Hitler-Deutschland

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sven23
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#101 Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von sven23 » Sa 14. Okt 2017, 20:25

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Deshalb verstehe ich die Haltung der Kirchen um so weniger, als sie mit der Unterzeichnung der Reichskonkordats, sich freiwillig zu Hitlers Schergen machten.
Historisch vollkommen falsch - aber eine sich zäh haltende Urban Legend.
Nein, es ist keine Urban Legend, sondern historisches Faktum.

http://www.spiegel.de/einestages/80-jah ... 51201.html
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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1Johannes4
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#102 Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von 1Johannes4 » Sa 14. Okt 2017, 21:47

Und man sollte nicht vergessen, dass der Vatikan nach Kriegsende massenweise Nazi-Kriegsverbrechern die Flucht in Richtung Südamerika organisierte und sie dabei unter Anderem mit Ausweispapieren unterstützte. Diese Fluchtwege wurden als „Rattenlinien“ bzw. „Klosterrouten“ bezeichnet.

Es ist wohl eher eine Urban Legend, dass die katholische Kirche nur am Anfang auf die Nazis hereingefallen sei - wohl eher trifft es zu, dass sie im geistigen Sinn Brüder waren.
Da der hiesige Admin willkürlich meine Beiträge löscht, lohnt es sich nicht hier noch mitzulesen bzw. sich mit Kommentaren einzubringen. Wünsche Euch alles Gute.

closs
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#103 Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von closs » Sa 14. Okt 2017, 22:05

Pluto hat geschrieben:Das ist mit dem Kommunismus ist NUR der Anfang. Du musst schon alles lesen.Danach demütigen sich beide Kirchen, in dem sie die Taten des Führers loben und ihm huldigen.
Einvestanden - man hat das Feindbild "Kommunismus" vor sich gehabt und alles andere weggeblendet. - Nicht zu entschuldigen - aber trotzdem gilt, dass der Nationalsozialismus nicht zu den Kirchen gepasst hat UND die Kirchen ab ca. 1936 stark im Verfolgungs-Fokus der Nazis standen. - Und da war halt die Frage: Machen wir einen Aufstand incl. Blutbad oder verhalten wir uns opportunistisch. - Egal, was man macht: Man kommt da nicht heil raus.

sven23 hat geschrieben:Heute bezeichnest du den Mainstream als Teufelszeug, damals soll er als Entschuldigung herhalten für die schlimmsten Verbrechen.
Nee - Mainstream ist immer ein Problem - nur dass heute die Umstände nicht so sind, dass man damit allzuviel kaputt machen kann.

Mainstream ist auch keine Entschuldigung (wieder mal eine Unterstellung, die Du aus Unverständigkeit anderen zuschusterst - soll ich mal mitzählen), sondern eine Erklärung. - Diese Erklärung lautet im Wesentlichen:
1) Wer heute Mainstream ist, wäre es damals wahrscheinlich auch gewesen.
2) Man soll es sich nicht als Verdienst anrechnen, wenn man das Glück hat, in behüteten Zeiten zu leben.

sven23 hat geschrieben:Falsch, du bist es, der sich ungefragt zum Anwalt Gaulands gemacht hat
:lol: Aha - da lohnt sich das Mitzählen tatsächlich. - Nein auch hier: Du löst eine Unverständigkeit Deinerseits zu Lasten anderer auf. - Natürlich mache ich mich NICHT zum Anwalt Gaulands, sondern versuche zu erkennen zu geben, dass die AfD die Steilflanken dumpfen Mainstream-Denkens verwertet - und ob das wirklich eine gute Idee ist, eine Steilflanke nach der anderen zu geben.

sven23 hat geschrieben: Der Eroberungskrieg selbst gegen den Osten war verbrecherisch, nicht nur der Holocaust.
Der Vietnam- und Iran-Krieg war auch verbrecherisch - trotzdem ist es ein Unterschied zum Holocaust, in dem generalstabsmäßig und in Fabriken ein Volk getötet werden sollte.

