Der Geist

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Pluto
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#191 Re: Der Geist

Beitrag von Pluto » Fr 15. Dez 2017, 09:12

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Die einzig richtige Position ist zu sagen, "ich weiß es nicht".
Richtig - das würde sogar Ratzinger unterschreiben, wenn er sich darauf bezieht, dass er nur "glauben" kann.
Das glaube ich weniger. Ratzinger würde sich auf sein Glaubensbekenntnis berufen.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Auch wenn es nicht falsifizierbar ist, ist es grottenfalsch anzunehmen, dass er existiert.
Das wiederum ist falsch, weil es viele Gründe gibt, dass er als Entität existiert
Es gibt mindestens ebensoviele Gründe anzunehmen, das Gott nicht existiert. Wenn man sich ansieht, wieviel Leid in der Welt ist, muss man davon ausgehen, dass das Leid der Welt (und somit auch Gott) gleichgültig ist. Irgendwie passt das aber nicht mit dem Bild eines barmherzigen, wohlgesinnten Gott zusammen.


closs hat geschrieben:Man darf hier meines Erachtens nicht den Fehler machen zu sagen, weil etwas nicht falsifizierbar sei, könne es nicht Entität sein.
Du unterstellst mir etwas, was ich nicht gesagt habe.
Was ich sagte war genau anders rum. Da Gott nicht falsifizierbar ist, ist es ein Fehler anzunehmen, dass er existiert. Die Aussage "Gott existiert" bleibt ein ideologisches Glaubensbekenntnis.

closs hat geschrieben:Natürlich kann man auch letzteres - das macht doch die Theologie,
Das Problem ist, es geht nur intra-theologie, gilt aber nicht universell.

closs hat geschrieben:weshalb die großkirchliche Theologie doch im Großen und Ganzen davon ausgeht, dass Jesus NICHT eine Naherwartung hatte.
Die Gründe sind mir auch klar. Das macht es aber nicht intersubjektiv, sondern (wie gesagt) nur intra-theologisch.

closs hat geschrieben:Das kann man nur erkennen, wenn man spirituell/heilsgeschichtlich/hermeneutisch/gesamt-kanonisch denkt - eben dieses ist nicht Teil des kritisch-rationalen Denkens.
Wieder die Gedanken einer Made. Es ist ein Unsinn zu behaupten der Mangel an Glaube sei der Grund für mangelndes Verständnis spiritueller Gedanken.
Natürlich verstehen wir das. Wir halten es allerdings für ein Beispiel unredlicher Selbstimmunisierung!

closs hat geschrieben:man kann doch sagen: "Das, was letztlich der Fall ist, ist entscheidend, auch wenn ich nicht weiß, was es ist". - Genau das tun Philosophen von Hiob über die gesamte europäische Philosophiegeschichte hinweg.
Mag sein, dass sie das früher taten. Wer sollte ihnen denn damals widersprechen? In der heutigen, aufgeklärten Welt, wo Unsinn hinterfragt wird, geht so was nicht mehr.
Da man nicht sagen kann was der Fall ist, ist was auch immer vermutet wird, für uns irrelevant.

closs hat geschrieben:Aber der Grundkonflikt "anthropozentrisch versus theozentrisch" ist damit nicht entschieden.
Dieser Konflikt ist objektiv längst entschieden, nur wird diese Tatsache von der Theologie unredlicherweise unter den Teppich gekehrt.

closs hat geschrieben:Noch mehr: Descartes ist doch DESHALB Naturwissenschaftler, weil er sinngemäß sagt: "WEIL ich glaube, dass Gott wohlwollend ist, kann ich beides unterscheiden".
Zu Descartes Zeiten, gab es noch keine Wissenschaft. Diese entstand erst im Laufe des 19. Jahrhunderts. Descartes war Mathematiker und Naturphilosoph.

closs hat geschrieben:Descartes begründet sozusagen die aufgeklärte PRaxis mit einer noch aufgeklärteren Argumentation.
Was meinst du damit?
Was ist an der Argumentation, dass Gott existiert, aufgeklärter?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

