Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Säkularismus
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Pluto
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#51 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von Pluto » Mi 28. Jan 2015, 21:27

closs hat geschrieben:Menschen haben ja nicht in den verschiedenen Kulturen über (fast) alle Epochen beschlossen, dass es Gott gibt, sonder selbigen in welchen Bildern auch immer verspürt.
Wenn das verspüren von etwas der einzige Hinweis ist, den man in über 4000 Jahren erkennen kann, dann ist das als Evidenz nicht bloß schwach, es ist aus geistiger Sicht untragbar.

closs hat geschrieben:Ich kann nicht erkennen, dass es da Unterschiede zwischen der wissenschaftlichen und geistigen Fraktion gäbe.
Ich habe dir ein Beispiel genannt: Die geistige Fraktion in fast allen Religionen behauptet scheinbar völlig grundlos das Weiterleben des spirituellen Teils des Menschen nahch dem Tod.

closs hat geschrieben:Ontologie wäre die erkenntnis-theoretische Grundlage für jegliches System...
Du weichst der Frage aus:
Kann Ontologie die Lauterkeit (gegenüber sich selbst) gewährleisen? — Wenn ja, wie?

Also: bereits hier wird es eng.
Richtig. So eng wie ein Kamel durch ein Nadelöhr. Vor allem wenn man intellektuelle Redlichkeit gegenüber sich selbst fordert.

closs hat geschrieben:Wenn man Behauptungen aufstellt, die gemäß des eigenen Wahrnehmungs-Systems plausibel, aber gleichzeitig aufgrund des Gegenstands der Beobachtung nicht überprüfbar ist ("Gott"), könnte man nur dann redlich sein, wenn man postulierte, nur Überprüfbares könne Realität sein.
Das Problem stellt sich doch schon bei den Plausibilitätskriterien: Welche Basis hat man, diese angenommen "Plausibilität" für korrekt zu halten?
Mir scheint, hier beginnt schon die Selbsttäuschung: Man zimmert sich beliebige Plausibilitätsregeln zusammen, ohne diese jemals einer Prüfung durch die Vernunft zu unterziehen.

closs hat geschrieben:Dieses Postulat wäre jedoch selbst unredlich, weil es logisch falsch ist: Denn die Tatsache, dass es Realität gibt, die nachweisbar ist, heisst nicht, dass es deshalb keine Realität gäbe, die NICHT nachweisbar ist - das wäre ein blankes Willkür-Postulat.
Umgekehrt macht es Sinn.
Heideggers Postulat eines Unterschieds zwischen Dasein und Sein ist schon ein solches willkürliches Postulat. Er stellt es unüberprüft in den nichtexistenten philosophischen Raum, ohne irgendwelche Evidenzen dafür zu haben.
Eine solche Annahme ist an sich doch bereits unredlich.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#52 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von closs » Mi 28. Jan 2015, 21:44

Pluto hat geschrieben: es ist aus geistiger Sicht untragbar.
Gerade aus geistiger Sicht ist es tragbar.

Pluto hat geschrieben:Wenn das verspüren von etwas der einzige Hinweis ist
Nein - es gibt ja auch viele logische Hinweise von mindestens Platon bis mindestens Gödel - das sind ja keine schwärmerischen Dumpfbacken.

Pluto hat geschrieben: Die geistige Fraktion in fast allen Religionen behauptet scheinbar völlig grundlos das Weiterleben des spirituellen Teils des Menschen nahch dem Tod.
Eben nicht - siehe Platon bis Gödel. - Wobei "Transzendenz" nicht unbedingt Weiterleben sein müss - es kann auch Nirwana oder sonst was sein.

Pluto hat geschrieben:Kann Ontologie die Lauterkeit (gegenüber sich selbst) gewährleisen? — Wenn ja, wie?
Indem man sie überhaupt miteinbezieht und deshalb die Möglichkeit erkennen MUSS, dass es so sein kann. - Das ist noch kein positiver Befund, aber die Negation eines negativen Befunds, den die Materialisten gerne postulieren.

Pluto hat geschrieben:Richtig.
Eng für die Materialisten, war gemeint.

Pluto hat geschrieben:Welche Basis hat man, diese angenommen "Plausibilität" für korrekt zu halten?
Das ist doch der Grunddefekt des Materialismus, etc., dass man aus der wahrnehmungs-mäßigen Falsifizierungs-Unmöglichkeit eine Seins-/Realitäts-Unmöglichkeit postuliert. - Dieses Postulat ist intellektuell unredlich.

Pluto hat geschrieben:Man zimmert sich beliebige Plausibilitätsregeln, ohne diese einer Prüfung durch die Vernunft zu unterziehen.
Dieser Satz ist nur dann richtig, wenn man "Vernunft" einengt auf "Wahrnehmungs-Nachweisbarkeit" - das hat Kant expressis verbis so nicht gewollt. - Es ist umgekehrt unredlich, so zu tun, als sei Vernunft keine universale Seins-Größe, sondern eine reine Wahrnehmungs-Größe. - Daran scheitert auch Metzingen.

Pluto hat geschrieben:Heideggers Postulat eines Unterschieds zwischen Dasein und Sein ist schon ein solches willkürliches Postulat.
Nein - das ist logisch zwingend - denn: Wie sollte es zwingend sein, dass Wahrnehmung und Realität/Sein identisch sind?

