Geistige Existenz

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Thaddäus
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#31 Re: Sind Gedanken frei?

Beitrag von Thaddäus » Fr 27. Sep 2013, 21:58

ThomasM hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:
Frage: Ist der freie Wille wirklich frei?
Wolf Singer, Max-Planck-Institut für Hirnforschung:
Aus neurobiologischer Sicht: nein, denn unser ganzes Verhalten ist durch kausal determinierte Vorgänge im Gehirn bestimmt. Aber dazu muss einiges gesagt werden, weil es immer wieder zu Missverständnissen kommt. Zunächst kurz die Argumentationslinie: Bei einfachen, niederen Organismen kann man heute schon das Verhalten vollständig aus der Dynamik ihres Nervensystems erklären und voraussagen, wenn man die Bedingungen alle kennt. Auf dem Weg von den einfachen zu den komplexen Lebewesen sehen wir keinen ontologischen Sprung: Wir finden bis hin zum Menschen überall die gleichen Nervenzellen und Mechanismen. Lediglich die Zahl der Neurone und die Komplexität der Verschaltung nehmen zu. Dadurch entsteht komplexes Verhalten – aber auch dieses beruht allein auf neuronalen Wechselwirkungen. Diese gehen auch unseren höchsten kognitiven Leistungen wie Gefühlen, Entscheidungen oder Plänen voraus.
Quelle
Danke Pluto
Der Fehler ist offensichtlich:
Herr Singer hat es nicht geschafft, über sein unmittelbares Forschungsthema hinauszuschauen.
Das denke ich auch.

Meiner ganz persönlichen Meinung nach wird die Hirnforschung im Augenblick bei weitem überschätzt.

Freie Entscheidungen zu treffen bedeutet nicht, seine Entscheidungen außerhalb von Kausalketten zu fällen. Eine freie Entscheidung zu treffen bedeutet, eine Entscheidung aufgrund schwerwiegender Gründe zu treffen.

Ob ich mir nun ein neues Auto kaufen will oder über eine Abtreibung nachdenke: ich treffe meine Entscheidung aufgrund von Gründen: Kann ich mir ein neues Auto leisten? Oder: Soll ich mein Baby abtreiben, weil ich keine Möglichkeit sehe, es so zu versorgen, wie ich das möchte usw.?

Das Experiment, auf das sich Singer stützt, behauptet, dass das Gehirn, - Bruchteile bevor ich eine bewusste Entscheidung treffe -, bereits entschieden hat, auf einen Knopf zu drücken. Das mag ja so sein, aber das ist keine wesentliche Entscheidung!

Wenn ich reflexartig mit meinem Fuß auf die Bremse im Auto trete, damit ich eine Kollision vermeide, dann ist es gut, dass diese Reaktion quasi automatisch abläuft, weil es dann schneller geht und ich keinen Unfall verursache. Es ist gut, wenn ich nicht länger hierüber nachdenke.
Meine Entscheidung, ob ich etwa den Embryo in meinem Bauch abtreibe oder nicht, basiert aber auf ganz anderen Überlegungen und Gründen.

Diese Entscheidungen sind kausal und werden aufgrund der komplexen Aktivität meiner Hirnzellen getroffen. Jedoch gehen sie weit über ein automatisches Reagieren hinaus.



Zu behaupten, alles, was in meinem Hirn geschieht sei lediglich die kausale Aktivität meiner Hirnzellen, ist banal richtig. Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht aufgrund sehr komplexer Aktivitäten meiner Hirnzellen zu freien Entscheidungen kommen kann.


Zu behaupten, mein Hirn entschiede, bevor ich mich selbst entscheide, geht offenbar auch davon, dass ich und mein Hirn getrennt voneinander sind. Das ist Unfug!
ICH BIN MEIN GEHIRN! Mein Hirn und mein Ich sind untrennbar und eins.

Pluto
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#32 Re: Sind Gedanken frei?

