Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

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Zeus
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#91 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Zeus » Sa 1. Okt 2016, 03:05

Agent Scullie hat geschrieben:
Zeus hat geschrieben:Was ist ein "Mode"?
Die Frage ist falsch gestellt. Korrekt wäre "Was ist eine Mode?". Mode ist weiblich.

Betrachte z.B. das elektromagnetische Strahlungsfeld. In dem gibt es allerlei Arten von elektromagnetischen Wellen, mit unterschiedlichen Ausbreitungsrichtungen, unterschieden Wellenlängen, unterschiedlichen Polarisationsrichtungen. In diese schier unüberschaubare Vielfalt an Wellen kann man aber Ordnung bringen. Als erstes führt man all die vielen verschiedenen Ausbreitungsrichtungen auf drei Richtungen zurück: vorwärts/rückwärts, rechts/links/, aufwärts/abwärts. Zu jeder dieser drei Richtungen gibt es dann zwei Polarisationsrichtungen, die senkrecht zur Ausbreitungsrichtung sind. Und zu jeder so gebildeten Ausbreitungsrichtung/Polarisationsrichtung-Kombination gibt es ganz viele unterschiedliche Wellenlängen. Es kommen schlussendlich ganz viele Ausbreitungsrichtung/Polarisationsrichtung/Wellenlänge-Kombinationen heraus. Jede davon ist eine Mode.

Ganz ähnlich ist es bei anderen Feldern.
Vielen Dank für die Info. :)
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(Charles Baudelaire, frz. Schriftsteller, 1821-1867)

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#92 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Pluto » Sa 1. Okt 2016, 10:08

Agent Scullie hat geschrieben:Du kannst aus Darstellung I soviel das Adjektiv "virtuell" streichen so viel du willst (habe das bereits durch Einklammerung vorbereitet), da kommt auf keinen Fall Darstellung II bei heraus. Der Unterschied zwischen beiden Darstellung ist also offensichtlich doch etwas größer.
Schon klar. Der Unterschied liegt natürlich darin, dass Darstellung I behauptet, es können überall Teilchen entstehen, während Darstellung II dies nur in der Nähe von SLs zulässt.

Dass deine Darstellung II die einzig richtige ist, dafür haben wir nur dein Wort. Viele (die meisten?) Physiker verwenden aber gerne Darstellung I. Warum tun sie dies, wo sie doch wissen sollten, dass sie falsch ist?

Agent Scullie hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nochmals... Die Mitglieder der Royal Society sind alles andere als ein Laienpublikum, sonder die "Creme" der Naturwissenschaft.
Eben: der Naturwissenschaft. Also nicht der Physik im speziellen, schon gar nicht der Quantenphysik oder Elemtarteilchenphysik, sondern der Naturwissenschaft im allgemeinen. Also sind viele davon gar keine Physiker, sondern z.B. Chemiker, Biologen, Mediziner oder Klimaforscher.
Sprachliche Verwirrung? Reden wir aneinander vorbei?
Unter einem Laienpublikum, verstehe ich etwas anderes. Die Mitglieder der Royal Society als "Laienpublikum" zu bezeichnen, halte ich für ziemlich arrogant.

Agent Scullie hat geschrieben:Carrol hatte somit guten Grund zu der Annahme, dass unter seinen Zuhörern auch viele Nicht-Physiker sein würden, und dass er daher eher auf populärwissenschaftliche Darstellungen setzen sollte. Wenn du dir mal die verschiedenen Folien seiner Präsentation ansieht, die im Verlauf des Videos gezeigt werden, so wird dir auffallen, dass die allesamt auf sehr populärwissenschaftlichem Niveau gehalten sind.
[...]
Pluto hat geschrieben:Sie ist einfach eine andere Darstellung, die du als Mathematiker ablehnst.
Eher als jemand, der es für sinnvoll hält, bei der Wahrheit zu bleiben.
Doch Sean Carroll und andere dürfen lügen, müssen sich nicht bei der Wahrheit bleiben (wie du sie verstehst), wenn sie etwas erklären und aus ihrem Nähkästchen plaudern?
Nee. Das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass es sich um eine Lüge handelt, sodern nur um eine alternative Erklärung.

