Hitler-Deutschland

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1Johannes4
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#121 Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von 1Johannes4 » So 15. Okt 2017, 13:58

Hallo closs,

closs hat geschrieben:Warum nicht einfach nach der Verfassung leben?
1) "Ihr sein demokratisch gewählt"
2) "Ihr habt Euch nach den Gesetzen zu halten"
3) "Auf dieser Basis bekämpfen wir Euch OHNE ehrenrührige Beleidigungen und Empörungs-Orgien, sondern sachlich und engagiert".

so probiert wohl auch die SPD seit 70 Jahren die CDU loszuwerden - bei eher mäßigem Erfolg :lol: . Auch die Konservativen Anfang der 30er Jahre dachten, dass sie mit einer vergleichbaren Einstellung Hitler und die Nazis wieder loswerden könnten - ebenfalls mit eher mäßigem Erfolg. Bei der AfD ist aber bestimmt alles anders :roll: .

Nur mal ein Beispiel dazu: was nützt sachliche Kritik bei Leuten, die eine solche Kritik in die Schublade "Lügenpresse" stecken? Das ist von vornherein fast aussichtslos. Bei ihren Anhängern provoziert diese Partei mit solchen Begriffen nicht gerade unabsichtlich ein Schema, dass wenn jemand die AfD kritisiert, ist derjenige Teil der sogenannten "Lügenpresse" oder eben auf diese "hereingefallen". Schon allein wegen diesem simplen Trick scheitert Dein Ansatz kläglich, weil die AfD - genauso wie beispielsweise andere Radikale, Sekten usw. auch - eine Art "gedankliche Sperre" gegenüber jeglichen Einflüssen von außen errichtet.

Nächstes Beispiel: warum strebt eine solche Partei in den Bundestag? Um auch die Möglichkeit zu bekommen Gesetze zu verändern. Vielleicht solltest Du Dich schon mal an den Gedanken gewöhnen, dass die AfD Dir erklärt, dass Du Dich an die Gesetze zu halten hättest, die sie erlassen werden. Aua.

closs hat geschrieben:Nur so kriegt man die AfD wieder los.
Da die Leute, die die AfD in Zukunft wählen könnten, keine heterogene Gruppe ist, sofern es sich über größere Anteile des Volkes handeln sollte, ist es auch nicht angemessen sich auf eine mögliche Strategie zu beschränken, die bestenfalls nur einen Teil der möglichen Wähler dahingehend beeinflussen könnte. Leider führen die "Erfolge" der AfD bereits dazu, dass andere Parteien ihren Standpunkt "anpassen" - beispielsweise widerspricht eine Quote von Flüchtlingen dem Menschenrecht von demjenigen, der eigentlich als Flüchtling einen Anspruch hätte, aber eben wegen einer Quote dies verwehrt bliebe. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die versuchte Flucht von Juden aus Europa, beispielsweise auf dem Schiff St. Louis im Jahr 1939.

Grüße,
Daniel.
Da der hiesige Admin willkürlich meine Beiträge löscht, lohnt es sich nicht hier noch mitzulesen bzw. sich mit Kommentaren einzubringen. Wünsche Euch alles Gute.

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sven23
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#122 Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von sven23 » So 15. Okt 2017, 15:03

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wer hat das denn getan? Du implizierst das immer reflexartig.
Das ist die Konnotation, die dazu führt, dass dann in den Zeitungen steht "Darf ein deutscher Soldat geehrt werden?" und dann die Leute sagen "Natürlich - deshalb haben wir doch unsere Kriegsgräber-Erinnerungs-Stätten" - und dann kommt ein "Liberaler" und bringt rüber "Alles Nazis" - und dann sagen die Leute: "Dann wähle ich die AfD".
Die AfD nutzt die triebhaften Empörungs-Reflexe sehr gut und lässt sich damit Wähler zutreiben..
Halte ich für vollkommenen Blödsinn. Niemand wählt die AFD, nur weil man deutscher Soldaten nicht gedenken darf. Wir haben sogar einen Volkstrauertag genau für diesen Zweck. Also vollkommen an der Realität vorbei.
Es geht ausschließlich darum, ob man stolz auf die Leistung deutscher Soldaten sein soll, und ob man diesen Stolz verbal vor sich hertragen soll.

