Was steht in einem Text?

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closs
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#1 Was steht in einem Text?

Beitrag von closs » Do 18. Mai 2017, 18:48

Thema abgetrennt aus: Experimentiert Gott?

Ruth hat geschrieben:Ich habe gerade meine Notizen von damals noch mal nachgelesen und noch einen guten Spruch gefunden, der in diesem Buch als Abschlusswort steht:

"Die Erde ist randvoll mit Himmel,

und in jedem gewöhnlichen Dornbusch brennt Gott,

Aber nur jene, die sehen können, ziehen ihre Schuhe aus;

Die anderen sitzen drum herum und pflücken Brombeeren"

(Elizabeth Barret Browning)
Das wäre einen eigenen Thread wert. Denn hier wird ein Problem angesprochen, das aus meiner Sicht hochaktuell ist. - Denn heute neigt man dazu, "neutral" an Texte heranzugehen - im Sinne von (ich überzeichne etwas): "Was steht in einem Text, wenn man inhaltliches Verständnis ("den Dornbusch brennen sehen") durch methodische Untersuchung ("Brombeeren pflücken") ersetzt".

Ruth
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#2 Re: Was steht in einem Text?

Beitrag von Ruth » Do 18. Mai 2017, 19:24

closs hat geschrieben:
Ruth hat geschrieben:Ich habe gerade meine Notizen von damals noch mal nachgelesen und noch einen guten Spruch gefunden, der in diesem Buch als Abschlusswort steht:

"Die Erde ist randvoll mit Himmel,

und in jedem gewöhnlichen Dornbusch brennt Gott,

Aber nur jene, die sehen können, ziehen ihre Schuhe aus;

Die anderen sitzen drum herum und pflücken Brombeeren"

(Elizabeth Barret Browning)
Das wäre einen eigenen Thread wert. Denn hier wird ein Problem angesprochen, das aus meiner Sicht hochaktuell ist. - Denn heute neigt man dazu, "neutral" an Texte heranzugehen - im Sinne von (ich überzeichne etwas): "Was steht in einem Text, wenn man inhaltliches Verständnis ("den Dornbusch brennen sehen") durch methodische Untersuchung ("Brombeeren pflücken") ersetzt".

Ja, dann mach das doch - einen neuen Thread zu diesem Spruch. :thumbup:

Rembremerding hat den Spruch auch schon in einem Nachbarthread transportiert. Vielleicht passt dein Anliegen ja auch in diesen Thread (?)
http://www.4religion.de/viewtopic.php?s ... 95#p250195
Zuletzt geändert von Ruth am Do 18. Mai 2017, 19:27, insgesamt 2-mal geändert.

Pluto
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#3 Re: Was steht in einem Text?

Beitrag von Pluto » Do 18. Mai 2017, 19:25

closs hat geschrieben:Denn hier wird ein Problem angesprochen, das aus meiner Sicht hochaktuell ist. - Denn heute neigt man dazu, "neutral" an Texte heranzugehen - im Sinne von (ich überzeichne etwas): "Was steht in einem Text, wenn man inhaltliches Verständnis ("den Dornbusch brennen sehen") durch methodische Untersuchung ("Brombeeren pflücken") ersetzt".
Ja. Wir können gerne dieses Thema vertiefen, nur müssen wir uns davor in Acht nehmen, und nicht beliebig interpretieren, sondern den Text, bzw. die Metapher versuchen zu verstehen.
Verständnis muss im Konsens geerdet sein.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Pluto
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#4 Re: Was steht in einem Text?

Beitrag von Pluto » Do 18. Mai 2017, 19:26

Ruth hat geschrieben:Ja, dann mach das doch - einen neuen Thread zu diesem Spruch. :thumbup:
Das machen wir anders... :D
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#5 Re: Was steht in einem Text?

