Setzungen...

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Anton B.
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#221 Re: Setzungen...

Beitrag von Anton B. » Sa 4. Jan 2014, 16:24

Vielen Dank liebe Magdalena, lieber Pluto, dass auch mir zu einem eigenen Thread verholfen wurde. Bei der Gelegenheit möchte ich meinen herzlichen Dank für die gute Arbeit hier im Forum und viele gute Wünsche für das noch so frische Jahr absondern.

Anton B. hat geschrieben:Kannst Du, lieber closs, nochmal ausführen, was eine "Setzung" denn genau sein soll?

Habe in meinen Philosophie-Lexika nochmals nach "Setzung" gesucht und bin nicht fündig geworden. Hinter meiner Frage stand die Vermutung, "Setzung" könnte ein spezifischer Terminus aus einem Teilgebiet der Philosophie bzw. der Terminus eines bestimmten Autoren und seiner Gedankenwelt sein. Mich interessierte es deshalb so, weil bei closs mit seiner ontologischen Ausrichtung offensichtlich eine ganz starke "Setzung" (wenn ich diesen Begriff dann mal so verwenden darf) hinsichtlich der Annahme einer äußeren, gegebenen Realität vorliegt.

Offensichtlich ist "Setzung" nicht so speziell und ist daher auch wenig beladen mit irgendwelchen Hintergrundtheorien. Es heißt einfach nur "Vor-Annahme". Ist das so richtig gesehen?
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.

closs
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#222 Re: Setzungen...

Beitrag von closs » Sa 4. Jan 2014, 17:11

Anton B. hat geschrieben: Ist das so richtig gesehen?
Es ist wörtlich gemeint - ein Streit, ob etwas "Axiom" oder "Dogma" sei, sollte verhindert werden.

Es geht um die A-priori-Annahme (falls dieses Wort dem Verständnis dient), die jede Disziplin vornimmt, um sich selber installieren zu können.

Die Naturwissenschaft nimmt a priori an, dass Wahrnehmung und Realität in einer verlässlichen Beziehung zueinander stehen. - Umgekehrt: Würde man an der Frage hängenbleiben, ob Wahrnehmung Illusion oder realitäts-bezogen ist, könnte man erst gar nicht in die naturwissenschaftliche Disziplin einsteigen können - also setzt man (vernünftigerweise - aber eben nicht per Wissen, sondern per Glaube).

Dementsprechend setzt der geistige Mensch Gott voraus (vernünftigerweise - aber eben nicht per Wissen, sondern per Glaube). Daraus ergeben sich ontologische Fragen "vertikaler" Natur (Realität des menschlichen Daseins - Realität des göttlichen Seins).

Danach trennen sich die Wege, weil beide Disziplinen aus logisch nachvollziehbaren Gründen komplett unterschiedlich arbeiten.

Anton B. hat geschrieben:Offensichtlich ist "Setzung" nicht so speziell und ist daher auch wenig beladen mit irgendwelchen Hintergrundtheorien.
Wir wollen ja keine Philosophie-Geschichte nachvollziehen, sondern Worte für den Inhalt an sich finden. - Hinweise, welche Worte verstanden und akzeptiert sind, sind sehr willkommen.

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sven23
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#223 Re: Setzungen...

Beitrag von sven23 » Sa 4. Jan 2014, 18:41

Anton B. hat geschrieben:Vielen Dank liebe Magdalena, lieber Pluto, dass auch mir zu einem eigenen Thread verholfen wurde.

Hier kommt man zu einem Thread wie die Jungfrau zum Kinde. :lol:

Anton B. hat geschrieben: Habe in meinen Philosophie-Lexika nochmals nach "Setzung" gesucht und bin nicht fündig geworden.

Kategorienfehler, lieber Anton. Guckst du hier:

http://de.wikipedia.org/wiki/Setzung
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

Pluto
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#224 Re: Setzungen...

Beitrag von Pluto » Sa 4. Jan 2014, 18:59

closs hat geschrieben: Es ist wörtlich gemeint - ein Streit, ob etwas "Axiom" oder "Dogma" sei, sollte verhindert werden.
Da hatten wir schon.
Ein Axiom ist eine Setzung die, ähnlich wie eine Theorie, anhand seiner Vorhersagen falsifiziert (und somit auch verifiziert) werden kann.
Ein Dogma ist eine freischwebende Setzung. Freischwebend, weil sie ohne erkennbares Fundament im "dialektischen Raum" steht. Erkennen kann man solche Setzungen daran, dass sie keinerlei überprüfbaren Vorhersagen machen können.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#225 Re: Setzungen...

