Die Seele eines Tintenfisches

Evolution vs. Schöpfung Debatte, Alter der Erde
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closs
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#61 Re: Die Seele eines Tintenfisches

Beitrag von closs » So 11. Dez 2016, 13:45

Pluto hat geschrieben:Aber in diesem Zusammenhang ist es genauso anmaßend anthropzentrisch gedacht, zu behaupten, nur der Mensch verfüge über ein Bewusstsein.
Es ist weder anthropozentrisch noch das Gegenteil davon - es ist einfach eine Definitions-Sache von "Bewusstsein".

Pluto hat geschrieben:Warum forderst du, dass die Form des Bewusstseins identisch sein muss, obwohl schon wir Menschen unterschiedliche Formen der bewussten Wahrnehmung besitzen?.
Gar nichts fordere ich - außer der Klärung, was "Bewusstsein" im "modernen" Sinne ist. - Ich habe nichts dagegen, wenn das Wort heute so definiert wird, dass eine Maus "Bewusstsein" hat. - Nur ist dann darauf hinzuweisen, dass spätestens dann das Wort "Bewusstsein" ein Polysem ist.

Pluto hat geschrieben:Aber macht das, wie Descartes dachte, alle Tiere gleichermaßen zu gedanken- und bewusstlosen Maschinen?
Wie gesagt: Ich weiß nicht, wie er es meint, weil ich die Originalschriften nicht kenne. - Aus dem Gesamt-Kontext von Descartes steht zu vermuten, dass er damit transzendenz-fähiges "Res-cogitans-Denken" meint - und dann hätte er recht.

Oder übertragen auf die "Cogito, ego sum"-Geschichte: Glaubst Du, dass ein Hund zweifeln kann, wie es von Augustinus und Descartes beschreiben? - Ich nicht. - Und genau dieses Zweifeln-Können scheint mir der Schlüssel zur Frage zu sein, was "Bewusstsein" ist - dann hätte der Hund KEIN Bewusstsein. - Was - gemäß der Logik eines Polysems - nicht ausschließt, dass man "Bewusstsein" ganz anders definieren kann.

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#62 Re: Die Seele eines Tintenfisches

Beitrag von closs » So 11. Dez 2016, 13:49

Tree of life hat geschrieben:Könntest DU einen Tagesplan entwerfen, wenn du von Geburt an keine sprachliche Entwicklung durchgemacht hättest?
Wie würdest du dann "denken"?
Vermutlich geht das schon - dass man "nur" in geistigen Entitäten denkt und nicht in deren Umsetzung in Sprache. - Nur haben wir halt eine Sprache und können es nicht an uns ausprobieren.

Immerhin ist mir öfter mal eingefallen, dass es Begriffs-Inhalte gibt, für die kein Wort zu finden war - eigentlich ist das die Grundlage der Literatur - Goethe und Th. Mann waren Meister der Neologismen.

Tree of life hat geschrieben:Ich vermute, die Katze hatte am Schrank plötzlich ein Bild ihres Besitzers im Kopf und entwickelte ein Bedürfnis, gestreichelt zu werden und machte sich auf den Weg...
Das glaube ich auch - aber was mich interessiert, wäre: Sind das bewusste "Cogito-Vorgänge" ("Ich erwäge, ich handle, etc.") oder Reiz-Reaktions-Muster ("Hunger ist da - erprobtes Verhalten ist die Folge").

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#63 Re: Die Seele eines Tintenfisches

Beitrag von Zeus » So 11. Dez 2016, 14:34

closs hat geschrieben:Sind das bewusste "Cogito-Vorgänge" ("Ich erwäge, ich handle, etc.") oder Reiz-Reaktions-Muster ("Hunger ist da - erprobtes Verhalten ist die Folge").
Ein Beispiel für höchstwahrscheinlich "Cogito-Vorgänge" ("Ich erwäge, ich handle, etc.").

Als wir noch in Argentinien wohnten, da hat unseres Nachbars Schäferhund sich den ganzen Tag lang, wärend sein "Eigentümer" abwesend war, ruhig verhalten und sogar versucht, mit uns zu fraternisieren, indem er sich ganz nahe an den Zaun an die Stelle legte, wo auf der anderen Seite z. B. meine Frau im Gartenstuhl ein Buch las.
Als am Abend das Auto seines Chefs am Eingangstor erschien, ist der heuchlerische Köter, sich anscheinend seiner Funktion als Wachhund erinnernd, plötzlich aufgeregt aufgesprungen und hat meine Frau demonstrativ wütend angebellt!
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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#64 Re: Die Seele eines Tintenfisches

Beitrag von Zeus » So 11. Dez 2016, 15:55

Eine Wette:
Pluto hat einen Hund und closs hat keinen! :D
e^(i*Pi) + 1 = 0
Gott ist das einzige Wesen, das, um zu herrschen, noch nicht einmal existieren muss.
(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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#65 Re: Die Seele eines Tintenfisches

