Reduktionismus oder Holismus

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closs
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#41 Re: Reduktionismus oder Holismus

Beitrag von closs » Mo 2. Mär 2015, 13:05

ThomasM hat geschrieben:Allerdings hast du mit deinem Axiom bereits das vorausgesetzt, was du folgern willst.
Ganz verstehe ich das nicht.

Mein Axiom (ist das überhaupt eine Axiom?) ist:

1.
Nicht alles ist Nichts, also gíbt es Sein. - Dieses Sein "ist" (das klingt zwar nach Tautologie, aber ich weiss nicht, wie es anders sagen soll).

2.
Jetzt kommt die Wahrnehmungs-Ebene des Menschen: Was nehmen Thomas und Closs davon wahr? Dies kann Unterschiedliches sein. - Macht man es wissenschaftlich, ist diese Wahrnehmung objektiv, zeigt aber auch nur einen Teil dieses Seins.

3.
Was auch immer bei 2. rauskommt: Es beeinflusst nicht 1. - Man definiert also mit 2. nicht 1., sondern seine Wahrnehmung von 1.

4.
Jetzt käme ein echtes Axiom: Aus verschiedenen Gründen gilt als gesetzt, dass 2. und 1. wesensmäßig verbunden sind. - Somit ist davon auszugehen, dass die Wahrnehmung von 1. durch 2. authentisch ist - Ausnahmen gibt es bei Fehlwahrnehmungen.


Um es auf das Beispiel "rot" zu übertragen:
Es gibt ein Sein, das es Thomas ermöglicht, es als "rot" wahrzunehmen. Gleichzeitig ist es nicht ausgeschlossen, dass Closs es (ebenfalls authentisch) als grün wahrnimmt. - Beides sind also keine Fehlwahrnehmungen. - Es kann aber eine Fehlwahrnehmung sein, wenn es jemand als schwarz wahrnehmen würde (bspw. wenn er blind ist).

Um es auf das Beispiel "Gott" zu übertragen:
Es gibt ein Sein, das es Thomas ermöglicht, es Gott zu nennen und als "Mann mit Bart" wahrzunehmen. Gleichzeitig ist es nicht ausgeschlossen, dass Closs es (ebenfalls authentisch) als "Mann ohne Bart" wahrnimmt. - Beides sind also keine Fehlwahrnehmungen. - Es kann aber eine Fehlwahrnehmung sein, wenn jemand Gott als "Mann mit Bart" bezeichnet, dies aber nicht aus seinem Bewusstsein, sondern aufgrund von Konventionen wahrnimmt.

Der Unterschied zwischen 1. und 2.:
1. ist das prinzipiell vom Wesen her nicht Wahrnehmbare, 2. ist der Teil, der unserer Wahrnehmung als Seins-Offenbarung zugänglich ist (egal ob "rot" oder "Gott").

Kommst Du damit zurecht?

closs
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#42 Re: Reduktionismus oder Holismus

Beitrag von closs » Mo 2. Mär 2015, 13:11

Pluto hat geschrieben:Es ist die Ableitung dieser Wahrnehmung, und das ist lediglich Einbildung.
Diese "Einbildung" würde ich Wahrnehmung nennen - dass Naturwissenschaft die Photonen auf die Retina des Auges messen kann, ist ebenfalls Einbildung. - Beides sind unterschiedliche Wahrnehmungen desselben Seins.

Pluto hat geschrieben:So was tut ein guter Wissenschaftler nicht.
Naja - natürlich wird auch die Mutter befragt werden. - Aber im Zweifelsfall wird man das objektive Segment der Studie höher bewerten als eine subjektive Meinung. - Und trotzdem wird die Mutter wissen, dass sie recht hat.

Pluto hat geschrieben: "Trug die Kassierin am Samstag bei Aldi ein Brille oder nicht...?"
Das ist keine Bewusstseinsfrage, sondern eine situative Wahrnehmungsfrage.