Beitrag von Pluto » Fr 27. Sep 2013, 22:50

Thaddäus hat geschrieben:Meiner ganz persönlichen Meinung nach wird die Hirnforschung im Augenblick bei weitem überschätzt.
So,so.... :?
Und warum?

Freie Entscheidungen zu treffen bedeutet nicht, seine Entscheidungen außerhalb von Kausalketten zu fällen.
Freie Entscheidungen sind nicht ein Beleg für einen Freien Willen.
Vielleicht sollte man zuerst defnieren, was Freier Wille ist. :?

Eine freie Entscheidung zu treffen bedeutet, eine Entscheidung aufgrund schwerwiegender Gründe zu treffen.
Diese Gründe sind doch die Ursache für die Entscheidung ergo Kausalität. Was ist daran noch frei?

Das Experiment, auf das sich Singer stützt, behauptet, dass das Gehirn, - Bruchteile bevor ich eine bewusste Entscheidung treffe -, bereits entschieden hat, auf einen Knopf zu drücken. Das mag ja so sein, aber das ist keine wesentliche Entscheidung!
Da gebe ich dir vollkommen Recht. Die Libet Experimente belegen nur, dass einige (viele, alle??) Entscheidungen im Unterbewusstsein stattfinden.

Wenn ich reflexartig mit meinem Fuß auf die Bremse im Auto trete, damit ich eine Kollision vermeide, dann ist es gut, dass diese Reaktion quasi automatisch abläuft,
Ein erlernter Reflex ist niemals frei, sonder eingeübt. Beweis ==> Versuch dich mal als Kranführer oder Schiffskapitän... :P
________________________

Stell dir vor, es ist ein heisser Sommertag, und du betrittst eine Eisdiele. Du willst Zitroneneis, aber es gibt nur Vanille- und Erdbeereis. Ist deine Entscheidung frei, wenn du dann Erdbeereis verlangst? Da könnte man noch teilweise Freiheit hineinlesen. Aber nehmen wir an, du wüsstest nicht, dass Kiwis existieren.... Eine wirklich freie Entscheidung wäre es Kiwi-Eis zu verlangen.

Zu behaupten, alles, was in meinem Hirn geschieht sei lediglich die kausale Aktivität meiner Hirnzellen, ist banal richtig.
Etwas anderes kann es doch gar nicht sein!
Es sei denn du hättest einen Zufallsgenerator im Gehirn. Solche zufällig generierten Gedanken wären dann wirklich so was wie ein Freier Wille. Aber die Frage ist, ob solche zufälligen Gedanken im realen Leben wünschenswert wären. Ich denke, in einer kausalen Welt, wohl eher nicht. ;)

Das bedeutet aber nicht, dass ich nicht aufgrund sehr komplexer Aktivitäten meiner Hirnzellen zu freien Entscheidungen kommen kann.
Unsere Gedanken sind immer kausal. Wir haben Entscheidungsfreiheit, aber keine Willensfreiheit.
Oder wie Schopenhauer es formulierte: Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.

Zu behaupten, mein Hirn entschiede, bevor ich mich selbst entscheide, geht offenbar auch davon, dass ich und mein Hirn getrennt voneinander sind. Das ist Unfug!
Kann ich zu 100% unterschreiben! :)
Was Libets und andere Experimente zeigen, ist nur, dass Entscheidungen oft (immer?) im Unterbewusstsein entstehen.

ICH BIN MEIN GEHIRN! Mein Hirn und mein Ich sind untrennbar und eins.
Naja... Immer an Hilary Putnam denken... Brain in a Vat :lol:
Kennst du das Buch, Wir sind unser Gehirn von Dick Swab?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Thaddäus
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#33 Re: Sind Gedanken frei?