Ist es nicht vielmehr so, dass Carroll eine Rhetorik verwendet die auf sein Zielpublikum zugeschnitten ist, um die Forschungsergebnisse der Physik rüber zu bringen?
Warum sonst wird die Darstellung über "Teilchen in einem brodelnden Quantenvakuum" von einer Vielzahl von Physikern kolportiert, während sie nur von mathematischen Puristen für falsch gehalten wird?

Agent Scullie hat geschrieben:Aber du vertratst ja auch gar nicht Darstellung II, sondern Darstellung I.
Richtig! Und zwar in Anlehnung an viele große Physiker, einschließlich Stephen Hawking in seinen Büchern.
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#93 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Agent Scullie » Sa 1. Okt 2016, 17:53

Pluto hat geschrieben:Ähnlich verhält es sich mit den Quantenfeldern. Bittet man um empirische Bestätigung fallen diese auf Phänomene zurück wie der Casimir Effekt oder der Lamb-Shift, die alle bereits eine alternative Erklärung mit dem Quantenvakuum voller spontan entstehender Teilchen haben.

Die Frage ist:
Sind diese Erklärungen nun veraltet und deshalb falsch
Nochmal zum Thema "veraltet". Gehen wir mal auf den zeitlichen Rahmen ein. Die Grundlagen der QFT, also die Quantisierung freier Felder durch Quantisierung der einzelnen Moden in Analogie zum harmonischen Oszillator, wurden um 1930 erarbeitet. Ab da wusste man um die Vakuumfluktuationen und darum, dass die als Fluktuationen des jeweiligen Feldes zu verstehen sind. Bis dann die Störungsrechnung soweit entwickelt war, dass man erstmals S-Matrix-Rechnungen für Streuprozesse durchführen und Feynman seine ersten Diagramme präsentieren konnte, und damit das Konzept des virtuellen Teilchens aufkam, dauerte es bin zum Ende der 1940er Jahre, d.h. fast 20 Jahre. Auf die Idee, die virtuellen Teilchen dann in der populärwissenschaftlichen Literatur zu Darstellungen des Vakuumzustandes zu missbrauchen, kann man also frühestens da gekommen sein.

"Veraltet" sind solche populärwissenschaftlichen Darstellung daher mit Sicherheit nicht. Sie sind als Darstellungen der QFT halt einfach falsch, weil sie nicht mit dem, was die QFT aussagt, übereinstimmen.
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#94 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Agent Scullie » Sa 1. Okt 2016, 18:26

Pluto hat geschrieben:
Agent Scullie hat geschrieben:Du kannst aus Darstellung I soviel das Adjektiv "virtuell" streichen so viel du willst (habe das bereits durch Einklammerung vorbereitet), da kommt auf keinen Fall Darstellung II bei heraus. Der Unterschied zwischen beiden Darstellung ist also offensichtlich doch etwas größer.
Schon klar. Der Unterschied liegt natürlich darin, dass Darstellung I behauptet, es können überall Teilchen entstehen, während Darstellung II dies nur in der Nähe von SLs zulässt.

Dass deine Darstellung II die einzig richtige ist, dafür haben wir nur dein Wort.
Nein, du kannst das jederzeit in der Fachliteratur zum Thema nachlesen.

Pluto hat geschrieben:Viele (die meisten?) Physiker verwenden aber gerne Darstellung I.
Aber nur in populärwissenschaftlichen Quellen.

Pluto hat geschrieben:Warum tun sie dies, wo sie doch wissen sollten, dass sie falsch ist?
Vermutlich weil sie der Überzeugung sind, diese Darstellung sei für den Laien leichter zu verstehen.

Und bei Hawking kommt ja noch hinzu, dass er als Positivist der Meinung ist, der Unterschied sei eh nicht so wichtig. Wenn du selbst Positivist bist, kannst das ja gerne genauso sehen. Es sind aber eben nicht alle, die sich für Physik interessieren, Positivisten, zumindest nicht im Sinne der Hawkingschen Auslegung des Positivismus. Und um auf die Rücksicht zu nehmen, sollte man daher schon noch bei der Wahrheit bleiben.

