Wie vertrauenswürdig sind Statistiken?

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sven23
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#31 Re: Wie vertrauenswürdig sind Statistiken?

Beitrag von sven23 » Mi 18. Mär 2015, 08:18

closs hat geschrieben:In diesem speziellen Fall geht es eher um inner-wissenschaftliches Problem. -

Fachleute erkennen sehr schnell die Schwächen und methodischen Fehler einer Studie. Das führt dann dazu, daß z. b. der größte Teil der Studien zur Homöopathie schlicht durchfällt. Anstatt sich darüber zu beklagen sollten die HP-Vertreter korrekte Studien durchführen und dann auch den Mut haben, die Ergebnisse zu veröffentlichen.
Aber vielleicht ist das zuviel verlangt, den Ast abzusägen, auf dem man sitzt. ;)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

ThomasM
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#32 Re: Wie vertrauenswürdig sind Statistiken?

Beitrag von ThomasM » Mi 18. Mär 2015, 09:05

sven23 hat geschrieben: Fachleute erkennen sehr schnell die Schwächen und methodischen Fehler einer Studie.
Ich hatte gedacht, dieser thread sei allgemein über die Vertrauenswürdigkeit von Statistiken, nicht ein HP VIII thread.

Das Problem heutzutage ist, dass Fachleute möglicherweise schnell Fehler in einer Studie entdecken (Bei Medizin und Psychologie habe ich da Zweifel, weil das Gebiet zu weit ist, es also nur sehr wenige Experten in einem bestimmten Thema gibt).
Aber heutzutage spielt die allgemeine Öffentlichkeit eine viel größere Rolle als früher. Und die wird manipuliert. Im wesentlichen durch emotionale Aussagen, gefiltert durch die nicht immer neutralen Medien-Berichterstatter. Da meint dann jeder, so wie closs, sich ein Urteil über die Qualität der Studien erlauben zu können.

Statistik ist ein schwieriges Gebiet. Selbst ausgebildete Menschen können schnell in die Irre gehen. Die breite Öffentlichkeit will keine schwierigen Studien. Sie will klare Sensationen.

Das betrifft inzwischen sogar Randthemen, wie Physik. Da passieren dann Dinge, wie die Vekündigung der kalten Fusion oder die Verkündigung der Signale aus der Inflationszeit des Universums. Solche Dinge sind auch früher vorgekommen und wurden nach einer gewissen Zeit bereinigt. Heutzutage sind sie in der Öffentlichkeit und hinterlassen einen schlechten Eindruck, wenn sie widerrufen werden.

In den Gebieten der Medizin und Psychologie ist die Situation noch schlechter, weil hier explizit die Gesundheit und das Wohlbefinden von Menschen dranhängt. Dort gedeiht dann Scharlatanerie und Missinformation. Und Luft zum Widerrufen falscher Ergebnisse ist kaum vorhanden.

Um es deutlich zu sagen:
Ich bin ein starker Befürworter der technischen Klarheit von Studien. Aber die Verhaltensweisen von Menschen, auch z.B. von closs, macht es heutzutage schwer, diese Standards durchzudrücken, weil zu viel Aufmerksamkeit, zu viel menschlicher und politischer Druck und zu viel Geld hinter den Ergebnissen steht.
Dass Leute wie Pluto bestreiten, dass es überhaupt Probleme gibt, und Fehler und Missverhältnisse als unbedeutend und irrelevant kleinreden, macht es auch nicht einfacher.

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

closs
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#33 Re: Wie vertrauenswürdig sind Statistiken?

Beitrag von closs » Mi 18. Mär 2015, 09:47

sven23 hat geschrieben:Anstatt sich darüber zu beklagen sollten die HP-Vertreter korrekte Studien durchführen
Du bist jetzt echt im falschen Thread - es geht hier ausschließlich um inner-wissenschaftliche Probleme in Bezug auf Gründe und Folgen der Veröffentlichungs-Flut. - Und beim Punkt "Statistiken" geht es um das Problem, dass Statistiken wissenschaftlich sauber ausgearbeitet sein können und trotzdem etwas ganz anderes aussagen können als andere ebenfalls wissenschaftlich sauber ausgearbeitete Statistiken zum selben Thema.

Die Frage daraus für das Publikum: Wie geht man mit Studien-Ergebnissen um, die zunehmend schlampiger werden UND in der öffentlichen Wahrnehmung auch noch einseitig interpretiert werden? - Wie geht man als Publikum um mit Statistiken, bei denen man merkt, dass da irgendwas nicht stimmen kann? Zumal es dann flugs zum selben Thema eine andere Statistik gibt, die etwas ganz anderes sagt? - Wird mit all dem in der Öffentlichkeit nicht Vertrauen verspielt?