Beitrag von Thaddäus » Sa 28. Sep 2013, 20:16

Pluto hat geschrieben:
Thaddäus hat geschrieben: Meiner ganz persönlichen Meinung nach wird die Hirnforschung im Augenblick bei weitem überschätzt.
So,so.... :? Und warum?
Deshalb z.B.: http://www.sueddeutsche.de/wissen/neuro ... re-1.36460

Die Hirntopologen und Schädelvermesser sind gerade sehr en vogue. Es sei ihnen gegönnt, denn es ist offenbar gerade Ihre Zeit ...

Tatsächlich haben sie nicht viel philosophisch Tiefsinniges beizusteuern.
So behaupten sie, sie stünden sozusagen kurz davor, Gedanken zu lesen. Schaut man sich ihre Ergebnisse aber genauer an, ist das nur heiße Luft.

Nicht das ich falsch verstanden werde: Ich halte die Hirnforschung für wichtig und sie kann auch viele Rätsel lösen, die darauf beruhen, dass man versteht, wie unser komplexes Gehirn genau funktioniert. Aber sie schießen weit über das Ziel hinaus.
Das Gehirn ist so komplex, dass sie nicht einmal eine Ahnung davon haben, wie es funktioniert. Ein paar bunte Bildchen von Hirnen in Aktion zu präsentieren, reicht da bei Weitem nicht aus.


Sie sagen z.B.: mein ICH und mein Bewusstsein seien nur Illusionen.
Ja, mein Gott, was sollen sie denn sonst sein?

Ich glaube keiner hier glaubt daran, dass ein winziges Männchen in seinem Stammhirn sitzt, das genau so aussieht wie ich, und das alles lenkt, was ich tue und denke.

Natürlich sind Bewusstsein und Ich nur eine Illussion bzw. eine Repräsentataion der komplexen Vorgänge in meinem Hirn. Ich und mein Bewusstsein sind so etwas wie eine Leinwand, auf die etwas projeziert wird, was es mir ermöglicht, dass ich mich zu mir selbst verhalten kann.
Der deutsche Philosoph Helmut Plessner nennt es die zentrale Repräsentationsinstanz.

Das ist doch alles altbekannt und nichtmal der Erwähnung wert. Das weiß die Philosophie im Grunde seit des René Descartes, obwohl der von der Komplexität unserer Gehirne nicht sehr viel wusste.


Vielleicht sollte man zuerst defnieren, was Freier Wille ist. :?
Freier Wille ist, Entscheidungen aufgrund von Gründen zu treffen, die ich abwäge, ohne dass eine bestimmte Lösung bereits vorgegeben ist.


Wir haben Entscheidungsfreiheit, aber keine Willensfreiheit.
Was genau ist der Unterschied?


Oder wie Schopenhauer es formulierte: Der Mensch kann zwar tun, was er will, aber er kann nicht wollen, was er will.
Wenn ich nicht wollen kann, was ich will, kann ich auch nicht tun, was ich will.

Stelle dir vor, ein Hirnwissenschaftler der Zukunft kann exakt ausrechnen, was ich in einer bestimmten Situation tun werde.
Ich bin in einer bestimmten Situation, in der ich mich entscheiden muss und er sitzt mit dem Laptop dabei und sagt mir: "Ich weiß, was du jetzt tun wirst!"

Er darf mir nicht sagen, was ich tun werde, um sicher zu sein, dass ich so handeln werde, wie er es voraussagt.
Denn wenn er mir diese Information gibt, wie ich handeln werde, kann ich schon aus Trotz anders handeln.
Der Mensch ist das Wesen, welches "Nein!" sagen kann, dies bestimmt unter anderem seine Freiheit.