closs hat geschrieben: 3) "Die Juden haben uns eh immer geärgert - stört uns nicht, wenn sie umgesiedelt werden" (die große Mehrheit hat WIRKLICH nichts von den Venichtungslagern gehört - das haben sogar die Alliierten nach dem Krieg mit Erstaunen festgestellt).
Wie Historiker immer wieder gezeigt haben, gehört das wohl ins Reich der Geschichtsglitterung. Es gab ein kollektives Verdrängen und Weggucken, aber eine völlige Ahnungslosigkeit ist ein Märchen.
Übrigens waren auch die Alliierten durch Luftaufklärung von den Lagern informiert.

http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/ ... e7664.html


closs hat geschrieben: Weltanschaulicher Rassenwahn und irgendwelche Hygienevorstellungen gab es im einfachen Volk nicht - viel zu kompliziert. - Allerdings waren Juden unbeliebt ("Die bescheißen uns"), zumal es auch über Jahrhunderte keine Integration gegeben hatte - das waren nicht "wir", sondern "die" - so wie heute "Zigeuner", die auf "unseren" Wiesen ihre Wohnwägen aufstellen.
Natürlich, man wurde ja auch täglich von polnischen oder russischen Juden beschissen. :roll:
Nein, kompliziert ist an der Naziideologie überhaupt nichts. Im Gegenteil waren ihre plakativen Hass-Parolen auch für schlichte Gemüter verständlich und wurden größtenteils mitgetragen.



closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dieses Gedankengut lebt in der Neonaziszene wieder auf.
Diese Gefahr besteht - um so wichtiger, dass man es bei der AfD NICHT ständig unterstellt - denn unter den AfD-lern gibt es relative wenige "Neonazis" (gemessen am historischen Gewicht). - Was dann nämlich passiert, ist: "Aha - ich soll also Neonazi sein - dann habe ich bisher den Nationalsozialismus falsch verstanden, wenn ich es auch sein soll".
Zur Zeit gibt es ja auch Parteiaustritte wegen fehlender Distanz zum rechten Rand. Also kann der Vorwurf nicht ganz aus der Luft gegriffen sein.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#123 Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von closs » So 15. Okt 2017, 16:46

1Johannes4 hat geschrieben:Auch die Konservativen Anfang der 30er Jahre dachten, dass sie mit einer vergleichbaren Einstellung Hitler und die Nazis wieder loswerden könnten - ebenfalls mit eher mäßigem Erfolg.
Aber denk dran, dass die Ohrensessel-Empörungs-Lyrik der etablierten Parteien und der Medien die AfD erst stark gemacht hat!!!

1Johannes4 hat geschrieben:Nur mal ein Beispiel dazu: was nützt sachliche Kritik bei Leuten, die eine solche Kritik in die Schublade "Lügenpresse" stecken?
Dann sollte man sich überlegen, warum dies in der Bevölkerung verfängt. - Auch ich meine, dass die Meinungsmacher in den letzten Jahrzehnten mit Crescendo ein Gesellschaftsbild konstruiert haben, das beim "normalen Volk" gar nicht gut ankommt - egal ob man links oder konservativ wählt. - Und jetzt kommt eine Partei, die "endlich mal sagt, was wir schon lange denken".

Engholm, Ypsilanti, Mixa, Guttenberg, Wulff, Krim-Krise, Gender-Diskussion, etc - alles Bausteine für eine Selbst-Demontierung der Medien, die dazu führt, dass sich das Volk distanziert. - Bei den Jungen ist es anders - die nehmen es als Internet-Gestählte nur noch grinsend hin - aber die Alten sind damit überfordert.

1Johannes4 hat geschrieben:Nächstes Beispiel: warum strebt eine solche Partei in den Bundestag? Um auch die Möglichkeit zu bekommen Gesetze zu verändern.
Wenn sie die demokratische Mehrheit erhält oder daran teilhat, kann das sein - allerdings haben wir ein in erheblichen Bereichen ein irreversibles Grundgesetz und KArlsruhe. - Und wenn die AfD so stark ist, dass sie putscht, muss man halt wieder mal auswandern - aber übertreiben tust Du schon - und machst sie schon wieder größer, als sie sind.

