßen Bildungsauftrags müssen wir Euch jetzt helfen, einzusehen, dass Ihr Euch irrt" :devil: :devil: :devil: - das ist WIRKLICH so. - Die Medien denken also (erstmal) gar nicht daran, dass SIE das Problem sein könnten. :lol: - Deshalb werden die Menschen immer resistenter und machen dicht (verstehe ich sehr, sehr gut).

Wenn eine erkennbar große Anzahl an Medien nicht so bremst, dass man die Bremsspuren allgemein sieht, wird es aus meiner Sicht zukünftig eine noch größere Spaltung zwischen Medien-Realität und Bürger-Realität geben. - Zwar wird es immer noch Political-Correctness-SChichten in der Bevölkerung geben, die triumphierend auf der "richtigen" Seite steht - aber das wird die Verwerfungen eher noch größer machen.

Es geht hier nicht um Staats-Kritik oder Demokratie-Kritik an sich, jedoch sehr wohl um die Thematisierung dessen, was Kant "selbstverschuldete Unmündigkeit" genannt hat - und in diesem Sinne drohen wir, mit größter medialer Unterstützung in eine unmündige Demokratie zu schlittern. - Nicht nur die Diskussionen über Russland und den Islam lassen dies deutlich werden. - Insofern ist der Ausdruck "Lügenpresse" kein Rückfall in nationalsozialistische Zeiten (eine besonders perfide Irreführung), sondern Symbol für ein Unbehagen, das sich auf grobe und somit undifferenzierte Weise ("Lügenpresse") Ausdruck verleiht.

Ziska_Deleted

#4 Re: Stimmt der Vorwurf: Medien = "Lügenpresse"?

Beitrag von Ziska_Deleted » Mo 2. Feb 2015, 10:21

„Ein Unerfahrener glaubt jedem Wort, aber der Kluge achtet auf seine Schritte“ (Sprüche 14:15).

piscator
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#5 Re: Stimmt der Vorwurf: Medien = "Lügenpresse"?

Beitrag von piscator » Mo 2. Feb 2015, 11:23

closs hat geschrieben: Es geht hier nicht um Staats-Kritik oder Demokratie-Kritik an sich, jedoch sehr wohl um die Thematisierung dessen, was Kant "selbstverschuldete Unmündigkeit" genannt hat - und in diesem Sinne drohen wir, mit größter medialer Unterstützung in eine unmündige Demokratie zu schlittern. - Nicht nur die Diskussionen über Russland und den Islam lassen dies deutlich werden. - Insofern ist der Ausdruck "Lügenpresse" kein Rückfall in nationalsozialistische Zeiten (eine besonders perfide Irreführung), sondern Symbol für ein Unbehagen, das sich auf grobe und somit undifferenzierte Weise ("Lügenpresse") Ausdruck verleiht.
Letztendlich geht es doch darum, dass die Putin-Versteher und die Amerikahasser ihre Sicht der Dinge nicht den Medien wiederfinden und diese pauschal als Lügenpresse bezeichnen. Das Irrsinnige an der ganzen Geschichte ist die, dass alles was aus Russland kommt, als glaubwürdig angesehen wird, wobei man verdrängt, dass es dort keine freie Presse gibt und Journalisten damit rechnen müssen im Gefängnis zu landen oder umgebracht zu werden. Das Widerwärtige an der Geschichte ist, dass Pegida und Islamisten im Prinzip das gleiche Ziel verfolgen: Einflussnahme auf die Medien und Einschränkung unserer Freiheitsrechte.
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piscator
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#6 Re: Stimmt der Vorwurf: Medien = "Lügenpresse"?

Beitrag von piscator » Mo 2. Feb 2015, 11:24

Ziska hat geschrieben:„Ein Unerfahrener glaubt jedem Wort
siehe Zeugen Jehovas :mrgreen:
, aber der Kluge achtet auf seine Schritte“ (Sprüche 14:15).
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sven23
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#7 Re: Stimmt der Vorwurf: Medien = "Lügenpresse"?