Heidegger ist im übrigen (aus meiner Sicht) kein Transzendental-Philosoph, sondern (wie Hegel und Popper auch) Methodiker. - Das heisst: Heidegger hätte kein Problem, wenn Wahrnehmung und Realität/Sein immer koinzidieren. - Aber Koinzidenz ist nicht dasselbe wie Identität. - Es geht darum zu begreifen, dass beide unterschiedlichen Kategorien sind, die man nicht einfach so per Methodik gleichsetzen kann.

Pluto hat geschrieben:Eine solche Annahme ist an sich doch bereits unredlich.
Das Gegenteil wäre unredlich.

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#53 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von Pluto » Mi 28. Jan 2015, 23:14

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Wenn das verspüren von etwas der einzige Hinweis ist
Nein - es gibt ja auch viele logische Hinweise von mindestens Platon bis mindestens Gödel - das sind ja keine schwärmerischen Dumpfbacken.
Platon hatte das Wissen nicht. Und Gödel war ein humoristischer Querdenker der sich einen Spaß draus machte, Anselms angeblichen "Beweis" als mathematische Zeitvertreib umzuschreiben. Der Beweis is nichtig, wie wir bereits vor Monaten im Detail diskutiert haben.

Kein einziger " Gottesbeweis" hat je eine tiefergehende Prüfung bestanden. Man kann Gott nicht beweisen.

closs hat geschrieben:Indem man sie überhaupt miteinbezieht und deshalb die Möglichkeit erkennen MUSS, dass es so sein kann.
Das was wie sein kann?
Ich meine die Frage durchaus ernst: Wenn man nicht weiß was überhaupt sein könnte, woher will man irgend etwas über dessen Existenz wissen oder gar annehmen?

closs hat geschrieben:Das ist doch der Grunddefekt des Materialismus, etc.,
Du lenkst mit deinem Hinweis auf "Materialismus" ab.
Es ist eine ganz einfache Frage, nach den Plausibilitätskriterien und deren Richtigkeit.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Man zimmert sich beliebige Plausibilitätsregeln, ohne diese einer Prüfung durch die Vernunft zu unterziehen.
Dieser Satz ist nur dann richtig, wenn man "Vernunft" einengt auf "Wahrnehmungs-Nachweisbarkeit
Auch hier ein klares "Nein".
Du sagst etwas ist plausibel, aber meine Frage richtete sich nach den Kriterien ebe dieser Plausibilität.

closs hat geschrieben:Dieser Satz ist nur dann richtig, wenn man "Vernunft" einengt auf "Wahrnehmungs-Nachweisbarkeit" - das hat Kant expressis verbis so nicht gewollt. Es ist umgekehrt unredlich, so zu tun, als sei Vernunft keine universale Seins-Größe, sondern eine reine Wahrnehmungs-Größe.
Natürlich ist das im Sinne Kants.
Schließlich ist er es doch, der die Überprüfung nach den Regeln der "reinen Vernunft" empfahl.
Die Frage hat auch nichts mit Wahrnehmung zu tun, sondern mit der Richtigkeit der Plausibilitätskriterien.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Heideggers Postulat eines Unterschieds zwischen Dasein und Sein ist schon ein solches willkürliches Postulat.
Nein - das ist logisch zwingend
Das müsstest du erst mal erklären. Die Willkür liegt doch schon darin zu behaupten, dass etwas existieren könnte, wovon wir nichts wissen können.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Eine solche Annahme ist an sich doch bereits unredlich.
Das Gegenteil wäre unredlich.
Nee, nee...
Reine Annahmen, wie du sie auf Grund der Plausiblität vorschlägst, stehen so lange im Verdacht unredlich zu sein, bis auch die Evidenz vorgelegt wird, dass die angewendeten Regeln der Plausibilität auch richtig sind.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#54 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von closs » Do 29. Jan 2015, 00:06

Pluto hat geschrieben:Kein einziger " Gottesbeweis" hat je eine tiefergehende Prüfung bestanden.
Es geht nicht um den Beweis Gottes - es geht darum, dass es viele geistige Hinweise seit 3000 Jahren gibt, dass es eine Realität gibt, aus der unsere Realität ist. - Diese Hinweise sind nicht von unserer Realität aus nachweisbar, weil wir eben in unserer Realität sind, die eine andere ist.

Pluto hat geschrieben: Wenn man nicht weiß was überhaupt sein könnte, woher will man irgend etwas über dessen Existenz wissen oder gar annehmen?
Ontologie sagt nicht, was ist, sondern dass das Sein/die Realität unabhängig von der Wahrnehmung (Heidegger würde hier sagen - dem "Seienden" - aber das würde jetzt verwirren) ist. - Das reicht erst mal fürs Erste. - Denn allein das ist ausreichend, Wahrnehmung und Sein/Realität zu entkoppeln. - Entkoppelt man sie aber, kann man nicht mehr über Wahrnehmung bestimmen, was zu sein hat und was nicht - genau das aber machen die materialistische Denkweisen.

Pluto hat geschrieben:aber meine Frage richtete sich nach den Kriterien ebe dieser Plausibilität.
Erstmal die Logik der ontologischen Erkenntnis-Theorie, dass Wahrnehmung und Sein/Realität zu entkoppeln sind. Dadurch entsteht der Raum nicht-erkennbarer Realität/Sein. - Allein deshalb - das wäre jetzt ein Argument in Deinem Sinne - muss dieser Raum ja nicht gefüllt sein - er kann auch leer sein.