Pluto hat geschrieben:
Agent Scullie hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nochmals... Die Mitglieder der Royal Society sind alles andere als ein Laienpublikum, sonder die "Creme" der Naturwissenschaft.
Eben: der Naturwissenschaft. Also nicht der Physik im speziellen, schon gar nicht der Quantenphysik oder Elemtarteilchenphysik, sondern der Naturwissenschaft im allgemeinen. Also sind viele davon gar keine Physiker, sondern z.B. Chemiker, Biologen, Mediziner oder Klimaforscher.
Sprachliche Verwirrung? Reden wir aneinander vorbei?
Unter einem Laienpublikum, verstehe ich etwas anderes. Die Mitglieder der Royal Society als "Laienpublikum" zu bezeichnen, halte ich für ziemlich arrogant.
Was die Physik und ganz besonders so fortschrittliche physikalische Themen wie die semiklassischen Quantengravitation anbetrifft, sind viele Nicht-Physiker unter den Mitgliedern der Royal Society mit Sicherheit Laien. Ich selbst als Physiker bin, was spezielle Themen der Chemie, Biologie oder Klimaforschung anbetrifft, ja auch ein Laie. Anders als in früheren Zeiten kann man heutzutage nicht mehr Universalgelehrter in allen Naturwissenschaften sein, auch als Mitglied der Royal Society nicht.

Pluto hat geschrieben:
Agent Scullie hat geschrieben:Carrol hatte somit guten Grund zu der Annahme, dass unter seinen Zuhörern auch viele Nicht-Physiker sein würden, und dass er daher eher auf populärwissenschaftliche Darstellungen setzen sollte. Wenn du dir mal die verschiedenen Folien seiner Präsentation ansieht, die im Verlauf des Videos gezeigt werden, so wird dir auffallen, dass die allesamt auf sehr populärwissenschaftlichem Niveau gehalten sind.
[...]
Pluto hat geschrieben:Sie ist einfach eine andere Darstellung, die du als Mathematiker ablehnst.
Eher als jemand, der es für sinnvoll hält, bei der Wahrheit zu bleiben.
Doch Sean Carroll und andere dürfen lügen, müssen sich nicht bei der Wahrheit bleiben (wie du sie verstehst), wenn sie etwas erklären und aus ihrem Nähkästchen plaudern?
Es hat sich halt unter den meisten Physikern leider die Unsitte eingebürgert, in populärwissenschaftlichen Darstellungen solche Geschichten wie die mit den virtuellen Teilchen beim Vakuumzustand zu präsentieren. Von daher stört sich da kaum jemand dran.

Pluto hat geschrieben:Nee. Das glaube ich nicht. Ich glaube nicht, dass es sich um eine Lüge handelt, sodern nur um eine alternative Erklärung.
Aber eben eine, die nur populärwissenschaftliches Niveau hat und außer in populärwissenschaftlichen Darstellungen zu nichts zu gebrauchen ist. Und die deswegen in ernsthaften Diskussionen über Physik nicht verwendet werden sollte.

Die meisten Physiker, die in populärwissenschaftlichen Quellen auf solche Darstellungen zurückgreifen, tun das auch vor allem deswegen, weil sie davon ausgehen, dass die Leser vornehmlich Laien sind, die sich eher nur beiläufig für Physik interessieren, und dass fachlich Interessierte, die sich ernsthaft mit der Thematik beschäftigen wollen, eher zu gehobener Literatur greifen würden. Aber du bist ja selbst das beste Beispiel dafür, dass dem nicht so ist: die interessiert sich ja offenkundig nicht nur beiläufig für Physik, bist aber zugleich der Meinung, es bestehe kein Anlass, gehobene Fachliteratur zu lesen, weil du denkst, da stünde eh nicht viel anderes drin als das, was du schon weißt.

Pluto hat geschrieben:Ist es nicht vielmehr so, dass Carroll eine Rhetorik verwendet die auf sein Zielpublikum zugeschnitten ist, um die Forschungsergebnisse der Physik rüber zu bringen?
Ganz genau, und dieses Zielpublikum schließt halt Nicht-Physiker ein, die über keine speziellen Fachkenntnisse im Bereich der QFT verfügen. Und deswegen greift Carroll auf eher populärwissenschaftliche Darstellungen zurück, weil er denkt, die wären für die Nicht-Physiker im Zielpublikum leichter zu verstehen.

