seeadler hat geschrieben:closs hat geschrieben:Gilt eigentlich das Überschreiten der Lichtgeschwindigkeit in der Physik? - Versteht man dies als Rechen-Behelf oder als physikalilische Größe ("Es IST wirklich so")?
Da man keine konkreten Aussagen über das Innere des SL machen kann, auch wenn dies immer wieder gerne "umgangen" wird, ist dies ebenso nur Spekulation; Genauso wie meine Theorie über das Innenleben eines SL Spekulation sein soll.
Wenn man mit dem Lorentzfaktor arbeitet, ist ein Überschreiten der Lichtgeschwindigkeit überhaupt nicht notwendig, da durch die Anwendung des Faktors eine relativ unendlich hohe Geschwindigkeit erreicht werden kann
Diese "relativ unendlich hohe Geschwindigkeit" ist allerdings eine Vierer-Geschwindigkeit, also eine Geschwindigkeit, die sich daraus ergibt, dass man die vier Koordinaten eines Körpers nach dessen Eigenzeit ableitet, im Unterschied zur Dreier-Geschwindigkeit, die sich durch Ableiten der drei räumlichen Koordinaten nach der Zeitkoordinate ergibt. In einem lokalen Inertialsystem hängen Koordinatenzeit und Eigenzeit über den Lorentzfaktor zusammen, entsprechend sind die drei räumlichen Komponenten der Vierer-Geschwindigkeit um den Lorentzfaktor größer als die drei Komponenten der Dreier-Geschwindigkeit. Seien (vx,xy,vz) die Komponenten der Dreier-Geschwindigkeit, so sind die Komponenten der Vierer-Geschwindigkeit (γ c, γ vx, γ vy, γ cz). Die Dreier-Geschwindigkeit ist in einem lokalen Inertialsystem auf <= c beschränkt, die Komponenten der Vierergeschwindigkeit können dagegen beliebig groß werden.
Allerdings ist das dafür, dass in frei fallenden Koordinaten die Fallgeschwindigkeit größer als c werden kann, völlig ohne Bedeutung, da diese Fallgeschwindigkeit eine Dreier-Geschwindigkeit ist, keine Vierer-Geschwindigkeit. Dass sie dennoch größer als c werden kann, liegt ganz einfach daran, dass es keine Geschwindigkeit in einem lokalen Inertialsystem ist, sondern eine Geschwindigkeit in einem allgemeinen Koordinatensystem (den frei fallenden Koordinaten). In einem lokalen Inertialsystem (z.B. dem eines mitfallenden Beobachters) bleibt die Dreier-Geschwindigkeit des fallenden Körpers stets kleiner als c.
Nebenbei bemerkt könnte man neben der Dreier-Fallgeschwindigkeit in frei fallenden Koordinaten auch noch die entsprechende Vierer-Geschwindigkeit in frei fallenden Koordinaten berechnen. Die hinge dann allerdings nicht über den Lorentz-Faktor mit der Dreier-Geschwindigkeit zusammen, da es sich ja nicht um eine Geschwindigkeit in einem lokalen Inertialsystem handelt. Der Faktor müsste aus der Schwarzschildmetrik berechnet werden, ich kann das gerne mal machen, wenn gewünscht.
Edit: ich habe das inzwischen mal ausgerechnet. Wie in der Quelle angegeben, nimmt die Schwarzschildmetrik in frei fallenden Koordinaten die Form
ds² = - (c dt_ff)² + (dr + v dt_ff)² + r² do²
an (dort wird mit c = 1 gerechnet, ich dagegen schreibe hier c aus). Nehmen wir einen Körper, der mit der Fallgeschwindigkeit v des Raumes radial fällt. Für den ist dr = - v dt_ff, damit wird dr + v dt_ff = 0, und es bleibt übrig
ds² = - (c dt_ff)² + r² do²
Da der Fall radial sein soll, ist der Winkelanteil do = 0, so dass nur noch
ds² = - (c dt_ff)²
übrigbleibt. Für die Eigenzeit Ï„ des Körpers gilt dτ² = - ds²/c², so dass dÏ„ = dt_ff, d.h. Eigenzeit und Koordinatenzeit stimmen überein. Damit ist das Verhältnis zwischen den Komponenten der Dreier-Geschwindigkeit und denen der Vierer-Geschwindigkeit gleich 1, die Dreier-Geschwindigkeit ist also gleich der Vierer-Geschwindigkeit.
Das kann man nun so interpretieren: der Raum fällt mit dem fallenden Körper mit, und dadurch werden SRT-Effekte wie die geschwindigkeitsbedingte Zeitdilatation kompensiert, deswegen ist der Lorentzfaktor hier ohne Bedeutung (er wird auf 1 kompensiert). In gewisser Hinsicht ist das so ähnlich wie beim expandierenden Universum: da diese kein Auseinanderstreben der Galaxien ist, sondern eine Expansion des Raumes zwischen den Galaxien, treten da analog keine SRT-Effekte auf.
seeadler hat geschrieben:Der Trick daran ist ja gerade die Raumzeitkrümmung
Dass die (Dreier-)Fallgeschwindigkeit in frei fallenden Koordinaten größer als c werden kann, liegt tatsächlich an der Krümmung der Raumzeit. Dass die Komponenten der Vierer-Geschwindigkeit hingegen in einem lokalen Inertialsystem über den Lorentzfaktor mit der Dreier-Geschwindigkeit zusammenhängen (und deswegen ebenfalls größer als c werden können), hat mit der Krümmung der Raumzeit überhaupt nichts zu tun, zu erkennen u.a. daran, dass dieser Zusammenhang zwischen Dreier- und Vierergeschwindigkeit schon in der SRT gilt, in der die Raumzeit ungekrümmt ist.