Da allerdings kommt nun hinzu, dass universal der Mensch persönlich erfährt/spürt, dass da etwas ist. - Mit anderen Worten: Die ontologische Erkenntnis-Theorie macht Platz für etwas, was universal erfahren/gespürt wird. Deswegen weiss man natürlich immer noch nicht, WAS es ist. - Und jetzt kommen große Köpfe der letzten paar tausende Jahre, die diesen Raum hermeneutisch füllen: Wie könnte das, was der Mensch universal erfährt/spürt/persönlich erkennt, logisch/inhaltlich dargestellt werden - und dann kommen platonische Antworten, christliche, islamische, buddhistische Antworten, die alle immer nur ein Versuch sind, persönlich Erkanntes in halbwegs gültiger Form darzustellen. - Mehr als Versuche gibt es nicht, weil das Objekt außerhalb der Reichweite naturalistischer Methodik angesiedelt ist. - Allerdings haben sich die großen Köpfe aller Kulturen Mühe gegeben, ihre Ordnungs-Versuche logisch widerspruchsfrei zu gestalten - das sollte gelungen sein. Das ist die Vernunft der Spiritualität.

Mit anderen Worten: Du kannst nicht erwarten, dass spirituelle Inhalte im Sinne naturalistischer Plausibilitäts-Kriterien beschrieben werden. - Ginge das, könnte man daraus eine Naturwissenschaft machen - ist aber nicht so.

Pluto hat geschrieben:Die Frage hat auch nichts mit Wahrnehmung zu tun, sondern mit der Richtigkeit der Plausibilitätskriterien.
"Richtig" ist, was für das jeweilige Wahrnehmungs-System adäquat ist - naturalistisches und spirituelles Wahrnehmungs-System sind kategorial verschieden.

Pluto hat geschrieben:Schließlich ist er es doch, der die Überprüfung nach den Regeln der "reinen Vernunft" empfahl.
Die "reine Vernunft" ist aber keine rein "innerbetrieblich" naturalistische Veranstaltung, sondern eine Größe, die das "Ding an sich" (wenn Du so willst: ein Dogma) als unverzichtbar versteht UND die Grenzen ihrer selbst (der Vernunft) erkennt, jenseits derer ein HÖheres ist, in das die Vernunft aufgehoben ist. - Eigentlich ist das hegelsche Dialektik pur.

VIELLEICHT taugt folgender Vergleich etwas: "Naturalistische Vernunft" (also das, was Du "Vernunft nennst) verhält sich zu "transzendeller Vernunft" so, wie euklidische Geometrie zu relativistischer Geometrie - will heißen: "Deine" Vernunft ist in der Tat der Maßstab fürs Dasein, reicht aber nicht aus, darüber Hinausgehendes zu beschreiben.

"Ich habe die Vernunft an ihre Grenzen gebracht, um Platz für en Glauben zu haben", schreibt Kant sinngemäß (finde es gerade nicht im Original) 1798. Kommentiert wurd Kant diesbezüglich von H.J.Störig: "Das ganze Unternehmen der Kritiken muss man so verstehen, wie Kant selbst gesagt hat: Durch Aufheben des Wissens Platz zum Glauben zu schaffen". - Das ist auch sokratisch und platonisch: "Das sokratische Wissen um das Nichtwissen initiiert damit einen dialektischen Weg, der zum wissenden Nichtwissen der absoluten Transzendenz führt" (wik). - Genau das ist es - glasklar vor Augen. - Aber eben nicht mehr vor den Augen des naturalistischen Denksystems.

Und da mein Vorwurf der Unlauterkeit an Metzinger: Er müsste das wissen und weiss es auch, bleibt aber streng in seinem eigenen, ausgewählten System - das ist nicht ehrlich gegen sich selbst.

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#55 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von Pluto » Do 29. Jan 2015, 14:22

closs hat geschrieben:Es geht nicht um den Beweis Gottes - es geht darum, dass es viele geistige Hinweise seit 3000 Jahren gibt, dass es eine Realität gibt, aus der unsere Realität ist.
Nach welchen Kriterien stellt man das fest?

closs hat geschrieben:Ontologie sagt nicht, was ist, sondern dass das Sein/die Realität unabhängig von der Wahrnehmung (Heidegger würde hier sagen - dem "Seienden" - aber das würde jetzt verwirren) ist.
Ontologie ist zunächst mal die Lehre des Seins. Zur Erkenntnis des Seins kann deshalb die Ontologie nichtst beitragen. Dafür ist die Epistemologie zuständig.

closs hat geschrieben:Denn allein das ist ausreichend, Wahrnehmung und Sein/Realität zu entkoppeln. - Entkoppelt man sie aber, kann man nicht mehr über Wahrnehmung bestimmen, was zu sein hat und was nicht - genau das aber machen die materialistische Denkweisen.
Es ist leicht zu beweisen, dass Wahrnehmung NICHT von der Realität zu enkoppeln ist, sondern im Gegenteil die Realität sehr gut wiederspiegelt.

closs hat geschrieben:Erstmal die Logik der ontologischen Erkenntnis-Theorie
ontologische Erkenntnis...? — Hä? :o

Was ist das für eine neue Wortkonstruktion? Mr scheint du führst hier ein (schlechtes) Oxymoron ein. Was soll das überhaupt sein?

closs hat geschrieben:dass Wahrnehmung und Sein/Realität zu entkoppeln sind.
So sehr du dich auch bemühst, es wird dir nicht gelingen Wahrnehmung von Realität zu entkoppeln. Ich nehme den Computer auf dem ich dies schreibe wahr; er ist sehr real. Da gibt es nichts zu entkoppeln.