Pluto hat geschrieben:Warum sonst wird die Darstellung über "Teilchen in einem brodelnden Quantenvakuum" von einer Vielzahl von Physikern kolportiert
Ganz einfach: weil die Physiker, die in populärwissenschaftlichen Quellen solche Darstellungen "kolpotieren", davon ausgehen, dass die Zielgruppe dieser Quellen vornehmlich Laien sind.

Pluto hat geschrieben:während sie nur von mathematischen Puristen für falsch gehalten wird?
Was lässt dich denken, sie würden nur von "mathematischen Puristen" für falsch gehalten?

Pluto hat geschrieben:
Agent Scullie hat geschrieben:Aber du vertratst ja auch gar nicht Darstellung II, sondern Darstellung I.
Richtig! Und zwar in Anlehnung an viele große Physiker, einschließlich Stephen Hawking in seinen Büchern.
Korrektur: in Anlehnung an populärwissenschaftliche Publikationen von solchen Physikern. In denen die besagten Physiker bewusst davon ausgehen, dass die Zielgruppe vornehmlich Laien sind.
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#95 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Halman » Sa 1. Okt 2016, 20:13

Pluto hat geschrieben:
Agent Scullie hat geschrieben:Du kannst aus Darstellung I soviel das Adjektiv "virtuell" streichen so viel du willst (habe das bereits durch Einklammerung vorbereitet), da kommt auf keinen Fall Darstellung II bei heraus. Der Unterschied zwischen beiden Darstellung ist also offensichtlich doch etwas größer.
Schon klar. Der Unterschied liegt natürlich darin, dass Darstellung I behauptet, es können überall Teilchen entstehen, während Darstellung II dies nur in der Nähe von SLs zulässt.

Dass deine Darstellung II die einzig richtige ist, dafür haben wir nur dein Wort. Viele (die meisten?) Physiker verwenden aber gerne Darstellung I. Warum tun sie dies, wo sie doch wissen sollten, dass sie falsch ist?
So ganz alleine ist er damit nicht. Da wären noch Wilfried Kuhn und Janez Strnad zu nennen (s. bitte HIER. Im verlinkten Beitrag verweist Agent Scullie auf ihr Fachbuch "Quantenfeldtheorie - Photonen und ihre Deutung" und auf folgendes PDF-Dokument:
http://www.astrophys-neunhof.de/mtlg/sd08011.pdf

Hast Du seine untem im verlinkten Beitrag angehängte PDF-Datei gelesen? Ich kann sie im SciFi-Forum auch aufrufen oder speichern, wenn ich nicht angemeldet bin.

Ferner verwies ich im Beitrag vom Do 8. Sep 2016, 21:29 auf Martin Bäker. In seinem Artikel Was ist das Vakuum? sagt er u.a. aus:
Wenn ihr populäre Darstellungen zur Elementarteilchenphysik oder ähnlichem lest,lesen die sich allerdings meist ganz anders: Da ist das Vakuumt voller Fluktuationen, bei denen sich ständig “virtuelle Teilchen” aus dem Nichts bilden, die die Energieerhaltung für einen Moment verletzen, weil die Unschärferelation dies erlaubt. (Das liest man leider sogar in echten Lehrbüchern zur Quantenphysik oder bei Wikipedia.)

Tja, leider sind solche Erklärungen zwar hübsch und intuitiv, aber sie haben auch einen deutlichen Nachteil: Sie sind allenfalls als anschauliche Bildchen zu verstehen, aber letztlich sind sie mehr oder weniger falsch. Aber um zu erklären, was es damit auf sich hat, werde ich wohl mal wieder einen zweiten Teil bemühen müssen.
Damit sind es schon mal vier. :)
Tja, ein Proton müsste man sein: Dann würde man die Quantenphysik verstehen, wäre immer positiv drauf und hätte eine nahezu unendliche Lebenszeit:-) - Silvia Arroyo Camejo

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#96 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Agent Scullie » Sa 1. Okt 2016, 21:44

