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#41 Re: Bist Du glücklich?

Verfasst: So 1. Sep 2013, 21:47
von closs
Salome23 hat geschrieben:könnte es schon als Glück erachten-ein neutrales Gefühls-Level zu empfinden.
Genau so - Glück ist die positive Abweichung vom (individuellen) Normzustand.

#42 Re: Bist Du glücklich?

Verfasst: So 1. Sep 2013, 22:20
von Sola
Man kann sich auch mit "Glück" stressen.

Ich kenne Menschen, die sich alles "schönreden", was sie erreicht haben, obwohl es eigentlich nicht wirklich ihrem Lebenstraum entspricht.
Aber sie können sich das nicht eingestehen, weil sie sonst das Gefühl hätten, versagt zu haben und auch in den Augen anderer als Versager dazustehen. Also suchen sie nach Begründungen, warum das, was sie jetzt haben eigentlich doch viiiiel besser ist als ihr ursprünglicher Lebenstraum und machen alle runter, die genau das erreicht haben, was sie selbst nicht schafften.
Auch eine Bewältigungsstrategie für Niederlagen.

Aber es zeigt, dass noch viel wichtiger als das Erreichte selbst das Glücksgefühl und die Selbtverwirklichung ist, die man daraus bezieht - für sich selbst und als Bestätigung in den Augen anderer. Daher kann man sich die Unzufriedenheit kaum eingestehen.

Auch unsere Freizeit, insbesondere der Urlaub, steht unter einem grossen Erwartungsdruck, besondere Glücksmomente zu liefern, von denen man dann wieder im schnöden Alltag zehren kann. Auch das kann in Stress ausarten. Genauso in der Beziehung - das kann auch zum Stress für den Partner werden, wenn man von ihm erwartet, eine ständig sprudende "Glücksquelle" für einen zu sein.

Es ist halt immer ein gutes Gefühl, das"Optimum" zu haben und nicht nur das "Zweitbeste".

#43 Re: Bist Du glücklich?

Verfasst: So 1. Sep 2013, 23:29
von Pluto
Sola hat geschrieben:Es ist halt immer ein gutes Gefühl, das"Optimum" zu haben und nicht nur das "Zweitbeste".
Richtig. Und auch das ist das Ergebnis des Drangs nach mehr Wohlbefinden. ;)

#44 Re: Bist Du glücklich?

Verfasst: So 1. Sep 2013, 23:54
von Magdalena61
Sola hat geschrieben:Kann es nicht auch sein, dass hier einfach ein gewisser "Übersättigungseffekt" der Unzufriedenheit zugrunde liegt?
So wie einem "Übersatten" der beste Kaviar keinen wirklichen Genuss mehr bereiten kann, für einen "Ausgehungerten" aber trockene Brotrinden ein "wahres Festmahl der Sinne" hervorrufen und er hinterher satt und zufrieden sich wohlfühlt, während der ständig Übersättigte höchstens gegen den Brechreiz und Magenzwicken ankämpft?
Du meinst, jemand tut sich zuviel des Guten und bekommt davon emotionale Bauchschmerzen?
Kann schon sein. In diesem Fall liegt dem Fehlverhalten/ dem übersteigerten Egosimus eine falsche Einschätzung/eine falsche Planung zugrunde.

Nur: Warum tut jemand so etwas?
Warum macht er das, wenn er doch gelernt hat oder eigentlich wissen müsste, dass ihm das nicht gut tut? Warum schadet er sich anhaltend?

Dahinter steht meiner Meinung nach nicht ein "Zuviel" an allem, sondern ein Mangel, ein innerer Hunger, der auf die falsche Art "gestillt" wird-- mit Ersatzbefriedigungen als Kompensation existenzieller Bedürfnisse.
Beispiel: Jemand fühlt sich überfordert oder alleine gelassen und greift zum Alkohol. Den kann er sich leisten. Aber der Alkohol tut ihm nicht wirklich gut, und ein Problemlöser ist das Hochprozentige schon gar nicht.
Wenn kein Bedürfnis da ist, kann es auch nicht erfüllt werden - und gerade diese "Erfüllung" gibt doch das das Gefühl der Zufriedenheit und des Glücks. Und je grösser und sehnlicher der Wunsch war, um so mehr.
Ja, aber die Bedürfnisbefriedigung erzeugt nur ein zeitlich begrenztes "Glück", eine vorübergehende Zufriedenheit. Zum einen wird der Mensch ja wieder hungrig werden, und zum anderen gewöhnt er sich schnell an das Sattsein, und dann werden andere Dinge wichtig; die, so lange er Hunger hatte, nicht im Vordergrund standen.
LG

#45 Re: Bist Du glücklich?