Sagt er mir aber nicht, was ich tun werde und er behält die Information für sich, dann weiß er zwar, was ich tun werde, aber nur, weil er mir diese Information nicht gibt.
Wissenschaft ist aber nur Wissenschaft, wenn sie keine Informationen zurückhält.

closs
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#34 Re: Geistige Existenz

Beitrag von closs » Sa 28. Sep 2013, 22:06

Thaddäus hat geschrieben:Wenn ich nicht wollen kann, was ich will, kann ich auch nicht tun, was ich will.
So war es auch von SChopenhauer gemeint - und er hat recht, denn: Wenn wir frei entscheiden, dann tun wir das immer innerhalb eines gewissen Wahrnehmungs-Spektrums. Eigentlich logisch. - Alles, was man nicht (er-)kennt, kann man nicht wollen.

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Lamarck
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#35 Re: Sind Gedanken frei?

Beitrag von Lamarck » So 29. Sep 2013, 08:58

Hi ThomasM!

ThomasM hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben: Kannst Du bitte einmal per Argumentationskette darlegen, wie du zu dieser Behauptung kommst?
Nicht ich komme zu dem Schluss, sondern die Hirnforschung. Besser als ich, kann es aber der Hirnforscher Wolf Singer erklären.
Frage: Ist der freie Wille wirklich frei?
Wolf Singer, Max-Planck-Institut für Hirnforschung:
Aus neurobiologischer Sicht: nein, denn unser ganzes Verhalten ist durch kausal determinierte Vorgänge im Gehirn bestimmt. Aber dazu muss einiges gesagt werden, weil es immer wieder zu Missverständnissen kommt. Zunächst kurz die Argumentationslinie: Bei einfachen, niederen Organismen kann man heute schon das Verhalten vollständig aus der Dynamik ihres Nervensystems erklären und voraussagen, wenn man die Bedingungen alle kennt. Auf dem Weg von den einfachen zu den komplexen Lebewesen sehen wir keinen ontologischen Sprung: Wir finden bis hin zum Menschen überall die gleichen Nervenzellen und Mechanismen. Lediglich die Zahl der Neurone und die Komplexität der Verschaltung nehmen zu. Dadurch entsteht komplexes Verhalten – aber auch dieses beruht allein auf neuronalen Wechselwirkungen. Diese gehen auch unseren höchsten kognitiven Leistungen wie Gefühlen, Entscheidungen oder Plänen voraus.
Quelle
Danke Pluto

Der Fehler ist offensichtlich:
Herr Singer hat es nicht geschafft, über sein unmittelbares Forschungsthema hinauszuschauen.

Nein, ein Fehler ist hier nicht zu sehen. Oder sagen wir besser: Jedenfalls nicht bei Wolf Singer ... . ;)


ThomasM hat geschrieben: 1.) Die Argumentation ist lediglich ein Analogschluss. Keineswegs logisch zwingend. Sie ist in derselben Linie wie "Wir wissen es nicht besser, also nehmen wir an, dass es nichts Neues gibt"

Wenn dargestellt wird, dass nun zu beobachten ist, mit dem linearen Anstieg von verschalteten Neuronen steigt die neuronale Leistungsfähigkeit überproportional an, so bezeichnet dies eine Relation, aber keinen Analogieschluss. Aber schaue dir mal unter diesem Aspekt Deine obige Formulierung an ... .




ThomasM hat geschrieben: 2.) Wenn er schon so argumentiert, dann hätte er weiter gehen können:
Wir finden bei den Menschen dieselben Nervenzellen und dieselben Atome, wie im übrigen Universum. Das Verhalten von Atomen ist nicht-kausal determiniert. Also kann man nicht annehmen, dass dies für komplexe Gebilde wie das Gehirn des Menschen gilt.

Das ist kein Zweitens. Im übrigen: Wenn das Verhalten von Atomen kausal, determiniert, whatever ist, dann ist auch ein Gehirn, dass aus Atomen besteht, kausal, determiniert, whatever. Gleichwohl besteht zwischen 'einfach' und 'komplex' eine asymmetrische Beziehung ('komplex' enthält 'einfach', 'einfach' aber nicht 'komplex'). Nichts anderes sagt Wolf Singer in Bezug zu neuronalen Verschaltungen.