JackSparrow
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#192 Re: Der Geist

Beitrag von JackSparrow » Fr 15. Dez 2017, 10:35

closs hat geschrieben:Ich kann MIT meinen Organen nicht überprüfen, OB meine Organe 'treffsicher' sind
Das sind nur Wortspielchen. Du hast keinen Einfluss darauf, was deine Organe für Wirklichkeit halten und worauf dein Körper reagiert. Das liegt bereits als gegeben vor.

ich GLAUBE es, weil ich davon übezeugt bin, dass die Entität, aus der meine Organe kommen, 'wohlwollend' ist
Wären deine Organe nicht wohlwollend, stünde dir trotzdem nur eine einzige Wirklichkeit zur Verfügung und du hättest weiterhin keine Alternative.

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#193 Re: Der Geist

Beitrag von closs » Fr 15. Dez 2017, 11:41

Münek hat geschrieben:nur MANCHE Christen glauben an ein ewige Leben nach dem Tod.
Nein - nur manche Christen schielen nach der Belohnung.

Münek hat geschrieben:Die "großkirchliche Theologie" hüllt sich in dieser Frage in beredtes Schweigen. Sie bezieht keine Gegenposition zum Konsens ihrer Exegeten.
Sie ordnet die Ergebnisse der HKM auf sachlicher Ebene positiv ein und macht ihre geistigen Interpretationen auf dieser Basis selber.

Wie stellst Du Dir das vor?
1) Einerseits stimme man den interpretativen HKM-ERgebnissen zu.
2) Andererseits predige man etwas ganz anderes.
Wie soll das zusammengehen?

Pluto hat geschrieben:Das glaube ich weniger. Ratzinger würde sich auf sein Glaubensbekenntnis berufen.
Wieso "weniger"? Genau das ist doch die Bestätigung für das, was ich gesagt habe.

Pluto hat geschrieben:Es gibt mindestens ebensoviele Gründe anzunehmen, das Gott nicht existiert.
Richtig - das kommt auf die Hermeneutik/die Ausgangslage/die jeweilige Setzung an. - Es gibt hier (mindestens) zwei Stränge, die
a) beide bestens begründbar sind, aber
b) am Ende nur einer recht haben kann.
Da es nicht falsifizierbar ist, kann man nur das eine oder das andere glauben.

Pluto hat geschrieben:Da Gott nicht falsifizierbar ist, ist es ein Fehler anzunehmen, dass er existiert.
Es ist kein Fehler, sondern ein Glaube, es anzunehmen. - Genauso wenig wie es kein Fehler, sondern ein Glaube ist, es NICHT anzunehmen.

Pluto hat geschrieben: Wenn man sich ansieht, wieviel Leid in der Welt ist, muss man davon ausgehen, dass das Leid der Welt (und somit auch Gott) gleichgültig ist. Irgendwie passt das aber nicht mit dem Bild eines barmherzigen, wohlgesinnten Gott zusammen.
DAS wäre jetzt ein fundamentales Thema, das mit Grundlegendem zu tun hat, bei dem zu diskutieren wäre, was Leid, Liebe, Erkenntnis, Heilsgeschichte, etc. eigentlich ist.

Jedoch sind solche Themen extrem schwer diskutierbar, weil sie komplett - je nach Hermeneutik/Ausgangslage/Setzungen - unterschiedlich beantwortet werden können, was ja auch ständig passiert. - Das heißt: Beide Seiten werden aus einer solchen Diskussion eine Bestätigung finden, warum "Leid" und "wohlwollender Gott" zusammenpassen oder NICHT zusammenpassen. - Mit anderen Worten: Es ist keine Lösung, allenfalls ein Offenlegung der jeweiligen Grundlagen an den anderen ("Ach so denkt Ihr da").

Pluto hat geschrieben:Das Problem ist, es geht nur intra-theologie, gilt aber nicht universell.
Zunächst gilt es innerhalb der Disziplin, egal ob sie kanonische oder historischz-kritische Exegese heißt. - FALLS man davon den richtigen Ansatz hat (was aber eben nicht falsifizierbar ist), dann gilt es universell.

