Chronologie; Ägyptologie versus Altes Testament

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Mirjam
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#1 Chronologie; Ägyptologie versus Altes Testament

Beitrag von Mirjam » Mi 4. Apr 2018, 21:20

Hallo liebe Foristen,

ich gliedere hier einmal die Diskussion aus, die ich mit R.F. im Bereich Altes Testament angefangen hatte...
Mirjam hat geschrieben:
R.F. hat geschrieben: Sicher ist es legitim und gar notwendig, die Geschichte der Stämme Israels mit der Geschichte anderer Völker zu vergleichen. Die daraus gezogenen Schlussfolgerungen sind allerdings oft derart unsicher, dass sich viele von ihnen sich leicht widerlegen lassen. Wie so oft wird der Glaube an die orthodoxe Chronologie arg strapaziert. Dabei gerät mit der Widerlegung nur einer oder einigen wenigen Annahmen die ganze Chronologie ins Wanken.
Kühne Annahme. Wie ich schon schrieb: die absoluten Datierungen sind tatsächlich ziemlich wackelig, die relativen Sequenzen und die allgemeinen Tendenzen sind dagegen viel besser gesichert. Wenn du möchtest, können wir das gerne in einem eigenen Thread fortführen und uns die Belege beider Seiten im Detail ansehen, dann kann sich jeder selbst ein Bild machen.

Zur Orientierung:
Es geht hier nach "orthodoxer" Chronologie (R.F.s Formulierung) um die Zeit zwischen dem 16. Jh. v.u.Z bis zum 6. Jh. v.u.Z.
In der Ägyptologie umfasst das grob die Epoche des Neuen Reiches und der Dritten Zwischenzeit.

R.F., willst die von dir vertretene Chronologie vorlegen, damit wir erst mal die Unterschiede feststellen können?
Richtest du deine Kritik mehr gegen die absoluten Datierungen, oder stellst du auch die relativen Daten (Abfolge der Könige und Dynastien) in Frage?

Und wie fange ich hier am besten an, liebe Foristen - soll ich erst mal was allgemeines zu diesen Epochen schreiben und die wichtigsten Datierungsmethoden darlegen? Oder findet ihr das auch selbst bei Dr. Google und Tante Wiki und wir können gleich mit der Datierung der Minoischen Eruption und den Problemen der Sothisdaten ans Eingemachte gehen?


liebe Grüße

Mirjam

SilverBullet
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#2 Re: Chronologie; Ägyptologie versus Altes Testament

Beitrag von SilverBullet » Mi 4. Apr 2018, 21:45

Zur Chronologie kann ich kaum etwas beitragen ausser, dass ich neulich mal gelesen habe, dass es „Diskussionen“ gibt – aber ich kann mich da eigentlich nur heraus halten.

In einem anderen Thema habe ich „Hatschepsut“ als „Gottestochter“ angebracht, denn viele religiöse „Konzepte“/“Ideen“/“Phantasien“, die die Ägypter über lange Zeit entwickelten, scheinen so eigenartig auf die Bücherreligionen „abgefärbt“ zu haben.

Mir scheint es deshalb von elementarer Wichtigkeit zu sein, dass die ägyptische Kultur sehr alt ist (in der Antike bereits sehr alt war) und im damaligen Teil der Welt äusserst dominant gewesen sein muss.

Die AT-Geschichten, um „den Auszug aus Ägypten“ sehe ich als einen politischen Versuch an, eine „wir sind ja sooo unabhängig“-Stimmung zu erzeugen. (nur um dann genau die gleichen Prinzipien zu verwenden)

ThomasM
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#3 Re: Chronologie; Ägyptologie versus Altes Testament

Beitrag von ThomasM » Fr 6. Apr 2018, 15:27

Mirjam hat geschrieben: Oder findet ihr das auch selbst bei Dr. Google und Tante Wiki und wir können gleich mit der Datierung der Minoischen Eruption und den Problemen der Sothisdaten ans Eingemachte gehen?
Du könntest ja für Leute, die sich einlesen wollen, ein paar Links angeben
Und auch bei dem Eingemachten wären unabhängige Links wichtig.