ThomasM hat geschrieben: Pluto, du solltest also deine Sprache besser gestalten:
Nicht die Hirnforschung hat gezeigt, dass das Gehirn ex-nihilo zu Gedankenkonstrukten und Schwingungszuständen fähig ist, sondern manche Gehirnforscher behaupten dies ohne wirklichen Nachweis.

Keine Ahnung, was hier ex nihilo oder 'Schwingungszustände' bedeuten sollen. Aber zeige mir mal, wie die Forschung analoges an eine CPU zeigen würde. Oder mal anhand von Dir beschreibst, wie Du einen Gedanken machst oder wo dieser herkommt. Und auch Deine Individualentwicklung begann mit einer befruchteten Oocyte - also in einem einzelligen Stadium. Was ist passiert, dass Du schließlich zum Denken befähigt warst?




Cheers,

Lamarck
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ThomasM
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#36 Re: Sind Gedanken frei?

Beitrag von ThomasM » Mo 30. Sep 2013, 20:14

Hallo Lamarck
Lamarck hat geschrieben: Mir reicht es schon, wenn es Dir gelänge, freien Willen zu definieren ... . ;)
...
Es ist technisch tatsächlich hier nicht schwierig, anstatt einer Metapher eine handfeste Definition zu verwenden. Bestimmten Menschen sind aber geneigt, sich nicht festzulegen. Betrachte mal im Vergleich, wie 'Religion' oder 'Metaphysik' 'definiert' wird.
Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn du mal eine Definition formulierst. Wenn ich das versuche, bist du ja sowieso dagegen, also geh doch mal in Vorlage.
Also was ist freier Wille?

Lamarck hat geschrieben: Und immerhin sind dies - wenn auch in Kurzform - Antworten auf Deine entsprechenden Fragen. Ich habe mich also damit festgelegt.
Jemand Schlaues hat mir mal geraten, Korrelation und Kausalität nicht zu verwechseln. Das solltest du auch nicht tun. Du postulierst Kausalität, wo noch lange nicht ausgeschlossen ist, dass dort lediglich Korrelation zu sehen ist.
Du hast dich zwar festgelegt, aber ohne die entsprechende Begründung ist das doch auch "nur" ein Glaubensakt, oder?

Lamarck hat geschrieben: Ich bin der größere Witzbold von uns beiden: Denn dann behaupte ich, Atome machen offensichtlich, was sie wollen ... .

Zudem habe ich bislang noch nicht gesehen, dass ein Etwas, welches ich für gewöhnlich einen Willen unterstelle, nicht aus Atomen besteht. Und eine bestimmte Anordnung von Atomen sind immer noch Atome.
Wieso Witzbold, das ist die klassische Begründung dafür, dass der Naturalismus keine vollständige Erklärung des Daseins ist.

Wäre der Naturalismus korrekt, dann müsste Willen bei der Formung der komplexen Anordnung der Atome entstehen. Und es ist absolut unklar, wie das sein kann. Es sei denn, der Naturalismus ist nicht vollständig...

Lamarck hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben: Was ist Ursache?
Darfst Du Dir aussuchen. Entscheidest Du Dich für Kausalität oder für Kreationismus?
Bist du auch einer von denen, die Kreationismus für einen möglichen Ersatz für Kausalität halten?
Nur weil es christliche Fehldenker gibt, die so argumentieren heisst das ja nicht, dass ich dem folgen muss.

Aber meine eigentliche Frage ist nach wie vor, was für dich Ursache ist. Das Wort einfach durch den Begriff Kausalität zu ersetzen, beantwortet die Frage nicht.

In der Physik gibt es verschiedene Arten von Ursachen, welche gemeint sind, hängt von der Art der Frage ab. Insofern ist deine Frage zu unpräzise gestellt.