sven23 hat geschrieben: Erst als die Bomben auf deutsche Städte fielen (wer Wind sät, wird Sturm ernten), kamen manchen die ersten Zweifel. Solange man siegte, war Völkermord und Versklavung in Ordnung.
So ist es - nachdem die Gewalt an Wenige übergeben worden war, konnte sie sich professionell organisieren - siehe Nordkorea. - Mich würde echt interessieren, wieviele Nordkoreaner im Innersten WIRKLICH Anhänger von ihrem Führer sind.

sven23 hat geschrieben:Nein, es ist keine Urban Legend, sondern historisches Faktum.

http://www.spiegel.de/einestages/80-jah ... 51201.html
Folgender Satz ist schlicht falsch:
"Während sich Konkordatsverhandlungen üblicherweise über Jahre erstreckten, waren Kirche und NS-Staat in diesem Fall innerhalb weniger Wochen handelseinig geworden" - dieses Konkordat wurde prinzipiell seit 1806, aber verschärft seit 1917 verhandelt - der Text war VOR Hitlers Machtübernahme zu 99% fertig - guckst Du Historie.

Weißt Du: Das ist typisch weltanschauliche Geschichtsklitterung des SPIEGEL - der es ebenfalls schon fertig gebracht hat, von 19 Milliarden Staats-Unterstützung für die Kirchen pro Jahr zu sprechen, obwohl es unter 1 Milliarde ist, UND diese auch Ersatzzahlungen für Zinszahlungen sind, die höher wären.

Urban Legends entstehen nicht aus dem Nichts, sondern werden gepflegt. - Übrigens: Hitler wurde im Winter 1933 Kanzler - der jahrelang vorbereitet Vertrag wurde im Sommer 1933 geschlossen. - Damals haben nur wenige gecheckt, was sich da anbahnt (Th. Mann hat übrigens dazu gehört).

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#104 Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von closs » Sa 14. Okt 2017, 22:06

1Johannes4 hat geschrieben:Es ist wohl eher eine Urban Legend, dass die katholische Kirche nur am Anfang auf die Nazis hereingefallen sei - wohl eher trifft es zu, dass sie im geistigen Sinn Brüder waren.
Das ist vielfach falsifizierbar - aber es wird halt für unsere heutige kirchenfeindliche Ohrensessel-Empörungs-Kultur gebraucht.

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#105 Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von Pluto » Sa 14. Okt 2017, 22:23

closs hat geschrieben:Das ist vielfach falsifizierbar -
Dann fang bitte damit an! Ich bin ganz Ohr.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#106 Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von 1Johannes4 » Sa 14. Okt 2017, 22:27

closs hat geschrieben:
1Johannes4 hat geschrieben:Es ist wohl eher eine Urban Legend, dass die katholische Kirche nur am Anfang auf die Nazis hereingefallen sei - wohl eher trifft es zu, dass sie im geistigen Sinn Brüder waren.
Das ist vielfach falsifizierbar - aber es wird halt für unsere heutige kirchenfeindliche Ohrensessel-Empörungs-Kultur gebraucht.

Dann erklär doch mal, warum die katholische Kirche solchen grausamen Massenmördern wie beispielsweise Adolf Eichmann und Joself Mengele bei der Flucht geholfen hat. Um deren Opfer hat sich die katholische Kirche jedenfalls weit weniger bemüht.
Da der hiesige Admin willkürlich meine Beiträge löscht, lohnt es sich nicht hier noch mitzulesen bzw. sich mit Kommentaren einzubringen. Wünsche Euch alles Gute.