Pluto hat geschrieben:Das macht es aber nicht intersubjektiv, sondern (wie gesagt) nur intra-theologisch.
Stop: Die Begründungen sind genauso intersubjektiv wie bei der HKM - und natürlich sind sie trotzdem "intra", weil es ja jeweils nur EIN perspektivisches System ist.

Pluto hat geschrieben:Es ist ein Unsinn zu behaupten der Mangel an Glaube sei der Grund für mangelndes Verständnis spiritueller Gedanken.
"Mangel an Glaube" würde ich gar nicht sagen, sondern "Mangel an Transzendenz-Fähigkeit". - Konkret: Ein transzendent denkender Rabbi wird Ratzinger NICHT zustimmen, ihn aber trotzdem auf Augenhöhe verstehen - das tut die HKM/der Naturalismus, so wie sie hier dargestellt wird, NICHT.

Pluto hat geschrieben:Die Aussage "Gott existiert" bleibt ein ideologisches Glaubensbekenntnis.
Glaubensbekenntnisse sind NIE ideologisch. - Ideologisch wird es dann, wenn man meint, man habe eine glaubens-voraussetzungs-freie Grundlage. - Deshalb halte ich den Materialismus für sehr ideologie-gefährdet, weil er glaubt, er würde nicht glauben.

Pluto hat geschrieben:Mag sein, dass sie das früher taten. Wer sollte ihnen denn damals widersprechen? In der heutigen, aufgeklärten Welt, wo Unsinn hinterfragt wird, geht so was nicht mehr. Da man nicht sagen kann was der Fall ist, ist was auch immer vermutet wird, für uns irrelevant.
Aber genau das ist doch der Rückschritt! - Wenn man sich auf das Nicht-Falsifizierbare beschränken will, sollte man in die Naturwissenschaft gehen und dort bleiben - aber doch nicht in die Philosophie/Theologie/ins Geistige.

Pluto hat geschrieben:Dieser Konflikt ist objektiv längst entschieden
Nein, ist er NICHT. - Er ist INNERHALB einer Hermeneutik ("intra") entschieden, aber doch nicht ontisch.

Pluto hat geschrieben:Zu Descartes Zeiten, gab es noch keine Wissenschaft.
Würde er heute leben, würde er dasselbe sagen, weil das, was er sagt, vollkommen unabhängig von Naturwissenschaft gilt.

Pluto hat geschrieben:Was ist an der Argumentation, dass Gott existiert, aufgeklärter?
Das meine ich nicht - ich meine damit seine Erkenntnis, dass jegliches methodische "Wissens-Ergebnis" auf einem Glauben beruht, also nachdem alle radikal-skeptischen Fragen beantwortet sind. Und diese lassen sich eben nicht wissenschaftlich beantworten.

Pluto
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#194 Re: Der Geist

Beitrag von Pluto » Fr 15. Dez 2017, 13:30

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Das glaube ich weniger. Ratzinger würde sich auf sein Glaubensbekenntnis berufen.
Wieso "weniger"?
Einfache Redewendung.
closs hat geschrieben:Genau das ist doch die Bestätigung für das, was ich gesagt habe.
Im Gegenteil, es ist die Widerlegung.

closs hat geschrieben:a) beide bestens begründbar sind
Darin liegt also dein Irrtum?
Jesus' Naherwartung kann man ohne Setzung anhand der Schrift begründen und intersubjektiv bestätigen.
Das Gegenteil geht ohne die Prämisse, Jesus sei göttlich, nicht.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Da Gott nicht falsifizierbar ist, ist es ein Fehler anzunehmen, dass er existiert.
Es ist kein Fehler, sondern ein Glaube, es anzunehmen.
Wortspielchen!

Das kann ich auch: Glaube = Fehler!!

