Geistige Existenz

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Thaddäus
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#61 Re: Geistige Existenz

Beitrag von Thaddäus » Di 22. Okt 2013, 19:02

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:
Dieser Gedanke scheitert daran, dass Geist/Materie aber eben keine Energie ist, also keine physikalische Größe.
Stimmt - deshalb muss man "vertikal" denken (also nicht nur "horizontal" zwischen Energie und Materie, sondern auch vertikal zwischen Geist und Materie.
Leider gibt es diese vertikale Ebene nicht. Kant hat es sinngemäß (und gerichtet gegen jede Form von Gottesbeweisen) so formuliert: "Aus 100 gedachten Talern, können keine 100 wirklichen Taler werden".
Gäbe es eine vertikale Ebene in deinem Sinne, müsste aber genau das möglich sein.
Es gibt zweifelsohne einen Sinnbereich des Geistigen. Es existieren Gedanken, Ideen, Vorstellungen, Illusionen, Phantasie, phantastische literarische Welten wie der "Herr der Ringe-" oder der "Harry Potter-Kosmos", Platons Höhlengleichnis, der Geschmack von Annanas als Geschmacks-Erlebnis, die Logik, die Mathematik, Gottesbeweise, die Kopenhagener Interpretation der Quantenphysik, Hegels "Phänomenologie des Geistes", famose Interpretationen des Faust 1. Teil, Auslegungen der Bergpredigt Jesu, das Gravitationsgesetz Newtons als Beschreibung des Verhaltens von Materie unter gewissen Bedingungen und die grandiosen Erzählungen des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges uvam.

Dies alles gehört zu den Sinnfeldern des Geistes und alle diese Dinge sind Wirklichkeit.
Es gibt aber keinen Übergang dieser geistigen Wirklichkeit zur Wirklichkeit empirisch wahrnehmbarer Stofflichkeit.
100 gedachte Taler sind nicht 100 wirkliche Taler.



closs hat geschrieben:
- Und da kann es auch die Überführung des einen (Geist) ins andere (Materie/Gehirn) geben - ohne dass man von Dualismus sprechen müsste. -
Ich fürchte, genau das ist nicht möglich.


closs hat geschrieben:
Problem: Da dieser Gedanke vertikal angelegt ist, sind naturwissenschaftliche Nachweise für diese These schwer bis nicht erbringbar.
Natürlich nicht, denn es geht einfach nicht. ;)
Es gibt nun einmal diese vertikale Ebene nicht.

Es existiert nur eine einzige philosophische Theorie, die konsequent behauptet: dass einzige, was existiert ist das Ich und dieses Ich setzt auch die empirisch wahrnehmabre Welt in einem Akt der Schöpfung dieses Ichs. Dies tut das Ich, damit es sich von etwas unterscheiden kann, wodurch es sich als Ich erst selbst erkennen kann. Dies ist der subjektive Idealismus Johann Gottlieb Fichtes.
Der wird in der philosophischen Community von den meisten allerdings als Wahnsinniger betrachtet. :lol:

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#62 Re: Geistige Existenz

Beitrag von closs » Di 22. Okt 2013, 20:43

Thaddäus hat geschrieben:Leider gibt es diese vertikale Ebene nicht.
Naturalismus im ideologischen Anspruch kann zu diesem Postulat kommen.

Thaddäus hat geschrieben:und gerichtet gegen jede Form von Gottesbeweisen
Es wird im Dasein nie Gottes-Beweise geben können - ein geistiges Oxymoron.

Thaddäus hat geschrieben:"Aus 100 gedachten Talern, können keine 100 wirklichen Taler werden".
Recht hat er, der Immanuel.

Thaddäus hat geschrieben:Gäbe es eine vertikale Ebene in deinem Sinne, müsste aber genau das möglich sein.
Wie kommst Du darauf? - Kant meint, dass aus 100 VOM MENSCH gedachten Talern keine daseins-wirklichen Taler werden können. - Gott Gedachtes ist aber gerade die Schöpfung - also das Daseins-Wirkliche. - Wenn man Mensch und Gott verwechselt, gibt es in der Tat Probleme.

Thaddäus hat geschrieben:Es gibt nun einmal diese vertikale Ebene nicht.
Unter diesem Postulat verbietet sich jeder Gedanke an Transzendenz. - DANN hätten die Naturalisten wirklich recht, dass das Geistige ausschließlich Produkt des materiellen Gehirns ist.

