Savonlinna hat geschrieben:
Ist Dir das dermaßen unbekannt, dass jemand Drogen aus Verzweiflung nimmt? Und dass diese Verzweiflung ihre Gründe hat?
Wenn der Verzweifelte diese Gründe erkennen könnte - oder ein anderer sie mit ihm zusammen erkennen könnte: dann kann man gemeinsam einen Ausweg finden, der diese Gründe behebt, ohne Drogen zu nehmen.
Es gibt keinen Menschen - nach meinem Verstehen -, nicht einen einzigen, der nicht letztlich das, was ihr "das Göttliche" nennt, realisieren will.
Wenn er es nicht schafft, dann greift er vielleicht nach Alkohol und nach Drogen - aber auch dieser Schritt zeigt, wonach er sucht.
Vielleicht sind sogar diese viel mehr Gottsucher als die, die nie nach Alkohol und Drogen greifen.
Ich glaube zwar nicht, dass jeder, der harte Drogen zu sich nimmt, Gott sucht, aber ich bin überzeugt, dass jeder Mensch nach seinem Weg sucht, danach sucht, wer er eigentlich ist und auch nach dem Sinn dafür, warum er jetzt hier ist. In diesem Sinne ist jeder Mensch spirituell.
Das Recht eines jeden Kindes ist es, von seinen Eltern bedingungslos geliebt zu werden, so, wie es ist, mit all seinen Fehlern und Unzulänglichkeiten. Erfährt es diese bedingungslose Liebe als Kind, wird es eine starke und stolze Persönlichkeit werden, die sich selbst ihren Weg sucht. Erfährt es diese Liebe nicht, wird es eine ängstliche Persönlichkeit, ohne Zutrauen in die eigene Stärke und den eigenen Wert. Jeder Mensch bleibt aber am Ende ein Suchender ... nach dem Sinn der eigenen Existenz, dem eigenen Wert und nach dem Sinn dafür, warum dieses ganze Universum existiert und man selbst in ihm.
Gott zu suchen bedeutet am Ende immer, sich selbst zu suchen. Findet man ihn, dann findet man ihn im Antlitz des Anderen und der Andere spiegelt mein eigenes Antlitz. Er findet sich auch in dem Gefühl, wenn ich in den bestirnten Himmel schaue und so fassungslos bin, dass ich weinen muss.
Wenn der christliche Gott nicht im Antlitz des Drogenabhängigen, des bestirnten Himmels oder des hungernden Kindes und des verzweifelten und leidenden Menschen; oder auch des glücklich und voll Freude tanzenden Menschen zu finden ist, dann ist er nirgendwo zu finden und schon gar nicht im luzidesten und überzeugendsten Gottesbeweis, einer soliden Bibelkenntnis oder in den Dogmen der katholischen Kirche.
Ich habe neulich in der U-Bahn gegenüber einer jungen Frau gesessen, die still und möglichst ohne aufzufallen weinte. Ich habe sie gefragt, warum sie so traurig ist und allein schon diese einfache banale Frage ließ ihr Gesicht aufhellen. Wo anders, als in dieser U-Bahn, konnte ich Gott an diesem Tag, zu dieser Zeit und an diesem Ort begegnen? Als ich ausstieg habe ich ein Kind von vielleicht 3 Jahren im Kinderwagen gesehen, das mich voll unverstellter Neugier mit großen Augen direkt und ohne den Blick abzuwenden anschaute, und als ich es anlächelte, lächelte es zurück und hielt den Blick und sein Lächeln, bis ich ausgestiegen war. Auch in diesem Augenblick habe ich in das Antlitz Gottes geschaut. Es geht mir gut, und ich freue mich über jeden neuen Tag.