Nur eines solltest du nicht: R.F. für jemanden halten, mit dem man ernsthaft diskutieren kann.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

R.F.
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#4 Re: Chronologie; Ägyptologie versus Altes Testament

Beitrag von R.F. » Fr 6. Apr 2018, 17:58

Mirjam hat geschrieben: - - -
R.F., willst die von dir vertretene Chronologie vorlegen, damit wir erst mal die Unterschiede feststellen können?
Richtest du deine Kritik mehr gegen die absoluten Datierungen, oder stellst du auch die relativen Daten (Abfolge der Könige und Dynastien) in Frage?

Und wie fange ich hier am besten an, liebe Foristen - soll ich erst mal was allgemeines zu diesen Epochen schreiben und die wichtigsten Datierungsmethoden darlegen? Oder findet ihr das auch selbst bei Dr. Google und Tante Wiki und wir können gleich mit der Datierung der Minoischen Eruption und den Problemen der Sothisdaten ans Eingemachte gehen?
- - -
Neben weiteren haben der an anderer Stelle genannte Althistoriker Eduard Meyer bzw. die Ägyptologen Ludwig Borchardt und Wolfgang Helck die Richtung vorgegeben. Der Einfluss der alttestamentlichen Historie hatte offenbar keinen großen Einfluss auf deren Forschung. Studenten und Doktoranden kriechen auf dieser Spur weiter, wagen keine grundsätzlichen Korrekturen. Und so verhält es sich auch bei anderen historischen Wissenschaften.

Von Artefakten oder schriftlichen Urkunden erfährt die Öffentlichkeit erst nach “wissenschaftlicher” Bearbeitung. Natürlich hat der geschlossene Historiker-Zirkel kein Interesse daran, die Öffentlichkeit über ihr Lehrgebilde bedrohende neue Erkenntnisse zu unterrichten.

Ob in der Theologie oder Geschichtswissenschaft: Auch nur der Anschein, man würde die Bibel als maßgebendes Werk über die Geschichte der Menschheit betrachten, führt zu heftigen Reaktionen des wissenschaftlichen Establishments. Mit der Karriere ist jedenfalls für einen Unbeugsamen zu Ende.

Wie auch in anderen Wissenschaftszweigen bedarf es Außenseiter, um den etablierten Wissenschaftler-Pulk aufzubrechen. Solche Außenseiter sind der bereits erwähnte Velikovsky oder Gunnar Heinsohn und Heribert Illig. Wobei die beiden Letztgenannten mit ihrem Buch “Das erfundene Mittelalter” den Bogen wohl überspannten. Sie alle aber überzeugten die Leser durch für jeden nachvollziehbare Belege.

Während sich die von den Historikern konstruierte Geschichte Ägyptens aus unzähligen Artefakten und fragmentarischen Überlieferungen zusammensetzt, zeigen die historischen Texte des Alten Testaments eine geschlossene Geschichte der Stämme Israels.

Hierzu ein vor einiger Zeit mit dem lieben piscator geführter Disput:

R.F. hat geschrieben:
piscator hat geschrieben:Soviel mir bekannt ist, gibt es bei den Ägyptern keine Aufzeichnungen über den Exodus.

Dabei hätte Abzug von von so vielen Arbeitern und Spezialisten eine Lücke hinterlassen müssen.

Ebenso hätte der Verlust des ägyptischen Heeres sofort die Feinde Ägyptens auf den Plan rufen müssen.
Dever argumentiert weiter, die ägyptische Literatur und Geschichtsschreibung erwähnten den Aufenthalt der Stämme und die Ereignisse um den Exodus an keiner Stelle. Das überrascht umso mehr, da der Auszug nach dem biblischen Bericht mit einer gewaltigen Erschütterung Ägyptens einhergegangen sein müsste. Dem Verlust des ägyptischen Heeres am Schilfmeer waren die katastrophalen zehn Plagen vorausgegangen, die u.a. den Totalverlust der Ernte und eines großen Teils des Viehbestands und das Sterben der gesamten Erstgeburt umfasst hatten. Eine solche Krise, so Dever, sollte sich in einer mit Texten reich belegten Ära wie der Zeit Ramses II. Irgendwo wiederfinden. Obwohl auch dieses Argument zunächst plausibel erscheint, wird es den Prämissen ägyptischer Geschichtsschreibung wohl nicht wirklich gerecht. So schreibt John Wilson über eine andere nationale Katastrophe, die langzeitige Fremdherrschaft der Hyksos über Ägypten:

“Über die Hyksos-Herrschaft selbst fehlen zeitgenössische ägyptische Berichte restlos. Das erscheint angesichts der Bedeutung der großen nationalen Demütigung für die Entwicklung der ägyptischen Kultur verblüffend. Doch nur auf den ersten Blick: Die ägyptischen Texte beschäftigen sich grundsätzlich nicht mit dem Vergänglichen, sondern mit dem Ewigen und hielten für die Ewigkeit nur das fest, wovon angenommen wurde, dass es die wahren Absichten der Götter in Bezug auf Ägypten wiedergebe. Von diesem Standpunkt aus wäre es widersinnig gewesen, die Chronik der nationalen Katastrophe niederzuschreiben; ihre Darstellung konnte, wenn überhaupt, erst später, nach der Überwindung der Krise, kommen.*)

*)Uwe Zerbst und Peter van der Veen: “Keine Posaunen von Jericho?”, Seite 24.

Vermutlich sind die Hyksos mit den Amalekitern identisch, die, nachdem sie von der Vernichtung der ägyptischen Streitkräfte gehört hatten und auf dem Weg waren, um Ägyptern einzunehmen, mit den Stämmen Israels zusammenstießen und nach ihrer Niederlage (2. Mose 17,8-14) den Weg nach Ägypten fortsetzten. Sie läuteten die so genannte Hyksosperiode ein, die Manetho zufolge 511 Jahre gedauert haben soll, nach heutigem Forschungsstand jedoch nur wenig mehr als hundert Jahre - wobei diese kurze Hyksoszeit auf geradezu abenteuerlichen Berechnungen beruht.

Im Gegensatz zur Evolutionsbiologie, der Historischen Geologie oder der Paläontologie, deren Daten allesamt tausendfach belegt sind :roll: , ist die im Vergleich dazu recht kurze Geschichte des Altertums z.T. äußerst unsicher...

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DarthVader
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#5 Re: Chronologie; Ägyptologie versus Altes Testament

Beitrag von DarthVader » Fr 6. Apr 2018, 18:49

Über Walter Veith kann man diskutieren, in meinen Augen ist er ein Christ von dem man einige Informationen (nachweislich) gebrauchen kann.

Sehr euch das Video zu diesem Thema an:

Mirjam
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#6 Re: Chronologie; Ägyptologie versus Altes Testament

Beitrag von Mirjam » Sa 7. Apr 2018, 02:44

ThomasM hat geschrieben: Du könntest ja für Leute, die sich einlesen wollen, ein paar Links angeben.

Okay, dann mal los. Hier kommt der Einführungspost für diejenigen, die erst mal wissen wollen worüber wir hier eigentlich streiten.

Einen Überblick über die im Moment allgemein angenommene Chronologie der ägyptischen Kultur gibt es bei Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%84gyp ... _Wikipedia
Dort sind auch Abschnitte zur Methodik absoluter und relativer Datierung dabei.
Soweit ich sehen kann stützt sich Wikipedia dabei vor allem auf Jürgen von Beckerath:
Jürgen von Beckerath: Chronologie des pharaonischen Ägypten. von Zabern, Mainz 1997, ISBN 3-8053-2310-7.


Relative Datierung in der Archäologie ist auch wirklich kein Zauberwerk und beruht auf sehr einfachen Grundlagen.
Relativ bedeutet in dem Zusammenhang: Wir wissen zwar weder, wie alt X noch wie alt Y ist, aber wir können sicher sein: X ist älter als Y.

1. Stratigrafie
Wenn du ein altes Treppengeländer abschleifst, dann kommen da oft Stück für Stück verschiedene Farbschichten zum Vorschein, nicht wahr? Und man kann dabei sehr einfach erkennen, in welcher Reihenfolge das Geländer mit welcher Farbe überpinselt wurde... die untersten Schichten müssen älter sein als die oberen Schichten, denn man kann schlecht eine neue Farbschicht UNTER der alten anbringen.

Wenn Archäologen eine alte Siedlung oder einen Friedhof ausgraben gehen sie nach genau diesem Prinzip vor.
Problem ist natürlich, wenn jemand vor zehn Jahren schon mal das Treppengeländer bis aufs Holz abgeschliffen hat... dann sind alle älteren Farbschichten verloren. Ich will damit sagen: Stratigrafie funktioniert nur dort, wo Schichten unzerstört erhalten sind. Wo der Boden durch tiefe Pflüge oder den Bau einer Strasse durchwühlt wurde haben die Archäologen keine Chance mehr.