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#107 Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von closs » Sa 14. Okt 2017, 22:38

Pluto hat geschrieben:Dann fang bitte damit an! Ich bin ganz Ohr.
Hier eine mir ausgewogene erscheinende Darstellung (gerade eben spontan aus dem Netz gefischt)


Kreuz und Hakenkreuz

Das Verhältnis der Kirche zum Nationalsozialismus war uneinheitlich und zahlreichen Schwankungen unterworfen. Die Diktatur des Hitler-Regimes bedeutete auch für die Kirche eine Zeit schwerer Konflikte.
Dossier: Kirche und NS-Staat | - 06.01.2015

Zunächst stand die katholische Kirche der Ende der zwanziger Jahre erstarkenden Hitler-Bewegung kritisch gegenüber. Als die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) bei den Reichstagswahlen am 14. September 1930 ihren Anteil an den Wählerstimmen von 2,6 auf 18,3 Prozent erhöhen konnte, sprachen die deutschen Bischöfe erstmals eine deutliche Warnung vor der Partei aus.

So wiesen die Oberhirten unter anderem auf das "inhaltsarme" Bekenntnis der NSDAP zum Christentum hin. Zudem kritisierten sie die nationalsozialistischen Auffassungen über Kirche, Staat, Schule, Religion und Rasse als "schief und falsch", ja "zum Teil als dem Christentum entgegengesetzt". Bei dieser ablehnenden Haltung blieb es bis 1933, sie wurde sogar noch verschärft durch das Verbot, als Katholik Mitglied der NSDAP zu werden.

Schwierige Lage nach der Machtübernahme

Nach der Machtübernahme Adolf Hitlers am 30. Januar 1933 jedoch kam die katholische Kirche in eine schwierige Lage. Sie stand nun vor dem Problem, die NSDAP und Hitler als - zunächst - rechtmäßige Vertreter des Staates anzuerkennen und der neuen Regierung den notwendigen staatsbürgerlichen Gehorsam zu zollen.

Erleichtert wurde dieser Schritt durch einige kirchenfreundliche Aussagen Hitlers. In seiner Regierungserklärung vom 23. März 1933 stellte der Reichskanzler den Kirchen weitreichende Zugeständnisse in Aussicht: "Die nationale Regierung sieht in den beiden christlichen Konfessionen wichtigste Faktoren der Erhaltung unseres Volkstums. Sie wird die zwischen ihnen und den Ländern abgeschlossenen Verträge respektieren; ihre Rechte sollen nicht angetastet werden."
Im März 1933 stellte Adolf Hitler den Kirchen überraschend weitreichende Zugeständnisse in Aussicht.
Im März 1933 stellte Adolf Hitler den Kirchen überraschend weitreichende Zugeständnisse in Aussicht.
Bundesarchiv

Diese wohlwollenden Worte Hitlers nahmen die Bischöfe nur fünf Tage später zum Anlass, ihre bisherigen Warnungen vor der NSDAP und deren "Führer" zurückzunehmen. Es sei anzuerkennen, dass Hitler "öffentlich und feierlich" die Unverletzlichkeit der katholischen Glaubenslehre und der Rechte der Kirche zugesichert habe. "Ohne die in unseren früheren Maßnahmen liegende Verurteilung bestimmter religiös-sittlicher Irrtümer aufzuheben, glaubt daher der Episkopat das Vertrauen hegen zu können, dass die (...) allgemeinen Verbote und Warnungen nicht mehr als notwendig betrachtet zu werden brauchen."

Die nationale Euphorie um die neue Regierung hatte auch einen Großteil der deutschen Bischöfe erfasst, zumal einige von ihnen im Nationalsozialismus einen hilfreichen Verbündeten im Kampf gegen den Bolschewismus und andere Gefahren sahen. Am 8. Juni 1933 legten sie deshalb in einem gemeinsamen Hirtenbrief ein weitgehendes Bekenntnis zum neuen Staat ab. Hitlers ebenfalls in seiner Regierungserklärung vom 23. März geäußerte Bereitschaft, in einem völkerrechtlichen Vertrag mit der Kirche deren Rechte und Wünsche zu verbriefen, ließ die Bischöfe über viele Unannehmlichkeiten hinwegsehen.