Pluto hat geschrieben:Aber im tierferen Sinn ging darum dass Glaube ohne wissenschaftliche Erkenntnis nicht alltagstauglich ist.
Verstehe ich nicht. - Wie sollte sich beides beißen? (Gut - bei Aberglauben kann es so sein)

Pluto
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#43 Re: Reduktionismus oder Holismus

Beitrag von Pluto » Mo 2. Mär 2015, 13:34

closs hat geschrieben:dass Naturwissenschaft die Photonen auf die Retina des Auges messen kann, ist ebenfalls Einbildung.
Dur irrst. Das Eintreffen von Photonen auf die Nervenenden in der Retina wurde zig-fach im Labor nachgewiesen.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:So was tut ein guter Wissenschaftler nicht.
Naja - natürlich wird auch die Mutter befragt werden. - Aber im Zweifelsfall wird man das objektive Segment der Studie höher bewerten als eine subjektive Meinung.
Genau das wird ein seriöser Wissenschaftler nicht tun. Er wird versuchen, sein Modell mit der Aussage der Mutter in Einklang zu bringen.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: "Trug die Kassierin am Samstag bei Aldi ein Brille oder nicht...?"
Das ist keine Bewusstseinsfrage, sondern eine situative Wahrnehmungsfrage.
Wahrnehmung dessen man sich aber BEWUSST wurde. Ohne die Möglichkeit der Bestätigung kann man mit einzelnen Bewusstseinsempfindungen nichts aussagen. Das ist der Punkt.

closs hat geschrieben:(Gut - bei Aberglauben kann es so sein)
Das war nicht nur bei den Maya so. Bis ins späte Mittelater glaubten die Menschen, man müsse ein Kind im Fundament eines Hauses begraben, um das Gebäude zu segnen.
Das taten sie nicht aus Aberglaube; sie nahmen die Bibel zum Vorbild: 1.Könige 16,34
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

ThomasM
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#44 Re: Reduktionismus oder Holismus

Beitrag von ThomasM » Mo 2. Mär 2015, 13:38

closs hat geschrieben: Mein Axiom (ist das überhaupt eine Axiom?) ist:
1.
Nicht alles ist Nichts, also gíbt es Sein. - Dieses Sein "ist" (das klingt zwar nach Tautologie, aber ich weiss nicht, wie es anders sagen soll).
2.
Jetzt kommt die Wahrnehmungs-Ebene des Menschen: Was nehmen Thomas und Closs davon wahr? Dies kann Unterschiedliches sein. -
Macht man es wissenschaftlich, ist diese Wahrnehmung objektiv, zeigt aber auch nur einen Teil dieses Seins.
Der entscheidende Teil deines Axioms ist oben markiert.
1. halte ich für trivial. Ich weiß sowieso nicht, warum so viele Geisteswissenschaftler darum so einen bohai machen.

Die Frage ist: Deckt die Wahrnehmung das Sein vollständig ab oder nicht?
Du nimmst in 2. an, dass das nicht der Fall ist.
Pluto, Zeus oder andere Materialisten würden genau das bestreiten, sie sagen also: nur das was objektiv wahrnehmbar ist gehört zum Sein, alles andere nicht.

Ich kann sehr gut argumentieren, dass nicht alles Reale (also des Seins) objektiv wahrnehmbar ist, dafür gibt es auch ganz physikalische Beispiele.

closs hat geschrieben: 4.
Jetzt käme ein echtes Axiom: Aus verschiedenen Gründen gilt als gesetzt, dass 2. und 1. wesensmäßig verbunden sind. - Somit ist davon auszugehen, dass die Wahrnehmung von 1. durch 2. authentisch ist - Ausnahmen gibt es bei Fehlwahrnehmungen.
Wie unterscheidest du eine authentische Wahrnehmung von einer Fehlwahrnehmung?

Dadurch, dass du Wahrnehmung aus dem Test der Realität herausnimmst, hast du hier nichts mehr in der Hand.
Entweder musst du jede Form des Denkens, Glaubens, Behauptens, Visionieren als authentisch annehmen oder nichts (dann bist du bei den Materialisten).
Damit wäre auch der Pumuckl oder die Zahnfee authentisch.