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Wenn man sich ansieht, wieviel Leid in der Welt ist, muss man davon ausgehen, dass das Leid der Welt (und somit auch Gott) gleichgültig ist. Irgendwie passt das aber nicht mit dem Bild eines barmherzigen, wohlgesinnten Gott zusammen.
DAS wäre jetzt ein fundamentales Thema, das mit Grundlegendem zu tun hat, bei dem zu diskutieren wäre, was Leid, Liebe, Erkenntnis, Heilsgeschichte, etc. eigentlich ist.

Jedoch sind solche Themen extrem schwer diskutierbar, weil sie komplett - je nach Hermeneutik/Ausgangslage/Setzungen - unterschiedlich beantwortet werden können, was ja auch ständig passiert. - Das heißt: Beide Seiten werden aus einer solchen Diskussion eine Bestätigung finden, warum "Leid" und "wohlwollender Gott" zusammenpassen oder NICHT zusammenpassen.
Wir haben es schon oft diskutiert. Heraus kam jedes mal, dass die Theologie keine Antworten hat, weil sie von einem Gott der Liebe ausgeht. Die einzig Annahme die Sinn macht, ist die eines missgünstigen Gottes. Dann geht die Theodizee-Frage auf, und Descartes hatte mit seiner Annahme Unrecht.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Das Problem ist, es geht nur intra-theologie, gilt aber nicht universell.
Zunächst gilt es innerhalb der Disziplin, egal ob sie kanonische oder historischz-kritische Exegese heißt. - FALLS man davon den richtigen Ansatz hat (was aber eben nicht falsifizierbar ist), dann gilt es universell.
Nein. Kannst du lesen, dann musst du die historisch-kritische Exegese intersubjektiv bestätigen, weil es schwarz auf weiß in den Evangelien so steht.

Im Fall der kanonischen Exegese, muss man setzen, dass Jesus göttlich ist. Ohne diese Setzung kommt der kanonische Ansatz nicht weiter.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Das macht es aber nicht intersubjektiv, sondern (wie gesagt) nur intra-theologisch.
Stop: Die Begründungen sind genauso intersubjektiv wie bei der HKM
Nee. Denn wenn du die Bibel setzungsfrei liest, steht es schwarz auf weiß, dass Jesus eine Naherwartung hatte. Erst deine Prämisse, Jesus sei göttlich, erlaubt dir eine andere Interpretation.

closs hat geschrieben:"Mangel an Glaube" würde ich gar nicht sagen, sondern "Mangel an Transzendenz-Fähigkeit". - Konkret: Ein transzendent denkender Rabbi wird Ratzinger NICHT zustimmen, ihn aber trotzdem auf Augenhöhe verstehen - das tut die HKM/der Naturalismus, so wie sie hier dargestellt wird, NICHT.
Es ist vollkommen egal was du es nennst, du behauptest, manche Leute hätten gewisse Fähigkeiten nicht. Kannst du das auch nachweisen?

closs hat geschrieben:Glaubensbekenntnisse sind NIE ideologisch.
Das Gegenteil ist der Fall: Glaubensbekenntnisse sind per Definition ideologisch.

closs hat geschrieben:Deshalb halte ich den Materialismus für sehr ideologie-gefährdet, weil er glaubt, er würde nicht glauben.
Der Materialist stützt sich auf intersubjektiv messbare Fakten nicht auf Transzendenz-Fähigkeit oder Glaube. Daran ist nichts Ideologie.

closs hat geschrieben:Aber genau das ist doch der Rückschritt!
Du meinst, moderne Philosophie ist ein Rückschritt? :o Damit bezichtigst du einen ganzen Berufsstand der Lüge.
Das beweist nur wie stark die Ideologisierung bei dir schon fortgeschritten ist.

closs hat geschrieben:Wenn man sich auf das Nicht-Falsifizierbare beschränken will, sollte man in die Naturwissenschaft gehen und dort bleiben - aber doch nicht in die Philosophie/Theologie/ins Geistige.
Du vermengst hier unterschiedliche Kategorien. Philosophie muss nicht geistig oder theologisch sein. Das beweist die moderne Philosophie seit Nietzsche.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Dieser Konflikt ist objektiv längst entschieden
Nein, ist er NICHT. - Er ist INNERHALB einer Hermeneutik ("intra") entschieden, aber doch nicht ontisch.
Er ist intersubjektiv UNIVERSELL entschieden. Was spielt es für eine Rolle, ob ontisch oder nicht?