ThomasM hat geschrieben:auch z.B. von closs
Da fühle ich mich eigentlich unschuldig, weil ich meine, Missstände zu benennen - aber vielleicht übertreibe ich ja. - Aber gerne nenne ich noch einmal zwei extreme Beispiele, bei denen durch Statistiken die Bevölkerung glatt getäuscht wird (hier nicht zur vertieften Diskussion, sondern als Beispiele für strukturelle Probleme bei Statistiken):

1.) Extremismus bei Moslems
Nebenbei war neulich in einer Talk-Show zu hören, wie "Extremismus" bei Religionen in Statistiken definiert wird - nämlich wenn göttliche Gesetze (bspw. Scharia) über weltliche Gesetzt gestellt werden. - Du meine Güte - das machen Christen auch (ich ebenso). - Denn wenn die Frage lautet, ob weltliche oder geistige Gesetze höher stehen, wird (muss!) jeder Christ sagen: "Geistige/göttliche Gesetze". - Das heisst doch nicht, dass man deswegen weltliche Gesetze nicht achtet, sondern heisst vielmehr, dass man weiss, was weltliche Gesetze sind ("Gibt dem Kaiser/gib Gott"). - Im konkreten Fall reduziert sich bei Auflösung dieses Missverständnisses die Extremisten-Quote bei deutschen Muslimen von ca. 35% auf unter 1%. - Und jetzt?

2. Geldzuwendungen an Kirchen in Deutschland
Hier wird in einer Statistik die Zahl von 19 Milliarden Euro pro Jahr genannt - in einer anderen Statistik die Zahl von gut 500 Millionen Euro pro Jahr (ganz zu schweigen von der Schulden-Problematik zwischen Staat und Kirche).

Was soll sich der Bürger denken, wenn in einer (schein-)objektivierten Wahrnehmungs-Welt zum selben Thema so eklatant unterschiedliche Zahlen kommen, die jeweils objektiv sind?

Und diese Problematik gilt eben auch für Studien: Gestern "Bei Maischberger" haben zwei Internistik-Professoren ziemlich aufgeräumt mit all den Zahlen in puncto "Herzinfarkt-Risiken" und aus Erfahrung (!) ganz andere Parameter genannt. - Ihre Hauptkritik: Korrelation = nicht dasselbe wie Kausalität. - Konkretes Beispiel: Wenn Finnen, die zweimal pro Woche in die Saune gehen, ein 30% geringeres Herzinfarkt-Risiko haben, heisst dies nicht, dass sie wegen der Saune diese Risiko-Verringerung haben (ich begründe diese Aussage nicht weiter - es war DEREN ausdrückliche Argumentation). - Und dann kommt am Ende tatsächlich auch HP dazu (was wir hier NICHT diskutieren), weil auch hier aus Sicht der Betroffenen "irgendwas nicht stimmt". - Ach, nochwas: In der ZEIT hat die Mutter eines impf-geschädigten Kindes (Encephalitis - dauergeschädigt) gesagt, sie wisse, dass nur wenige betroffenen Kinder als Impfschaden ANERKANNT werden würden und es deshalb viel mehr Impfschäden gäbe, als in Statistiken ausgewiesen werden - logisch, weil dort ja nur anerkannte Fälle gezählt werden. - Und jetzt? *ratlos bin*

Die allgemeine Aussage wäre: Es gibt aus welchen Gründen auch immer einen massiven Vertrauensverlust zwischen Wissenschaft und Bevölkerung.

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#34 Re: Wie vertrauenswürdig sind Statistiken?

Beitrag von Pluto » Mi 18. Mär 2015, 10:56

closs hat geschrieben:So was kommt überall vor und ist jetzt nicht DAS große Thema - außer dass man generell ein interessiertes, aber nicht höriges Verhältnis zu Studien haben sollte.
Was ist denn deiner Meinung nach "das grosse Thema"?

Er hat ein paar Beispiele genannt, wo einem als Eltern schier die Zahnplomben rausfallen. - Das ist aber wieder mal exakt das Terrrain, auf dem gesunde Eltern zu Deppen gemacht werden können ("Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen sollen Sie Kinder nicht loben, weil ...").
Wenn du genau hinschaust, werden solche Aussagen in der Hauptsache durch Ärzte "aus Erfahrung" gemacht, nicht durch Wissenschaftler.