Vertrag zum beiderseitigen Nutzen

Dieser Vertrag - das bereits in den Jahren der Weimarer Republik geplante Reichskonkordat - kam am 20. Juli 1933 zustande und stellte den Höhepunkt der kooperativen Phase zwischen Kirche und NS-Regime dar. Das Konkordat war für beide Seiten von großem Nutzen: Für Hitler bedeutete der Vertrag mit dem Vatikan - einer hohen moralischen Instanz in der Staatengemeinschaft - einen wichtigen außenpolitischen Erfolg; zum ersten Mal erkannte ein anderer Staat sein Regime offiziell an.

Die katholische Kirche wiederum bekam durch das Konkordat die von ihr gewünschte Bestandsgarantie für wichtige kirchliche Rechte und Aufgaben. So garantierte der Staat unter anderem die Freiheit des religiösen Bekenntnisses, den Bestand katholischer Schulen und religiös-karitativer Vereine, den Religionsunterricht sowie die konfessionelle Lehrerbildung. Verboten wurde hingegen jegliche politische Betätigung von Geistlichen in Parteien; außerdem mussten neu eingesetzte Bischöfe einen Treueid auf die Reichsregierung leisten.
SS-Chef Heinrich Himmler bei einem Besuch im KZ Dachau, wo ab 1940 gefangene Geistliche interniert wurden.
SS-Chef Heinrich Himmler bei einem Besuch im KZ Dachau, wo ab 1940 gefangene Geistliche interniert wurden.
Bundesarchiv

War das Reichskonkordat der Höhepunkt der gegenseitigen Annäherung zwischen NS-Staat und Kirche, machte sich bald nach dessen Abschluss bei den Kirchenvertretern Ernüchterung breit. Es zeigte sich, dass das weltanschaulich ambitionierte Hitler-Regime sich nicht an seine Zusicherungen hielt. Der totalitäre, alle Lebensbereiche umfassende Anspruch des Nationalsozialismus drängte das christliche und religiöse Leben immer mehr ins Abseits.

Bereits im Herbst 1933 stellten die deutschen Bischöfe fest, dass das NS-Regime das Konkordat fortwährend brach. So unterwarfen die Nationalsozialisten die kirchliche Presse einer immer stärkeren Zensur, die Bekenntnisschulen wurden mehr und mehr bedrängt und es entbrannten Auseinandersetzungen zwischen der katholischen Caritas und der nationalsozialistischen Volkswohlfahrt um die Kinder- und Jugendfürsorge.

Enzyklika "Mit brennender Sorge"

1935 kam ein weiterer Konfliktherd hinzu, als das NS-Regime begann, katholische Geistliche und Ordensleute durch inszenierte Gerichtsverfahren bei den Gläubigen in Misskredit zu bringen. Nachdem die Kirche zwei Jahre lang vergeblich versucht hatte, diese Praxis zu unterbinden, entschloss sich Papst Pius XI. (1922-1939), die Nationalsozialisten öffentlich anzuklagen. In seiner deutschsprachigen Enzyklika "Mit brennender Sorge" kritisierte das Kirchenoberhaupt die Politik Hitlers und griff die Weltanschauung des Nationalsozialismus scharf an.

Nach der Verlesung des Rundschreibens in allen deutschen Gemeinden erreichten die Verfolgungen von Geistlichen einen Höhepunkt. Zahlreiche Pfarrer mussten für ihre Opposition gegen das Regime mit mehrjährigen Haftstrafen und Misshandlungen in Konzentrationslagern bezahlen. Ab 1940 wurden sie in Dachau in einem eigenen "Priesterblock" interniert; insgesamt waren dort bis 1945 mehr als 3.000 Priester und Ordensleute inhaftiert, rund 1.000 von ihnen kamen ums Leben.
Prangerte die Euthanasie an: Münsters Bischof von Galen.
Prangerte die Euthanasie an: Münsters Bischof von Galen.
KNA