Da allerdings kommt nun hinzu, dass universal der Mensch persönlich erfährt/spürt, dass da etwas ist.
Solche Erfahrungen/Gefühle sind notorisch trügerisch. Man braucht etwas um sie zu begründen. Was hast du?

Mehr als Versuche gibt es nicht, weil das Objekt außerhalb der Reichweite naturalistischer Methodik angesiedelt ist.
Es stellt sich heraus, dass Versuche metaphisische Dinge zu verorten einfach zu wenig sind, und den hohen Anforderungen der intellektuellen Redlichkeit gerecht zu werden.
Davon sprach auch Kant... Unredlichkeit ist die Ermangelung an Gewissenhaftigkeit...

Damit will er sagen, man hat sich selbst gegenüber die Pflicht, gerade wenn man von Vorstellungen spricht, diese immer und immer wieder zu überprüfen.
Man kann nicht auf eine bloße Vermutung hin Heureka rufen. Das ist schlicht zu wenig und sieht allzu sehr nach versuchter Selbsttäschung aus.

closs hat geschrieben:"Richtig" ist, was für das jeweilige Wahrnehmungs-System adäquat ist...
Was ist denn adäquat? Und wer legt das fest? Mir scheint du hast dir noch viel zu wenig Gedanken über das Adäquate gemacht.

closs hat geschrieben:"Deine" Vernunft ist in der Tat der Maßstab fürs Dasein, reicht aber nicht aus, darüber Hinausgehendes zu beschreiben.
Das Gegenteil ist doch der Fall:
Die menschliche Fantasie ist schier grenzenlos und hierin werden Dinge postuliert die sein könnten, und durch die Hintertür in die Realität hinein geschmuggelt.

closs hat geschrieben:"Ich habe die Vernunft an ihre Grenzen gebracht, um Platz für en Glauben zu haben", schreibt Kant sinngemäß (finde es gerade nicht im Original) 1798. Kommentiert wurd Kant diesbezüglich von H.J.Störig: "Das ganze Unternehmen der Kritiken muss man so verstehen, wie Kant selbst gesagt hat: Durch Aufheben des Wissens Platz zum Glauben zu schaffen".
Störig reißt hier ein Zitat aus dem Kontext heraus.
Kant kritisiert alles Metaphysische, in dem er dies mit der Formulierung zusammenfasst, man müsse in der Metaphysik "das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu haben".

closs hat geschrieben:Und da mein Vorwurf der Unlauterkeit an Metzinger: Er müsste das wissen und weiss es auch, bleibt aber streng in seinem eigenen, ausgewählten System - das ist nicht ehrlich gegen sich selbst.
Ich wüsste nicht, wo Metzinger sich in seinem Vortrag überhaupt eines "Systems" bedient.

Der wahre Kern der intelektuellen Unredlichkeit wird in religiösen Behauptungen wie "Es gibt ein Leben nach dem Tod" nur zu deutlich.
Es bringt nichts, Vermutungen, im Brustton der Überzeugung als dogmatische Offenbarungen zu verkünden, wenn man sie mit nichts nachweisen kann.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#56 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von closs » Do 29. Jan 2015, 15:11

Pluto hat geschrieben:Nach welchen Kriterien stellt man das fest?
Nicht nach objektiven, weil das nicht geht. - Es ist eine persönliche emtionale oder geistige Erfahrung, die jede Kultur religiös oder philosophisch ander darstellt.

Pluto hat geschrieben:Zur Erkenntnis des Seins kann deshalb die Ontologie nichtst beitragen.
Genau richtig - sie kann nur die theoretischen Voraussetzungen schaffen, wo es etwas zu suchen gibt, und wie das Objekt (Sein/Realität) prinzipiell im Vehältnis zum Subjekt (Wahrnehmung) steht.

Pluto hat geschrieben:Es ist leicht zu beweisen, dass Wahrnehmung NICHT von der Realität zu enkoppeln ist
Moment: Es gibt Fälle, in denen Wahrnehmung und Realität auf nachvollziehbare Weise koinzidieren. - Wo diese Koinzidenz nicht da ist, kann man es nicht beweisen.

Pluto hat geschrieben:Dafür ist die Epistemologie zuständig.
Prinzipiell ja - wobei diese Zuständigkeit begrenzt wird durch die Grenzen der Definition von "Epistemologie". - Definiert man es im Sinne des Kritischen Rationalismus, ist es NICHT hinreichend. - Definiert man es auch im Sinne "Erkenntnis" im allgemeinen Sinn (ohne methodische Bindung), ist es hinreichend.

Pluto hat geschrieben:ontologische Erkenntnis...
Gemeint ist: Erkenntnis-Theorie im Sinne der Ontologie und nicht im Sinne von Wissenschafts-Theorien.

Pluto hat geschrieben: es wird dir nicht gelingen Wahrnehmung von Realität zu entkoppeln.
Andersrum: Es wird Dir nicht gelingen, Realität mit Wahrnehmung zu verkuppeln. - Das ist wieder das alte Thema:

Jeder Dackel (Wahrnehmung) ist ein Hund (Sein/Realität) - aber nicht jeder Hund (Sein/Realität) ist ein Dackel (Wahrnehmung).