1Johannes4 hat geschrieben:Leider führen die "Erfolge" der AfD bereits dazu, dass andere Parteien ihren Standpunkt "anpassen"
Richtig - das wird aus meiner Sicht ihre eigentliche Macht sein - und das ist schlimm genug.

sven23 hat geschrieben:Niemand wählt die AFD, nur weil man deutscher Soldaten nicht gedenken darf.
Naja - Du musst halt das Ganze sehen - es ist EIN Baustein - zähle 5 Bausteine zusammen, dann kippt es halt irgendwann bei den Leuten.

sven23 hat geschrieben:Wie Historiker immer wieder gezeigt haben, gehört das wohl ins Reich der Geschichtsglitterung.
Da kann man sich unterschiedliche historische Lager aussuchen und so ziemlich alles wissenschaftlich begründen - meine Informationen stammen von Zeitzeugen, die damals zwischen 10 und 25 waren (also selbst gar nicht "Schuldgeneration" waren, aber viel mitgekriegt haben).

sven23 hat geschrieben:Übrigens waren auch die Alliierten durch Luftaufklärung von den Lagern informiert.
Richtig - deshalb waren sie ja so überrascht, dass "die Deutschen", die sie am Ende durch die Lager zwangen ("Guckt's Euch an") vollkommen erschrocken waren (dazu gab es mal eine Sendung/ein Dossier, das Tagebücher von Juden in amerikanischem Kriegsdienst, die als Übersetzer bei der Eroberung Deutschlands dabei waren). - UND: Dies entspricht exakt dem, was ich von ZEitzeugen gehört habe.

sven23 hat geschrieben:Natürlich, man wurde ja auch täglich von polnischen oder russischen Juden beschissen.
So weit ging der Blick nicht - man sah, dass das eigene Judenviertel "umgesiedelt" wurde und dachte NICHT daran, dass die Leute getötet werden würden - zumal die "Umsiedlung" "geschickterweise" sehr zivil vor sich ging. - Aus den Augen, aus dem Sinn.

sven23 hat geschrieben:Nein, kompliziert ist an der Naziideologie überhaupt nichts.
Stimmt. :lol: - Aber davon sprachen wir nicht - es geht hier um differenziertes Erkennen, was in der durchschnittlichen deutschen Familie wie angekommen ist und was man mitgekriegt hat.

sven23 hat geschrieben:Im Gegenteil waren ihre plakativen Hass-Parolen auch für schlichte Gemüter verständlich und wurden größtenteils mitgetragen.
Nicht unbedingt "größtenteils", aber sehr wohl erheblich - ja, das stimmt schon. - Der Mensch ist so, wenn er angeregt wird, stark durch Schwächere zu werden. - Im Grunde haben wir heute psychologisch denselben Reflex gegenüber den Moslems - nur dass halt die politischen Umstände und die Verfassung ein Aufschaukeln verhindern.

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#124 Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von sven23 » So 15. Okt 2017, 17:18