Der Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 brachte zunächst eine gewisse Atempause. Hitler strebte eine Art Burgfrieden mit den Kirchen an, um die Unterstützung für den Krieg an der "Heimatfront" nicht zu gefährden. Allerdings rief das ungefähr zeitgleich mit dem Weltkrieg gestartete "Euthanasie"-Programm - die systematische Ermordung von geistig und körperlich Behinderten - sehr bald erneut deutliche kirchliche Kritik hervor.

Vor allem der münstersche Bischof Clemens August Graf von Galen wandte sich im Juli und August 1941 in drei berühmt gewordenen Predigten gegen das staatliche Morden. Als daraufhin auch in der Bevölkerung die Proteste gegen die "Euthanasie" immer mehr zunahmen, ließ Hitler das Programm am 24. August 1941 offiziell stoppen. Allerdings waren zu diesem Zeitpunkt bereits mehr als 70.000 Menschen umgebracht worden - und im Geheimen ging das Morden weiter.

Offener Protest blieb die Ausnahme

Der offene Protest von Galens blieb jedoch die Ausnahme. Ansonsten verhielt sich die Kirche bis zum Ende des Hitler-Regimes weitgehend ruhig - aus Sicht vieler Kritiker zu ruhig. Die Kirchenleitung beschränkte sich darauf, die eigenen Rechtspositionen und den Schutz der Gläubigen zu wahren. Offener Protest oder gar Widerstand gegen das Regime blieb auf einzelne mutige Laien und Priester beschränkt.

Bereits kurz nach Kriegsende gestanden die Bischöfe Fehler ein. In einem Hirtenwort vom 23. August 1945 bescheinigten sie sich zwar, "von Anfang an vor den Irrlehren und Irrwegen des Nationalsozialismus ernsthaft gewarnt" zu haben. Gleichzeitig betonten sie jedoch: "Viele Deutsche, auch aus unseren Reihen, haben sich von den falschen Lehren des Nationalsozialismus betören lassen, sind bei den Verbrechen gegen menschliche Freiheit und menschliche Würde gleichgültig geblieben; viele leisteten durch ihre Haltung den Verbrechen Vorschub, viele sind selber Verbrecher geworden."

Von Steffen Zimmermann

closs
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#108 Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von closs » Sa 14. Okt 2017, 22:39

1Johannes4 hat geschrieben:Dann erklär doch mal, warum die katholische Kirche solchen grausamen Massenmördern wie beispielsweise Adolf Eichmann und Joself Mengele bei der Flucht geholfen hat.
Es gab einen kroatischen Bischof, der nationalsozialistisch gesonnen war, und nach dem Krieg viele Nazis via Vatikan außer Lands gebracht hat. - Das lässt den Vatikan zweifellos blöd aussehen - aber es war keine vom Vatikan gedeckte Aktion.

1Johannes4 hat geschrieben:Um deren Opfer hat sich die katholische Kirche jedenfalls weit weniger bemüht.
Auch das sitmmt nicht - hier nur EIN Beispiel:

DIE WELT, 9.10.2013

Der oft als „Hitlers Papst“ bezeichnete Pius XII. hat den verfolgten Juden Roms im Zweiten Weltkrieg möglicherweise umfassender geholfen als bislang bekannt. Zu diesem Ergebnis kommt die italienische Historikerin Anna Foa in einem Beitrag für die vatikanische Tageszeitung „Osservatore Romano“.

Die Wissenschaftlerin, die an der römischen Universität La Sapienza in der Fakultät für moderne und Zeitgeschichte lehrt, sieht Hinweise auf eine geheime diplomatische Intervention des Vatikan zum Schutz der Juden vor weiteren Verfolgungen durch die deutschen Besatzer. Diese Initiative könnte nach der großen Razzia durch die SS in Rom am 16. Oktober 1943 erfolgt sein. Dabei waren rund 1300 Menschen festgenommen worden; etwa 250 von ihnen wurden kurz darauf entlassen, die übrigen ins KZ Auschwitz deportiert.