Beitrag von sven23 » Mo 2. Feb 2015, 12:27

piscator hat geschrieben:Letztendlich geht es doch darum, dass die Putin-Versteher und die Amerikahasser ihre Sicht der Dinge nicht den Medien wiederfinden und diese pauschal als Lügenpresse bezeichnen. Das Irrsinnige an der ganzen Geschichte ist die, dass alles was aus Russland kommt, als glaubwürdig angesehen wird, wobei man verdrängt, dass es dort keine freie Presse gibt und Journalisten damit rechnen müssen im Gefängnis zu landen oder umgebracht zu werden. Das Widerwärtige an der Geschichte ist, dass Pegida und Islamisten im Prinzip das gleiche Ziel verfolgen: Einflussnahme auf die Medien und Einschränkung unserer Freiheitsrechte.

Ich halte den Begriff "Lügenpresse" auch für einen Etikettenschwindel. Es gibt in den Medien ein großes Meinungsspektrum, wie es in Ländern wie Rußland völlig undenkbar wäre. Die öffentlich-rechtlichen Sender sind um eine gewisse Zurückhaltung und Neutralität bemüht. Eine ehemalige deutsche Rußlandkorrespondentin bestätigte dies neulich und räumte ein, in ihrer aktiven Zeit auch Fehler gemacht zu haben und nicht immun gegen Propaganda gewesen zu sein. So lange man darüber noch reflektiert, ist das auch in Ordnung. Die große alleinige Wahrheit gibt es sowieso nicht, nur der Versuch einer Annäherung.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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Yusuke
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#8 Re: Stimmt der Vorwurf: Medien = "Lügenpresse"?

Beitrag von Yusuke » Mo 2. Feb 2015, 13:44

Hallo zusammen,

danke für eure Antworten. :)

piscator hat geschrieben:Das so genannte "einfache" Volk verwendet den Begriff der "Lügenpresse" nicht [...]
Nenne es meinetwegen "Teil des einfachen Volkes". Du wirst den Vorwurf nicht los, wenn du das Problem allein auf die rechtsextreme Szene verlagerst.

piscator hat geschrieben:außerdem wehre ich mich dagegen, dass die Pegida-Bewegung die Sorge des Volkes (was das auch immer sein soll) widerspiegeln soll.
Ich kann dich verstehen, da ich selbst eigentlich zu denen gehöre, die die Pegida-Bewegung nicht als "das Volk" sieht. Ich wollte hier auch keine Pegida-Diskussion starten (dafür gibt es andere Themen). Bis zu diesem Interview mit Jazenjuk war meine Einstellung zu Russland kritischer eingestellt, aber durch diese Sendung hat sich mein Bild verändert.

Nein, das Pegida-Beispiel sollte zeigen, wie z.B. die öffentlichen-rechtlichen Nachrichtensender statt uns neutral zu informieren, eher tendenziös "pro-westlich" beeinflussen. Ganz konkret: das Interview war offensichtliche Propaganda in deutschen Fernsehen; jedem Deutschen, welcher dank unserem guten Bildungssystem, die deutsche Geschichte kennt, ist es bewusst. Es war - zumindest empfand ich es so - als tritt Jazenjuk den deutschen Historikern in den Hintern. Gesteigert wird für mich das Problem das BIS JETZT keine kritische Stellungnahme dazu gekommen ist, aber bei dem Interview zu Putin, da haben sie sich zu Wort gemeldet. Bei allem Respekt, aber das ist KEIN neutraler Journalismus - das sieht jeder. Mit solchen Aktionen bieten die öffentlichen-rechtlichen Medien dann den rechts-extremistischen Parteien und Teilen der Bevölkerung einen Nährboden - und das ist verständlich.

closs hat geschrieben:Im konkreten Fall ist die Großwetterlage so, dass Ukraine "der Gute" und Russland "der Böse" ist. Man kann das zurecht damit begründen, dass Russland das Völkerrecht gebrochen hat und die Ukraine nicht