Zum Glück kann man aber diese Bodenbefunde kaum fälschen. Es könnte ja jemand auf die Idee kommen und ein gefälschtes Artefakt in einem tiefen Loch vergraben. Bei der Ausgrabung würde man dann diesen Gegenstand tief unten finden und ihn für sehr alt halten? Nein! Denn das Loch, dass man graben muss um den Gegenstand hinein zu legen, ist bei der Ausgrabung deutlich sichtbar: Die Erde, die man beim verfüllen des Lochs verwendet, hat nämlich immer eine leicht andere Zusammensetzung als der Boden drum herum, und das zeichnet sich auf dem Planum, also dem geglätteten Boden bei der Ausgrabung, als deutlicher Fleck ab. Auf diese Weise stellen Archäologen auch die Umrisse von Grabgruben, Pfostenlöchern oder Festungsgräben fest. Im Profil, als der senkrechten Variante des Planums, ist das auch sehr hübsch sichtbar:
Bild
Ich habe das auch schon in eigener Anschauung miterlebt, bei studentischen Lehrgrabungen im Solling. Es ist eine langwierige Arbeit, ein Stück Grubenboden mit der Maurerkelle ganz sauber abzuschaben. Aber das Ergebnis lohnt sich: kleinste Verfärbungen im Boden werden dann sichtbar.
mehr dazu gibt's hier: https://www.praehistorische-archaeologi ... ntdeckung/

2. Seriation und warum Scherben Glück bringen
Moden ändern sich. Kleidung, Geschirr, Schmuck, Waffen - jede Epoche und jede Kultur hat ihre eigenen Vorlieben, schon immer. Archäologische Seriation nutzt diese Tatsache und untersucht statistisch das Vorkommen und die Überlappungen solcher Modeerscheinungen. Typologie ist so ähnlich, bezieht sich aber auf die stilistische und funktionale Entwicklung bestimmter Gegenstände und Formen.

Stellt euch vor, man würde euch fünf Koffer mit Kleidung geben. Jeder enthält die Kleidung einer jungen Frau.
Einer gehört deiner Schwester, einer deiner Mutter, einer deiner Großmutter, und so weiter.
Die Aufgabe: Kann man, ohne irgendeine Ahnung von der Mode des 20. Jahrhunderts zu haben, diese Koffer ihrem Alter nach sortieren? Stellen wir uns vor, die Kleidung ist alle sehr gut erhalten, man kann also das Alter nicht so einfach am Zustand feststellen.
Nun finden wir in einem Koffer mehrere Schnürmieder. In einem anderen wenigstens ein einziges Mieder. In allen anderen Koffern gar kein Mieder. Ergebnis? Die beiden Koffer mit Mieder liegen schon mal nebeneinander, und der mit mehreren Miedern wahrscheinlich an einem Ende der Reihe. Oder Strümpfe: zwei Koffer enthalten ausschließlich Strümpfe mit Gummizug, 2 Koffer enthalten Strümpfe mit Strumpfband, ein Koffer hat beides. Den letzteren können wir damit in die Mitte sortieren.

Ihr merkt, worauf das hinausläuft? Anhand vieler Beispiele und dem Vergleich von Merkmalen und Überlappungen kann man eine Sequenz feststellen. Wir wissen dabei im Extremfall noch nicht einmal, welches das "alte" und welches das "junge" Ende der Kette ist, aber die Reihenfolge selbst ist ziemlich eindeutig.
Nun finden wir in der Archäologie zwar keine Kleiderkoffer, aber dafür Grabbeigaben, die oft aus Schmuck, Waffen und Tontöpfen bestehen. Und Metall ist zum Glück recht haltbar, und Keramik sogar noch mehr. Seriation ist also eine statistische Methode, man braucht relativ viele Funde, die man dann in Tabellen nach Merkmalen und Häufigkeit sortiert.
https://www.thoughtco.com/seriation-sci ... bon-170607

