Missbrauch der Religion als Kriegsstifter

Säkularismus
Geistliches und Weltliches verbinden
closs
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#21 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Fr 26. Dez 2014, 15:33

Pluto hat geschrieben:"Ich tat reinen Gewissens und gläubigen Herzens meine Pflicht."
Ja - aber deshalb ist der Holocaust doch nicht christlich begründet. - Der Krieg zwischen Friedrich dem Großen und Wien fand im Zeitalter der Aufklärung statt - war die Aufklärung deshalb der Grund für diesen Krieg?

Das sind jeweils Überlagerungen, die nicht zur Begründung geeignet sind - eher als Ausrede.

Pluto hat geschrieben: Er bequemt sich in dem er die Schuld auf den unsichtbaren Herrscher abwälzt
So ist es - man nennt das heute PR.

Pluto hat geschrieben: das Ergebnis: Religionskriege.
Nein - PR macht einen ganz anders begründeten Krieg nicht zum Religionskrieg.

Pluto hat geschrieben:das war schon bei den Kreuzritter so, als sie unter Banner "deus lo volt" marschierten.
Das ist etwas anderes - da wäre man gar nicht marschiert ohne göttliche Begründung. - Da war die Religion selbst der Grund - deshalb ist hier aus meiner Sicht der BEgriff "Religions-Krieg" gerechtfertigt.

Das ist eh der ganz einfache Test: Warum setzt ein Kriegsherr eine Armee in Bewegung? - Kreuzritter-Kriege, 30jähriger Krieg, Schlesische Kriege, etc. - Wenn die Antwort lautet "Hätte es keine religiösen Gründe gegeben, hätte der Kriegsherr die Armee nicht in Bewegung gesetzt", ist es ein Religions-Krieg. - Und da ist mir kein großer Krieg nach den Konfessions-Kriegen im 16. Jh. bekannt, bei dem religiöse Gründe der eigentliche Grund für einen Krieg waren.

Pluto hat geschrieben:Wenn das stimmt, dann müssen wir unsere Anstrengungen in Richtung Aufklärung noch weiter intensivieren.
Das kann nicht schaden, wenn es wirklich echte Aufklärung ist. - Der Fall Wulff hat jedoch gezeigt, dass wir immer noch auf der Stelle treten - substantiell war das nicht besser als die 30er Jahre des 20. Jh. - nur dass bei unserer Verfassung halt nichts passieren kann - gottseidank.

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#22 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von Pluto » Fr 26. Dez 2014, 16:03

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:"Ich tat reinen Gewissens und gläubigen Herzens meine Pflicht."
Ja - aber deshalb ist der Holocaust doch nicht christlich begründet.
Doch für Adolf Einchmann schon. Er sah seinen Auftrag als käme er von Gott.

closs hat geschrieben:Das sind jeweils Überlagerungen, die nicht zur Begründung geeignet sind - eher als Ausrede.
Eine gute Begründung ist es immer, wenn man sich statt als Täter, als Erfüller Gottes Befehle hinstellen kann. Damit rechtfertigt man schließlich auch die militärischen Seelsorger.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Er bequemt sich in dem er die Schuld auf den unsichtbaren Herrscher abwälzt
So ist es - man nennt das heute PR.
Sehe ich nicht so. Das schlicht und einfach das sich reinwaschen von der Schuld. Hat mit PR nichts zu tun.

closs hat geschrieben:PR macht einen ganz anders begründeten Krieg nicht zum Religionskrieg.
Nochmals:Es ist nicht PR, wenn man die Schuld auf eine höhere Instanz abwälzen kann. Wenn diese unsichtbarer ist, umso besser.

closs hat geschrieben:Das ist eh der ganz einfache Test: Warum setzt ein Kriegsherr eine Armee in Bewegung?
Weil er es will und kann. Doch allzuoft kommt ihm Gott als Ausrede sehr willkommen, weil er die Verantwortung abschieben kann.

closs hat geschrieben:Der Fall Wulff hat jedoch gezeigt, dass wir immer noch auf der Stelle treten...
Was hat der Fall Wulff mit Religionskriegen zu tun? :shock:
Wobei treten wir auf der Stelle?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#23 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Fr 26. Dez 2014, 18:15

Pluto hat geschrieben:Doch für Adolf Einchmann schon.
"Dia-bolei" heisst (u.a.) verwirren. - Das Diabolische = Satanische der Welt ist das Verwirrte.

Pluto hat geschrieben:Eine gute Begründung ist es immer, wenn man sich statt als Täter, als Erfüller Gottes Befehle hinstellen kann.
Ja - nachdem heute das Christliche nicht mehr zieht, wird es dadurch ersetzt, dass man den anderen als Banditen-Staat oder als Reich des Bösen bezeichnet. - Neue Verpackung, gleicher Inhalt.