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wie Historiker immer wieder gezeigt haben, gehört das wohl ins Reich der Geschichtsglitterung.
Da kann man sich unterschiedliche historische Lager aussuchen und so ziemlich alles wissenschaftlich begründen - meine Informationen stammen von Zeitzeugen, die damals zwischen 10 und 25 waren (also selbst gar nicht "Schuldgeneration" waren, aber viel mitgekriegt haben).
Das ist dein generelles Problem. Du verläßt dich auf Einzelanekdoten, am besten noch, wenn sie deinem Weltbild entsprechen. Historiker befragen natürlich auch Zeitzeugen, soweit das noch geht, aber natürlich in viel breiterem Umfang und als nur eine von unzähligen anderen Quellen. Nur so bekommt man ein Gesamtbild.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Übrigens waren auch die Alliierten durch Luftaufklärung von den Lagern informiert.
Richtig - deshalb waren sie ja so überrascht, dass "die Deutschen", die sie am Ende durch die Lager zwangen ("Guckt's Euch an") vollkommen erschrocken waren (dazu gab es mal eine Sendung/ein Dossier, das Tagebücher von Juden in amerikanischem Kriegsdienst, die als Übersetzer bei der Eroberung Deutschlands dabei waren). - UND: Dies entspricht exakt dem, was ich von ZEitzeugen gehört habe.
Natürlich waren sie erschrocken, besonders als man sie dazu verpflichtete, die skelettierten Leichen zu bergen. Niemand wird dann sagen: wir haben zwar was geahnt oder gewußt, aber es war uns egal. Zumal man noch nicht wusste, was die Allierten mit den Deutschen vor hatten. Ein - berechtigerweise- schlechtes Gewissen schwang da wohl immer mit.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Natürlich, man wurde ja auch täglich von polnischen oder russischen Juden beschissen.
So weit ging der Blick nicht - man sah, dass das eigene Judenviertel "umgesiedelt" wurde und dachte NICHT daran, dass die Leute getötet werden würden - zumal die "Umsiedlung" "geschickterweise" sehr zivil vor sich ging. - Aus den Augen, aus dem Sinn.
Ja, ja, sie wurden in eine Ferienlager umgesiedelt und das schlimmste war, dass es nur Sonntags Nachtisch gab.
Nee, nee, das ist typische Geschichtsklitterung.
Es gab nicht nur das entfernt gelegene Ausschwitz, sondern tausende von Lagern mitten in Deutschland. Nichts gewußt zu haben ist wohl eine Lebenslüge vieler Deutschen, wie Historiker aufzeigen.

http://daserste.ndr.de/panorama/archiv/ ... e7664.html


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, kompliziert ist an der Naziideologie überhaupt nichts.
Stimmt. :lol: - Aber davon sprachen wir nicht - es geht hier um differenziertes Erkennen, was in der durchschnittlichen deutschen Familie wie angekommen ist und was man mitgekriegt hat.
Wie Historiker gezeigt haben, hat man viel mehr gewußt, oder zumindest geahnt, als man später zugeben wollte. Nicht bis ins letzte Detail, aber dass Deutschland sich erheblicher Verbrechen schuldig gemacht hat, daran hatte wohl niemand mehr Zweifel. Insofern war die Angst vor Vergeltung durch die Siegermächte durchaus begründet.
Der sich abzeichnende Ost-West Konflikt hat Deutschland dann vor schlimmerem bewahrt.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#125 Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von closs » So 15. Okt 2017, 23:27

sven23 hat geschrieben:Du verläßt dich auf Einzelanekdoten, am besten noch, wenn sie deinem Weltbild entsprechen. Historiker befragen natürlich auch Zeitzeugen, soweit das noch geht, aber natürlich in viel breiterem Umfang und als nur eine von unzähligen anderen Quellen. Nur so bekommt man ein Gesamtbild.
Nee - ich verlasse mich NICHT nur auf Anekdoten, weiß aber, dass die Wissenschaft im Bewertungsfragen normalerweise zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommt - da kann man es sich dann raussuchen. - Deshalb frage ich nach Möglichkeit Zeitzeugen, weil man dann noch am ehesten merkt, ob jemand ehrlich spricht oder sich drückt oder sich unwohl bei Fragen fühlt, etc.

Vor ein paar Jahren kam mal ein angelsächsischer Historiker mit einem Buch, das "nachweist" :angel: :angel: :angel: , dass die Deutschen KEINE wesentliche Schuld an WK I (es ging dort um den ersten Weltkrieg) hatten - es war sehr gut begründet. - Andere Historiker weisen dann ebenfalls nach, dass das Gegenteil richtig ist - es gab einen mords Streit. - Und das ist eben normal in Wissenschaften, sobald Interpretationen ins Spiel kommen (man muss halt wissen, dass es so ist).