Mir ist gerade aufgefallen, dass es Halman ja gar nicht gelungen war, meine PDF-Datei "Vakuumfluktuationen des elektromagnetischen Feldes.pdf" hochzuladen. Dann haben vermutlich einige von euch sich diese Datei gar ansehen können (vielleicht sogar Pluto nicht?). Ich habe die Datei daher nochmal bei einem Dokument-Hoster online gestellt:

http://www.xup.in/dl,14748946/Vakuumflu ... eldes.pdf/

Bei der Gelegenheit habe ich dann auch direkt den Artikel von Markus Pössel zur Hawking-Strahlung mit online gestellt:

http://www.xup.in/dl,10109048/hawking.ps/

Der Artikel ist im .ps-Format, dafür wird das Programm GhostView benötigt, das hier erhältlich ist:

http://www.gsview.com/downloads.html

Der Artikel ist sehr mathematisch gehalten, allerdings sind auf Seite 6 die Abbildungen 1 und 2 sehr anschaulich. In den beiden Raumzeitregionen J- und J+ ist die Raumzeit flach, und man kann dort die Felder wie in der gewöhnlichen speziell-relativistischen QFT quantisieren. Man betrachtet dann den Vakuumzustand der Region J-, und geht davon aus, dass die in diesem Zustand vorhandenen Vakuumfluktuationen u.a. laufende Wellen enthalten, die sich auf den kollabierenden Stern zu ausbreiten. Abb. 2 zeigt nun drei Wellenberge dieser laufenden Wellen. Die drei Wellenberge passierenden den kollabierenden Stern gerade dann, als der zum schwarzen Loch wird. Die Wellenberge werden durch die Gravitation des entstehenden schwarzen Loches auseinandergezogen (d.h. stark rotverschoben), so dass sie bei einem Beobachter in der Region J+ als etwas ankommen, das ganz anders aussieht als Vakuumfluktuationen.

Abb. 1 ist ein sog. Penrose-Diagramm:

https://de.wikipedia.org/wiki/Penrose-Diagramm

Man erkennt hier zwei interessante Sachverhalte: zum einen ist für die Hawking-Strahlung die Dynamik der Entstehung des schwarzen Loches wichtig, da der Kollaps des Vorgänger-Objekts betrachtet werden muss, und zum zweiten stammen alle Teilchen der Hawking-Strahlung aus der kurzen Zeitspanne, in der der Kollaps zum schwarzen Loch erfolgte, auch die Teilchen, die von einem außenstehenden Beobachter erst viel später registriert werden.
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#97 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Pluto » Sa 1. Okt 2016, 23:21

Halman hat geschrieben:
Dass deine Darstellung II die einzig richtige ist, dafür haben wir nur dein Wort. Viele (die meisten?) Physiker verwenden aber gerne Darstellung I. Warum tun sie dies, wo sie doch wissen sollten, dass sie falsch ist?
So ganz alleine ist er damit nicht. Da wären noch Wilfried Kuhn und Janez Strnad zu nennen (s. bitte HIER. Im verlinkten Beitrag verweist Agent Scullie auf ihr Fachbuch "Quantenfeldtheorie - Photonen und ihre Deutung" und auf folgendes PDF-Dokument:
http://www.astrophys-neunhof.de/mtlg/sd08011.pdf
Vier, mit dir sogar fünf... gegen wie viele Millionen?

Halman hat geschrieben:Ferner verwies ich im Beitrag vom Do 8. Sep 2016, 21:29 auf Martin Bäker. In seinem Artikel Was ist das Vakuum? sagt er u.a. aus:
Wenn ihr populäre Darstellungen zur Elementarteilchenphysik oder ähnlichem lest,lesen die sich allerdings meist ganz anders: Da ist das Vakuumt voller Fluktuationen, bei denen sich ständig “virtuelle Teilchen” aus dem Nichts bilden, die die Energieerhaltung für einen Moment verletzen, weil die Unschärferelation dies erlaubt. (Das liest man leider sogar in echten Lehrbüchern zur Quantenphysik oder bei Wikipedia.)
Eben.

Halman hat geschrieben:Tja, leider sind solche Erklärungen zwar hübsch und intuitiv, aber sie haben auch einen deutlichen Nachteil: Sie sind allenfalls als anschauliche Bildchen zu verstehen, aber letztlich sind sie mehr oder weniger falsch. Aber um zu erklären, was es damit auf sich hat, werde ich wohl mal wieder einen zweiten Teil bemühen müssen.