Thaddäus hat geschrieben:Der wird in der philosophischen Community von den meisten allerdings als Wahnsinniger betrachtet.
Warum das? - Im Hinblick auf Sartres existenzialistisches "Erfinde Dich selbst" (weil sonst nichts ist) ist Fichte sehr vorausweisend - allerdings (wie ich meine) in die falsche Richtung. - Insofern bildet Fichte die geistige Realität des 21. Jh. (in der westlichen Hemisphäre) gut ab - er müsste eigentlich "in" sein.

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#63 Re: Geistige Existenz

Beitrag von Thaddäus » Di 22. Okt 2013, 21:46

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:
Leider gibt es diese vertikale Ebene nicht.
Naturalismus im ideologischen Anspruch kann zu diesem Postulat kommen.
Leider kommt schon der gesunde Menschenverstand zu diesem Urteil. Dazu muss man kein Naturalist sein. ;)

closs hat geschrieben: Es wird im Dasein nie Gottes-Beweise geben können - ein geistiges Oxymoron.
Wenn Gott dem Menschen seine Vernunft gegeben hat und sich in dieser Welt offenbart hat, dann kann der Mensch ihn auch erkennen. Könnte der Mensch das nicht, dann hätte sich Gott nie in der Welt offenbart.

closs hat geschrieben: Gott Gedachtes ist aber gerade die Schöpfung - also das Daseins-Wirkliche. - Wenn man Mensch und Gott verwechselt, gibt es in der Tat Probleme.
Du kannst niemals wissen, was Gott denkt, denn du bist nur ein Mensch und bist nicht Gott. Alles was du dir zu Gott denkst, sind Menschen-Gedanken.


closs hat geschrieben: Unter diesem Postulat verbietet sich jeder Gedanke an Transzendenz. - DANN hätten die Naturalisten wirklich recht, dass das Geistige ausschließlich Produkt des materiellen Gehirns ist.
Wenn Gott den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat, dann ist seine Vernunft dasjenige, das ihn von den Tieren unterscheidet und ihn göttlich macht: dann folge deiner Vernunft, denn damit folgst du dem Göttlichen in dir ... :thumbup:


closs hat geschrieben: Warum das? - Im Hinblick auf Sartres existenzialistisches "Erfinde Dich selbst" (weil sonst nichts ist) ist Fichte sehr vorausweisend - allerdings (wie ich meine) in die falsche Richtung. - Insofern bildet Fichte die geistige Realität des 21. Jh. (in der westlichen Hemisphäre) gut ab - er müsste eigentlich "in" sein.
Allerdings meint Fichte nicht nur, dass der Mensch sich selbst erfindet, sondern auch, dass sein Ich die ganze Welt schafft - mit allem darin.
Nach Fichte gibt es nur das Ich, sonst nichts.
Deshalb wird er als einigermaßen kurios betrachtet. :)

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#64 Re: Geistige Existenz

Beitrag von closs » Di 22. Okt 2013, 22:49

Thaddäus hat geschrieben:Leider kommt schon der gesunde Menschenverstand zu diesem Urteil.
Das relativiert den Begriff "Gesundheit". ;)

Thaddäus hat geschrieben:dann kann der Mensch ihn auch erkennen
"Erkennen" und "beweisen" sind zwei paar Stiefel. - Selbstverständlich erkennt der Christ seinen Gott - aber er kann ihn nicht beweisen.

Thaddäus hat geschrieben:Alles was du dir zu Gott denkst, sind Menschen-Gedanken.
Stimmt - der Mensch kann nur wahrnehmen. - Ziel der Wahrnehmung ist, in Übereinstimmung zu kommen mit göttlicher Realität. Ob das gelingt, ist nicht im Dasein verifizierbar. Bewahrheitet wird später. :) - Allerdings gibt es (neben der Herzenserkenntnis) eine geistige Erkenntnis mit Mitteln von Ontologie, Dialektik und Hermeneutik, die Gottes Absichten und Denken plausibel machen.

Thaddäus hat geschrieben:dann ist seine Vernunft dasjenige, das ihn von den Tieren unterscheidet
"Vernunft" kann hier irreleitend sein. - Ebenbildlichkeit definiert sich durch die Fähigkeit, nach Gott fragen zu können. Das ist aus meiner Sicht äußerst vernünftig - aber ob Du unter "Vernunft" dasselbe verstehst, ist dem Wort selbst nicht entnehmbar.

