Armut-nein Danke?

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sven23
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#121 Re: Armut-nein Danke?

Beitrag von sven23 » Sa 26. Okt 2013, 19:51

Es stehen wohl schon Entschädigungssummen für die Abschlusszahlung im Raum. Natürlich liegen sie wie erwartet weit auseinander aber ein Kompromiss sollte möglich sein.

http://www.taz.de/!118898/


Auszug:
"Zur Ablösung der Staatsleistungen schlägt die Linkspartei in ihrem Gesetzentwurf „eine einmalige Entschädigungszahlung in Höhe des Zehnfachen des zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes gezahlten Jahresbeitrags“ vor. Das wären derzeit also rund 4,81 Milliarden Euro – eine Summe, die alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien für viel zu gering halten. In Kirchenkreisen reichen die Vorstellungen sogar bis hin zum 40-Fachen der jährlichen Staatszahlungen.

Dabei ist es umstritten, ob den Kirchen überhaupt eine Entschädigung zusteht. „Die evangelische und katholische Kirche haben mit mehr als 15 Milliarden Euro seit 1949 bereits ein Vielfaches dessen erhalten, was ihnen durch die Enteignungen in vergangenen Jahrhunderten genommen worden ist“, rechnet HUlerin Wiese vor. „Eine Entschädigung ist deshalb nicht mehr nötig.

Dieser Einschätzung würde ich mich vorbehaltlos anschließen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

closs
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#122 Re: Armut-nein Danke?

Beitrag von closs » Sa 26. Okt 2013, 22:44

sven23 hat geschrieben: „Die evangelische und katholische Kirche haben mit mehr als 15 Milliarden Euro seit 1949 bereits ein Vielfaches dessen erhalten, was ihnen durch die Enteignungen in vergangenen Jahrhunderten genommen worden ist“
Das stimmt wahrscheinlich nicht. Denn man muss den zugrunde liegenden Betrag auch verzinsen.

Ganz nebenbei: Der von Dir verlinkte Artikel ist ausgezeichnet, weil er nur die Staatsleistungen ohne Zweckbindung (also beispielsweise Bischofsgehälter) benennt - und das sind seit 1949 ca. 15 Milliarden Euro insgesamt (und nicht pro Jahr, wie es Frerk darstellt). - Machen wir ein Rechenexempel:

Folgte man den LINKEN, die ca. 5 Milliarden als Entschädigungszahlen für angebracht halten, sind das bei 4% Verzinsung 200 Mio Euro p.a. - Nimmt man das 40-Fache (was im anderen Extrem für angemessen gehalten wird), sprechen wir von einer Verzinsung von 5 Milliarden x 40 = 200 Milliarden - bei 4% Verzinsung wären das 8 Milliarden Euro p.a.

Die Kirchen erhalten als nicht-zweckgebundene Zahlungen laut TAZ ca. 500 Millionen Euro p.a. - also quasi Zinszahlungen auf das Schuldenkapital. - 500 Mio Euro p.a. decken bei 4% Zins gerade mal die reinen Zinszahlungen für 12,5 Milliarden Kapital ab. - Vergleicht man diese 12,5 Milliarden Euro wiederum mit der Kapital-Ansetzungs-Bandbreite (siehe Absatz vorher) von 5 Milliarden Euro (die LINKE) und 200 Milliarden Euro (wahrscheinlich die RKK), ist das sehr tief angesetzt - auf gut deutsch:

Die 500 Millionen Euro, die die Kirche/n heute nicht-zweckgebunden erhalten, decken wahrscheinlich nicht einmal die Zinslasten der Schuld ab - von Tilgung ganz zu schweigen. - Wenn alle Parteien außer den LINKEN 5 Milliarden für weit zu niedrig angesetzt sehen (TAZ), darf man davon ausgehen, dass mindestens (!) von einem mittleren 2stelligen Milliarden-Betrag die Rede ist, die noch zu tilgen ist.

sven23 hat geschrieben: „Eine Entschädigung ist deshalb nicht mehr nötig.“
Parteiisches Wunschdenken, aber aus obigen Gründen nicht haltbar.
Zuletzt geändert von closs am Sa 26. Okt 2013, 23:21, insgesamt 1-mal geändert.

Pluto
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#123 Re: Armut-nein Danke?