closs hat geschrieben:Würde er heute leben, würde er dasselbe sagen, weil das, was er sagt, vollkommen unabhängig von Naturwissenschaft gilt.
Deine Vermutung... mehr als eine Behauptung ist das nicht.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was ist an der Argumentation, dass Gott existiert, aufgeklärter?
Das meine ich nicht - ich meine damit seine Erkenntnis, dass jegliches methodische "Wissens-Ergebnis" auf einem Glauben beruht, also nachdem alle radikal-skeptischen Fragen beantwortet sind. Und diese lassen sich eben nicht wissenschaftlich beantworten.
Das ist keine Antwort auf die Frage, was an der Argumentation aufgeklärter ist?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Catholic
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#195 Re: Der Geist

Beitrag von Catholic » Fr 15. Dez 2017, 14:23

Pluto hat geschrieben:Es gibt mindestens ebensoviele Gründe anzunehmen, das Gott nicht existiert. Wenn man sich ansieht, wieviel Leid in der Welt ist, muss man davon ausgehen, dass das Leid der Welt (und somit auch Gott) gleichgültig ist. Irgendwie passt das aber nicht mit dem Bild eines barmherzigen, wohlgesinnten Gott zusammen.


Vollkommene Zustimmung. :thumbup: :clap:
Das Leid in der Welt passt auch nicht mit der Barmherzigkeit Gottes zusammen.
Nur stelle ich mir die Frage welches Leid (warum auch immer) von Gott gewollt ist (wenn es überhaupt gottgewolltes Leid gibt) und welches Leid von Menschen verursacht wird und von Gott zugelassen wird.

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#196 Re: Der Geist

Beitrag von closs » Fr 15. Dez 2017, 15:48

Pluto hat geschrieben:Jesus' Naherwartung kann man ohne Setzung anhand der Schrift begründen und intersubjektiv bestätigen.Das Gegenteil geht ohne die Prämisse, Jesus sei göttlich, nicht.
Das stimmt nicht. - Wenn ein Theologe die HKM-Hermeneutik zugrundelegt, kann auch er zur Schlussfolgerung gelangen, dass Jesus eine Naherwartung hatte, selbst wenn er persönlich fest überzeugt ist, dass dies historisch falsch ist. - Umgekehrt kann auch ein HKM-ler bei Zugrundelegung der theologischen Hermeneutik zur Schlussfolgerung gelangen, dass Jesus KEINE Naherwartung hatte, selbst wenn er persönlich fest überzeugt ist, dass dies historisch falsch ist.

Der Stolperstein ist immer wieder, dass Du meinst, die HKM-Hermeneutik habe keine Setzungen - doch, das hat sie - bspw:
1) Jesus ist nur Mensch.
2) Historie ist nicht durch Wunder unterbrochen (="Naturalistischer Wirkzusammenhang der Historie")

Pluto hat geschrieben:Das kann ich auch: Glaube = Fehler!!
Das weiß man erst nachher. - Denn wenn etwas Nicht-Falsifizierbares am Ende das Wahre/die Realität ist, ist es KEIN Fehler.

Pluto hat geschrieben: Heraus kam jedes mal, dass die Theologie keine Antworten hat, weil sie von einem Gott der Liebe ausgeht.
Moment: Da gibt es schon Antworten - aber diese Antworten sind kein Zuckerschlecken.

Pluto hat geschrieben: Kannst du lesen, dann musst du die historisch-kritische Exegese intersubjektiv bestätigen, weil es schwarz auf weiß in den Evangelien so steht.
Nein - es steht genauso schwarz auf weiß in den Evangelien, dass Jesus KEINE Naherwartung hatte - es ist eine Frage der Interpretation (und zwar im vielfachen Sinn).