Pluto hat geschrieben:Hat mit PR nichts zu tun.
Dann nenne es Psychologie.

Pluto hat geschrieben:Nochmals
Dito.

Pluto hat geschrieben:Was hat der Fall Wulff mit Religionskriegen zu tun?
Es ging hier um Aufklärung.

Damals wie heute konnte man das Volk durch Propaganda bzw. Massen-Medien problemlos manipulieren - das wird sich auch nicht so leicht ändern lassen.

Was Religionskriege angeht: Wir müssten definieren, was wir darunter verstehen wollen:
1) Religiöse Historie miteinbeziehende Kriege
oder
2) Wegen religiöser Fragen ausbrechende Kriege

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sven23
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#24 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von sven23 » Fr 26. Dez 2014, 19:42

closs hat geschrieben: Was Religionskriege angeht: Wir müssten definieren, was wir darunter verstehen wollen:
1) Religiöse Historie miteinbeziehende Kriege
oder
2) Wegen religiöser Fragen ausbrechende Kriege

Selten sind Kriege monokausal. Selbst bei den Kreuzzügen spielten neben den religiösen auch strategische und wirtschaftliche Gründe eine Rolle.
Kreuzzüge waren auch Beutezüge für geburtenüberschüssige Männer, die im eigenen Land keine Zukunft hatten. (siehe Gunnar Heinsohn)
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#25 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von closs » Fr 26. Dez 2014, 20:50

sven23 hat geschrieben:Selten sind Kriege monokausal.
Stimmt - also: Also was ist Hauptsache und was ist Hintergrund-Geflimmer.

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#26 Re: Die Früchte des Reduktionismus.

Beitrag von Pluto » Fr 26. Dez 2014, 21:48

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Selten sind Kriege monokausal.
Stimmt - also: Also was ist Hauptsache und was ist Hintergrund-Geflimmer.
Meistens ist Macht die Hauptursache, aber was nützt uns das, wenn sich die Anstifter auf den Allmächtigen berufen, um in den Krieg zu ziehen.
Das spiegelt sich genauso in der Kreuzzügen der Mittelalters wie in den Gräuel des IS in der heutigen Zeit.

Man bedient sich der Religion weil es das Volk motiviert.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#27 Re: Missbrauch der Religion als Kriegstifter

Beitrag von closs » Fr 26. Dez 2014, 22:04

Pluto hat geschrieben:Meistens ist Macht die Hauptursache, aber was nützt uns das, wenn sich die Anstifter auf den Allmächtigen berufen, um in den Krieg zu ziehen.
Jede Kultur bedient sich diesbezüglich anderer Metaphern. - Wenn man in den USA sagt, es gehe um "Nationale Sicherheit", wirkt das genauso.

Wir müssen im Einzelfall untersuchen, was echt ist und was instrumentalisiert ist.

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#28 Re: Missbrauch der Religion als Kriegstifter

Beitrag von sven23 » Sa 27. Dez 2014, 07:26

closs hat geschrieben:Jede Kultur bedient sich diesbezüglich anderer Metaphern. - Wenn man in den USA sagt, es gehe um "Nationale Sicherheit", wirkt das genauso.

Wir müssen im Einzelfall untersuchen, was echt ist und was instrumentalisiert ist.

Was ist denn z. B. bei der ISIS "echt" und was instrumentalisiert?
Die Kämpfer können sich auf ihre heiligen Schriften berufen. Die gemäßigten Imame sagen, daß sie den Koran falsch auslegen, aber was kann man an Handlungsanweisungen wie diesen falsch auslegen?

Sure 2, Vers 191: „Und erschlagt sie (die Ungläubigen), wo immer ihr auf sie stoßt, und vertreibt sie, von wannen sie euch vertrieben; denn Verführung zum Unglauben ist schlimmer als Totschlag".
oder:
Sure 8, Vers 12: „Wahrlich in die Herzen der Ungläubigen werfe ich Schrecken. So haut ein auf ihre Hälse und haut ihnen jeden Finger ab"

Das Problem ist, daß dies so geschrieben steht. Es steht ja nicht drauf: "Liebe Kinder, nicht nachmachen. Gottes Anweisung sollte hier nicht befolgt werden".