Zum Glück gibt es Scherben mehr als genug. Schon seit der Jungsteinzeit verwenden die Menschen verschiedenster Kulturen Geschirr aus gebranntem Ton. Solche Gefäße gehen leicht mal zu Bruch und es ist einfacher, sie zu ersetzen als sie zu flicken. Daher landen im Laufe der Jahrhunderte viele, viele Scherben im Boden. Keramik ist sehr beständig und wird durch Chemikalien im Boden kaum zersetzt. Und diese Scherben enthalten viele Informationen: Zusammensetzung des verwendeten Tons, Brenndauer- und Temperatur, Oberflächenbehandlung (Politur oder Glasur), Bemalung und/oder Verzierung, Form und Größe des Gefäßes.
Wenn wir also durch Seriation einmal die Abfolge gewisser Moden bei der Keramik festgestellt haben, genügen uns bei einem neuen Fund schon ein paar unscheinbare Scherben um eine ungefähre Datierung vorzunehmen.
https://www.uni-frankfurt.de/45742076/f ... le_keramik

3. Terminus post quem und Terminus ante quem
Das sind die vornehmen Fachausdrücke für "jünger als" und "älter als". Diese Begriffe werden verwendet, wenn ich eine Sache zwar nicht absolut datieren kann, aber ich kann sie sicher vor oder nach einem bekannten Fixpunkt datieren.
Wenn ich auf dem Dachboden einen verschlossenen Umschlag finde, und darin liegt ein D-Mark Schein, dann kann dieser Umschlag nicht vor 1948 verschlossen worden sein, denn vorher gab es keine D-Mark. 1948 ist mein "Terminus post quem", mein "jünger als X".
Wenn ich weiß, dass Oma die Blümchentapete beim Einzug in Haus 1953 angebracht hat, dann ist die Wandfarbe, die ich beim renovieren hinter der Tapete finde, notwendig früher als 1953 aufgetragen worden: Ich habe einen "Terminus ante quem", ein "älter als X"
https://de.wikipedia.org/wiki/Terminus_ante_quem


Ich habe das hier vor allem beschrieben, um einmal auf zwei Punkte hinzuweisen:
1. Relative Chronologie nutzt statistische Methoden, die über die Masse der archäologischen Daten funktionieren. Die ganze Chronologie hängt also nicht nur an einzelnen, eventuell unzuverlässigen Quellen. Bezogen auf Ägypten: Wir haben Königslisten als schriftliche Quellen, die uns eine bestimmte Reihenfolge von Herrschern angeben. Diese Listen könnten aber natürlich - absichtlich oder unabsichtlich - Fehler enthalten. Daher ist es sehr gut, dass wir die Abfolge der Herrscher auch durch die archäologische Methoden ergänzen und korrigieren können.
R.F. hat geschrieben:Während sich die von den Historikern konstruierte Geschichte Ägyptens aus unzähligen Artefakten und fragmentarischen Überlieferungen zusammensetzt, zeigen die historischen Texte des Alten Testaments eine geschlossene Geschichte der Stämme Israels.
Eben deshalb... die MENGE der VERSCHIEDENEN Bruchstücke, die sich gegenseitig ergänzen, ist für mich viel glaubwürdiger als die EINZELNE QUELLE.

2. Relative Chronologie ist keine komplizierte Sache, bei der Historiker irgendwelche Ergebnisse präsentieren, die der Laie nicht nachvollziehen kann. Die verwendeten Methoden sind sogar ziemlich einfach und logisch.


liebe Grüße

Mirjam

PS: zu den absoluten Datierungen bin ich jetzt noch gar nicht gekommen... aber ich schau mal, wie viel Zeit ich am WE habe und schreibe noch was dazu, ist nämlich hoch interessant.

Mirjam
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#7 Re: Chronologie; Ägyptologie versus Altes Testament

Beitrag von Mirjam » Sa 7. Apr 2018, 03:02

... zu der von R.F. postulierten Verschwörung der Historiker-Zirkel
(ich musste diesen Teil auslagern, weil ich eben festgestellt habe, dass es eine maximale Zeichenzahl gibt :shock: :oops: )