Beitrag von Pluto » Sa 26. Okt 2013, 23:13

closs hat geschrieben: Die Kirchen erhalten als nicht-zweckgebundene Zahlungen laut TAZ ca. 500 Millionen Euro p.a. - also quasi Zinszahlungen auf das Schuldenkapital. - 500 Mio Euro p.a. decken bei 4% Zins gerade mal die reinen Zinszahlungen für 12,5 Milliarden Kapital ab. - Vergleicht man diese 12,5 Milliarden Euro wiederum mit der Kapital-Ansetzungs-Bandbreite (siehe Absatz vorher) von 5 Milliarden Euro (die LINKE) und 200 Milliarden Euro (wahrscheinlich die RKK), ist das sehr tief angesetzt - auf gut deutsch:
Sag mal. Wie kommst du eigentlich auf 4% Verzinsung? Ist das nicht etwas hoch gegriffen in der heutigen Zeit sinkender Zinserträge?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#124 Re: Armut-nein Danke?

Beitrag von closs » Sa 26. Okt 2013, 23:17

Pluto hat geschrieben:Wie kommst du eigentlich auf 4% Verzinsung? Ist das nicht etwas hoch gegriffen in der heutigen Zeit sinkender Zinserträge?
Das ist der in Deutschland notariell, also staatlich vorgesehene Zinssatz für beglaubigte Darlehensverträge/Schuldverschreibungen. - Im Mittel seit 1949 wird das hinkommen. - Alternativ kann man marktorientierte, also jährlich wechselnde Zinssätze vereinbaren.

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#125 Re: Armut-nein Danke?

Beitrag von Pluto » Sa 26. Okt 2013, 23:34

closs hat geschrieben:Im Mittel seit 1949 wird das hinkommen. - Alternativ kann man marktorientierte, also jährlich wechselnde Zinssätze vereinbaren.
Das Mittel über die letzten 65 Jahre (seit 1949) hat mit den im Parlaiment diskutierten Zahlugen nichts zu tun, denn es geht um eine Abgeltung für künftige Zahlungen.
Da sind wesentlich niedrigere Sätze, in der Größungordnung von 1-2% realistisch.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#126 Re: Armut-nein Danke?

Beitrag von closs » Sa 26. Okt 2013, 23:46

Pluto hat geschrieben:Da sind wesentlich niedrigere Sätze, in der Größungordnung von 1-2% realistisch.
Absolut richtig - man kann das vertraglich regeln - dazu gibt es Marktdaten.

Auf die vorherige Rechnung bezogen hieße dies: Bei 2% Zins kann man mit 500 Mio Euro jährliche Zinsschulden für 25 Milliarden Kapital bedienen (ohne Tilgung) - das erscheint realistisch (und ist sogar immer noch zurückhaltend gerechnet), wenn man sich die Bandbreite von 4 Milliarden bis 200 Milliarden Schuld-Ansetzung zugrunde legt. - Der Staat wird da nicht rauskommen und wird besser bedient sein, wenn er es lässt, wie es ist.

DASS die Forderungen der Kirche im Grundsatz berechtigt sind, mag die Reaktion der LINKEN zeigen, die einen möglichst geringen Betrag ansetzen (also eingestehen, dass da etwas anzusetzen ist).

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#127 Re: Armut-nein Danke?

Beitrag von Pluto » So 27. Okt 2013, 00:00

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Da sind wesentlich niedrigere Sätze, in der Größungordnung von 1-2% realistisch.
Absolut richtig - man kann das vertraglich regeln - dazu gibt es Marktdaten.
Eben.

Auf die vorherige Rechnung bezogen hieße dies: Bei 2% Zins kann man mit 500 Mio Euro jährliche Zinsschulden für 25 Milliarden Kapital bedienen (ohne Tilgung) - das erscheint realistisch (und ist sogar immer noch zurückhaltend gerechnet), wenn man sich die Bandbreite von 4 Milliarden bis 200 Milliarden Schuld-Ansetzung zugrunde legt. - Der Staat wird da nicht rauskommen und wird besser bedient sein, wenn er es lässt, wie es ist.
Die Frage ist so nicht zu beantworten, denn ob Abschalgszahlung oder Zins ist immer eine Frage der dargebotenen Alternativen.
Da der Staat in der Vergangenheit dauernd Geld am Kapitalmarkt aufnahm (letztes Jahr waren es 22,5 Milliarden Euro), war es bis jetzt sinnvoll jährliche Zahlungen an die Kirchen zu leisten. Das soll sich aber schon im nächsten Jahr ändern — 2014 soll ausgeglichen sein — danach werden Kapitalüberschüsse erwartet, die eine Rückzahlung der Schulden möglich erscheinen lassen.