Es müßte auch mal von den Imamen prinzipieller thematisiert werden, daß sich in die heiligen Schriften auch viel Müll eingeschlichen hat. Aber so lange die Schriftreligionen am geschriebenen Wort Gottes als alleinige Wahrheit festhalten, sehe ich da schwarz.
Für die Bibel galt ähnliches, doch hat die Säkularisierung des Abendlandes die Lage deutlich entschärft.
Generell kann man sagen, daß die monotheistischen Religionen auf Grund ihres Absolutheitsanspruches und ihres Missionierungseifers größeres Gewaltpotential in sich bergen als polytheistische Religionen wie der Hinduismus oder aber auch der Buddhismus.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#29 Re: Missbrauch der Religion als Kriegstifter

Beitrag von closs » Sa 27. Dez 2014, 08:09

sven23 hat geschrieben:Die Kämpfer können sich auf ihre heiligen Schriften berufen.
Ja - so wie sich manche christlichen Glaubensgemeinschaften das auch auf merkwürdige Weise tun. - Aber dieses Problem ist nicht auf religiöse Felder beschränkt - ein Beispiel:

Während der RAF-Zeit gab es eine unheimliche Hysterie in Deutschland - das Volk war und wurde wahnsinnig aufgegeilt - und somit die Politik auch - schließlich lebt man von Wählerstimmen. - Dies hat damals ein Bundesgericht zum Anlass genommen, den ganzen Hype etwas zu zivilisieren, indem es geurteilt hat, es müsse wenigstens ein Minimum an terroristischer Gesinnung nachweisbar sein, um jemanden zu verfolgen ("lange Haare" allein würden also nicht reichen).

Dieses Urteil wurde nun in der PRaxis exakt auf den Kopf gestellt, indem exekutive Kräfte interpretiert haben, dass bereits ein Minimum an terroristischer Gesinnung (also beispielweise "lange Haare" :devil: ) reiche, um jemanden zu verfolgen. - Also exakt das Gegenteil. - Man braucht nicht viel Phantasie, um den Bogen menschlicher Verhaftetheit in die Unwahrhaftigkeit von AT, Islam, "Minimum an terroristischer Gesinnung" bis zu Wulffs Bobbycar zu schlagen.

Das eigentliche Problem des Islam besteht in der mangelnden Trennung von Staat und Religion. - Der Staat hat säkular zu sein ("des Kaisers"), die Religion hat "Gottes" zu sein - beide Felder müssen in einem kategorialem Gegensatz zueinander zu stehen. - Wenn es dann trotzdem Koinzidenzen gibt, um so besser.

sven23 hat geschrieben:Aber so lange die Schriftreligionen am geschriebenen Wort Gottes als alleinige Wahrheit festhalten, sehe ich da schwarz.
Geistige und säkulare Wahrheit sind kategorial unterschiedlich. - Es ist ein Unterschied, ob man Ordnungs-Macht der säkularen Gesellschaft ist oder für die Gesamt-Existenz des Menschen an sich zuständig ist. - Von Fragestellungen der Text-Exegese ganz abgesehen.

sven23 hat geschrieben:doch hat die Säkularisierung des Abendlandes die Lage deutlich entschärft
Zumindest wurden beide Kategorien getrennt - das ist gut so. - Allerdings bringt das alles nichts, wenn der säkulare Staat/die säkulare Gesellschaft sich selber religiosisiert - das gibt es auch heute noch und ich fürchte, es wird noch mehr werden.

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#30 Re: Missbrauch der Religion als Kriegstifter

Beitrag von sven23 » Sa 27. Dez 2014, 09:11

closs hat geschrieben: Dieses Urteil wurde nun in der PRaxis exakt auf den Kopf gestellt, indem exekutive Kräfte interpretiert haben, dass bereits ein Minimum an terroristischer Gesinnung (also beispielweise "lange Haare" :devil: ) reiche, um jemanden zu verfolgen.

Ich glaube, du übertreibst mal wieder. Da hätte man praktisch jeden verfolgen müssen, weil das damals Mode war.
Ich denke, der Grund warum der Staat so hysterisch reagierte, war der Umstand, daß die Eliten aus Politik und Wirtschaft ganz persönlich bedroht waren. Der Rechtsradikalismus sucht sich seine Opfer am Rande der Gesellschaft unter den Schwächeren und stellt damit keine Bedrohung für die Eliten dar. Diese "Rechtsblindheit" war auch deutlich beim NSU Skandal zu sehen, der für mich immer noch nicht befriedigend geklärt ist.

closs hat geschrieben: Das eigentliche Problem des Islam besteht in der mangelnden Trennung von Staat und Religion. -

Das ist richtig, aber nur ein Teil der Wahrheit. Ein großes Problem sind auch die Schriften selbst. Es wird nicht thematisiert, wieso so viel Müll drin steht, weil das natürlich ans Eingemachte geht, wenn man die Schrift als göttlich inspiriert betrachtet. Dieses heiße Thema wird aber von allen Religionen großräumig umfahren.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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