Beitrag von Ruth » Do 18. Mai 2017, 19:29

Pluto hat geschrieben:
Ruth hat geschrieben:Ja, dann mach das doch - einen neuen Thread zu diesem Spruch. :thumbup:
Das machen wir anders... :D

:thumbup: Danke Pluto

closs
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#6 Re: Was steht in einem Text?

Beitrag von closs » Do 18. Mai 2017, 20:02

Pluto hat geschrieben:Wir können gerne dieses Thema vertiefen, nur müssen wir uns davor in Acht nehmen, und nicht beliebig interpretieren
Das Wort "beliebig" verstehe ich immer weniger. Ist aus Deiner Sicht "beliebig",
a) wenn man aus einer bestimmten Hermeneutik heraus interpretiert, oder
b) wenn man irgendwas unbegründet sagt, weil's einem gerade danach ist?

Pluto hat geschrieben:Verständnis muss im Konsens geerdet sein.
Funktioniert in der Regel nicht - erinnere Dich an unsere Polysem-Diskussionen. - Mir ist weniger denn je klar, wie sich (um in Ruths Bild zu bleiben) "Dornbusch-Seher" und "Brombeer-Pflücker" verständigen sollen.

Ruth
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#7 Re: Was steht in einem Text?

Beitrag von Ruth » Do 18. Mai 2017, 21:06

Ruth hat geschrieben:
"Die Erde ist randvoll mit Himmel,

und in jedem gewöhnlichen Dornbusch brennt Gott,

Aber nur jene, die sehen können, ziehen ihre Schuhe aus;

Die anderen sitzen drum herum und pflücken Brombeeren"

(Elizabeth Barret Browning)
Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Denn hier wird ein Problem angesprochen, das aus meiner Sicht hochaktuell ist. - Denn heute neigt man dazu, "neutral" an Texte heranzugehen - im Sinne von (ich überzeichne etwas): "Was steht in einem Text, wenn man inhaltliches Verständnis ("den Dornbusch brennen sehen") durch methodische Untersuchung ("Brombeeren pflücken") ersetzt".
Ja. Wir können gerne dieses Thema vertiefen, nur müssen wir uns davor in Acht nehmen, und nicht beliebig interpretieren, sondern den Text, bzw. die Metapher versuchen zu verstehen.
Verständnis muss im Konsens geerdet sein.

Ach, es gibt Vorgaben, wie man den Text verstehen darf?

In dem Spruch von Elizabeth Barret Browning geht es ganz deutlich darum, dass es Dinge gibt, die mit unterschiedlichen "Augen" gesehen werden können. Man wird also, wenn man diesen Spruch als Grundlage nimmt, um an Texte heranzugehen, damit rechnen müssen, dass mindestens zwei verschiedene Wahrnehmungen erkennbar sind, die nicht miteinander verglichen werden können und auch nicht zusammen passen.

Der brennende Dornbusch stammt aus einer Geschichte der Bibel, wo Mose den brennenden Dornbusch sieht, dorthin geht und Gottes Stimme darin vernimmt. Die Stimme Gottes war in dem Moment an Mose gerichtet, also hat dieser sie auch gehört.

Wenn solche brennende Dornbüsche als Metapher für Orte genommen werden, an denen Menschen Gottes Stimme hören können, dann ist sehr klar, dass Menschen, die es ausschließen, dass Gott sich den Menschen gegenüber äußert, oder gar nicht an einen Gott glauben, den Brand in dem Dornbusch nicht sehen können und schon gar nicht Gottes Stimme vernehmen können. Für diese Menschen ist der Dornbusch lediglich ein Brombeerstrauch, von dem man Früchte ernten und verspeisen kann.

Wenn die Autorin des Spruchs aussagt, dass Der Himmel überall auf der Erde, und damit Gott auch überall seine Botschaft an die Hörenden und Sehenden zu finden ist, dann werden sich an jedem Dornbusch die Geister scheiden. Weil die einen sehen und die anderen nicht. Und nur die Sehenden auch Hörende sein können. Die anderen werden nur die Früchte wahrnehmen und sie den Menschen als alleinige Wahrheit servieren.