Verfasst: Mo 2. Sep 2013, 00:25
von Sola
Man kann es natürlich auch so sehen, dass die "Bedürfnisbefriedigung" eigentlch eine "Ersatzbefriedigung" ist, dass dahinter ein "unstllbarer" Lebensdurst steht, eine Sehnsucht nach Erfüllung, die eigentlich durch keine erfüllten Wünsche wirklich zu befriedigen ist.
Aber solange es noch offene Wünsche und unerfüllte Träume gibt, die "in Reichweite" sind, kann man noch alles davon erwarten, hat man noch Hoffnung auf das ganz grosse Glück.
Erst wenn man praktisch alles erreicht hat und die Unzufriedenheit ist trotzdem noch da, dann gibt es nichts mehr, von dem man sich - realistischerweise - "das wahre Glück" noch erhoffen könnte und bleibt auf der Unzufriedenheit sitzen, weil alles irgendwie sinnlos wird; der "Ist-Zustand" ist nicht mehr zu überbieten.

#46 Re: Bist Du glücklich?

Verfasst: Mo 2. Sep 2013, 00:49
von Magdalena61
closs hat geschrieben:Da ich den Thread-Titel unter umgangssprachlichen (also auch umgangs-kulturellen) Gesichtspunkten verstanden habe, ist es kein Widerspruch, denn im Sinne der vorherrschenden geistigen (Un-)Kultur strebe ich Glück tatsächlich NICHT an.
Was genau meinst du damit?

Meiner Meinung nach kostet das hohe Niveau der Zivilisation, in der wir leben und deren Vorteile wir genießen, ja, für selbstverständlich halten, einen (viel zu) hohen Preis.

Das Individuum wird, kaum dass es "Mama" und "Papa" sagen kann, in ein Korsett aus Pflichten, Zwängen/ erwünschten Verhaltensmustern gesteckt, damit es, ausreichend trainiert, im Erwachsenenalter dann als ein gut funktionierendes Teilchen der Gesellschaft dazu beitragen kann, das Niveau da zu halten, wo es ist.
Aber nicht jeder kommt damit klar.

Wer's gut packt, sich anzupassen, seinen Vorteil zu erkennen7 wahrzunehmen, die Nachteile zu kompensieren und die Bedürfnisse/Ansprüche der Gesellschaft zu bedienen... (und nicht zuletzt auch über die nötigen Ellenbogen verfügt, um sich gegen die Konkurrenz durchzusetzen), der kann Karriere machen und sein Leben weitgehend selbst bestimmen.
Wer's nicht so gut drauf hat, wer sozusagen "falsch verplant" und ständig gegen den Strich gebürstet wird, der macht Karriere als "Versager". --

An den Musikstudenten kann man den Wandel der Gesellschaft/ der Anforderungen, die an den Einzelnen gestellt werden, verfolgen. Früher, so las ich einmal, gingen die Musikstudenten aus dem Studium mit einem Können raus, das sie heute haben müssen, um überhaupt reinzukommen.

Die Anforderungen werden immer höher, und die Schüler, Azubis, Studenten und Sportler werden auf Höchstleistungen gedrillt. Die Gesellschaft ist der Moloch, der seine Kinder verschlingt.
Nur die Stärksten können da mithalten. Sie ziehen die Mittelmäßigen mit, geben ihnen Arbeit und Brot. Die Versager bleiben irgendwo auf der Strecke, unter der Brücke, im Milieu,weggesperrt in Strafvollzugsanstalten und psychiatrischen Kliniken. Oder, sie vegetieren vor sich hin, als lebenslängliche Hartz IV-Empfänger ohne jede Chance, die in ihnen liegenden Talente zu entwickeln und auszuleben; sprich: ihren Begabungen/ Neigungen entsprechend zu leben.