Beitrag von closs » Sa 4. Jan 2014, 20:08

Pluto hat geschrieben:Da hatten wir schon.
Ich weiss - aber genau diese Diskussion wollte ich vermeiden.

Denn mathematische Axiome werden auch nicht "verifiziert", sondern sie stellen sich lediglich als brauchbar heraus. - Wenn Du unter "Verifizierung" eines Axioms die Widerspruchsfreiheit mit Schlussfolgerungen aus dem Axiom meinst, dann würde ich meine "Setzung" auch durch das Wort "Axiom" ersetzen. Denn man kann (in diesem Sinne!) das Axiom "Es gibt Gott" auf logische Weise widerspruchsfrei darstellen.

Aber da scheint es ja zwischen uns Unklarheiten zu geben, weshalb ich das neutrale Wort "Setzung" benutzt habe.

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#226 Re: Setzungen...

Beitrag von Pluto » Sa 4. Jan 2014, 20:56

closs hat geschrieben:Denn mathematische Axiome werden auch nicht "verifiziert", sondern sie stellen sich lediglich als brauchbar heraus.
Ein bisserl mehr als nur "brauchbar" sind sie schon, die Axiome der Mathematik. Kein Axiom ist direkt verifizierbar, sonst wäre es kein Axiom.
Das Kriterium lautet hier: "Kann ein Axiom überprüfbare Vorhersagen machen, und lassen sich diese falsifizieren?" Und hier ist die Antwort ein eindeutiges JA.

Beispiel:
Das Axiom der Peano-Arithmetik besagt dass jede natürliche Zahl n genau einen Nachfolger n+1 hat. Das lässt sich ganz einfach an den Eigenschaften des Zahlenstrahls erkennen und somit bestätigen.

Ähnliches ist bei der Setzung des Seins nicht möglich, denn das Dogma der Existenz es Seins lässt keine überprüfbaren Vorhersagen zu.

Denn man kann (in diesem Sinne!) das Axiom "Es gibt Gott" auf logische Weise widerspruchsfrei darstellen.
Dann zeig doch bitte mal wie das geht!
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#227 Re: Setzungen...

Beitrag von barbara » Sa 4. Jan 2014, 21:08

Pluto hat geschrieben: Das Kriterium lautet hier: "Kann ein Axiom überprüfbare Vorhersagen machen, und lassen sich diese falsifizieren?" Und hier ist die Antwort ein eindeutiges JA.

Wie lautet denn die überprüfbare Vorhersage denn zum Beispiel beim Kommutativgesetz oder Distributivgesetz?

Es kann ja Dinge nur "vorhersagen" weil es selbst die Regel vorgibt, nach der gehandelt werden darf.


Beispiel:
Das Axiom der Peano-Arithmetik besagt dass jede natürliche Zahl n genau einen Nachfolger n+1 hat. Das lässt sich ganz einfach an den Eigenschaften des Zahlenstrahls erkennen und somit bestätigen.

der Zahlenstrahl ist ja nichts, was unabhängig vom Menschen in der Natur vorkommt, sondern Menschen, die dieses Axiom im Kopf haben, können auf dieser Basis den Zahlenstrahl zeichnen.

gruss, barbara

Pluto
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#228 Re: Setzungen...

Beitrag von Pluto » Sa 4. Jan 2014, 21:20

barbara hat geschrieben:Wie lautet denn die überprüfbare Vorhersage denn zum Beispiel beim Kommutativgesetz oder Distributivgesetz?
Was ist los Barbara? Ist dein Google kaputt?

Kommutativgesetz:
3x4 = 12
4x3 = ??

Ziemlich einfach, oder?
Das Distributivgesetz überlasse ich dir als Übung.