Das ginge weit über die Subjektivität einer Wahrnehmung hinaus. Bei Farben kann man ja noch sagen, dass man halt vereinbaren muss, wie man etwas nennt, aber dass da eine Farbe ist, wird jeder mit Farbwahrnehmung zustimmen.
Bei Gott ist die Sache eben schwieriger, da hier schon die Wahrnehmung an sich in Frage zu stellen ist.

Ich kann zwar argumentieren, dass ich zeigen kann, dass es nicht objektiv wahrnehmbares gibt, was Teil des Seins ist, aber ich kann auch keine objektive Kriterien zur Unterscheidung dieses Teils des Seins von den Fehlqahrnehmungen angeben. Darin liegt ja das Problem.

Gruß
Thomas
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#45 Re: Reduktionismus oder Holismus

Beitrag von ThomasM » Mo 2. Mär 2015, 13:40

closs hat geschrieben: Diese "Einbildung" würde ich Wahrnehmung nennen - dass Naturwissenschaft die Photonen auf die Retina des Auges messen kann, ist ebenfalls Einbildung. - Beides sind unterschiedliche Wahrnehmungen desselben Seins.
Solange du subjektive Wahrnehmung und objektivierbare Wahrnehmung nicht unterscheidest, kommst du mit Pluto keinen Millimeter weiter.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

ThomasM
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#46 Re: Reduktionismus oder Holismus

Beitrag von ThomasM » Mo 2. Mär 2015, 13:48

Um den Stand der Diskussionen mal mathematisch darzustellen:

Closs und ich:
Menge aller denkbaren Dinge ist echte Teilmenge von
Menge aller Dinge im Sein ist echte Teilmenge von
Menge aller subjektiv wahrnehmbarer Dinge ist echte Teilmenge von
Menge aller objektiv wahrnehmbaren Dinge

Bei Pluto und anderen vermute ich:
Menge aller denkbaren Dinge ist echte Teilmenge von
Menge aller Dinge im Sein ist gleich
Menge aller objektiv wahrnehmbaren Dinge

Oder was meinst du, Pluto?

Gruß
Thomas
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#47 Re: Reduktionismus oder Holismus

Beitrag von closs » Mo 2. Mär 2015, 14:09

Pluto hat geschrieben:Dur irrst.
Sorry - mein Fehler. - "ist ebenfalls Wahrnehmung".

Pluto hat geschrieben:Genau das wird ein seriöser Wissenschaftler nicht tun.
Sorry - wir hatten hier schon so viele Fälle, in denen persönliche Gewissheit durch objektives System-Wissen runtergebürstet wurde, dass das einfach nicht stimmt.

Pluto hat geschrieben:Wahrnehmung dessen man sich aber BEWUSST wurde.
Puuh - schwierige Frage. - Nee - ich glaube, dass man auch unbewusst wahrnimmt.

Pluto hat geschrieben:Ohne die Möglichkeit der Bestätigung kann man mit einzelnen Bewusstseinsempfindungen nichts aussagen.
Objektiv nein. - Aber die meisten Vorgänge im Leben eines Menschen sind doch subjektiver Natur.

Pluto hat geschrieben:Das taten sie nicht aus Aberglaube; sie nahmen die Bibel zum Vorbild
Auch das kann Aberglaube sein.

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#48 Re: Reduktionismus oder Holismus

Beitrag von closs » Mo 2. Mär 2015, 14:22

ThomasM hat geschrieben:Wie unterscheidest du eine authentische Wahrnehmung von einer Fehlwahrnehmung?
Kann niemand. - Es ist so, auch wenn wir es nicht wissen. - Ich halte es für eine merkwürdige Marotte, wenn man meint, Seins-Fragen seien davon abhängig, ob man sie wahrnehmungs-mäßig beantworten könne.

ThomasM hat geschrieben:Ich kann zwar argumentieren, dass ich zeigen kann, dass es nicht objektiv wahrnehmbares gibt, was Teil des Seins ist, aber ich kann auch keine objektive Kriterien zur Unterscheidung dieses Teils des Seins von den Fehlqahrnehmungen angeben. Darin liegt ja das Problem.
Ja - aber das ist ein Wahrnehmungs-Problem, das irrelevant ist. - Relevant ist (an dieser Stelle), dass Wahrnehmung und Sein zwei Kategorien sind, die koinzidieren oder nicht.