Kategorie 1:
Realität/Sein

Kategorie 2:
a) nachweisbare(s) Realität/Sein
b) nicht nachweisbare(s) Realität/Sein

Pluto hat geschrieben:Solche Erfahrungen/Gefühle sind notorisch trügerisch.
Die Tatsache, dass man reduktiv physikalische Sinnes-Täuschungen nachweisen kann, erlaubt nicht den Umkehrschluss, dass Erfahrungen/Gefühle trügerisch sind.

Pluto hat geschrieben:Davon sprach auch Kant... Unredlichkeit ist die Ermangelung an Gewissenhaftigkeit...
Das hat er ganz sicher so nicht gemeint. - "Gewissenhaftlichkeit" besteht nicht darin, dass man einfach aufhört, nur weil etwas nicht methodisch nachweisbar ist. - Das ist eine ziemlich gewalttätige Umdeutung des METAPHYSIKERS Kant.

Pluto hat geschrieben:gerade wenn man von Vorstellungen spricht, diese immer und immer wieder zu überprüfen.
Richtig - damit hast Du das Hermeneutische gut beschrieben. - Das machen die Platons dieser Welt seit 1000en von Jahren.

Pluto hat geschrieben:Kant kritisiert alles Metaphysische
Wenn es in Bereichen der Physik stattfindet, JA. - Aber nicht da, wo die Physik nichts mehr melden kann. - Nach Störig hat Kant "den Bereich des Verstandes außerordentlich eingeschränkt", weil er um die Grenzen eben dieses Verstandes vernünftig erkennt. - Kant wäre mit Popper ganz sicher happy gewesen - aber eben im methodischen und nicht im transzendental-philosophischen Sinne.

Pluto hat geschrieben:Ich wüsste nicht, wo Metzinger sich in seinem Vortrag überhaupt eines "Systems" bedient.
Das ist es ja - er hinterfragt sein System nicht, sondern stellt es schweigend als Maßstab hin. - Als sei sein Maßstab der Maßstab für die Philosophie der letzten Jahrtausende - quasi ein Fortschritt gegenüber diesen Philosophien.

Pluto hat geschrieben:Der wahre Kern der intelektuellen Unredlichkeit wird in religiösen Behauptungen wie "Es gibt ein Leben nach dem Tod" nur zu deutlich.
Unredlich wäre, wenn man vorgäbe, dies sei nachweisbar. - Die Behauptung selbst aufgrund diverser Hinweise ist doch nicht unredlich.

Metzinger steht hier stellvertretend für diejenigen, die die eigene Dogmatik zum Maßstab für Benotungen anderer Philosophien benutzen - unter Missbrauch Kants.

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#57 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von Pluto » Do 29. Jan 2015, 15:57

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Nach welchen Kriterien stellt man das fest?
Nicht nach objektiven, weil das nicht geht. - Es ist eine persönliche emtionale oder geistige Erfahrung, die jede Kultur religiös oder philosophisch ander darstellt.
Und du meinst das sei dann Redlichkeit?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Es ist leicht zu beweisen, dass Wahrnehmung NICHT von der Realität zu enkoppeln ist
Moment: Es gibt Fälle, in denen Wahrnehmung und Realität auf nachvollziehbare Weise koinzidieren. - Wo diese Koinzidenz nicht da ist, kann man es nicht beweisen.
Was du übersiehst: Wo keine Koinzidenz ist, gibt es weder Wahrnehmung noch Realität, sondern der Versuch mittels der Fantasie die Wahrnehmung nach eingenem Gutdünken zu erweitern. Wenn man das tut, bewegt man sich ins Reich der beliebigen Spekulation und verläßt den Boden der Wahrhaftigkeit.
Wie sagte Kant? Der Mensch, als moralisches Wesen ... ist gegen sich selbst zur Wahrhaftigkeit verpflichtet.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Dafür ist die Epistemologie zuständig.
Prinzipiell ja - wobei diese Zuständigkeit begrenzt wird durch die Grenzen der Definition von "Epistemologie". - Definiert man es im Sinne des Kritischen Rationalismus, ist es NICHT hinreichend. - Definiert man es auch im Sinne "Erkenntnis" im allgemeinen Sinn (ohne methodische Bindung), ist es hinreichend.
Lies einfach den Wiki Artikel zur Erkenntistheorie. Da wirst du geholfen. ;)



closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:ontologische Erkenntnis...
Gemeint ist: Erkenntnis-Theorie im Sinne der Ontologie und nicht im Sinne von Wissenschafts-Theorien.
So etwas gibt es nicht. Ontologie schafft keine Erkenntis.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: es wird dir nicht gelingen Wahrnehmung von Realität zu entkoppeln.
Andersrum: Es wird Dir nicht gelingen, Realität mit Wahrnehmung zu verkuppeln.
Sorry, nein. Wahrnehmung und Realität sind unzertrennlich.