Thaddäus hat geschrieben:Nach Fichte gibt es nur das Ich, sonst nichts.
Ich kenne Fichte nicht gut genug - aber hier riecht es förmlich nach Fehlinterpretationen. - Meint Fichte, dass es (a) nur das Ich gibt (Ich=Sein - vgl. auch "Wille und Vorstellung" bei SChopenhauer). - Oder meint er, dass (b) der Mensch nur das Ich zur Verfügung hat.

(a) und (b) wären geradezu das Gegenteil.

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#65 Re: Geistige Existenz

Beitrag von Thaddäus » Mo 28. Okt 2013, 21:09

closs hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben:Alles was du dir zu Gott denkst, sind Menschen-Gedanken.
Stimmt - der Mensch kann nur wahrnehmen. - Ziel der Wahrnehmung ist, in Übereinstimmung zu kommen mit göttlicher Realität. Ob das gelingt, ist nicht im Dasein verifizierbar. Bewahrheitet wird später. :)
Wenn es im Dasein nicht verifizierbar ist, dann ist es nie verifizierbar. Wenn das Sein nach dem Tode nicht Dasein ist, was soll es dann sein?



closs hat geschrieben: - Allerdings gibt es (neben der Herzenserkenntnis) eine geistige Erkenntnis mit Mitteln von Ontologie, Dialektik und Hermeneutik, die Gottes Absichten und Denken plausibel machen.
In der ev. Theologie (Karl Barth) offenbart sich Gott, aber diese Offenbarung ist keine Offenbarung in der Natur, die mit den Mitteln menschlicher Vernunft erlangt werden kann (Ausnahme ist der ev. Theologe Wolfhard Pannenberg). In der katholischen Dogmatik offenbart sich Gott immer auch auf natürliche Weise und kann von menschlicher Vernunft erfasst werden.
An dieser Stelle schien mir die katholische Sichtweise immer die einleuchtendere.
Was gegen Gott spricht ist, dass er das Naheliegendste nicht tut. Es sollte kein Problem für ihn sein, den Petersdom einmal für ein paar Tage in Schokolade zu verwandeln. Dann gäbe es keinen Zweifel mehr an der Existenz Gottes.
Einzuwenden, dies sei albern, ist kein Gegenbeweis. Er könnte es, wenn es ihn gibt. Warum tut er es nicht, wenn er will, dass die Menschen an ihn glauben?

closs hat geschrieben: Ebenbildlichkeit definiert sich durch die Fähigkeit, nach Gott fragen zu können. Das ist aus meiner Sicht äußerst vernünftig - aber ob Du unter "Vernunft" dasselbe verstehst, ist dem Wort selbst nicht entnehmbar.
Nach Gott fragen zu können, ist sicherlich eine Fähigkeit der Vernunft. Wichtiger als die Frage ist aber die Antwort. Wenn Gott den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat und er nach ihm fragen kann, warum enthält er ihm die eindeutige Antwort vor?
Gotteserkenntnis sollte doch kein Spielchen von Gott sein, nach dem Motto: ich zeige mich euch nur schleierhaft und ohne eindeutigen Beweis, damit ihr Grund zum Glauben habt. Warum offenbart er sich nicht eindeutig?


closs hat geschrieben: Ich kenne Fichte nicht gut genug - aber hier riecht es förmlich nach Fehlinterpretationen. - Meint Fichte, dass es (a) nur das Ich gibt (Ich=Sein - vgl. auch "Wille und Vorstellung" bei SChopenhauer). - Oder meint er, dass (b) der Mensch nur das Ich zur Verfügung hat.
Fichte meint, dass es nur das ICH gibt, welches alles, was dieses ICH wahrnehmen kann, selbst erschafft.

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#66 Re: Geistige Existenz

Beitrag von closs » Mo 28. Okt 2013, 21:37

Thaddäus hat geschrieben:Wenn es im Dasein nicht verifizierbar ist, dann ist es nie verifizierbar.
Dann gibt es nur Dasein. Das hieße gleichzeitig, dass der Daseins-Tod wirklich das Ende ist.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn das Sein nach dem Tode nicht Dasein ist, was soll es dann sein?
Sein :lol: - "Sein" ist (in dieser Gegenüberstellung) der Zustand, in dem Wahrnehmung und Realität vollständig verschmelzen.