Ähnlich ist es auch zu Fragen wie "Rolle der Kirche in WK II"/"Was haben die Leute vom Holocaust gewusst?" - Du wirst hier unterschiedlichste WISSENSCHAFTLICHE Positionen finden. - Warum? Weil es IMMER eine Hermeneutik in den Geschichtswissenschaften gibt, die das Urteil eines jeden einzelnen Historikers prägt - es gibt KEINE objektive Geschichtsschreibung, sobald interpretiert wird.

sven23 hat geschrieben:Natürlich waren sie erschrocken, besonders als man sie dazu verpflichtete, die skelettierten Leichen zu bergen. Niemand wird dann sagen: wir haben zwar was geahnt oder gewußt, aber es war uns egal.
Das ist klassische Ohrensessen-Empörungs-Lyrik. - Es ist einerseits richtig: Manche haben es gewusst und weggeschaut - aber lebe Du mal in alltäglicher echter Lebensgefahr: Da erschlägt der Überlebenstrieb in den allermeisten Fällen alles andere. - Diejenigen, die heute Sophie Scholl und Stauffenberg wie Heilige bewundern, sind allermeistens diejenigen, die selber NICHT so gehandelt hätten, sondern genauso im Mainstream mitgeschwommen wären: "Am besten nichts wissen".

sven23 hat geschrieben:Nee, nee, das ist typische Geschichtsklitterung. Es gab nicht nur das entfernt gelegene Ausschwitz, sondern tausende von Lagern mitten in Deutschland. Nichts gewußt zu haben ist wohl eine Lebenslüge vieler Deutschen, wie Historiker aufzeigen.
Ja - das stimmt AUCH - siehe oben: "Da erschlägt der Überlebenstrieb in den allermeisten Fällen alles andere." - Das ist schlimm UND menschlich und würde überall so sein, wenn man die Menschen lässt. - Kennst Du das "Milgram-Experiment"? - Es ist NICHT so einfach, wie man sich es heute luxus-empört weismachen will.

sven23 hat geschrieben:Wie Historiker gezeigt haben, hat man viel mehr gewußt, oder zumindest geahnt, als man später zugeben wollte.
Naja - das ist ja nun eine Binse. - Aber das sagt doch absolut nichts darüber aus, WAS konkret gewusst wurde.

Wenn damals die politische "Obrigkeit" gesagt hat "Das ist ein Verbrecher", fanden es viele gut, dass Verbrecher zum Tod verurteilt wurden. - Wenn heute die mediale "Obrigkeit" sagt, dass Schavan ihre Doktorarbeit gefälscht hat, finden es viele gut, dass solche Leute öffentlich angeprangert werden. - Gottseidank sind solche psychologischen Verhaltensweisen heute dank guter Verfassung nicht wirklich lebensgefährlich - aber das ändert nichts daran, dass es die selben psychologischen Muster sind.

sven23 hat geschrieben:Nicht bis ins letzte Detail, aber dass Deutschland sich erheblicher Verbrechen schuldig gemacht hat, daran hatte wohl niemand mehr Zweifel.
Naja - DAS sowieso. - Der Holocaust war das bisher größte Verbrechen gegen die Menschlichkeit überhaupt - aber das hat mit unserer Frage wenig zu tun.

sven23 hat geschrieben: Insofern war die Angst vor Vergeltung durch die Siegermächte durchaus begründet. Der sich abzeichnende Ost-West Konflikt hat Deutschland dann vor schlimmerem bewahrt.
So ist es. - Ohne diesen Konflikt hätten wir durchaus den Morgenthauplan kriegen können.

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#126 Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von Christian41285 » Di 17. Okt 2017, 01:25

Catholic hat geschrieben:Soweit wird es meiner Meinung nach nicht kommen.
Aber wir können gerade einen kleinen Einblick dahingehend bekommen,wie und warum damals ansich normale Menschen,also keine Rassisten und Antisemiten,die NSDAP wählen konnten.


Es war eine schwere Wirtschaftskrise und dazu kommt das Hitler ein sehr guter Redner war was die Menschen mitriss!