Lamarck hat geschrieben: Fehlerbeschreibung : Wenn Selbstbewusstsein Eigenschaft eines Neocortex sein könnte, dann sollte bei einer zutreffenden Analogie damit auch ein soziales Netzwerk Eigenschaft eines Mikroprozessors sein können. Ein soziales Netzwerk ist aber ein Ding, keine Eigenschaft. Das Wörtchen 'sozial' ist gegenüber dem Begriff 'Selbstbewusstsein ' hier auch nicht so ganz ohne.
Du hast Recht, ich war unpräzise.

Ich hatte die folgende Analogie im Hinterkopf:
Ein soziales Netzwerk befähigt die Mitglieder, miteinander zu kommunizieren. Da spielt der Mikroprozessor eine wesentliche Rolle und trägt mit Sicherheit zu dieser Fähigkeit bei.
Aber Kommunikation in einem sozialen Netzwerk ist viel mehr und das kann durch einen Mikroprozessor nicht abgeleitet werden. Das hängt an der Bedeutung und der Wirkung von Kommunikation.
Analog bestreite ich nicht, dass der Neocortex beim Zustandekommen von Selbstbewusstsein eng beteiligt ist, aber er kann bei weitem nicht alle Aspekte dieser Eigenschaft erklärbar machen.

Gruß
Thomas
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

Pluto
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#37 Re: Sind Gedanken frei?

Beitrag von Pluto » Di 1. Okt 2013, 15:01

ThomasM hat geschrieben:Also was ist freier Wille?
Rhetorische Frage: Welche Art von Freien Willen lohnt es sich zu haben?

In einer kausalen Welt, ist der Wille nicht wirklich frei, weil er eben dieser Kausalität unterliegt.
Deshalb gilt, in allen unseren Entscheidungen existiert nur die Freiheit der Wahl zwischen den aktuell dargebotenen Alternativen. Sie wird beeinflusst durch (a) präexistente Vorlieben (zum Teil genetisch festgelegt), und (b) Erfahrungen und Erkenntnisse aus früheren Entscheidungen.
Jede andere Entscheidung wäre zwar frei, würde aber der Willkür (Zufall) unterliegen.

Nun lässt sich die rhetorische Frage (s.o.) beatworten:
Wir besitzen keinen Freien Willen, sondern nur die Freiheit der Wahl, oder wie es Schopenhauer formulierte:

  • Der Mensch kann zwar tun was er will, aber er kann nicht wollen was er will.

Wäre der Naturalismus korrekt, dann müsste Willen bei der Formung der komplexen Anordnung der Atome entstehen. Und es ist absolut unklar, wie das sein kann.
Was genau ist daran "unklar"?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs
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#38 Re: Geistige Existenz

Beitrag von closs » Di 1. Okt 2013, 15:27

Pluto hat geschrieben:Der Mensch kann zwar tun was er will, aber er kann nicht wollen was er will.
Exactement :thumbup:

Pluto hat geschrieben:Was genau ist daran "unklar"?
Wille wird nicht durch komplexen Anordnung der Atome "gemacht", sondern ausdrucksfähig gemacht.

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Lamarck
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#39 Re: Geistige Existenz

Beitrag von Lamarck » Di 1. Okt 2013, 16:39

Hi ThomasM!

ThomasM hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Mir reicht es schon, wenn es Dir gelänge, freien Willen zu definieren ... . ;)
...
Es ist technisch tatsächlich hier nicht schwierig, anstatt einer Metapher eine handfeste Definition zu verwenden. Bestimmten Menschen sind aber geneigt, sich nicht festzulegen. Betrachte mal im Vergleich, wie 'Religion' oder 'Metaphysik' 'definiert' wird.
Vielleicht wäre es sinnvoll, wenn du mal eine Definition formulierst. Wenn ich das versuche, bist du ja sowieso dagegen, also geh doch mal in Vorlage.

