Tree of life hat geschrieben: ↑Di 30. Mär 2021, 17:53
Max war 8 und Moritz 5 Jahre alt.
Max war sehr kreativ veranlagt und baute gerne mit Legosteinen, das sehr fantasiereich.
Sie waren bei mir auf Besuch und Max baute, Moritz und ich sahen ihm zu.
Als er fertig war, sagte ich so nebenbei zu ihm: Das hast du toll gemacht, gefällt mir.
Dann ging ich in die Küche und kurz später ein krachen und dann Streiterei und Geheul.
Ich ging ins Wohnzimmer und fragt, was los sei und sah, dass das was Max gebaut hatte, zerstört war.
Max sagte, Moritz hätte mit dem Fuß paar mal hingetreten und ihm auf den Kopf geschlagen.
Ich fragte Moritz, warum?
Er grinste nur.
Dann sagte Max, Moritz mache das öfter.
Als sie dann größer waren, so etwa 3 Jahre später, sagte Moritz zu Max immer wieder: Du Looser, bringst eh nix zusammen
Ich erwähne jetzt noch dazu, dass Moritz ein Mamakind war und von ihr sehr verhätschelt wurde, Max nicht.
Ich war mit der Mutter befreundet...
Ehrlich gesagt, ich würde das gar nicht unter dem Titel gut oder böse behandeln wollen (erst einmal).
Moritz zeigt ein Verhalten, das so nicht gewünscht ist. Max hat ein Verhalten, das so nicht gewünscht ist (!).
Moritz Verhalten ist so nicht gewünscht, da er andere schmerzhaft drangsaliert. HIerauf muss eigentlich von Anfang an reagiert werden:
a) Nestwärme nicht entziehen, Moritz (der Anerkennung und Liebe sucht) muss aber erfahren, dass ein unerwünschtes Verhalten eine (gemäßigt) unangenehme Reaktion hervorbringt (Lerntheorie: die Auftretenswahrscheinlichkeit nicht gewollten Verhaltens durch Addition eines unangenehmen Reizes minimieren). Gleichzeitig ihm die Möglichkeit geben und fördern gegenüber anderen (Max) gewünschtes Verhalten zu zeigen (z.B. ihm einen Baustein zu reichen) und belohnen (die Auftretenswahrscheinlichkeit gewünschen Verhaltens mit positiven Verstärkern zu erhöhen hat sogar den Vorteil, dass es nachhaltiger ist)
Wird dies versäumt, passiert folgendes: Moritz erfährt bei seinen Taten Aufmerksamkeit (positiver Verstärker). Im Laufe der Zeit verinnerlicht er das aggressive Verhalten, es wird in seine Persönlichkeitsstruktur eingebaut (und verfestigt). Nach der Schilderung ist dies bereits passiert. "Du Looser bringst eh nix zusammen". Dies ist höchstwahrscheinlich bereits eine (unbewusste) Projektion der eigenen Unfertigkeit (Versagensängste) auf den anderen, der dann "runtergemacht" wird um sich selbst besser fühlen zu können. Moritz erlebt sich in einem Konkurrenzkampf um positive Zuwendung und Anerkennung. Ein anderer bringt Leistung, die er selbst (in diesem Punkt) nicht bringen kann und ist natürlich frustriert. Diesen Frust muss er lernen auszuhalten, nicht mit seinen Stärken (Körperkraft oder Aggressivität) den anderen zu überbieten. Also Moritz muss gezeigt werden, wo seine Stärken sind, aber auch seine Schwächen einzugestehen. Das ist ein langsamer Prozess! Soweit die Theorie.....
Max Verhalten ist auch nicht wünschenswert. Denn er muss lernen anderen Grenzen zu setzen wenn es um seine eigenen berechtigten Interessen geht. Nur den Friedens-Gandhi raushängen zu lassen ist keine gute Lebensstrategie für später. Und er muss lernen, selbst tätig zu sein und nicht immer über die Mutter. Geht auch nicht von heute auf morgen.
Und wenn man ehrlich zu sich selbst ist, findet man Teile von sich in Max und Moritz wieder. Oftmals nur nicht so deutlich. Und "nur" durch einen längeren "Sozialisationsprozess" im Verhalten überarbeitet, so dass es nach außen nicht so auffällt. Aber die zugrundeliegende Motivation ist da und wird "versteckt" immer wieder aktiv.
Die Einschätzung ob Moritz Verhalten "böse" ist oder nicht, hilft erst einmal überhaupt nicht weiter! Moritz muss wie alle andern auch erst einmal lernen eine "Balance" herzustellen zwischen sich selbst (den eigenen Interessen) und seinem Umfeld (Familie, Freunde, etc.). Man nennt dies auch "Sozialisation".
Natürlich kann man nun sagen, eine mangelnde Sozialisation, in dem der einzelne seine eigenen Interessen unangemessen hoch den anderen vorzieht, sei böse. Nur: Moritz ist Täter und Opfer in einem. Also die vernichtende Bewertung "böse" fällt auf sein Umfeld (Mutter und andere) wieder zurück (wenn auch nur teilweise).
z.B. kann sein, dass Moritz sich "nie sicher gefühlt hat" (wenn die Mutter genug andere Dinge um die Ohren hat kann das schnell passieren). Also er musste "kämpfen". Bessersein eines anderen empfindet er als Bedrohung, eben weil er hier bereits auf einem wackeligen Ast innerlich schaukelt.
Resultat: die Einteilung in gut und böse bringt gar nichts. Es geht anders. Im Gegenteil, die Einteilung ist oft sogar kontraproduktiv, da Stigmata den Nachteil haben, den Betroffenen ungut bei seiner Persönlichkeitsbildung zu beeinflussen und oft unerwünschtes Verhalten sogar zu stabilisieren. Salopp: "Ist der Ruf einmal ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.".