LG Christian

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sven23
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#127 Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von sven23 » Fr 20. Okt 2017, 18:38

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Du verläßt dich auf Einzelanekdoten, am besten noch, wenn sie deinem Weltbild entsprechen. Historiker befragen natürlich auch Zeitzeugen, soweit das noch geht, aber natürlich in viel breiterem Umfang und als nur eine von unzähligen anderen Quellen. Nur so bekommt man ein Gesamtbild.
Nee - ich verlasse mich NICHT nur auf Anekdoten, weiß aber, dass die Wissenschaft im Bewertungsfragen normalerweise zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen kommt - da kann man es sich dann raussuchen. -
Ähnlich ist es auch zu Fragen wie "Rolle der Kirche in WK II"/"Was haben die Leute vom Holocaust gewusst?" - Du wirst hier unterschiedlichste WISSENSCHAFTLICHE Positionen finden. - Warum? Weil es IMMER eine Hermeneutik in den Geschichtswissenschaften gibt, die das Urteil eines jeden einzelnen Historikers prägt - es gibt KEINE objektive Geschichtsschreibung, sobald interpretiert wird.
Ganz so beliebig ist es nun auch wieder nicht. Deshalb lassen Historiker die Quellen sprechen, am besten Quellen unterschiedlichster Herkunft, die miteinander abgeglichen werden. Und danach hat sich die Geschichte vom völlig ahnungslosen Deutschen als Legende erwiesen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Natürlich waren sie erschrocken, besonders als man sie dazu verpflichtete, die skelettierten Leichen zu bergen. Niemand wird dann sagen: wir haben zwar was geahnt oder gewußt, aber es war uns egal.
Das ist klassische Ohrensessen-Empörungs-Lyrik. - Es ist einerseits richtig: Manche haben es gewusst und weggeschaut - aber lebe Du mal in alltäglicher echter Lebensgefahr: Da erschlägt der Überlebenstrieb in den allermeisten Fällen alles andere. - Diejenigen, die heute Sophie Scholl und Stauffenberg wie Heilige bewundern, sind allermeistens diejenigen, die selber NICHT so gehandelt hätten, sondern genauso im Mainstream mitgeschwommen wären: "Am besten nichts wissen".
Es geht weniger um die Zeit 39-45, in der jeder mit dem eigenen Überleben beschäftigt war, sondern um die Zeit davor, als sich für jeden ersichtlich abzeichnete, wohin die Reise gehen sollte.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nee, nee, das ist typische Geschichtsklitterung. Es gab nicht nur das entfernt gelegene Ausschwitz, sondern tausende von Lagern mitten in Deutschland. Nichts gewußt zu haben ist wohl eine Lebenslüge vieler Deutschen, wie Historiker aufzeigen.
Ja - das stimmt AUCH - siehe oben: "Da erschlägt der Überlebenstrieb in den allermeisten Fällen alles andere." - Das ist schlimm UND menschlich und würde überall so sein, wenn man die Menschen lässt. - Kennst Du das "Milgram-Experiment"? - Es ist NICHT so einfach, wie man sich es heute luxus-empört weismachen will.
Das Milgram Experiment hat doch gerade gezeigt, dass man Autoritäten misstrauen soll.
Das Erfolgsrezept von Diktaturen liegt ja u. a. daran, dass sie anbieten, die eigene Verantwortung an höhere Autoritäten bzw. Führer abgeben zu können. Ein ähnliches Schema findet sich beim religiösen Fundamentalismus.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wie Historiker gezeigt haben, hat man viel mehr gewußt, oder zumindest geahnt, als man später zugeben wollte.
Naja - das ist ja nun eine Binse. - Aber das sagt doch absolut nichts darüber aus, WAS konkret gewusst wurde.
Zumdindest wurde kollektiv gewußt, dass immer mehr Menschen aus der Gesellschaft verschwanden und dass sie nicht in einem Ferienlage waren. Natürlich kann man sich das hinterher immer schön reden, der Selbstbetrug ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft.