Also: Interesse an wissenschaftlichen Äußerungen sollte sein, Distanz aber auch. - Lieber darauf warten, ob eine wissenschaftliche Meinung stabil bleibt und dann neu nachdenken.
So wird es auch in wissenschaftlichen Kreisen gehandhabt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#35 Re: Wie vertrauenswürdig sind Statistiken?

Beitrag von ThomasM » Mi 18. Mär 2015, 12:14

closs hat geschrieben: Da fühle ich mich eigentlich unschuldig, weil ich meine, Missstände zu benennen
Ich sehe, im Gegensatz zu Pluto, die Missstände ja auch.

Aber du ziehst die inkorrekten Schlussfolgerungen.
Du ignorierst die in Studien dargestellte Unwirksamkeit von diversen "Heilmethoden", wie HP, viele chinesische Methoden, blinder Rückgriff auf "natürliche" Mittel, im Gegensatz zu bewiesenermaßen wirksame Mittel usw.
Damit reagierst du wie die breite Masse.
Studienergebnisse zählen für dich nur, wenn sie deine Meinung bestätigen. Studien, die deiner Meinung widersprechen, sind der Fälschung verdächtig.

Gruß
Thomas
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#36 Re: Wie vertrauenswürdig sind Statistiken?

Beitrag von closs » Mi 18. Mär 2015, 12:57

ThomasM hat geschrieben:Studien, die deiner Meinung widersprechen, sind der Fälschung verdächtig.
Nicht der Fälschung - ich glaube schon, dass diese Studien in sich korrekt sind. - Ich kriege es nur nicht zusammen, dass hier Studien mit dem Anspruch auf allgemeine Gültigkeit das eine sagen, und Arzt-Dateien dort das pure Gegenteil sagen. Setzt man, dass die Studien richtig sind, heisst dies, dass Ärzte aufgrund eines durchgehenden Irrtums reihenweise Heilungen zustandebringen, die die Schul-Medizin NICHT hinkriegt - da stimmt doch was nicht.

Pluto hat geschrieben:Was ist denn deiner Meinung nach "das grosse Thema"?
Die Differenz zwischen funktionierender Alltags-Erfahrung und wissenschaftlicher Studien.

Pluto hat geschrieben:Wenn du genau hinschaust, werden solche Aussagen in der Hauptsache durch Ärzte "aus Erfahrung" gemacht, nicht durch Wissenschaftler.
Nee - das war eine dieser "Schulen", die auf wissenschaftlicher Ebene Dinge immer wieder mal neu bewerten.

Pluto hat geschrieben:So wird es auch in wissenschaftlichen Kreisen gehandhabt.
Glaube ich Dir aufs Wort - das Problem ist das Vermarkten halbgarer und/oder missverständlicher wissenschaftlicher Informationen.

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#37 Re: Wie vertrauenswürdig sind Statistiken?

Beitrag von Scrypt0n » Mi 18. Mär 2015, 13:06

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Was ist denn deiner Meinung nach "das grosse Thema"?
Die Differenz zwischen funktionierender Alltags-Erfahrung und wissenschaftlicher Studien.
Da gibt es keine Differenz - die postulierst du lediglich.
Zuletzt geändert von Scrypt0n am Mi 18. Mär 2015, 13:17, insgesamt 1-mal geändert.

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#38 Re: Wie vertrauenswürdig sind Statistiken?

Beitrag von closs » Mi 18. Mär 2015, 13:11

Scrypt0n hat geschrieben:Da gibt es keine Differenz
Eine folgerichtige Aussage bei entsprechender Weltanschauung.

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#39 Re: Wie vertrauenswürdig sind Statistiken?

Beitrag von Scrypt0n » Mi 18. Mär 2015, 13:13

closs hat geschrieben:
Scrypt0n hat geschrieben:Da gibt es keine Differenz
Eine folgerichtige Aussage bei entsprechender Weltanschauung.
Nein, unabhängig jedweder Weltanschauung; einfach nur das Nicht-Ignorieren der vorliegenden Fakten.
:)

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#40 Re: Wie vertrauenswürdig sind Statistiken?

Beitrag von closs » Mi 18. Mär 2015, 13:15

Scrypt0n hat geschrieben:Nein, unabhängig jedweder Weltanschauung
DAS wollte ich nochmal hören - das Dogma, dass man nicht dogmatisch sei. -Geil. ;)

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