@ Agent Scullie
Was ich aus diesem Streitgespräch lerne, ist, dass es weitere, vermutlich sogar genauere, mathematisch sauberere Erklärungen im Rahmen der QFT gibt. Aber ein Beweis, dass die Erklärung mit Teilchenpaaren falsch ist, habe ich nicht gelesen; schon gar nicht, wenn so viele angesehene Physiker diese, doch sehr anschauliche Erklärung, immer und immer wieder verwenden.
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#98 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Agent Scullie » So 2. Okt 2016, 00:35

Pluto hat geschrieben:@ Agent Scullie
Was ich aus diesem Streitgespräch lerne, ist, dass es weitere, vermutlich sogar genauere, mathematisch sauberere Erklärungen im Rahmen der QFT gibt. Aber ein Beweis, dass die Erklärung mit Teilchenpaaren falsch ist, habe ich nicht gelesen
Dann lies noch einmal etwas genauer. Ich habe dir ja bereits mehrere brauchbare Quellen zur QFT benannt. Die kannst du dir mal sehr aufmerksam durchlesen und dabei mal versuchen, die Darstellung mit den virtuellen Teilchenpaaren bei Vakuumfluktuationen, mit dem, was du da liest, in Verbindung zu bringen. Denn wenn an dieser Darstellung etwas dran sein sollte (es ist nicht, aber nehmen wir mal rein hypothetisch an, es wäre eben doch), dann müsste es mit dem, was man in der Fachliteratur zu dem Thema lesen kann, in irgendeiner Weise in Verbindung stehen.

In dem Artikel zur Hawking-Strahlung von Markus Pössel kann man z.B. nachlesen, dass für die Hawking-Strahlung der Prozess der Bildung des schwarzen Loches von entscheidender Bedeutung ist, weil die Teilchen der Hawking-Strahlung alle in der kurzen Phase des Kollaps des Vorgängerobjekts entstehen. Das Bild mit den virtuellen Teilchenpaaren, von denen zuweilen eines durch die Gravitation des schwarzen Loches auseinander gerissen würde, steht dazu ganz offensichtlich im Widerspruch, denn nach dem wäre der Enstehungsprozess des schwarzen Loches ohne Bedeutung, und die Emission von Teilchen würde ständig passieren, nicht nur während der Entstehungsphase des schwarzen Loches.

Pluto hat geschrieben:schon gar nicht, wenn so viele angesehene Physiker diese, doch sehr anschauliche Erklärung, immer und immer wieder verwenden.
Diese Darstellung wird von diesen angesehenen Physikern aber ausschließlich in populärwissenschaftlichen Quellen verwendet, in denen die Anforderungen an eine Erklärung sehr viel niedriger sind als in Fachpublikationen, nämlich im wesentlichen nur darin bestehen, dass die "Erklärung" für den Laien plausibel klingen soll.

Es gibt z.B. noch eine andere populärwissenschaftliche Darstellung, die von Physikern in populärwissenschaftlichen Quellen immer wieder verwendet wird, nicht bei der QFT, sondern bei der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART). Da wird ein Gummituch, das von schweren Kugeln eingedellt wird, dazu benutzt, die Krümmung des Raumes zu veranschaulichen. Und das wird dann dazu verwendet, die Wirkung der Gravitation auf die Bewegung von Körpern zu "erklären". Durch Lehrbücher zur ART, ja teilweise auch schon durch populärwissenschaftliche Bücher, wie z.B. "Gravitation und Raumzeit" von John A. Wheeler, kann man sich da leicht von überzeugen, dass diese "Erklärung" völlig falsch ist, weil in der ART nicht die Krümmung des Raumes die Bewegung von Körpern bestimmt, sondern die Krümmung der Raumzeit. Trotzdem wird diese Gummituch-Darstellung immer wieder von Physikern verwendet, nicht etwa weil die blöd wären und nicht um die Inkorrektheit dieser Darstellung wüssten, sondern weil sie davon ausgehen, dass diese Darstellung für die Zielgruppe noch am ehesten zu verstehen sein wird.
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#99 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Agent Scullie » So 2. Okt 2016, 00:41