closs hat geschrieben: Wenn damals die politische "Obrigkeit" gesagt hat "Das ist ein Verbrecher", fanden es viele gut, dass Verbrecher zum Tod verurteilt wurden. - Wenn heute die mediale "Obrigkeit" sagt, dass Schavan ihre Doktorarbeit gefälscht hat, finden es viele gut, dass solche Leute öffentlich angeprangert werden. - Gottseidank sind solche psychologischen Verhaltensweisen heute dank guter Verfassung nicht wirklich lebensgefährlich - aber das ändert nichts daran, dass es die selben psychologischen Muster sind.
Das ist völlig daneben. Man kann völkische Säuberungsaktionen nicht mit einer erschummelten Doktorarbeit vergleichen. Das ist wieder ein typisch clossscher Relativierungsversuch.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#128 Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von closs » Fr 20. Okt 2017, 20:34

sven23 hat geschrieben:Ganz so beliebig ist es nun auch wieder nicht.
Und trotzdem kommen unterschiedliche Historiker bei gleicher Quellenlage zu unterschiedlichsten ERgebnissen.

sven23 hat geschrieben:Es geht weniger um die Zeit 39-45, in der jeder mit dem eigenen Überleben beschäftigt war, sondern um die Zeit davor, als sich für jeden ersichtlich abzeichnete, wohin die Reise gehen sollte.
Das war wohl so ab 1936 rum - vorher hatten viele noch Hoffnung, dass nicht so heiß gegessen wird wie gekocht. - Trotzdem: Wenn die Leute damals genauso waren wie heute, war es NICHT für viele ersichtlich. - Ein großer Geist wie Thomas Mann hat es schon 1933 erkannt - aber das ist die Ausnahme.

sven23 hat geschrieben:Das Milgram Experiment hat doch gerade gezeigt, dass man Autoritäten misstrauen soll.
Moment: Das Milgram-Experiment zeigt, dass der Mensch kultur-übergreifend zum Mörder wird, wenn man es richtig anstellt. - In anderem Gewand wäre das Milgram-Experiment auch heute noch "erfolgreich".

sven23 hat geschrieben:Das Erfolgsrezept von Diktaturen liegt ja u. a. daran, dass sie anbieten, die eigene Verantwortung an höhere Autoritäten bzw. Führer abgeben zu können. Ein ähnliches Schema findet sich beim religiösen Fundamentalismus.
Richtig - und bei demokratischen Mainstream-Gesellschaften. - Vergiß nicht: Sowohl Hitler als auch Trump wurden demokratisch gewählt.

Deshalb wäre es wichtig, sich auf WIRKLICHE Aufklärung einzulassen - und das ist sicherlich NICHT zu haben in einer bewusstlosen Mainstream-Gesellschaft aus programmatischen Individualisten. - Da gehört mehr dazu.

Dieses "mehr" wurde relativ gut nach WK II geleistet - damals war die Zeit so schlecht, dass allen der Schock in den Knochen war. - Dieses "mehr" wird übrigens auch in Religionen mit klarer Botschaft geleistet, solange sie NICHT fundamentalistisch, sondern fundamental sind. - Und es wird auch bei vielen in der säkularen Gesellschaft geleistet - aber mehr als 5 oder 10% sind das nie.

sven23 hat geschrieben:Zumdindest wurde kollektiv gewußt, dass immer mehr Menschen aus der Gesellschaft verschwanden und dass sie nicht in einem Ferienlage waren. Natürlich kann man sich das hinterher immer schön reden, der Selbstbetrug ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft.
Das "umgesiedelt" haben wirklich viele geglaubt - den Holocaust konnte sich der normale Mensch auch damals nicht vorstellen. - Und dass solche "Umsiedlungen" nicht zum Vorteil der Betroffenen waren, war auch klar - und da spielen jetzt traditionelle antisemitische Strömungen hinein, dass man dies nicht empörend fand.

sven23 hat geschrieben:Das ist völlig daneben. Man kann völkische Säuberungsaktionen nicht mit einer erschummelten Doktorarbeit vergleichen. Das ist wieder ein typisch clossscher Relativierungsversuch.
Das WÄRE es. - Du machst wieder Deinen Fehler, etwas nicht zu verstehen, und die Folgen daraus dem anderen unterzuschieben. - Also nochmal:

Es geht hier nicht um den Vergleich historischen Geschehens (es wäre unerträglich, gefakte Dr.-Arbeiten mit dem Holocaust zu vergleichen), sondern es geht BEI MIR um ...
Closs hat geschrieben:psychologische Verhaltensweisen
Damit ist gemeint: Der Mensch tickt gleich, nur dass ihn die Gnade der späten Geburt oder der richtigen Geografie daran hindert, in einem historisch so abgründigen Geschehen wie der Holocaust-Zeit "gleich-ticken" zu müssen, wie es bei unseren Groß- und Urgroßväter war.