Beitrag von Pluto » So 11. Dez 2016, 16:30

Zeus hat geschrieben:Eine Wette:
Pluto hat einen Hund und closs hat keinen! :D
Du verlierst die Wette. :devil:
Ich habe keinen Hund. :oops:

Aber ich habe mich informiert.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#66 Re: Die Seele eines Tintenfisches

Beitrag von fin » So 11. Dez 2016, 16:35

-- Nächstenliebe --

Pluto hat geschrieben:
Zeus hat geschrieben:Eine Wette:
Pluto hat einen Hund und closs hat keinen! :D
Du verlierst die Wette. :devil:
Ich habe keinen Hund. :oops:

Aber ich habe mich informiert

... und mit Tintenfischen verbrüdert ;)

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#67 Re: Die Seele eines Tintenfisches

Beitrag von Pluto » So 11. Dez 2016, 16:44

fin hat geschrieben:-- Nächstenliebe --

Pluto hat geschrieben:Aber ich habe mich informiert
... und mit Tintenfischen verbrüdert ;)
Noch nicht.
Ich bin noch bei den Elephanten und Hunden.
Wenn ich erst anfange über Tintenfische aus dem Nähkästchen zu plaudern, dann gnade euch Gott! :mrgreen:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#68 Re: Die Seele eines Tintenfisches

Beitrag von closs » So 11. Dez 2016, 16:55

Zeus hat geschrieben:Pluto hat einen Hund und closs hat keinen!
Wir haben gottseidank keinen - kennen aber genug Menschen, die einen haben. - Wir hatten aber mal überJahre über 10 Katzen. - Gilt Deine These auch für Katzen? ;)

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#69 Re: Die Seele eines Tintenfisches

Beitrag von Pluto » So 11. Dez 2016, 17:26

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Aber in diesem Zusammenhang ist es genauso anmaßend anthropzentrisch gedacht, zu behaupten, nur der Mensch verfüge über ein Bewusstsein.
Es ist weder anthropozentrisch noch das Gegenteil davon - es ist einfach eine Definitions-Sache von "Bewusstsein".
Nö.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Warum forderst du, dass die Form des Bewusstseins identisch sein muss, obwohl schon wir Menschen unterschiedliche Formen der bewussten Wahrnehmung besitzen?.
Gar nichts fordere ich - außer der Klärung, was "Bewusstsein" im "modernen" Sinne ist.
- Ich habe nichts dagegen, wenn das Wort heute so definiert wird, dass eine Maus "Bewusstsein" hat. - Nur ist dann darauf hinzuweisen, dass spätestens dann das Wort "Bewusstsein" ein Polysem ist.
Mir ist nicht bekannt, dass sich in den letzten Jahren an der Definition von Bewusstsein irgendetwas verändert hätte.

Wobei ich akzeptiere, dass es bei der Verwendung von "Geist" zu einer gewissen Konfusion kommen kann...
Da gibt es:
(a) den religiösen oder Heiligen Geist
(b) den menschlichen Geist
(c) das Gespenst


Wiki hilft hier mit folgender Erklärung zum Begriff des religiösen Geists:
  • Mit religiösen Vorstellungen von einer Seele bis hin zu Jenseitserwartungen verknüpft, umfasst „Geist“ die oft als spirituell bezeichneten Annahmen einer nicht an den leiblichen Körper gebundenen, nur auf ihn einwirkenden reinen oder absoluten, transpersonalen oder gar transzendenten Geistigkeit, die als von Gott geschaffen oder ihm gleich oder wesensgleich, wenn nicht sogar mit ihm identisch gedacht wird.
Doch der Begriff des Bewusstseins wird nicht deshalb zu Polysem, weil du die gängige Interpretation nicht anerkennen willst.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Aber macht das, wie Descartes dachte, alle Tiere gleichermaßen zu gedanken- und bewusstlosen Maschinen?
Wie gesagt: Ich weiß nicht, wie er es meint, weil ich die Originalschriften nicht kenne. - Aus dem Gesamt-Kontext von Descartes steht zu vermuten, dass er damit transzendenz-fähiges "Res-cogitans-Denken" meint - und dann hätte er recht.
Descartes spricht dem Tier eine (wie auch immer geartete) Form der res cogitans ab. Auch da hat sich Descartes geirrt.

Die von ihm postulierte ausschließlich dem Menschen vorbehaltene Vereinigung von res cogitans und res extensa ist laut heutigem Erkenntnisstand NICHT mehr aufrecht zu halten.