Die Debatte über die Abschalgszahlung an die Kirchen kommt also genau zum richtigen Zeitpunkt. :mrgreen:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#128 Re: Armut-nein Danke?

Beitrag von closs » So 27. Okt 2013, 00:13

Pluto hat geschrieben:Die Debatte über die Abschalgszahlung an die Kirchen kommt also genau zum richtigen Zeitpunkt
Mir wäre eine Trennung auch lieber - Bischof mit Eid auf die Verfassung geht nicht (muss aber sein wegen Beamtenstatus). - Meinst Du wirklich, dass der Staat neue 25 oder 50 Milliarden Euro in seinen Bundeshaushalt als Schulden einstellt und sich damit einmalig freikauft?

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#129 Re: Armut-nein Danke?

Beitrag von sven23 » So 27. Okt 2013, 06:29

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wie kommst du eigentlich auf 4% Verzinsung? Ist das nicht etwas hoch gegriffen in der heutigen Zeit sinkender Zinserträge?
Das ist der in Deutschland notariell, also staatlich vorgesehene Zinssatz für beglaubigte Darlehensverträge/Schuldverschreibungen. - Im Mittel seit 1949 wird das hinkommen. - Alternativ kann man marktorientierte, also jährlich wechselnde Zinssätze vereinbaren.

Der Gesetzentwurf sieht keine Verzinsung vor. Warum auch?. Die Dotationen von derzeit ca. 500 Mio € sind permanent mit den Beamtengehältern gestiegen, also quasi schon verzinst worden. Ein Ablösezahlung im mittleren Bereich von ca. 10 Mrd. € wären demnach realistisch. Würde man diesen Betrag in 5 Raten teilen, wäre er selbstredend mit Marktzinsen zu beaufschlagen.

Es ist doch gerade der Sinn der Ablösung, die laufenenden Zahlungen, die man als Zinszahlungen verstehen könnte, ein für allemal zu beenden.

Seien wir doch mal ehrlich: mit dem jetzigen Modell eines perpetuum mobile fährt die Kirche langfristig immer besser. Das weiß auch die Kirche, sonst hätte sie schon längst rebelliert.
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#130 Re: Armut-nein Danke?

Beitrag von closs » So 27. Okt 2013, 08:32

sven23 hat geschrieben:Es ist doch gerade der Sinn der Ablösung, die laufenenden Zahlungen, die man als Zinszahlungen verstehen könnte, ein für allemal zu beenden.
Logisch - würde die Summe (welche auch immer) mit einem Mal abgelöst, gäbe es selbstverständlich keine Zinsen. Mein Ansatz ging davon aus, dass zweckfreie Zahlungen an die Kirche wegfallen und durch Schuld-Annuitäten ersetzt werden würde FÜR DEN FALL, dass der Staat die Schulden NICHT mit einem Mal ablöst. Dann wäre es ein normaler Kredit, der bis zur kompletten Tilgung verzinst wird.

sven23 hat geschrieben:Seien wir doch mal ehrlich: mit dem jetzigen Modell eines perpetuum mobile fährt die Kirche langfristig immer besser.
Sicher? - Das kommt doch auf die Kapitalsumme (also Schuldenlast) an.

Wäre die Schuldenlast bei 10 Milliarden Euro, dann hättest Du recht, weil die ca. 500.000 Euro pm an die Kirchen dann MEHR wären als die fälligen Zinsen auf 10 Milliarden Euro. - Wäre die Schuldenlast meinetwegen 30 Milliarden Euro, wären die ca. 500.000 Euro pm an die Kirchen WENIGER als die fälligen Zinsen auf 30 Milliarden Euro.

Die Bandbreite der heutigen Einschätzung der Schuldenlast liegt zwischen 5 Milliarden (die LINKE) und 200 Milliarden (wahrscheinlich Schätzung der Kirche) - es werden also bei einer Verhandlung bestimmt 50 Milliarden rauskommen. - Bekäme die Kirche das mit einem Schlag, würde sie bei einer niedrigen Haben-Zinsen-Veranlagung von 1,25% sowohl die bisher vom Staat gezahlten 500 Mio Euro (=1%) als auch die Zins-Abschlagssteuer (= 0,25%) aufwandsneutral zahlen können - würde also die 50 Milliarden Euro Kapital NICHT antasten. - Das wäre ein Vorteil der Kirche gegenüber dem heutigen Status Quo.

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