closs hat geschrieben:sven23 hat geschrieben:Religionen sind auch Ideologien
Sie können es sein - und zwar dann, wenn sie dem Menschen nicht die Freiheit geben, andere Wege zu gehen. - Und jetzt guck mal: Meinst Du wirklich, dass materialistische Weltanschauungen, die alles, was ihrem Verständnis von "Aufklärung" folgen, als "unredlich" bezeichnen, NICHT ideologisch sind?
Nein, mein lieber closs. Die
Offenbarungsreligionen Judentum, Christentum und Islam haben die Ideologie sogar erst erfunden. Dogmatismus gab es zwar schon bei einigen griechischen Philosophenschulen, insofern diese eine reine Lehre des Platonismus, der Stoa und des Epikureismus vertraten. Aber keine dieser dogmatisch auf ihre Begründer verpflichteten Philosophenschulen haben je vertreten, dass man nicht anders denken DÜRFE, um sein persönliches Heil nicht zu verfehlen.
Dieser Gedanke, sein Heil verfehlen zu können und es sich am Ende mit seinem Gott zu verscherzen (Judentum) oder - einfach, weil man nicht in der rechten Weise glaubt - seinen Platz im Himmel zu verwirken und stattdessen gar in einer Hölle zu landen (Christentum und Islam), war eine originäre Erfindung der Offenbarungsreligionen. Auch kein polytheistischer Ägypter, Grieche oder Römer wäre jemals auf diese infame Idee verfallen.
Weder die modernen Wissenschaften, noch die historisch-kritische Exegese sind ideologisch. Im Gegenteil haben die Wissenschaften nach einer langen wichtigen Entwicklung
der Loslösung von der Religion schon in ihren - eben deshalb wissenschaftlichen - Methodiken fundamental verankern können, dass Denkverbote, Immunisierungsstrategien und eine systematische und glaubensgrundsätzliche Beschränkung und Einschränkung der Forschung als - eben unwissenschaftlich - abgewiesen werden können. Das bedeutet nicht, dass nicht auch wissenschaftliche Forschung interessegleitet sein kann. Aber das ist tatsächlich ein anderes Problem: nämlich das einer problematischen, meist wirtschaftlichen, Einflussnahme auf die Forschung.
Die kanonische Exegese ist exakt in dieser Hinsicht zutiefst ideologisch und damit per se unwissenschaftlich. Sie verpflichtet
antiwissenschaftlich von vornherein die so arbeitenden Exegeten darauf, als Ergebnis nur das herausfinden zu können und zu dürfen, was der katholischen Dogmatik der Jetztzeit(!) gemäß ist.
Die historisch-kritische Exegese arbeitet - wie jede wissenschaftliche Methodik - auf der Grundlage gewisser Annahmen und Prämissen. Das tun Mathematik, Physik, Chemie, Biologie, Medizin, Philosophie, Literaturwissenschaft usw. usw. auch. Das ist gar nicht das Problem.
Grundannahmen, Prämissen und Axione müssen gleichwohl als evident plausibel gemacht werden. Hier herrscht keine Willkür. Die Grundprämisse der kanonischen Exegese ist aber die katholische Dogmatik nach aktuellem Stand als vorgegebene Grundlage der Forschung selbst.
Und darum ist die kanonische Exegese wissenschaftlich indiskutabel!