Für ein vertrauliches Eingreifen von Papst Pius XII. oder einem Beauftragten spreche, dass die Deutschen danach kaum noch Razzien durchführten. Das ist in der Tat erstaunlich, denn vielfach hielten sich Juden, die der ersten Razzia entkommen waren, in ihren ursprünglichen Wohnungen auf. Auch waren laut Foa diese Adressen den Besatzern durch Listen nachweislich bekannt.
2091 Deportierte

Die rund tausend weiteren Juden, die nach dem 16. Oktober 1943 aus Rom deportiert wurden, seien größtenteils von italienischen Faschisten, illegalen Banden oder der römischen Polizei festgenommen worden. Die wenigen später von Deutschen durchgeführten Festnahmen seien zudem vor allem nach Hinweisen italienischer Spione erfolgt.

Von den bei dieser Razzia verhafteten Menschen waren wenige Tage später 839 im Vernichtungslager Birkenau vergast worden; weitere 184 wurden als Häftlinge ins KZ eingewiesen. Von ihnen überlebten weniger als anderthalb Dutzend.

Bis zum Ende der deutschen Besetzung Roms im Juni 1944 wurden insgesamt 2.091 römische Juden in nationalsozialistische Konzentrationslager deportiert. Viele Juden konnten der Verfolgung entkommen, weil Papst Pius XII. kurz nach der Razzia anordnete, dass der Vatikan und römische Klöster ihnen ihre Pforten öffneten.
4500 Versteckte
Anzeige

In rund 150 verschiedenen Einrichtungen konnten sich etwa 4500 Menschen verstecken. Allerdings steht fest, dass die deutschen Besatzungstruppen und die Gestapo in Rom von vielen dieser Verstecke wussten, aber nichts unternahmen.

Als weiteren möglichen Beleg für ihre These führt Foa eine Bemerkung des damaligen deutschen Botschafters beim Heiligen Stuhl, Ernst von Weizsäcker, von Ende Oktober 1943 an. In einem Bericht an das Auswärtige Amt in Berlin schrieb der frühere Staatssekretär, der auf den bedeutungslosen Posten beim Vatikan abgeschoben worden war, dass es in Rom fortan „zweifelsohne“ keine Razzien mehr geben werde.

Schon unmittelbar nach der Razzia hatte Weizsäcker warnend nach Berlin berichtet: „Die Kurie ist besonders betroffen, da sich der Vorgang sozusagen unter den Fenstern des Papstes abgespielt hat.“
Hochhuths Rolle

Der Botschafter könnte in Gesprächen mit Pius’ Kardinalstaatssekretär Luigi Maglione ausdrücklich oder implizit „eine Art Pakt mit dem Vatikan“ geschlossen haben, spekuliert Foa. Daran hätten sich die deutschen Besatzer allerdings allenfalls teilweise gehalten.

Die negative Rolle von Pius XII. als der „Papst, der geschwiegen“ habe, ist seit dem Theaterstück „Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth im öffentlichen Bewusstsein in Deutschland verankert. Zwar gibt es zahlreiche Hinweise darauf, dass die einseitige Darstellung des Schriftstellers unzutreffend ist. Dennoch hält sich die Ansicht, der Vatikan hätte den Holocaust verhindern oder wesentlich bremsen können weiterhin.

Seriöse Wissenschaftler teilen sie allerdings heute meist nicht mehr. Der Potsdamer Zeithistoriker Thomas Brechenmacher etwa nennt Hochhuths Darstellung eine „Geschichtsklitterung“.