  • Wahrnehmng ohne Realität ist Fantasie. Realität ohne ohne Wahrnehmung ist Unwissen.

closs hat geschrieben:Jeder Dackel (Wahrnehmung) ist ein Hund (Sein/Realität) - aber nicht jeder Hund (Sein/Realität) ist ein Dackel (Wahrnehmung).
Das stimmt zwar, hat aber mit dem Zusammenhang zwischen Wahrnehmung und Realität nichts zu tun.

closs hat geschrieben:Die Tatsache, dass man reduktiv physikalische Sinnes-Täuschungen nachweisen kann, erlaubt nicht den Umkehrschluss, dass Erfahrungen/Gefühle trügerisch sind.
Das habe ich nicht gesagt. Wir wissen allein aus den Aussagen von Zeugen bei Gericht, wie trügerisch Erfahrungsbrichte sein können.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Davon sprach auch Kant... Unredlichkeit ist die Ermangelung an Gewissenhaftigkeit...
Das hat er ganz sicher so nicht gemeint.
Doch,doch... ;)
closs hat geschrieben:Das ist eine ziemlich gewalttätige Umdeutung des METAPHYSIKERS Kant.
Woher kommt eigentlich deine Verdacht, Kant könnte Metaphysiker sein?
Er war ein bodenstädiger Realist; durch und durch ein Verstandesmensch für den die Vernunft das Wichtigste war. In seinem Denken ist kein Quäntchen Metaphysik enthalten. Im Gegenteil, er distanziert sich des Öfteren davon.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Kant kritisiert alles Metaphysische
Wenn es in Bereichen der Physik stattfindet, JA.
Nein. Kant hat Metaphysik in deinem Sinne "auf der ganzen Schiene" kritisiert.

closs hat geschrieben:Nach Störig hat Kant "den Bereich des Verstandes außerordentlich eingeschränkt",
Störig ist nicht als Kant-Experte bekannt. Er hat sich schlicht in seiner Intepretation geirrt.

closs hat geschrieben:Das ist es ja - er hinterfragt sein System nicht, sondern stellt es schweigend als Maßstab hin.
Nochmals: Metzinger verwendet Material aus allen Sparten. Er ist nicht dogmatisch fixiert.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Der wahre Kern der intelektuellen Unredlichkeit wird in religiösen Behauptungen wie "Es gibt ein Leben nach dem Tod" nur zu deutlich.
Unredlich wäre, wenn man vorgäbe, dies sei nachweisbar. - Die Behauptung selbst aufgrund diverser Hinweise ist doch nicht unredlich.
Doch. Denn sie lässt sich mit nichts belegen.
Gerade in Behauptungen wie die Unsterblichkeit der Seele, die mit nichts außer einem frommen Wunschgedanken begründet ist, liegt schon die Unredlichkeit.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#58 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von closs » Do 29. Jan 2015, 17:02

Pluto hat geschrieben:Und du meinst das sei dann Redlichkeit?
Wenn man universale Phänomene benennt, ist das natürlich redlich. - Es wäre im Gegenteil unredlich, es nicht zu tun.

Pluto hat geschrieben:Wo keine Koinzidenz ist, gibt es weder Wahrnehmung noch Realität
Das ist eine pure Willkür-Behauptung - also wenn Du willst: unredlich. - Man kann doch eine Nicht-Erkennen nicht schließen, dass DESHALB nichts da sein kann.

Pluto hat geschrieben: Der Mensch, als moralisches Wesen ... ist gegen sich selbst zur Wahrhaftigkeit verpflichtet.
Richtig - und es wäre unwahrhaftig, wenn man Phänomene (egal, wie man sie dann bewertet) nicht zur Kenntnis nehmen würde. - Zur Wahrhaftigkeit gehört dann im nächsten Schritt herauszufinden, ob das eine willkürliche Erweiterung des Seins/der Realität ist oder ob mehr dafür spricht, dass diese Phänomene auf Sein/Realität hinweisen. - Sind diese Phänomene transzendenter Natur, gibt es nicht mehr als Hinweise, weil Nachweise nicht möglich sind. - Es bleibt also immer ein Fragezeichen - aber soll man es ignorieren, weil man bockig meint: "Wenn ich etwas nicht nachweisen kann, hat es gefälligst nicht zu existieren". ---???---

Pluto hat geschrieben:Lies einfach den Wiki Artikel zur Erkenntistheorie.
Dieser Artikel ist eher wissenschafts-theoretisch ausgerichtet - also in unserem Zusammenhang nur begrenzt verwendbar.

Pluto hat geschrieben:Ontologie schafft keine Erkenntis.
Ontologie schafft Erkenntis, wie Wahrnehmung und Sein/Realität in Bezug stehen - rein inhaltlich ("Was ist ein Stuhl?") schaffen sie keine Erkenntnis.

Pluto hat geschrieben:Wahrnehmng ohne Realität ist Fantasie.
Das stimmt, wenn man "Realität" universal im Sinne von "Sein" versteht.

Pluto hat geschrieben:Realität ohne ohne Wahrnehmung ist Unwissen.
Stimmt auch, weil es darauf hinweist, dass es Realität/Sein ohne unser Wissen geben kann.

Pluto hat geschrieben: Wahrnehmung und Realität sind unzertrennlich.
Stimmt ebenfalls - aber wir wissen nicht immer, wie sie zusammenhängen. - All das ändert nichts daran, dass es Realität/Sein geben kann, von dem wir nichts wissen oder nie wissen werden oder nie wissen werden können.

Pluto hat geschrieben:Wir wissen allein aus den Aussagen von Zeugen bei Gericht, wie trügerisch Erfahrungsbrichte sein können.
Ja - wo Wahrnehmung ist, ist immer auch Täuschung. - Aber das taugt doch nicht als Argument, um geistige Wahrnehmungen der letzten Jahrtausende auf allen Kontinenten als Täuschung zu qualifizieren.