Verstehe ich es richtig: wegen internationalen Verstoß Russlands sieht man jetzt von den Vergehen der Ukraine ab und fokussiert sich auf Russland? Dafür nimmt man auch in Kauf das die ukrainische Regierung offensichtlich eine nationalsozialistische Gesinnung vertritt? Anfangs habe ich zwar bezweifelt, aber der liebe Jaze hat es deutlich gemacht. Nazis sind also in Ordnung, sofern sie sich "außerorts" aufhalten. Oder warum heben sie dann das Verbot für nationalsozialistische Embleme nicht auf? Das stinkt nach verfluchter Doppelmoral. Und damit mich keiner falsch versteht, ich finde es gut das nationalsozialistische Embleme, Symbole in der Öffentlichkeit verboten sind, aber mich widert diese Doppelmoral einfach an.

closs hat geschrieben:Nun ist dieses Beispiel unterm Strich nicht so ganz geeignet, weil es wohl ein Life-Interview war und man als Moderatorin bei solchen unerwarteten Aussagen des Gegenübers nicht immer schnell reagieren kann
Für mich trägt auch nicht die Moderatorin die Schuld, sondern die deutschen Medien allgemein ! Deshalb habe ich doch in meinem Beitrag den Vergleich zu dem Interview mit Putin gebracht, denn hierbei haben die öffentlichen Medien ja offenbar die Zeit zu reagieren und Putin "die Leviten zu lesen", aber bei Jazenjuk war es nicht möglich? Man sollte natürlich bedenken, wie viel Zeit zurückliegt zwischen Interview und Reaktionen.

Na jedenfalls dazu gehört schon ein Stück gewaltiger Naivität zu glauben das unsere Medien im Bezug auf die Ukraine neutral berichten.

closs hat geschrieben:Es geht hier nicht um Staats-Kritik oder Demokratie-Kritik an sich
Richtig, es ist keine Demokratie-Kritik, aber eine Staats-Kritik ist es insofern, weil der Staat offensichtlich zu bestimmten Themen die Ansicht vermittelt tendenziös zu sein, statt wie es sich gehört sachlich oder kritisch.

piscator hat geschrieben:Letztendlich geht es doch darum, dass die Putin-Versteher und die Amerikahasser ihre Sicht der Dinge nicht den Medien wiederfinden und diese pauschal als Lügenpresse bezeichnen.
Ja, aber die Medien sind dafür verantwortlich durch ihre tendenziöse Berichterstattung in bestimmten Themen, z.B. Ukraine.

piscator
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#9 Re: Stimmt der Vorwurf: Medien = "Lügenpresse"?