Auch passend dazu, von Antoine de Saint-Exupéry
Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.
aus "Der kleine Prinz"

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#8 Re: Was steht in einem Text?

Beitrag von Pluto » Fr 19. Mai 2017, 10:13

Ruth hat geschrieben:Ach, es gibt Vorgaben, wie man den Text verstehen darf?
Nein, das nicht. Aber wenn sie allzu sehr vom Mittel abweicht, musst du gute Gründe dafür vorlegen können.

In dem Spruch von Elizabeth Barret Browning geht es ganz deutlich darum, dass es Dinge gibt, die mit unterschiedlichen "Augen" gesehen werden können. Man wird also, wenn man diesen Spruch als Grundlage nimmt, um an Texte heranzugehen, damit rechnen müssen, dass mindestens zwei verschiedene Wahrnehmungen erkennbar sind, die nicht miteinander verglichen werden können und auch nicht zusammen passen.

Ruth hat geschrieben:Der brennende Dornbusch stammt aus einer Geschichte der Bibel, wo Mose den brennenden Dornbusch sieht, dorthin geht und Gottes Stimme darin vernimmt. Die Stimme Gottes war in dem Moment an Mose gerichtet, also hat dieser sie auch gehört.

Wenn solche brennende Dornbüsche als Metapher für Orte genommen werden, an denen Menschen Gottes Stimme hören können, dann ist sehr klar, dass Menschen, die es ausschließen, dass Gott sich den Menschen gegenüber äußert, oder gar nicht an einen Gott glauben, den Brand in dem Dornbusch nicht sehen können und schon gar nicht Gottes Stimme vernehmen können. Für diese Menschen ist der Dornbusch lediglich ein Brombeerstrauch, von dem man Früchte ernten und verspeisen kann.
Ich sehe den Dornenbusch metaphorisch: Er steht für die Ewigkeit und das Wort Gottes.

Wenn die Autorin des Spruchs aussagt, dass Der Himmel überall auf der Erde, und damit Gott auch überall seine Botschaft an die Hörenden und Sehenden zu finden ist, dann werden sich an jedem Dornbusch die Geister scheiden. Weil die einen sehen und die anderen nicht. Und nur die Sehenden auch Hörende sein können. Die anderen werden nur die Früchte wahrnehmen und sie den Menschen als alleinige Wahrheit servieren.

Ruth hat geschrieben:Auch passend dazu, von Antoine de Saint-Exupéry
Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.
aus "Der kleine Prinz"
Ja. Ein schöner Spruch, aber auch metaphorisch gemeint.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#9 Re: Was steht in einem Text?

Beitrag von closs » Fr 19. Mai 2017, 10:44

Pluto hat geschrieben: Ein schöner Spruch, aber auch metaphorisch gemeint.
Natürlich - "Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis". - Natürlich ist damit NICHT gemeint, dass das Herz Sehnerven hat.

Möglicherweise gibt es ein Problem im Wort Metapher/Gleichnis/Chiffre/etc. - alle unteinander unterschiedliche Begriffe, aber jeweils darauf hinweisend, dass etwas für etwas anderes steht. - Was dabei übersehen wird: Auch Historie ist Metapher/Gleichnis/Chiffre/etc - konkret:

Wenn man sagt, "brennender Dornbusch" steht für etwas, heißt dies NICHT, dass es diesen brennenden Dornbusch nur in der Vorstellung Moses gegeben hat - es kann ihn wirklich naturalistisch gegeben haben. - Oder sogenannte Wunder: Wenn es heißt, dass Jesus über den See Gethsemane gelaufen ist,ist dies in jedem Fall "Metapher/Gleichnis/Chiffre/etc" - das heißt aber nicht, dass es naturalistisch nicht stattgefunden hat - er kann WIRKLICH über den See gelaufen sein. - Die Unterscheidung "Metapher/Gleichnis/Chiffre/etc = Vorstellung des SChreibers" und "Historie = wirklich" ist also vom Ansatz her falsch.