Pluto hat geschrieben:Doch,doch...
Er wird sehr deutlich, auf welche Weise Kant instrumentalisiert und umgedeutet wird.

Pluto hat geschrieben:Woher kommt eigentlich deine Verdacht, Kant könnte Metaphysiker sein?
Daraus schließe ich, dass Du meinst, er habe seine Studien innerhalb dessen, was man heute "Naturalismus" nenne, erschöpft. - Aus purer Logik meines Weltbildes habe ich Kant immer als Metaphysiker verstanden - insofern wundert es mich nicht, dass Störig sagt: "Das ganze Unternehmen der Kritiken muss man so verstehen, wie Kant selbst gesagt hat: Durch Aufheben des Wissens Platz für den Glauben zu schaffen".

Damit ist nicht gemeint, dass man Wissen ignoriert, um Platz für Glauben zu haben, sondern dass das Wissen, WEIL es um seine Grenzen weiss, Platz macht für das Darüber-Hinaus (Transzendenz). Kant gilt als Überwinder der Aufklärung, der damit den Weg in die Romatik bahnt (ohne die Aufklärung selber aufzugeben - er sagt halt: Bis hierin und nicht weiter). - Mir ist aber schon klar, dass Kant heute im Sog des Materialismus umgedeutet wird.

Pluto hat geschrieben: In seinem Denken ist kein Quäntchen Metaphysik enthalten. Im Gegenteil, er distanziert sich des Öfteren davon.
Richtig - das bezieht sich auf seine Kritisches Werk - weil das Kritische Werk genug mit dem Diesseits zu tun hat.

Pluto hat geschrieben:Störig ist nicht als Kant-Experte bekannt.
Aber vielleicht hat er ihn ja verstanden. - Mit Experten kommen wir auch nicht weiter, weil Experten üblicherweise im Sinne ihres eigenen Systems untersuchen - konkret: Wenn man zwei gleich-versierte Kant-Kenner - der eine Christ, der andere Materialist - um deren Voten fragt, kommen vollkommen unterschiedliche Antworten raus: Der Christ wird Kant als Metaphysiker bezeichnen, der die Aufklärung zu höchster Blüte geführt hat - der Materialist wird ihn als Vorläufer des Materialismus machen. - Beides wird nachprüfbar sein.

Rezeptions-Geschichte ist ohnehin ein heikles Feld - als ich das erste Mal gehört habe, wie Hegel im 20.Jh. verstanden wird, sind mir fast die Blomben aus den Zähnen gefallen - eben weil jede Zeit für ihre eigene Weltanschauung vereinnahmen will.

Pluto hat geschrieben: Metzinger verwendet Material aus allen Sparten.
Ähm - ja. - Was hat das damit zu tun? - Mit Dogmatismus meine ich, dass er sein eigenes Weltbild zum Maßstab macht. - Darf man ja - aber dann nicht, wenn man andere Maßstäbe als unredlich darstellt. - Metzinger ist Materialist, wahrscheinlich sogar Nihilist - schau Dir mal die letzten paar Sätze an - hilflos bis zum Umfallen.

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#59 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von Münek » Do 29. Jan 2015, 18:39

@ Lieber Kurt,

Kant war - da hat Pluto vollkommen recht - kein METAPHYSIKER. Im Gegenteil.

Der Königsberger Philosoph entwickelte nämlich eine grundlegende KRITK an traditionellen metaphysischen
Inhalten und Verfahren
. Gegen die klassischen Verfahren der "Begriffszergliederung" und des "indirekten Be-
weises" führte Kant an, dass erstere keine Erweiterung der Erkenntnis ermöglicht, letzterer hingegen zu not-
wendigen Widersprüchen
führen kann, wie Kant sie in den "Antinomien der reinen Vernunft" beschreibt.


Wichtige Fragen der klassischen Metaphysik müssen Kant zufolge notwendig unbeantwortet bleiben, da prinzi-
piell keine Möglichkeit besteht, etwas von der Eigenschaften der Objekte zu wissen, die traditionell in metaphy-
sischen Systeme als Basis vorausgesetzt werden. Diese sollen nämlich übernatürliche, unabhängige Substanzen
sein - Kant spricht von "Dingen an sich". Diese Übernatürlichkeit macht nach Kant gerade ihre wesentlichen Ei-
genschaften NICHT erfahrbar
, denn Kenntnis und Wissen sind auf die indirekte Vermittlung der Inhalte durch die
Strukturen der Sinnlichkeit und des Denkens angewiesen.

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Pluto
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#60 Re: Säkulare Spiritualität - ein Widerspruch?

Beitrag von Pluto » Do 29. Jan 2015, 19:30

closs hat geschrieben:Man kann doch eine Nicht-Erkennen nicht schließen, dass DESHALB nichts da sein kann.
Ist es denn deiner Meinung nach redlich zu behaupten es könnte etwas sein, wenn man keine Ahnung hat?