Thaddäus hat geschrieben:In der katholischen Dogmatik offenbart sich Gott immer auch auf natürliche Weise und kann von menschlicher Vernunft erfasst werden.
Vorsicht: Gott ist etwas anderes als Selbst-Offenbarung Gottes.

Selbst-Offenbarungen Gottes im Dasein müssen für den Menschen erfassbar sein (und wenn es nur begrifflich ist - siehe "Vater", "Sohn" und "HG") - Gott selber (also der Ursprung der göttlichen Offenbarungen) ist "Jahwe" (Ich-bin) - also NICHT erfassbar. Das weiß die RKK auch - auch aus ihrer Sicht steht über der Materie der Geist - höchste Form des MENSCHLICHEN Geistes-Existenz geschieht in der "Visio Beatifica".

Thaddäus hat geschrieben:Es sollte kein Problem für ihn sein, den Petersdom einmal für ein paar Tage in Schokolade zu verwandeln.
Nützt nix. - Die Wissenschaften würden darauf bestehen, dass es ein daseins-kompatible Erklärung dafür gegebn MUSS. - Du hast vielleicht mal "Cien anos de soledad" in spanisch gelesen (ich leider nur in deutsch) - da gibt es auch so Sachen, die als "magischer Realismus" bezeichnet werden. - Es regnet Rosen, die Frauen gehen aus den Häusern und kehren die Straße stoisch frei.

Thaddäus hat geschrieben:Wenn Gott den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat und er nach ihm fragen kann, warum enthält er ihm die eindeutige Antwort vor?
Weil der Sinn des Sündenfalls darin besteht, die Antwort nicht nur abzuhaken, sondern selbst zu erkennen - also nicht einfach was abschreiben, sondern erleben/erleiden. - Das Leid spielt nicht umsonst eine Schlüsselrolle im Christentum.

Thaddäus hat geschrieben:Fichte meint, dass es nur das ICH gibt, welches alles, was dieses ICH wahrnehmen kann, selbst erschafft.
Dann ist er ein Vorläufer von Sartre und Existenzialismus. - Als kritisches Gegengewicht in einer Zeit, die das braucht, ist das ok - unterm Strich nachhaltig erscheint es nicht. - Der Mensch hat nichts, außer sein "Cogito", und meint deshalb, es gäbe sonst nichts. - Ist mir zu anthropozentrisch.

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#67 Re: Geistige Existenz

Beitrag von Pluto » Mo 28. Okt 2013, 22:45

closs hat geschrieben:Dann gibt es nur Dasein. Das hieße gleichzeitig, dass der Daseins-Tod wirklich das Ende ist.
Alles andere ist anthropzentrischer Eigennutz, getrieben von dem Gedanken, dass der Tod nicht endlich ist. Wenn es so sein soll, dass das Leben weitergeht, dann würde mich darüber freuen.
Dann lass ich mich überraschen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#68 Re: Geistige Existenz

Beitrag von closs » Mo 28. Okt 2013, 23:03

Pluto hat geschrieben:Alles andere ist anthropzentrischer Eigennutz,
Da sind wir begrifflich exakt umgekehrt gepolt: Für mich ist es Ausdruck von Anthropozentrik, wenn man die eigene Wahrnehmung (also das Dasein) zum Maß der Realität (also des Seins) macht.

Pluto hat geschrieben:Dann lass ich mich überraschen.
Das geht uns allen so - denn auch der bevöllmächtigste Mensch kann nur subjektive Gewißheit haben.

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#69 Re: Geistige Existenz

Beitrag von Pluto » Mo 28. Okt 2013, 23:14

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Alles andere ist anthropzentrischer Eigennutz,
Da sind wir begrifflich exakt umgekehrt gepolt: Für mich ist es Ausdruck von Anthropozentrik, wenn man die eigene Wahrnehmung (also das Dasein) zum Maß der Realität (also des Seins) macht.
Es hängt alles von der Frage nach der selbständigen Existenz einer Seele ab.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#70 Re: Geistige Existenz

Beitrag von closs » Mo 28. Okt 2013, 23:49

Pluto hat geschrieben:Es hängt alles von der Frage nach der selbständigen Existenz einer Seele ab.
Was verstehst Du unter "selbständig"? Dass sie sich selber schafft?

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