Wir haben uns als Gesellschaft sehr weit entfernt von den Kindern, die einmal im Paradies spielten und sich keine Sorgen machen mußten über Wirtschaftskrisen und atomare Bedrohung.

*ein Plädoyer gegen die gleichschaltende UNMENSCHLICHKEIT ist*

In vielen christlichen Gemeinden sieht's übrigens nicht besser aus. Es gibt einen Standard: "Gut" und "Böse" werden (konfessionsabhängig) definiert. Wer in das Wunsch- Bild reinpasst, der wird hofiert und genießt die allgemeine Anerkennung (mit Ausnahme seiner Neider), das tut seinem Selbstbewußtsein außerordentlich gut. Er besetzt einen der gehobenen Plätze in der Gruppenhierarchie, was ihm eine gewisse Genugtuung verschafft.

Die unübersichtliche große Welt wird auf einen überschaubaren Ausschnitt reduziert, den er mit Elan verwaltet. In seiner Provinz gehört er zu den Häuptlingen, und deshalb ist er "glücklicher" als andere.

"Glücklich(er)" ist, wer in Harmonie mit seinen Begabungen, mit der Schöpfung-- und mit Gott leben kann.
LG

#47 Re: Bist Du glücklich?

Verfasst: Mo 2. Sep 2013, 02:18
von closs
Magdalena61 hat geschrieben:Was genau meinst du damit?
Letztlich der Drang nach Erfüllung im Ego - denn das ist "Glück" im Mainstream-Sinne.

Magdalena61 hat geschrieben:das hohe Niveau der Zivilisation
Das gibt es tatsächlich - Beispiel: Vor einigen Jahren hat man mir die Galle entfernt - minimal-invasiv. Im Grunde konnte ich nach Abklingen der Narkose-Folgen so gut wie normal leben - keine wesentlichen SChmerzen, keine große Narbe - als wäre es fast Nichts gewesen. Diesbezüglich haben wir ein sehr, sehr hohes Niveau, das ich nur ungern missen würde.

Magdalena61 hat geschrieben:Das Individuum wird, kaum dass es "Mama" und "Papa" sagen kann, in ein Korsett aus Pflichten, Zwängen/ erwünschten Verhaltensmustern gesteckt
Selbst das wäre ansatzweise akzeptabel, wenn das Ziel der Pflichten, Zwängen/ erwünschten Verhaltensmustern einen tieferen Sinn hätte. - So aber ist das Ziel, also "Glück", dieser Veranstaltung die Erfüllung von System-Anforderungen.

Das, was man früher "Bildung" nannte (also die Formung des Menschen im Hinblick auf sein „Menschsein“, seine geistigen Fähigkeiten), kommt in den Lehrplänen im Grunde nicht mehr vor. Das, was man heute "Bildung" nennt, nannte man früher "Ausbildung", also Vorbereitung auf eine betriebswirtschaftliche Existenz. Nun kann ein Land nicht nur von "Dichtern und Denkern" leben ;) , aber eine geistige Grundlage als Voraussetzung für jedweden Beruf wäre schon gut. - Ersetzt werden diese geistigen Grundlagen durch Hypes und Moden unserer Medien- und Meinungs-Gesellschaft.

Magdalena61 hat geschrieben:Früher, so las ich einmal, gingen die Musikstudenten aus dem Studium mit einem Können raus, das sie heute haben müssen, um überhaupt reinzukommen.
Vielleicht in Sachen Technik - sicher nicht in Sachen "inneres Werkverständnis". - Man kann Chopin technisch brillant spielen, aber auch mit Seele spielen - Seele ist Reife und nicht dressierbar.

Magdalena61 hat geschrieben:Nur die Stärksten können da mithalten.
Ja - wenn man unter "Stärke" die schiere Kraft versteht.

Magdalena61 hat geschrieben:In vielen christlichen Gemeinden sieht's übrigens nicht besser aus.
Die christlichen Gemeinden sind in aller Regel genauso egozentrisch wie die säkulare Welt - statt den Geist wirken zu lassen, knebelt man in denominational.