Wenn ich sowieso dagegen bin, dann nur, weil Du sowieso falsch liegst ... . :P




ThomasM hat geschrieben: Also was ist freier Wille?

Ich bin ein Roboter, der davon träumt, keine Maschine zu sein. Dessen Motiv ist ein spieltheoretisches "Mein Wille geschehe!", bei dem Freiheit durch die Freiheitsgrade seines Entscheidungsarsenals begrenzt ist - mithin nicht Letzt-begründet ist und somit auf der 'Causa' Zufall beruht.




ThomasM hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Und immerhin sind dies - wenn auch in Kurzform - Antworten auf Deine entsprechenden Fragen. Ich habe mich also damit festgelegt.
Jemand Schlaues hat mir mal geraten, [...]

Das muss wohl ich gewesen sein ... .


ThomasM hat geschrieben: [...] Korrelation und Kausalität nicht zu verwechseln.

Kausalität vs. Koinzidenz.




ThomasM hat geschrieben: Das solltest du auch nicht tun. Du postulierst Kausalität, wo noch lange nicht ausgeschlossen ist, dass dort lediglich Korrelation zu sehen ist.

Tue ich auch nicht. Erst recht nicht postuliere ich Kausalität.




ThomasM hat geschrieben: Du hast dich zwar festgelegt, aber ohne die entsprechende Begründung ist das doch auch "nur" ein Glaubensakt, oder?

'Glaube' bitte nicht mit Vermutung verwechseln und 'Glaubensakt' ist auch keine Hypothesenbildung. Selbstverständlich ist derjenige, der eine Behauptung aufstellt, begründungspflichtig. Und von wegen Koinzidenz: Wenn Du keine Begründung siehst, bedeutet dies dann unbedingt, dass ich keine habe?! Ich könnte übrigens bezüglich einer 'Begründung' ähnlich wie Du noch den Zusammenhang mit dem Wörtchen 'offensichtlich' herstellen ... . ;)




ThomasM hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Ich bin der größere Witzbold von uns beiden: Denn dann behaupte ich, Atome machen offensichtlich, was sie wollen ... .

Zudem habe ich bislang noch nicht gesehen, dass ein Etwas, welches ich für gewöhnlich einen Willen unterstelle, nicht aus Atomen besteht. Und eine bestimmte Anordnung von Atomen sind immer noch Atome.
Wieso Witzbold, das ist die klassische Begründung dafür, dass der Naturalismus keine vollständige Erklärung des Daseins ist.

Wäre der Naturalismus korrekt, dann müsste Willen bei der Formung der komplexen Anordnung der Atome entstehen. Und es ist absolut unklar, wie das sein kann. Es sei denn, der Naturalismus ist nicht vollständig...

Das ist keine klassische Begründung, dies ist ein argumentum ad ignorantiam. Hier korrespondiert 'Wille' allein deshalb nicht mit 'Naturalismus', weil 'Wille' hier ein leerer Begriff mit der einzigen Eigenschaft ist, er würde nicht mit dem Naturalismus korrespondieren.

Nochmals: Wie kannst Du sicher sein, dass das Atom nicht doch einen Willen hat? Vielleicht entsteht der Wille hier bei einer gewissen Temperaturerhöhung? Immerhin wurde die Brownsche Molekularbewegung ursprünglich gar als Ausprägung von Lebenskraft angesehen.




ThomasM hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben: Was ist Ursache?
Darfst Du Dir aussuchen. Entscheidest Du Dich für Kausalität oder für Kreationismus?
Bist du auch einer von denen, die Kreationismus für einen möglichen Ersatz für Kausalität halten?

Ich nicht, Du schon. Ich will Dich nur zu einer Entscheidung motivieren ... .




Lamarck hat geschrieben: Nur weil es christliche Fehldenker gibt, die so argumentieren heisst das ja nicht, dass ich dem folgen muss.