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#129 Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von Pluto » Sa 21. Okt 2017, 00:08

closs hat geschrieben:Und trotzdem kommen unterschiedliche Historiker bei gleicher Quellenlage zu unterschiedlichsten ERgebnissen.
Nicht das ich wüsste, nein.
Gib doch mal Beispiele an, die deinen Standpunkt untermauern.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#130 Re: Hitler-Deutschland

Beitrag von closs » Sa 21. Okt 2017, 00:30

Pluto hat geschrieben:Gib doch mal Beispiele an, die deinen Standpunkt untermauern.
Das ist bei (fast) allen historischen Fragen so - nimm bspw. das Thema "Kriegsschuld bei WK 1" - da finde ich gerade spontan bei "zeotklicks":
"Die Historiker streiten sich wegen der Kriegsschuldfrage
Noch heute streiten sich die Historiker über die Kriegsschuldfrage. Während man lange Zeit die Kriegsschuld fast ausschließlich Deutschland zuschrieb, hat sich das mittlerweile geändert. Denn man muss ziemlich genau hinschauen, wie denn die Situation in Europa und der Welt um 1914 - also kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges - ausgesehen hat".

Und nicht, weil es ganz neue Quellen gäbe, sondern weil es die Historiker im Abstand anders bewerten.

Oder: Was wusste die Bevölkerung vom Holocaust - hier Burkard Hirsch in der SZ:
"Auf dem Land mochte es möglich sein, nichts davon mitzubekommen, was mit den Juden geschah. In den Städten war es ausgeschlossen. ... Der FDP-Politiker Burkhard Hirsch, Sohn eines Richters, der nur noch Zivilsachen machte, verbrachte seine Kindheit in Halle.Im November 1938 sah er lauter Möbel auf der Straße liegen. 1941, Hirsch war damals zwölf Jahre alt, sah er, wie eine Frau mit dem gelben Stern sich vor den Passanten - vor ihm! - an eine Hauswand drückte. "Die Frau sehe ich heute noch vor mir." Er hat es nicht verstanden, aber "niemand hat mir Auskunft gegeben". Dass es KZs gab, wusste er. Sie hießen "Konzertlager". Asoziale kamen da hin". (SZ 19. Mai 2010)

Hier eine andere Meinung:
"Rassenwahn und Massenmord. Viele beteuern noch heute: Wir wussten von nichts. Die Wahrheit ist eine andere weiß Gellately: "Die Deutschen wussten sehr viel, die wussten es sehr früh, und die haben sehr viel mehr erfahren können, als wir vielleicht manchmal denken." (V. Steinhoff)

Was ich von Zeitzeugen gehört habe, war: Klar wusste man von KZs - aber man hat diese als Sammellager für Juden (als Zwischenlager auf dem Weg zur Umsiedlung) und als Gefängnis für Kommunisten und Aufmüpfige verstanden - von generalstabsmäßigen Völkermord war NICHT die Rede. - Und dann waren da viele Kriegsgefangene - gut, denen ging es schlecht, aber unseren an der Front genauso. - Das ist der Tenor, den man hört(e).

Und worauf ich immer von Zeitzeugen hingewiesen wurde: Es gab keine Medien außer den Propaganda-Medien. - Es gab kein TV, nicht mal Telefon (für die allermeisten). - Natürlich gab es die SS- und Gestapo-Leute - aber die hat man ganz sicher NICHT gefragt. - Man hat einfach versucht, nicht mit dem Staat überkreuz zu kommen. - Nur wenige sind Märtyrer-Typen - damals wie heute.

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