Beitrag von piscator » Mo 2. Feb 2015, 14:33

Yusuke hat geschrieben:Nenne es meinetwegen "Teil des einfachen Volkes". Du wirst den Vorwurf nicht los, wenn du das Problem allein auf die rechtsextreme Szene verlagerst.
Quatsch. Der Begriff der "Lügenpresse" taucht alleine bei den Querulanten der Pegida auf und ansonsten mich bei den Reichsdeppen, Nazis oder anderen braunen Gruppen.
Ich kann dich verstehen, da ich selbst eigentlich zu denen gehöre, die die Pegida-Bewegung nicht als "das Volk" sieht. Ich wollte hier auch keine Pegida-Diskussion starten (dafür gibt es andere Themen). Bis zu diesem Interview mit Jazenjuk war meine Einstellung zu Russland kritischer eingestellt, aber durch diese Sendung hat sich mein Bild verändert.
Was in der Ukraine und der Krim tatsächlich soll ist, versteht eh niemand. Nach meiner Kenntnis hat Putin das Völkerrecht gebrochen und zündelt seither in der Weltgeschichte herum, aus welchen Gründen auch immer.
Nein, das Pegida-Beispiel sollte zeigen, wie z.B. die öffentlichen-rechtlichen Nachrichtensender statt uns neutral zu informieren, eher tendenziös "pro-westlich" beeinflussen. Ganz konkret: das Interview war offensichtliche Propaganda in deutschen Fernsehen; jedem Deutschen, welcher dank unserem guten Bildungssystem, die deutsche Geschichte kennt, ist es bewusst. Es war - zumindest empfand ich es so - als tritt Jazenjuk den deutschen Historikern in den Hintern.
Sorry, dieser Mann tritt niemanden in den Hintern, er erzählt schlichtweg Blödsinn. Das braucht man auch nicht groß zu kommentieren.
Gesteigert wird für mich das Problem das BIS JETZT keine kritische Stellungnahme dazu gekommen ist, aber bei dem Interview zu Putin, da haben sie sich zu Wort gemeldet. Bei allem Respekt, aber das ist KEIN neutraler Journalismus - das sieht jeder. Mit solchen Aktionen bieten die öffentlichen-rechtlichen Medien dann den rechts-extremistischen Parteien und Teilen der Bevölkerung einen Nährboden - und das ist verständlich.
Ach was, die Nazis und sonstigen Extremisten brauchen das gar nicht. Die lesen bei Bedarf auch aus einer Bedienungsanleitung für eine Waschmaschine heraus, dass es den Holocaust nicht gegeben hat und alle anderen Nazis sind, nur sie selbst nicht. :lol: Die sind in der Regel so strunzdumm, dass sie nicht man "Adolf Hitler" fehlerfrei schreiben können.
Na jedenfalls dazu gehört schon ein Stück gewaltiger Naivität zu glauben das unsere Medien im Bezug auf die Ukraine neutral berichten.
Ganz im Vertrauen: Es gibt keine neutrale, unabhängige Berichterstattung. Da stehen Menschen mit allen ihren Fehlern dahinter. Aber du als Konsument hast die Möglichkeit, die Medien in ihrer ganzen Breite und Vielfalt zu nutzen und dir ein Bild zu machen. Nur ist das Bild, das du dir machst, auch nicht neutral, sondern wird immer durch den eigenes Weltbild und deine ureigene Sicht der Dinge geprägt sein.
Meine Beiträge als Moderator schreibe ich in grün.

closs
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#10 Re: Stimmt der Vorwurf: Medien = "Lügenpresse"?

Beitrag von closs » Mo 2. Feb 2015, 16:48

piscator hat geschrieben:Das Irrsinnige an der ganzen Geschichte ist die, dass alles was aus Russland kommt, als glaubwürdig angesehen wird
Da müsste man doof sein. - Aber das Gegenteil ist eben auch nicht richtig - will heißen: Nicht alles, was aus Russland kommt, ist unglaubwürdig, nur weil es dort keine PRessefreiheit gibt.

piscator hat geschrieben:Das Widerwärtige an der Geschichte ist, dass Pegida und Islamisten im Prinzip das gleiche Ziel verfolgen: Einflussnahme auf die Medien und Einschränkung unserer Freiheitsrechte.
PEgida im Großen und Ganzen wohl nicht - Islam in Deutschland auch nicht - Islamisten sehr wohl.

Nur wäre es halt wünschenswert, wenn unsere freiheitliche Grundordnung medial freier wäre, als sie sich darstellt. - Man hat zwar (fast) alle Rechte, zieht aber im Mainstream die Schere im Kopf vor.

sven23 hat geschrieben:Es gibt in den Medien ein großes Meinungsspektrum, wie es in Ländern wie Rußland völlig undenkbar wäre.
Natürlich ist das richtig. - Trotzdem läuft es unter dem Strich nicht sehr viel anders: Man respektiert einerseits jegliche Meinung, drückt sie aber mainstream-mäßig an die Wand - das ist Alibi-Journalismus.

Wer heute kritisch gegen "Charlie" oder gegen die westliche Rolle in Sachen Putin spricht, wird ganz schnell in die Rolle des Demokratie-Feindes positioniert. - Dort streichelt man dann lieb über seinen Kopf und sagt ihm: "Du darfst das sagen - aber wir werden Dir behilflich sein, auf die rechte demokratische Spur zu kommen". - Und das machen immer weniger Menschen mit.

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