Ruth hat geschrieben: ↑Fr 19. Mär 2021, 13:31
Paulus, auf Missionsreise in Griechenland, verkündigt keinen „anderen“ Gott. In
Apg.17,22-32 spricht er zu den Menschen dort von dem Gott, den sie bereits verehren. Paulus verspricht den Zuhörern, dass er ihnen mehr erzählen kann und will über den Gott, den sie verehren.
Mir ist das heute mal wieder ganz neu aufgefallen, dass Paulus nicht davon spricht, dass man sich zu den richtigen Gott bekehren müsse … weg von den Göttern, die sie bisher angebetet haben. Er sagt nur: „ich weiß manches über diesen Gott, den ihr schon verehrt, was euch näher zu Gott führen könnte.
Das ist so ganz anders, als die christliche Botschaft oft darstellt. Dort wird meistens eher darum gestritten, wer den richtigen Gott habe, und wie die Strafen dafür aussehen, wenn man diesen nicht so anbetet, wie es von dem jeweiligen „Botschafter“ vorgeschrieben wird..
Nun ja, ganz so sehe ich diese Stelle nicht. Ich empfinde es als ziemlich arrogant, dass Paulus den gläubigen Athenern erzählt, er wüsste mehr über ihren(!) "unbekannten Gott" als sie selbst. Und dann schwenkt er sehr rasch auf die übliche christliche Botschaft ein: Weg vom "Götzendienst" und Absolutheitsanspruch der eigenen Botschaft:
29 Da wir nun göttlichen Geschlechts sind, sollen wir nicht meinen, die Gottheit sei gleich den goldenen, silbernen und steinernen Bildern, durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht. 30 Zwar hat Gott über die Zeit der Unwissenheit hinweggesehen; nun aber gebietet er den Menschen, dass alle an allen Enden Buße tun. 31 Denn er hat einen Tag festgesetzt, an dem er richten will den Erdkreis
Ich sehe hierin lediglich den rhetorischen Kniff eines Missionars... er will die Menschen dort "abholen", wo sie stehen, aber er hat keinen Respekt vor ihrem Standpunkt. Denn er will sie ja davon weg führen und sie von seiner eigenen Botschaft überzeugen. Von religiöser Toleranz sehe ich da nichts.
Ruth hat geschrieben: ↑Fr 19. Mär 2021, 13:31
Ich werfe darum einfach mal die Frage in den Raum, wie Ihr/du denk(s)t, wie die Verkündigung des „richtigen“ Gottes aussehen sollte (?)
Gar nicht. Ein "richtiger" Gott verkündigt sich selber.
Denn dem "richtigen" Gott - oder der richtigen Göttin! - kann ein Mensch nur ganz allein und individuell begegnen. Vielleicht noch im kleinen Kreis einer gleichgesinnten religiösen Gemeinschaft. Diese individuelle Erfahrung aber auf die ganze Welt übertragen zu wollen ist meiner Meinung nach völliger Blödsinn.
Man kann über seine Göttinnen mit anderen sprechen, man kann meinetwegen Bücher schreiben über die eigenen Erfahrungen und Überzeugungen - aber es sollte stets mit Zurückhaltung geschehen, immer in dem Wissen, dass solcherlei Überzeugung nicht unbedingt auf andere Menschen übertragbar ist.
"Verkündigung" klingt für mich viel zu sehr nach einer öffentlichen Bekanntgabe, nach Religionen, die öffentlichen Raum beanspruchen und ihre Botschaften gleich einer Sachinformation vor die Menschen bringen. Das finde ich überaus unpassend.
Glaube an eine Gottheit, oder der Verzicht darauf, ist Privatsache.
Ruth hat geschrieben: ↑Fr 19. Mär 2021, 13:31
Welche Merkmale hat der EINE Gott?
Deine Frage impliziert, Gott sei "Einer" und männlich.
Aber um dir einen Antwort zu geben: meine EINE Gottheit existiert immer nur für den Moment, in dem ich IHR begegne, und mit exakt jenen Merkmalen, die ich in diesem Moment wahrnehmen kann. Was ich aber wahrnehme, das ist notwendigerweise begrenzt und gefiltert durch mein Menschsein. Ich mag also beispielsweise die Gottheit, wie sie mir im Nachthimmel als Nut begegnet, so beschreiben: Still, unendlich weit, kühl, beruhigend, glitzernd. Dies aber ist lediglich die Beschreibung eines kleinen Fragments, und auch wiederum nur der ungenügende Versuch, die Weite meines Herzenserlebens in Worte zu pressen.
Darüber hinaus kann ich die Göttinnen und Götter nur im Sinne einer negativen Theologie beschreiben... nicht menschlich, unbegrenzt, unfassbar, immateriell, nicht wissbar...
Ruth hat geschrieben: ↑Fr 19. Mär 2021, 13:31
Wie kann man auf die „richtige“ Art Gott näher kommen?
Indem man eine gutes Gleichgewicht findet zwischen Innen und Außen.
Außen: anderen Menschen zuhören, über verschiedene Religionen lernen, offen für neue Erkenntnis sein, die Schöpfung mit allen Sinnen wahrnehmen.
Innen: ins eigene Herz hinein lauschen, über die eigenen Gefühle und Erfahrungen nachsinnen, mit der eigenen Ba-Seele sprechen, auf seine Wahrnehmungen vertrauen.
Ruth hat geschrieben: ↑Fr 19. Mär 2021, 13:31
Gibt es Vorschriften, wie es richtig oder gar falsch ist, Gott anzubeten oder auch nur zu verkündigen?
Vorschriften? Ja, die gibt es. Eine Menge. Bei jeder Gottheit wieder andere.
Aber
allgemeingültige Vorschriften gibt es für mich nur eine: Dass ein jeder Mensch Respekt haben sollte vor anderen Menschen und anderen Kreaturen. Und dass dieser Respekt bedeutet, sich nicht über andere zu erheben und die eigenen Erkenntnisse über Religion und Glauben für besser oder richtiger zu halten.
Ansonsten sind allgemeingültige Vorschriften keine Sache zwischen Mensch und Gott, sondern für die Menschen untereinander und im Umgang mit der materiellen Schöpfung auf unserer Erde. Also, ich finde es wichtig, dass die Menschheit über allgemeingültige ethische Grundsätze übereinkommt, die für alle gelten sollen.
Bei der Religion ist ein einziger, allgemeingültiger und "richtiger" Weg dagegen ausgesprochen kontraproduktiv.
Liebe Grüße
Mirjam