Um den Bogen zum Thread-Thema zurückzuführen: Das System-"Glück" steht über dem Glück des Abgebens und Aufnehmens. - Christen müssten erkennen, dass sie einem anderen Kulturkreis angehören als der Mainstream.

#48 Re: Bist Du glücklich?

Verfasst: Mo 2. Sep 2013, 06:53
von sven23
closs hat geschrieben:[Christen müssten erkennen, dass sie einem anderen Kulturkreis angehören als der Mainstream.

Leben die jetzt auch schon in einer Parallelwelt? :lol:

#49 Re: Bist Du glücklich?

Verfasst: Mo 2. Sep 2013, 08:15
von closs
sven23 hat geschrieben:Leben die jetzt auch schon in einer Parallelwelt?
Umgekehrt. :lol:

#50 Re: Bist Du glücklich?

Verfasst: Mo 2. Sep 2013, 10:02
von Pluto
closs hat geschrieben:
Magdalena61 hat geschrieben:das hohe Niveau der Zivilisation
...Diesbezüglich haben wir ein sehr, sehr hohes Niveau, das ich nur ungern missen würde.
Ja. Das merkt man nicht nur an der medizinischen Versorgung, sondern auch an der Vernetzung der Menschen (Facebook) oder den Kommunikationsmöglichkeiten (Internet und Handy, hunderte TV-Kanäle).

Magdalena61 hat geschrieben:Das Individuum wird, kaum dass es "Mama" und "Papa" sagen kann, in ein Korsett aus Pflichten, Zwängen/ erwünschten Verhaltensmustern gesteckt
Selbst das wäre ansatzweise akzeptabel, wenn das Ziel der Pflichten, Zwängen/ erwünschten Verhaltensmustern einen tieferen Sinn hätte. - So aber ist das Ziel, also "Glück", dieser Veranstaltung die Erfüllung von System-Anforderungen.
Dieses Streben nach Glück, erhöht nicht nur den Streßfaktor, es weckt auch Begierlichkeiten bei Menschen die unseren Lebenstandard (noch) nicht haben. Es ist heute ganz normal, die Hotline einer Firma anzurufen, und in irgendeinem Call-Center in Kalkutta zu landen. Der Mitarbeiter spricht ein verständliches Deutsch, und ist so Hilfsbereit und zuvorkommend, wie wir es bei uns kaum noch finden. Die Menschen in diesem Call-Center streben auch nach ihrem Anteil des Glücks.
Glück und Freiheit gehören zu den großen Idealen der Menschheit. Sie sind aber IMO genauso begrenzt, wie die Ressourcen der Erde.
Die "Luft zum Atmen" wird für das Inividuum imer dünner, und nur wenige können sich materielles Glück überhaupt noch leisten.
Die Folge ist eine totale Globalisierung der Kokurrenz um die wenigen hochdotierten Positionen in der Gesellschaft, was in Zukunft die Kluft zwischen Arm und Reich vermutlich noch weiter auseinander treiben wird.

Magdalena61 hat geschrieben:Nur die Stärksten können da mithalten.
Ganz genau so ist es. Es genügt nicht mehr guter Durchsnitt zu sein um sich eine Existenz aufzubauen. Wer heute studieren will, muss im Schnitt eine Eins (mit einer kleinen Zahl hinter dem Komma) haben. Mit 'ner 2 oder noch Weniger haste kaum mehr Chancen anzukommen im Leben.

Wir haben uns als Gesellschaft sehr weit entfernt von den Kindern, die einmal im Paradies spielten und sich keine Sorgen machen mußten über Wirtschaftskrisen und atomare Bedrohung.
Die Zeiten wo noch Teile der Welt als Paradies galten sind vorbei. Allmählich macht sich der Druck der Zivilisation und der Bevölkerungsexplosion immer mehr bemerkbar.

*ein Plädoyer gegen die gleichschaltende UNMENSCHLICHKEIT ist*
Verstehe sehr gut wie du das meinst.
Es ist frustrierend darauf keine Antwort zu haben.