ThomasM hat geschrieben:Solange du subjektive Wahrnehmung und objektivierbare Wahrnehmung nicht unterscheidest, kommst du mit Pluto keinen Millimeter weiter.
Ich würde es schon unterscheiden: Die eine Wahrnehmung ist intersubjektiv vermittelbar, die andere nicht - beide können aber authentisch, also mit dem Objekt wesensmäßig verbunden sein. - Beispiel:

a) Wenn man wahrnimmt, dass Thomas 1,80 groß ist, dunkle Haare hat Blutgruppe 0 und Rhesus "-" hat, ist das eine intersubjektiv vermittelbare Aussage (falls sie stimmt).
b) Wenn Deine Frau wahrnimmt, dass Du sie liebst, ist diese Wahrnehmung NICHT intersubjektiv vermittelbar, aber auch keine Einbildung (falls diese Aussage stimmt).
c) Wenn Deine Frau wahrnimmt, dass Du in Frauen in Kapstadt, Almaty und Düsseldorf verliebt bist, ist diese Wahrnehmung ebenfalls NICHT intersubjektiv vermittelbar, ist aber Einbildung (falls diese Aussage NICHT stimmt).

Methodisch sind b) und c) nicht unterscheidbar, obwohl ontologisch b) und a) übereinstimmen und b) und c) ontologisch NICHT übereinstimmen.

Pluto
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#49 Re: Reduktionismus oder Holismus

Beitrag von Pluto » Mo 2. Mär 2015, 14:31

ThomasM hat geschrieben:Um den Stand der Diskussionen mal mathematisch darzustellen:

Closs und ich:
Menge aller denkbaren Dinge ist echte Teilmenge von
Menge aller Dinge im Sein ist echte Teilmenge von
Menge aller subjektiv wahrnehmbarer Dinge ist echte Teilmenge von
Menge aller objektiv wahrnehmbaren Dinge

Bei Pluto und anderen vermute ich:
Menge aller denkbaren Dinge ist echte Teilmenge von
Menge aller Dinge im Sein ist gleich
Menge aller objektiv wahrnehmbaren Dinge

Oder was meinst du, Pluto?
Deine Vermutung trifft auf mich nicht zu.

Wenn man sich auf das sichtbare Universum beschränkt, dann glaube ich schon, dass alles was prinzipiell messbar ist, auch wahrnehmbar ist. Ob unsere gegenwärtigen Methoden dazu ausreichen, ist eine ganz andere Frage.
Wenn man diese Sicht aber auf tranzendente Objekte ausweitet, dann kann ich mir auch sehr gut andere Universen im All vorstellen, auch dann wenn diese nicht einmal prinzipiell messbar oder wahrnehmbar sind, vielleicht weil sie sich zu schnell von uns entfernen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

ThomasM
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#50 Re: Reduktionismus oder Holismus

Beitrag von ThomasM » Mo 2. Mär 2015, 14:34

closs hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:Ich kann zwar argumentieren, dass ich zeigen kann, dass es nicht objektiv wahrnehmbares gibt, was Teil des Seins ist, aber ich kann auch keine objektive Kriterien zur Unterscheidung dieses Teils des Seins von den Fehlqahrnehmungen angeben. Darin liegt ja das Problem.
Ja - aber das ist ein Wahrnehmungs-Problem, das irrelevant ist. - Relevant ist (an dieser Stelle), dass Wahrnehmung und Sein zwei Kategorien sind, die koinzidieren oder nicht.
Deine Aussage führt aber nirgendwo hin. Du machst eine maximal-Feststellung, aber danach ist eben Ende.

Das Wahrnehmungs-Problem ist nicht irrelevant, insbesondere angesichts der Axiome die Pluto und Co machen.
Daher hat ja die Geisteswissenschaft keinen Fortschritt mehr erbracht. Daher war ja der Reduktionismus nötig, um Fortschritte zu erzielen.

Wenn du sagst, dass die Fortschritte irrelevant waren und du dich auf die Position des Mittelalters zurückziehst, hast du nicht genug gelernt.

Gruß
Thomas
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