Pluto hat geschrieben:Im Fall der kanonischen Exegese, muss man setzen, dass Jesus göttlich ist. Ohne diese Setzung kommt der kanonische Ansatz nicht weiter.
Richtig - oben habe ich Dir zwei Setzungen genannt, die die HKM macht.

Pluto hat geschrieben:Es ist vollkommen egal was du es nennst, du behauptest, manche Leute hätten gewisse Fähigkeiten nicht. Kannst du das auch nachweisen?
Was heißt "nachweisen"? - Lass ein paar Leute von Ratzinger und Berger durchchecken und die werden Dir dann "nachweisen", wer davon befähigt ist und wer nicht.

Pluto hat geschrieben:Das Gegenteil ist der Fall: Glaubensbekenntnisse sind per Definition ideologisch.
Nein - nicht wenn sie ihren Glauben als solchen verschweigen, sondern alle ihre Aussagen unter den Vorbehalt stellen, dass sich ihr Glaube am Ende als wahr herausstellt.

Pluto hat geschrieben:Der Materialist stützt sich auf intersubjektiv messbare Fakten nicht auf Transzendenz-Fähigkeit oder Glaube. Daran ist nichts Ideologie.
DARAN nichts - aber daran, dass er glaubt, der messbare Bereich sei die Grundlage des Seins. - Wenn er (wie Popper) Popper sagen würde, dass er sich nur um Falsifizierbares kümmert und alles andere nicht, wäre es KEINE Ideologie. - Wenn er allerdings sagt, dass alles, was "ist", vom Menschen prinzipiell falsifizierbar sei, dann ist es Ideologie.

Pluto hat geschrieben:Du meinst, moderne Philosophie ist ein Rückschritt?
In Fragen, die über das Materialistische hinausgehen, auf jeden Fall.

Pluto hat geschrieben:Damit bezichtigst du einen ganzen Berufsstand der Lüge.
Wieso DAS? - Nein, ich halte die Hermeneutik von materialistischen Philosophien für rückschrittlich - mehr nicht.

Pluto hat geschrieben:Philosophie muss nicht geistig oder theologisch sein. Das beweist die moderne Philosophie seit Nietzsche.
Gut - man kann Philosophie als pragmatische Größe verstehen - ich meine mit Philosophie traditionellerweise DIE Philosophie, die Antworten auf die letzten Fragen der Existenz sucht.

Pluto hat geschrieben:Er ist intersubjektiv UNIVERSELL entschieden. Was spielt es für eine Rolle, ob ontisch oder nicht?
Dann wären Teil und Gegenteil gleichzeitig entschieden - das macht keinen Sinn.

Auch hier wieder der immer selbe wunde Punkt: Du vermischst an entscheidenden Punkten "Wahrnehmung" und "Sein"/"Realität" - man könnte auch sagen: "Subjekt" und "Objekt".

Pluto hat geschrieben:Das ist keine Antwort auf die Frage, was an der Argumentation aufgeklärter ist?
Es ist Aufklärung at its best, zu erkennen, was Descartes diesbezüglich erkannt hat. - Hier ist die heutige Aufklärung zurückgefallen, weil sie mit dem Denken erst da einsteigt, wo der Kritische Rationalismus beginnt - das ist zu spät.

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#197 Re: Der Geist

Beitrag von Münek » Sa 16. Dez 2017, 00:40

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:nur MANCHE Christen glauben an ein ewige Leben nach dem Tod.
Nein - nur manche Christen schielen nach der Belohnung.
Das halte ich für ein Gerücht. Bereits Paulus bezeichnete die verheißene ewige Seligkeit als Lohn/Belohnung für den Glauben. Was glaubst Du denn, was die christliche Botschaft für viele Menschen so anziehend machte? Selbstverständlich die zugesagte Aussicht auf ein ewiges Leben. Was denn sonst?