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Der Mensch, als moralisches Wesen ... ist gegen sich selbst zur Wahrhaftigkeit verpflichtet.
Richtig - und es wäre unwahrhaftig, wenn man Phänomene (egal, wie man sie dann bewertet) nicht zur Kenntnis nehmen würde. Zur Wahrhaftigkeit gehört dann im nächsten Schritt herauszufinden, ob das eine willkürliche Erweiterung des Seins/der Realität ist oder ob mehr dafür spricht, dass diese Phänomene auf Sein/Realität hinweisen.
Die Bibel sagt nicht, "Erfinde alles was dir passt.", sondern, "Prüfe alles [was ist], und das Gute behalte". Die Betonung ist hier auf das Wort "prüfe".

closs hat geschrieben:Sind diese Phänomene transzendenter Natur, gibt es nicht mehr als Hinweise, weil Nachweise nicht möglich sind.
Das ist zwar richtig, aber wie willst du etwas prüfen was nicht zu erkennen ist?
Einfach zu sagen, "es erscheint mir plausibel" ist unredlich, wenn man die darunter liegenden Plausibilitätskriterien nicht definieren kann.

closs hat geschrieben:Es bleibt also immer ein Fragezeichen - aber soll man es ignorieren, weil man bockig meint: "Wenn ich etwas nicht nachweisen kann, hat es gefälligst nicht zu existieren". ---???---
Nicht ganz. Husserl meint in seinem "Epoché" , man solle aufhören zu spekulieren.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Lies einfach den Wiki Artikel zur Erkenntistheorie.
Dieser Artikel ist eher wissenschafts-theoretisch ausgerichtet - also in unserem Zusammenhang nur begrenzt verwendbar.
Er ist nach der modernen analytischen Philosophie ausgerichtet. Kant würde sich freuen, wüsste er, was seine "Kritik der reinen Vernunft" ausgelöst hat. Aus Sicht der Geschichte war Kant ein Vorreiter des Existentialismus und diese war eine Frühform der modernen Philosophie.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ontologie schafft keine Erkenntis.
Ontologie schafft Erkenntis...
Dann gib mir bitte ein Beispiel!
rein inhaltlich ("Was ist ein Stuhl?") schaffen sie keine Erkenntnis.
Das ist Intentionalität. Alle menschlichen Konstruktionen besitzen Intentionalität.

Was ist die ontologische Sicht eines Stuhls? — Was, die erkenntistheoretische Sicht?

closs hat geschrieben:All das ändert nichts daran, dass es Realität/Sein geben kann, von dem wir nichts wissen oder nie wissen werden oder nie wissen werden können.
Dann sollten wir innehalten und und nicht weiter über imaginäre Existenzen spekulieren (Husserl 8-) ).

closs hat geschrieben:Ja - wo Wahrnehmung ist, ist immer auch Täuschung. - Aber das taugt doch nicht als Argument, um geistige Wahrnehmungen der letzten Jahrtausende auf allen Kontinenten als Täuschung zu qualifizieren.
Doch.
Bedenke das 3. Clarke'sche Gesetz:
  • Jede hinreichend fortschrittliche Technologie ist von Magie nicht zu unterscheiden.
Die Menschen im Altertum waren unwissend und Vieles erschien ihnen wie göttliche Magie. Vieles was für uns zum Alltag gehört war für sie noch undenkbar.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Doch,doch...
Er wird sehr deutlich, auf welche Weise Kant instrumentalisiert und umgedeutet wird.
Aus deinem System heraus mag das so aussehen.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Woher kommt eigentlich dein Verdacht, Kant könnte Metaphysiker sein?
Daraus schließe ich, dass Du meinst, er habe seine Studien innerhalb dessen, was man heute "Naturalismus" nenne, erschöpft.
Nein. Kant war kein Naturwisschenschaftler, sondern "Vernunftmensch". Er hat in seiner "Kritik der reinen Vernunft" klar seine Abneigung gegen Metaphysik zum Ausdruck gebracht.

closs hat geschrieben:wie Kant selbst gesagt hat: Durch Aufheben des Wissens Platz für den Glauben zu schaffen".
Kant hat das als Krtik der metaphysischen Denkweise gemeint. Er meinte er müsse das Wissen begrenzen, um noch Platz für Glauben zu lassen. Das widerstrebte ihm aber.

closs hat geschrieben:Kant gilt als Überwinder der Aufklärung...
Aus deinem Weltbild heraus mag das so aussehen. In Wirklichkeit wird Kant heute als Anstifter der Aufklärung verstanden; das geht aus seinem späteren Werken deutlich hervor in denen er immer wieder sagt, "Weiter so!"

closs hat geschrieben:Mir ist aber schon klar, dass Kant heute im Sog des Materialismus umgedeutet wird.
Als private Meinung ist das Okay. Die Fachwelt sieht das anders.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Störig ist nicht als Kant-Experte bekannt.
Aber vielleicht hat er ihn ja verstanden. - Mit Experten kommen wir auch nicht weiter, weil Experten üblicherweise im Sinne ihres eigenen Systems untersuchen
Trifft das nicht auch auf den Christen Störig zu? :?

closs hat geschrieben:Der Christ wird Kant als Metaphysiker bezeichnen, der die Aufklärung zu höchster Blüte geführt hat
Belege??

closs hat geschrieben:Rezeptions-Geschichte ist ohnehin ein heikles Feld - als ich das erste Mal gehört habe, wie Hegel im 20.Jh. verstanden wird, sind mir fast die Blomben aus den Zähnen gefallen - eben weil jede Zeit für ihre eigene Weltanschauung vereinnahmen will.
Hegel ist sowieso ein besonderer Fall. Die Ablehnng geht auf das 19. Jahrhundert zurück.
Schopenhauer (der sicherlich kein Dummkopf war) verehrte Kant und sah sich als sein Schüler. Hegel bezeichnete Schopenhauer allerdings als "Windbeutel" und nannte sein Werk eine Hegelei.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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