Bei R.F. klingt es so, als gäbe es da eine Verschwörung des wissenschaftlichen Zirkels... das kann ich nicht nachvollziehen
R.F. hat geschrieben:Von Artefakten oder schriftlichen Urkunden erfährt die Öffentlichkeit erst nach “wissenschaftlicher” Bearbeitung. Natürlich hat der geschlossene Historiker-Zirkel kein Interesse daran, die Öffentlichkeit über ihr Lehrgebilde bedrohende neue Erkenntnisse zu unterrichten.
In der Ägyptologie wird viel und lebhaft gestritten und diskutiert, in Fachartikeln werden alte Ergebnisse immer wieder weiterentwickelt oder in Frage gestellt. Allein in den letzten 50 Jahren wurden viele alte Annahmen verworfen und neue Theorien eingeführt. Neue Textfunde erweitern das Bild, neue naturwissenschaftliche Methoden bringen neue Erkenntnisse. Das "Lehrgebilde" ist kein statischer Kanon, sondern immer nur der aktuelle Stand der Forschung. Die Ägyptologen haben nämlich keine Bibel, auf der sie seit 2000 Jahren beharren.
(außer vielleicht den Porter-Moss... wir lieben und verehren den Porter -Moss :Herz: :Herz: :lol:
https://de.wikipedia.org/wiki/Topograph ... _Paintings )

R.F. hat geschrieben:Wie auch in anderen Wissenschaftszweigen bedarf es Außenseiter, um den etablierten Wissenschaftler-Pulk aufzubrechen.
Was die von dir genannten Leute zu Außenseitern macht sind nicht zuerst ihre von der Lehrmeinung abweichenden Ergebnisse, sondern ihre als unzureichend kritisierte Methodik: Offensichtliche Vorurteile, waghalsige Interpretationen und wenig sachliche Belege.
Ich will hier nicht behaupten, dass die etablierte Wissenschaft immer recht hat, und die Außenseiter immer unrecht - bestimmt nicht! Manchmal kann ein Außenseiter auch in der Tat durch seine frische Perspektive die entscheidende Idee haben. (Und 25 Jahre später ist er dann Teil der Lehrmeinung, und keiner erinnert sich daran, dass er je ein Außenseiter war... Champollion hat am Anfang auch keiner ernst genommen)
Denn ja, selbstverständlich gibt es auch in den "Historiker-Zirkeln" Vorurteile, liebgewonnene Grundannahmen und überhebliches Beharren auf der eigenen Meinung.
Trotzdem finde ich es vollkommen unberechtigt, die "Lehrmeinung" mit einem "die sind eh alle korrupt" pauschal beiseite zu wischen.
Die Historiker kontrollieren sich untereinander ganz gut. Jeder muss seine Quellen offen legen, jede neue Publlkation wird von den Kollegen kritisch kommentiert, zu jeder Theorie gibt es eine Gegenmeinung.

Ob in irgendeinem konkreten Punkt nun die Lehrmeinung richtig liegt, oder die Außenseiter - da bleibt einem nichts anderes übrig, als selbst zu prüfen und sich dann eine Meinung zu bilden.
Ich persönlich bin da für "selber denken" statt "der Bibel glauben"... aber ich bin ja auch nur eine Ketzerin, der in der Hölle schmoren wird :devil:


liebe Grüße

Mirjam

Mirjam
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#8 Re: Chronologie; Ägyptologie versus Altes Testament

Beitrag von Mirjam » Sa 7. Apr 2018, 17:35

DarthVader hat geschrieben:Über Walter Veith kann man diskutieren, in meinen Augen ist er ein Christ von dem man einige Informationen (nachweislich) gebrauchen kann.

Sehr euch das Video zu diesem Thema an:

OK, habe ich getan... bin sehr gespannt was R.F. dazu sagt?
Denn R.F. scheint ja Velikovsky zu folgen, demnach war der Exodus am Ende des Mittleren Reichs, Hatschepsut die Königin von Saaba und Thutmosis III identisch mit dem biblischen Shishak.
Walter Veith's These dagegen hält sich aufs Jahr genau an die orthodoxe Chronologie der Ägyptologen (ich persönlich glaube NICHT, dass diese Daten aufs Jahr genau zuverlässig sind). Hatschepsut war demnach Moses' Ziehmutter und Thutmosis III war der Pharao des Exodus.

Ja was denn nun??