Pluto hat geschrieben:
Halman hat geschrieben:
Dass deine Darstellung II die einzig richtige ist, dafür haben wir nur dein Wort. Viele (die meisten?) Physiker verwenden aber gerne Darstellung I. Warum tun sie dies, wo sie doch wissen sollten, dass sie falsch ist?
So ganz alleine ist er damit nicht. Da wären noch Wilfried Kuhn und Janez Strnad zu nennen (s. bitte HIER. Im verlinkten Beitrag verweist Agent Scullie auf ihr Fachbuch "Quantenfeldtheorie - Photonen und ihre Deutung" und auf folgendes PDF-Dokument:
http://www.astrophys-neunhof.de/mtlg/sd08011.pdf
Vier, mit dir sogar fünf... gegen wie viele Millionen?
Wenn man bedenkt, dass diese Millionen in ihren Fachpublikationen etwas ganz anderes schreiben als man bei Äußerungen, die sie in einem populärwissenschaftlichen Rahmen machen, von ihnen hört, relativiert sich das.

Übrigens sind wir nicht fünf, sondern schon sieben. Die beiden Autoren des arxiv.org-Artikels zur Firewall, Daniel Harlow und Patrick Hayden, schreiben in ihrem Artikel nämlich auch nichts von virtuellen Teilchen.
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#100 Re: Quantenmechanische Gedanken zum Urknall

Beitrag von Agent Scullie » So 2. Okt 2016, 02:15

Janina hat geschrieben:
ThomasM hat geschrieben:
Janina hat geschrieben: Ich wüsste gerne, was an der Vorstellung von "virtuellen Teilchen" falsch sein soll, abgesehen davon, dass diese Vorstellung bereits ... sagen wir mal - anstrengend ist.
Der Fehler entsteht, wenn Leute wie Pluto das Model mit Realität verwechseln, also denken, dass da tatsächlich und real irgendwo unterhalb der Sichtlinie virtuelle Teilchen herumschwirren.
Ja tun sie das denn nicht? Wir können doch deren Veränderung des Coulomb-Potentials sehen, oder deren Kraftwirkung auf die Leiterplatten. Das stelle ich mir schon recht teilchenhaltig-dynamisch vor.
Wie schon in mehreren Antworten an Pluto betont, muss man bei Darstellungen mit virtuellen Teilchen unterscheiden zwischen Darstellungen zum Vakuumzustand und zum Casimir-Effekt einerseits und zu Wechselwirkungsprozessen, z.B. solchen, wo Coulomb-Potentiale beteiligt sind, andererseits.

Beim Vakuumzustand und beim Casimir-Effekt sind keine virtuellen Teilchen beteiligt, bei Wechselwirkungsprozessen aber sehr wohl. Ich vermute mal, mit der Veränderung des Coulomb-Potentials meinst du z.B. die Vakuumpolarisation, die dazu führt, dass auf sehr kurzen Abständen die elektromagnetische Wechselwirkung stärker zunimmt, als nach dem 1/r^2-Gesetz zu erwarten wäre? Nehmen wir, um virtuelle Teilchen bei Wechselwirkungsprozessen besser zu verstehen, mal ein einfacheres Feynman-Diagramm als das der Vakuumpolarisation, nehmen wir das für die Möller-Streuung zweier Elektronen:

https://de.wikipedia.org/wiki/M%C3%B8ller-Streuung

Da wird zwischen den beiden Elektron ein virtuelles Photon ausgetauscht. Naiverweise könnte man dieses Feynman-Diagramm jetzt so interpretieren, dass da tatsächlich eines der beiden Elektron irgendwann ein virtuelles Photon aussendet, dieses dann zum zweiten Elektron hin fliegt, und dann von dem zweiten Elektron absorbiert wird. Gerüchten zufolge soll Feynman sich das sogar selber so gedacht haben.

Wenn man sich aber mal die Grundlage für Feynman-Diagramme ansieht, die S-Matrix-Theorie, so stellt man sehr schnell fest, dass es für so eine direkte bildliche Interpretation von Feynman-Diagrammen gar keine Veranlassung gibt. Tatsächlich geht man da von dem gleichen qualitativen Mechanismus für die Streuung der beiden Elektronen aus wie schon in der klassischen Elektrodynamik: jedes der beiden Teilchen wechselwirkt lokal mit dem elektromagnetischen Feld, und dieses Feld transportiert Energie und Impuls zwischen beiden Teilchen. Berechnet man das Resultat diesen Vorganges mit den Mitteln der S-Matrix-Theorie, dann taucht in dem zentralen mathematischen Ausdruck der S-Matrix-Theorie, nämlich der S-Matrix, eine Zweipunktfunktion des elektromagnetischen Feldes auf, die sich durch Einsatz eines mathematischen Tricks, nämlich der Verwendung des quantenmechanischen Wechselwirkungsbildes, genauso schreiben lässt wie eine analoge Zweipunktfunktion, die beim freien Strahlungsfeld die Ausbreitung eines Photons beschreibt. Daraus hat sich die Sprechweise entwickelt, dass die Streuung der beiden Elektronen durch ein virtuelles Photon vermittelt würde, und darauf aufbauend hat sich Feynman dann seine Diagramme und deren Konstruktionsregeln ausgedacht.