Hier hilft wahrscheinlich die Lektüre des Artikels über das Maschinenparadigma zum besseren Verständnis der historischen Entwicklung der Begrifflichkeiten.

closs hat geschrieben:Glaubst Du, dass ein Hund zweifeln kann, wie es von Augustinus und Descartes beschreiben? - Ich nicht. - Und genau dieses Zweifeln-Können scheint mir der Schlüssel zur Frage zu sein, was "Bewusstsein" ist - dann hätte der Hund KEIN Bewusstsein.
Welche Zweifel kann der Hund nicht haben?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#70 Re: Die Seele eines Tintenfisches

Beitrag von closs » So 11. Dez 2016, 19:53

Pluto hat geschrieben:Mir ist nicht bekannt, dass sich in den letzten Jahren an der Definition von Bewusstsein irgendetwas verändert hätte.
Aber in den letzten Jahrzehnten. - Wie gesagt: Kein Protest - ist zwar doof, aber irgendwie auf die Reihe zu kriegen. - Problematisch ist, wenn dieser semantische Wandel nicht akzeptiert wird.

Pluto hat geschrieben:Wiki hilft hier mit folgender Erklärung zum Begriff des religiösen Geists
Ja - das kommt in etwa hin.

Pluto hat geschrieben:Doch der Begriff des Bewusstseins wird nicht deshalb zu Polysem, weil du die gängige Interpretation nicht anerkennen willst.
Wer hat etwas davon, wenn zwei vollkommen unterschiedliche Bedeutungen von "Bewusstsein" unterwegs sind und man sie NICHT Polysem nennt?

Pluto hat geschrieben:Die von ihm postulierte ausschließlich dem Menschen vorbehaltene Vereinigung von res cogitans und res extensa ist laut heutigem Erkenntnisstand NICHT mehr aufrecht zu halten.
Das ist mit Verlaub irrelevant, denn: Die heutige Wissenschaft geht an diese Begriffe vom gesetzten materiellen Status heran. DANN sind die Aussagen von Descartes wirklich blödsinnig. - Aber diese heutige Herangehensweise steigt an einem Punkt ein, an dem eh alles schon erledigt ist - Descartes' Gedanken finden VOR diesem Punkt statt.

Das heisst auch: Die NATUR-Wissenschaft ist überhaupt nicht der Ansprechpartner, wenn es um die Überprüfung von Descartes' Aussagen geht. - Die heutige Stellungnahme ist in hohem Maße zirkelschlüssig: "Gehen wir von dem als existent aus, was Descartes in Frage stellt - dann stellen wir fest, dass Descartes' Zweifel falsifiziert sind". - Das ist nach meinem Verständnis zu wenig.

Pluto hat geschrieben:Hier hilft wahrscheinlich die Lektüre des Artikels über das Maschinenparadigma zum besseren Verständnis der historischen Entwicklung der Begrifflichkeiten.
"René Descartes (1595–1650) hat dem Menschen Selbstbewusstsein zugeordnet und die Tiere zu Maschinen erklärt (Abb. 1). Mit dieser pragmatischen Vorstellung hat er die Methodik der Physiologie umrissen.[5] Durch seine Unterscheidung zwischen res extensa und res cogitans ..." - Da steht es doch, wie ich vermutet habe:

Descartes ordnet das reflektions-fähige "Cogito", das im anderen Kontext als "Res cogitans" auftaucht, als exklusiv menschlich ein - alles andere (also ein Wesen ohne "res cogitans") nennt er "Maschine" - später findet dieser Gedanke in Abänderung bei Hume unter dem Begriff "Clock Work Universe" seine Fortsetzung.

Natürlich täuscht sich Descartes, wenn man "Maschine" in unserem Verständnis anwendet - er hat halt versucht, einen Unterschied zwischen Res-cogitans-Wesen und Nicht-res-cogitans-Wesen zu beschreiben - und hat gerne mal ins Klo gelangt, wenn er sich in die Naturwissenschaft verirrt hat.

Aber der entscheidende Gedanken ist hier klar und auch heute noch gültig - nämlich:
Ist ein Wesen selbst-reflexions-fähig/zweifel-fähig/kontemplations-fähig/transzendenz-fähig (= Res cogitans) oder nicht. - Dieses "Nicht" nannte Descartes "Maschine" (man könnte auch sagen: "Res-extensa-Maschine") - und würde übrigens die heutige materialistische Definition ebenso nennen. - Und da schließt ein bißchen der Kreis zu Heidegger, wenn dieser sagt: "Wissenschaft denkt nicht" (agiert also wie eine Maschine und nicht als Res-cogitans-Wesen).

Und dazu lautet nach wie vor meine Frage:
Ist ein Hund selbst-reflexions-fähig/zweifel-fähig/kontemplations-fähig/transzendenz-fähig (= Res cogitans) oder nicht. - Wenn JA, hat er nach christlichem Verständnis ein Bewusstsein, ansonsten nicht - wobei wir wieder beim BEgriff "Polysem" wären.

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