Walter Veith ist ein charmanter Redner, kein Zweifel, aber er wirft da ein paar Dinge recht gewagt durcheinander.
Da, wo es in seine Geschichte passt, werden reine Spekulationen als historische Fakten ausgegeben (der "Lausbuben"Charakter von Thutmosis II, dass die Ko-regentschaft von Hatschepsut und Thutmosis III erzwungen und voller Konflikte war, die Abwesenheit Amenophis' II just im Jahr 1450 und das angebliche Massaker an seinen Landsleuten danach, etc.) - liebe Menschen, SO GENAU kennen wir die Vorgänge am Königshof der 18 Dynastie NICHT.

Etwas seltsam mutet auch die Anekdote an, dass Thutmosis III persönlich das Totenbuch Am-Duat geschrieben haben soll, ohne zu erläutern, was das Am-Duat überhaupt ist (und es heißt übersetzt auch nicht "Buch der Toten" sondern "Das, welches im Jenseits ist". Es beruht auf der Weiterentwicklung älterer Schriften und taucht im Neuen Reich auch schon VOR Thutmosis III auf) . War das nur, weil Veith da diese Darstellung mit dem Stab und der Schlange gefunden hat?
Bild
Ich habe mal nachgelesen, das ist aus der 11. Stunde, unteres Register. Es geht da gerade um den Gott Horus, der seine Feinde vernichtet.
Beginn der Beischrift: "Die Majestät dieses Gottes erteilt die Weisung, die niederzumetzeln, die seinen Vater Osiris erschlagen haben.
Die Leichname der Feinde und die Leiber der Toten, die auf den Kopf gestellten, die am Gehen gehindert sind, und die Gestalten der Vernichteten"

Also nix Priester, der einen Stab in eine Schlange verwandelt. Sondern der Gott Horus und vor ihm der Schlangendämon "der Millionen verbrennt". Auch keine Menschen in Anbetung davor, sondern die verdammten Seelen der Feinde im Jenseits.
Ist es nicht praktisch, dass ägyptische Darstellungen in der Regel beschriftet sind?

So ganz überzeugt hat mich Walter Veith's Vortrag daher nicht...


liebe Grüße

Mirjam

R.F.
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#9 Re: Chronologie; Ägyptologie versus Altes Testament

Beitrag von R.F. » Di 10. Apr 2018, 15:49

DarthVader hat geschrieben:Über Walter Veith kann man diskutieren, in meinen Augen ist er ein Christ von dem man einige Informationen (nachweislich) gebrauchen kann.

Sehr euch das Video zu diesem Thema an:
Worauf der Walter Veith seine zur Schau gestellte Überheblichkeit stützt, ist mir ein Rätsel. Die in den Schriften des Alten und Neuen Bundes enthaltenen historischen Angaben werden durch andere Kommentatoren - unter ihnen auch Atheisten - weit besser verteidigt. Die Hörer hätten Charakter bewiesen, wenn sie vor Ende des Vortrags sich von ihren Sitzen erhoben und den Raum verlassen hätten.

Ich habe es mir bei diesem Urteil nicht leicht gemacht, daher die späte Antwort...

piscator
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#10 Re: Chronologie; Ägyptologie versus Altes Testament

Beitrag von piscator » Di 10. Apr 2018, 16:38

R.F. hat geschrieben:Worauf der Walter Veith seine zur Schau gestellte Überheblichkeit stützt, ist mir ein Rätsel. Die in den Schriften des Alten und Neuen Bundes enthaltenen historischen Angaben werden durch andere Kommentatoren - unter ihnen auch Atheisten - weit besser verteidigt. Die Hörer hätten Charakter bewiesen, wenn sie vor Ende des Vortrags sich von ihren Sitzen erhoben und den Raum verlassen hätten.
Das ist eine adventistische Show-Veranstaltung mit ausgewählten Publikum, selbst der Saal mit dem typischen Blumenschmuck ist "genormt".
Ich habe so etwas mal mitgemacht, da steht niemand auf und geht. Kritik ist unerwünscht und zeugt von mangelndem Glauben.

Ich vermute stark, dass es Veith mit seinen "wissenschaftlichen" Vorträgen ums Geld geht und er davon profitiert, dass ein Teil der Adventisten (nicht alle!) aus Naivität und aufgrund ihrer religiösen Konditionierung nahezu alles kritiklos glauben, was gegen die verteufelte Evolution spricht.
Meine Beiträge als Moderator schreibe ich in grün.

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