Zurück zur Vakuumpolarisation. Eines der zugehörigen Feynman-Diagramme ist das links unten in diesem Bild:

http://de.academic.ru/pictures/dewiki/5 ... _ee_ww.png

Es enthält zwei virtuelle Photonen und ein virtuelles Fermion-Antifermion-Paar (z.B. Elektron-Positron-Paar). Das Auftreten dieses virtuellen Fermion-Antifermion-Paares kann man so verstehen, dass das Zusammenspiel der beteiligten Felder komplizierter ist als im Diagramm der Möller-Streuung. Während bei der Möller-Streuung lediglich das elektromagnetische Feld vermittelnd zwischen zwei elektrisch geladenen Teilchen (Fermionen) wirkt, wechselwirkt bei der Vakuumpolarisation zusätzlich noch das elektromagnetische Feld mit sich selbst, und zwar unter Vermittlung des zu den geladenen Fermionen gehörenden Feldes.

Man sieht hier wieder ein Charakteristikum der QFT: zu jeder Teilchenart gehört ein Feld und umgekehrt. Es gibt kräftetragende Felder (elektromagnetisches Feld, starke nukleare Felder, schwache nukleare Felder), zu denen Teilchen gehören (Photonen, Gluonen, W- und Z-Bosonen) und Materiefelder, die zu Teilchen gehören (Elektron/Positron -> Elektronenfeld, Myon/Antimyon -> Myonenfeld, Quark/Antiquark -> Quarkfeld, ...), wobei die kräftetragenden Felder bosonisch sind und die Materiefelder fermionisch. Und nur in erste Näherung gilt, dass allein die kräftetragenden Felder kräftetragend, also wechselwirkungsvermittelnd, sind: bei der Vakuumpolarisation wirkt auch das beteiligte Materiefeld (z.B. Elektronenfeld) kräftetragend.

Nochmal zur Vakuumpolarisation: in populärwissenschaftlichen Darstellungen wird häufig das Bild vermittelt, dass z.B. ein Elektron von einer Wolke aus virtuellen Elektron-Positron-Paaren umgeben sei. Das gehört auch eher in die gleiche Kategorie wie virtuelle Teilchen beim Vakuumzustand: als popularisierte Darstellung verbreitet, aber darüberhinaus zu nichts zu gebrauchen.

Janina hat geschrieben:Die Verletzung der Parität ist auch so ein Ding, das sich der Vorstellung komplett entzieht. Man kann sich als Krücke einen Schraubensinn denken, ok. Aber die Berechnung der Gamma-Matritzen sind doch auch kein Grund, jeglichen Schraubensinn abzulehnen, nur weil in den Gleichungen kein Gewinde steht.
Ähm, du redest jetzt davon, dass bei Fermionen, die durch die Dirac-Gleichung beschrieben werden, die Wellenfunktion nicht bei einer Drehung um 360° wieder in sich selbst übergeht, sondern erst bei einer Drehung um 720°? Es wäre natürlich möglich, dass dies mit einer inneren Struktur der Fermionen zu tun hat, die durch die Dirac-Gleichung nicht erfasst wird. Das hieße aber, dass die Theorie der Dirac-Gleichung unvollständig wäre, und durch eine darunterliegende Theorie vervollständigt werden müsste. Solange man die Theorie der Dirac-Gleichung für vollständig hält, folgt daraus, dass es keine solche innere Struktur gibt.

Zur Verletzung der Parität: als Paritätsverletzung bezeichnet man eigentlich ein ganz anderes Phänomen, das mit der schwachen Wechselwirkung zu tun hat und bei Teilchenzerfällen beobachtet werden kann.
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