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die "großkirchliche Theologie" hüllt sich in dieser Frage in beredtes Schweigen. Sie bezieht keine Gegenposition zum Konsens ihrer Exegeten.
Sie ordnet die Ergebnisse der HKM auf sachlicher Ebene positiv ein und macht ihre geistigen Interpretationen auf dieser Basis selber.
Fakt ist, die Kirche nimmt zum exegetischen Konsens keine Gegenposition ein, sondern hüllt sich in Schweigen.

closs hat geschrieben:Wie stellst Du Dir das vor? 1) Einerseits stimme man den interpretativen HKM-ERgebnissen zu. 2) Andererseits predige man etwas ganz anderes. Wie soll das zusammengehen?
Man predigt nicht etwas ganz anderes, sondern schweigt zum Thema.

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#198 Re: Der Geist

Beitrag von Münek » Sa 16. Dez 2017, 01:13

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Heraus kam jedes mal, dass die Theologie keine Antworten hat, weil sie von einem Gott der Liebe ausgeht.
Moment: Da gibt es schon Antworten - aber diese Antworten sind kein Zuckerschlecken.
Es gibt keine Antworten. In einem Interview mit dem Journalisten Peter Seewald im Jahr 1996 antwortete Kardinal Ratzinger auf dessen Frage, wenn er eine Frage an Gott hätte, welche er stellen würde:

"Die Frage, die ich stellen würde, ist die, die eigentlich jeder hat: Warum ist die Welt so, was bedeutet das ganze Leid in ihr, warum ist das Böse so mächtig in ihr, wenn Gott doch der eigentlich Mächtige ist?" (Ratzinger, "Salz der Erde", S. 122)

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#199 Re: Der Geist

Beitrag von Münek » Sa 16. Dez 2017, 01:37

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Das Gegenteil ist der Fall: Glaubensbekenntnisse sind per Definition ideologisch.
Nein - nicht wenn sie ihren Glauben als solchen verschweigen, sondern alle ihre Aussagen unter den Vorbehalt stellen, dass sich ihr Glaube am Ende als wahr herausstellt.
Ach du lieber Himmel! :shock:

Wie sollte denn im CREDO (lat. credo = ich glaube), d.h. in dem gemeinsamen christlichen Glaubensbekenntnis der im Gottesdienst versammelten Gläubigen, der "Glauben als solcher verschwiegen" werden können? Geht's noch?

:lol: :lol: :lol:

Meines Wissens enthält das Glaubensbekenntnis auch an keiner Stelle einen "Wahrheitsvorbehalt". Auf welchem Trip bist Du?

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#200 Re: Der Geist

Beitrag von closs » Sa 16. Dez 2017, 09:25

Münek hat geschrieben: Was glaubst Du denn, was die christliche Botschaft für viele Menschen so anziehend machte?
Im Wesentlichen war es die Erhebung des einfachen Menschen: Ein Müllsammler war plötzlich vor Gott genauso viel wert wie ein Kaiser.

Münek hat geschrieben:Fakt ist, die Kirche nimmt zum exegetischen Konsens keine Gegenposition ein
Ich weiß nach wie vor nicht, was Du damit sagen willst. - Die großkirchlichen Theologien denken nicht daran, Jesus einen Irrtum zu unterstellen - das sind lediglich wissenschaftliche Scharmützel, die in der PRaxis keine Rolle spielen.

Münek hat geschrieben:"Die Frage, die ich stellen würde, ist die, die eigentlich jeder hat: Warum ist die Welt so, was bedeutet das ganze Leid in ihr, warum ist das Böse so mächtig in ihr, wenn Gott doch der eigentlich Mächtige ist?" (Ratzinger, "Salz der Erde", S. 122)
Klar - es könnte auch anders sein, als es ist. - Trotzdem kann man erklären, warum es so ist, wie es ist.

Münek hat geschrieben:Meines Wissens enthält das Glaubensbekenntnis auch an keiner Stelle einen "Wahrheitsvorbehalt". Auf welchem Trip bist Du?
Auf einem Dich offenbar überfordernden. - Natürlich ist INNERHALB des Glaubensbekenntnisses kein Wahrheitsvorbehalt "Ich glaube unter Vorbehalt". - Aber das Glaubensbekenntnis selbst ist ein Vorbehalt: "Da ich nicht weiss, glaube ich".

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