Wenn Du 'Gott' sagst, bist Du doch schon Kreationist ... .




Lamarck hat geschrieben: Aber meine eigentliche Frage ist nach wie vor, was für dich Ursache ist. Das Wort einfach durch den Begriff Kausalität zu ersetzen, beantwortet die Frage nicht.

Nein, natürlich nicht. Aber ich muss doch nicht ständig zu Wikipedia verlinken, oder? (Ich habe auch etwas eigenes hierzu, s. u.)




Lamarck hat geschrieben: In der Physik gibt es verschiedene Arten von Ursachen, welche gemeint sind, hängt von der Art der Frage ab. Insofern ist deine Frage zu unpräzise gestellt.

Ich mach's informationstheoretisch und unterscheide einen starken von einem schwachen Determinismus. Den schwachen Determinismus bezeichne ich als Kausalität. Kausalität zeichnet sich hierbei durch eine gewisse Asymmetrie aus, welches durch das Zufallselement 'Emergenz' überbrückt wird. Damit kann prinzipiell ein Endzustand (Attraktor) auf einen bestimmten Anfangszustand (Repellor) zurückgeführt werden, aber umgekehrt ist dies nicht unbedingt möglich.




ThomasM hat geschrieben:
Lamarck hat geschrieben: Fehlerbeschreibung : Wenn Selbstbewusstsein Eigenschaft eines Neocortex sein könnte, dann sollte bei einer zutreffenden Analogie damit auch ein soziales Netzwerk Eigenschaft eines Mikroprozessors sein können. Ein soziales Netzwerk ist aber ein Ding, keine Eigenschaft. Das Wörtchen 'sozial' ist gegenüber dem Begriff 'Selbstbewusstsein ' hier auch nicht so ganz ohne.
Du hast Recht, ich war unpräzise.

Ich hatte die folgende Analogie im Hinterkopf:
Ein soziales Netzwerk befähigt die Mitglieder, miteinander zu kommunizieren. Da spielt der Mikroprozessor eine wesentliche Rolle und trägt mit Sicherheit zu dieser Fähigkeit bei.
Aber Kommunikation in einem sozialen Netzwerk ist viel mehr und das kann durch einen Mikroprozessor nicht abgeleitet werden. Das hängt an der Bedeutung und der Wirkung von Kommunikation.
Analog bestreite ich nicht, dass der Neocortex beim Zustandekommen von Selbstbewusstsein eng beteiligt ist, aber er kann bei weitem nicht alle Aspekte dieser Eigenschaft erklärbar machen.

Immer noch: Kategorienfehler! Schließlich gibt es soziale Netzwerke prinzipiell auch ohne Mikroprozessoren. Deine Familie, Dein Arbeitsumfeld, Dein Freundeskreis, Dein Sportverein ... . Der Mikroprozessor erweitert hier nur auf technischen Wege die Möglichkeiten, ähnlich wie ein Mikroskop/Teleskop die 'Sehkraft' erweitert. Du siehst: Du hast die Problemstellung noch nicht skizziert. Solange dies nicht der Fall ist, kommst Du hier auf keinen grünen Zweig ... .




Cheers,

Lamarck
„Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)

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Wohnort: Deutschland

#40 Re: Geistige Existenz

Beitrag von Pluto » Mi 2. Okt 2013, 00:04

closs hat geschrieben: Wille wird nicht durch komplexen Anordnung der Atome "gemacht", sondern ausdrucksfähig gemacht.
Zustimmung.
Das nenne ich einen "ungesunden" Reduktionismus.

Die Atome sind aber die Bausteine für die neuronalen Netzwerke aus denen unser Gehirn besteht.
Nicht nu unser Wille, sondern auch unser Bewusstsein, und das ICH (das Gefühl eine Person zu sein), entstehen spontan als nichtlineares Produkt der Komplexität dieser Netzwerke aus Milliarden Nerven mit Billionen von Synapsen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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