Es kann ja Dinge nur "vorhersagen" weil es selbst die Regel vorgibt, nach der gehandelt werden darf.
Das stimmt. Aber welche überprüfbare Regel wird durch das "Sein" vorgegeben?

der Zahlenstrahl ist ja nichts, was unabhängig vom Menschen in der Natur vorkommt, sondern Menschen, die dieses Axiom im Kopf haben, können auf dieser Basis den Zahlenstrahl zeichnen.
Bist du dir da ganz sicher?
Zähl mal die Sterne am Himmel. Gibt es eine Zahl, bei der du mit dem zählen nicht weiterkommst?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

barbara
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#229 Re: Setzungen...

Beitrag von barbara » Sa 4. Jan 2014, 21:43

Pluto hat geschrieben:Kommutativgesetz:
3x4 = 12
4x3 = ??

Ziemlich einfach, oder?

Ja sicher, aber das ist ja grad die Definition.

Wenn ich definiere, dass dieses Objekt "Stuhl" heisst, dann ist es ja keine Vorausage, dass man es "Stuhl" nennt, sondern halt eben die durch die Setzung bzw das Axiom festgesetzte Regel.

Eine Voraussage muss ja etwas betreffen, dass ausserhalb liegt; zB wenn durch physikalische Berechnungen vorausgesagt werden kann, dass Planet X morgen abend auf Position Y stehen wird, und man danach durch Messung feststellt, dass das stimmt.



Das stimmt. Aber welche überprüfbare Regel wird durch das "Sein" vorgegeben?

Dass das Seiende sich selbst als Seiendes wahrnimmt

Bist du dir da ganz sicher?
Zähl mal die Sterne am Himmel. Gibt es eine Zahl, bei der du mit dem zählen nicht weiterkommst?

nein, aber irgendwann gehen mir die Sterne aus. Da muss man doch sehr aufpassen, dass man nicht auf einmal den falschen Rückschluss zieht, dass die Anzahl der Zahlen endlich sei, weil man nur endlich viele Sterne zählte und dann hat es keine mehr.

Dass ich immer weiter zählen kann, ist einfach offensichtlich wahr - halt eben das Axiom. Diese offensichtliche Wahrheit sagt aber nicht sich selbst voraus. Es wäre unsinnig, das zu sagen.

gruss, barbara

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#230 Re: Setzungen...

Beitrag von Pluto » Sa 4. Jan 2014, 22:03

barbara hat geschrieben:Ja sicher, aber das ist ja grad die Definition.
Nein. Das ist eine Ableitung aus der Beobachtung, dass sich alle arithmetische Formeln kommutativ verhalten.

Wenn ich definiere, dass dieses Objekt "Stuhl" heisst, dann ist es ja keine Vorausage, dass man es "Stuhl" nennt, sondern halt eben die durch die Setzung bzw das Axiom festgesetzte Regel.
Nein. Die Aussage: "Ein Stuhl ist ein Stuhl" ist eine Folge des Gesetzes der Identität aus der Logik (A=A). :geek:
Eine Voraussage muss ja etwas betreffen,
Tut sie das denn etwa nicht? -- Hast du Beispiele?
dass ausserhalb liegt; zB wenn durch physikalische Berechnungen vorausgesagt werden kann, dass Planet X morgen abend auf Position Y stehen wird, und man danach durch Messung feststellt, dass das stimmt.
Das ist eine Folge der Kepler'schen Gleichungen. Dazu braucht es kein Axiom.
Dass das Seiende sich selbst als Seiendes wahrnimmt
Du meinst, das Seiende erkennt sich selbst?
Bist du ganz sicher?

Zähl mal die Sterne am Himmel. Gibt es eine Zahl, bei der du mit dem zählen nicht weiterkommst?
nein, aber irgendwann gehen mir die Sterne aus.
Das glaube ich nicht. :)
Du könntest tausende von Jahren zählen, und es gäbe immer noch mehr.
Allein die Michstrasse enthält etwa 200 Milliarden Sterne. Und im Universum gibt es etwa ebenso viele Galaxien.
Diese offensichtliche Wahrheit sagt aber nicht sich selbst voraus.
Nein, natürlich nicht. Das Axiom der Peano-Arithmetik ist die allgemeine Aussage, dass auf jede beliebige Zahl 'n' eine weitere Zah 'n+1' folgt.
Das bedeutet, dass man ewig (ohne Ende) weiter zählen kann. Ein sehr tröstlicher Gedanke beim Sterne zählen, nicht wahr? :mrgreen:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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