Rembremerding
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#109 Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von Rembremerding » Sa 14. Okt 2017, 22:52

closs hat geschrieben:aber trotzdem gilt, dass der Nationalsozialismus nicht zu den Kirchen gepasst hat UND die Kirchen ab ca. 1936 stark im Verfolgungs-Fokus der Nazis standen. -
Tatsächlich stand die katholische Kirche ganz zu Anfang den Nazis eher abwartend gegenüber, erhoffte sich Erleichterung unter den Nachwirkungen des Kulturkampfs. Denn man muss beachten, dass die Kirche seit Bismarck in D durch eine antikatholische Gesetzgebung bis 1878 regelrecht verfolgt wurde, Geistliche eingesperrt ("Kanzelparagraf"). Noch bis 1918 waren Katholiken Menschen 2. Klasse, Zentrumspolitiker waren von entscheidenden Machtpositionen ausgeschlossen.
Relativ schnell war aber klar, dass die Nazis antichristlich eingestellt waren und es wurde in Predigten weitgehend vor ihnen gewarnt. So hatten sie bei der Wahl in den katholischen Gebieten auch die wenigsten Stimmen. Hitler ging später auf die Kirche zu, viele Bischöfe sahen dies wohlwollend. Mit dem Reichskonkordat versuchte die Kirche die Menschen vor der Willkür der Nazis zu schützen. Bald begann Hitler jedoch wieder gegen die Kirche vorzugehen.
Der Papst sah sich genötigt eine deutschsprachige Enzyklika ("Mit brennender Sorge") herauszugeben, die sich gegen die Nazis wandte, heimlich über die Alpen befördert wurde und von den Kanzeln verlesen. Das hatte zur Folge, dass viele Priester dafür ins KZ mussten, einige Klöster aufgelöst und katholische Verbände verboten wurden. Nach der besonders schweren Verfolgung in den Niederlanden, wo sich die Bischöfe offen gegen Hitler aussprachen, wurde man mit offenem Widerstand vorsichtiger.
Als sich das Ende des Nazi-Regimes abzeichnete, wurde der atheistische Kommunismus als ebenso große Gefahr für das Leben und Wohl der Menschen erkannt. Der Kommunismus sah die Kirche als seinen größten Feind an und setzte alles daran, sie und den Papst zu diskreditieren. Viele der Urban Legends und "Fake-News" gegen die Kirche stammen aus jener Zeit von der Sowjetunion und wurden von der späteren atheistischen Religion aufgegriffen, leider auch von vielen Evangelikalen, um das nötige Feindbild zu schaffen.

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#110 Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von 1Johannes4 » Sa 14. Okt 2017, 23:29

closs hat geschrieben:
1Johannes4 hat geschrieben:Um deren Opfer hat sich die katholische Kirche jedenfalls weit weniger bemüht.
Auch das sitmmt nicht - hier nur EIN Beispiel:
Natürlich stimmt es. Sämtlichen Opfern Eichmanns und Mengeles wurde kein bisschen geholfen. Die meisten davon wurden in Auschwitz misshandelt, gefoltert und ermordet. Inhaltliches Verstehen von Aussagen: setzen, sechs.

Und egal wie man es im Nachhinein zu beschönigen versucht: beide Kirchen haben sicherlich genug von den Nazi-Verbrechen gewusst und so gut wie keinen Gebrauch von ihrer Macht zu Gunsten der Verfolgten gemacht. Den meisten ging es da nur um sich selbst und wenn sie an die Kirche dachten, dann an die Bewahrung von deren Stand und deren Besitztümer. Da ist kein wesentlicher Unterschied zu irgendwelchen Ungläubigen zu bemerken. Warum sollte Jesus da einen Unterschied sehen? Etwa weil da manche ein Kreuz um den Hals trugen? Wie lächerlich.
Da der hiesige Admin willkürlich meine Beiträge löscht, lohnt es sich nicht hier noch mitzulesen bzw. sich mit Kommentaren einzubringen. Wünsche Euch alles Gute.

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