In der Konsequenz heisst dies: Die Frage oder gar der Nachweis, ob oder dass etwas historisch/naturalistisch so stattgefunden hat oder erfundenes Bild ist, sagt nichts über die eigentliche Wirklichkeit des "Sehbaren" aus, da beides für ein eigentlich Wirkliches stehen kann. - Historische Realität oder Nicht-Realität ist kein Kriterium zur Beantwortung der Frage: "Was ist hier (geistig) zu sehen". - Ich glaube, dass es diesbezüglich Missverständnisse gibt.

Nochmals konkret:
* Der naturalistisch tatsächlich brennende Dornbusch kann geistig-wirklich eine göttliche Verheißung sein, aber auch lediglich eine brennende Biomasse, die nichts zu bedeuten hat.
* Das erfundene Gleichnis "Pluto ist wie ein Engel" kann geistig-wirklich sein ("Er ist es wirklich"), aber auch lediglich eine Worthülse.

Mit anderen: Die Darreichungsform "historisch oder erfunden" sagt überhaupt nichts über den Wirklichkeits-Status des Inhalts aus, der damit vermittelt werden soll.

Ruth
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#10 Re: Was steht in einem Text?

Beitrag von Ruth » Fr 19. Mai 2017, 11:06

Pluto hat geschrieben:
Ruth hat geschrieben:Ach, es gibt Vorgaben, wie man den Text verstehen darf?
Nein, das nicht. Aber wenn sie allzu sehr vom Mittel abweicht, musst du gute Gründe dafür vorlegen können.

Das verstehe ich jetzt nicht. Bei diesem Text finde ich, ist die Botschaft ziemlich eindeutig. Was würdest du denn als Abweichung vom Mittel verstehen, zum Beispiel?

Pluto hat geschrieben:Ich sehe den Dornenbusch metaphorisch:

Ich auch. Aber auch vom Ursprung her. Es stammt aus der Geschichte, wo Mose Gott in einem Dornbusch begegnet ist. Was sonst könnte man im Zusammenhang mit einem brennenden Dornbusch als Metapher verstehen? Wo kommt dieser Vergleich sonst noch vor?

Der Dornbusch (die Ewigkeit; der Himmel) können überall im Leben erkannt werden (für Menschen, die es wahrnehmen können)

Pluto hat geschrieben:Er steht für die Ewigkeit und das Wort Gottes.

Gut, ich habe es mit dem Himmel und der Begegnung eines Menschen mit Gottes Reden verglichen - im Prinzip das Gleiche.

In der Mose-Geschichte sagt Gott in der Dornbuschszene zu Mose (2.Mose 3,4+5): "...zieh deine Schuhe von deinen Füßen; denn der Ort, darauf du stehst, ist heiliges Land!"

Dass in dem Spruch als Reaktion auf den brennenden Busch dieses "Schuhe-ausziehen" übernommen wird, gehe ich davon aus, dass die Autorin damit ausdrücken wollte, dass Menschen, die Gott in ihrem ganz normalen Leben erkennen (im brennenden Dornbusch) dies auch ausdrücken, dass sie dort auf "Heiliges Land" gestoßen sind (Metapher: Schuhe ausziehen)

während Menschen, die mit den gleichen Anzeichen (gleicher Ort; gleicher Dornbusch) Gott nicht erkennen können, eben nur den Dornbusch sehen und die Früchte loben und verspeisen.

Das sind zwei gegensätzliche Ansichten. Die aber beide real sind. Sichtbar für Menschen, die ihre Wahrnehmung umsetzen.

Ruth hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Auch passend dazu, von Antoine de Saint-Exupéry
Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.
aus "Der kleine Prinz"
Ja. Ein schöner Spruch, aber auch metaphorisch gemeint.

Ja klar. Das Herz hat ja keine körperlich sichtbare Augen. ;)


Und? - Ist das jetzt kompatibel mit deiner Vorgabe - keine Abweichung vom Mittel? Oder, was passt nicht?

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