Halman hat geschrieben: Denn das Interessante an dem höchstwahrscheinlich authentischen matthäischen Jesus-Zitat ist, dass es eine Mischform der beiden Sprachen ist und sich vom hebräischen David-Psalm 22 unterscheidet, indem es heißt: "Eli, Eli, lama asawtani?"
Hätte der Evangelist einfach ein Psalm-Zitat aus Ps 22:2 eingeschoben, so wäre zu erwarten, dass er das hebräische Original benutzt, nämlich: Eli, Eli, lama asabtani?.
Dies ist übrigens ein wichtiger Hinweis darauf, dass Jesus diesen Satz am Kreuz tatsächlich gesprochen hat. Ein späterer Autor hätte, wenn er Jesus diesen Ausspruch in den Mund hätte legen wollen, mit Sicherheit den hebräischen Wortlaut des AT zitiert.
Möglicherweise sprach Jeschua (Jesus) einen galiläisch-hebräischen Dialekt, welcher stark vom Aramäischen beeinflußt wurde. Mattäus zitiert ihn in Mat 27:46 mit dem Ausruf: "ElÃ, ElÃ, lamá sabachtháni?" Der erste Teil (rot) ist hebräisch und der zweite Teil (blau) ist aramäisch. Vielleicht ist die matthäische Wiedergabe authentischer als die markinische (welche komplett aramäisch ist). Vermutlich sprach Jesus den ganzen davidischen Psalm 22 als Gebet. Was meinst Du?
Hallo @Halman, so ist es wohl
Die beiden Evangelien übersetzen ähnlich frei ein Zitat aus dem Psalm ins Griechische, wobei die Unterschiede tatsächlich im Stil, aber nicht in der Bedeutung liegen. Ob es sich nun ursprünglich um einen hebräischen oder aramäischen Ausruf handelt, kann kaum mehr eruiert werden. Stellen wir mal gegenüber:
Markus: Eloi, Eloi, lema sabachtani
Matthäus: Eli, Eli, lema sabachtani
Hebräisch: Eli, Eli, lama 'asavtani
Der Unterschied beginnt also schon bei dem Wort Eli, Eloi, zumal es alte Handschriften von Markus und Matthäus gibt, die das Wort in der jeweils anderen Form schreiben. Man kann das dadurch erklären, dass die Abschreiber das jeweils ihnen geläufige Wort verwendeten. Hebräisch und Aramäisch kennen zwei Wörter für Gott:
El, das es in beiden Sprachen gibt und eine längere Alternativform, im Hebräischen
Eloah, was aber fast immer in der Mehrzahl
Elohim verwendet wird, und im Aramäischen
Elah (vgl. arab. allah!).
Hängt man nun das Fürwort "mein" an, kommt man in beiden Sprachen bei der Kurzform auf
Eli ("mein Gott"). Bei der Langform kommt man im Hebräischen entweder auf
Elohi (das Griechische kennt kein mittiges H, schreibt also Eloi), die seltene Form in der Einzahl, oder auf
Elohai, die Form in der Mehrzahl. Die aramäische Form mit Fürwort ist
Elahi.
Eloi kann also als seltene hebräische Form erklärt werden oder, komplizierter und wahrscheinlicher, als Mischform. Dabei wurde die hebräische Form verwendet und die aramäische Art der Einzahl angehängt.
Im dritten Wort des Ausrufs treffen wir auf lema in den Evangelien und lama im Psalmtext. Es gibt wiederum Handschriften der Evangelien, die lama schreiben. Das hebräische lama meint wörtlich "für was", wird häufig allgemein für "warum", seltener für "wozu" verwendet. Das aramäische lema bedeutet ebenso "für was", wird aber selten für "warum" benützt. Aramäische Bibelübersetzungen übersetzen das hebräische Wort mit anderen Worten (wozu). Es ist möglich, dass auch hier wieder eine Mischform vorliegt, eine aramäische Form, die auf hebräische Art verwendet wird.
Sabachtani ist klar aramäisch, dort heißt es schwaqtani. Das scheint wenig miteinander gemein zu haben, macht aber dann doch kein Problem: Das Wort beginnt im Aramäischen mit einem sch (im Aramäischen ist das ein Buchstabe), ein Laut, den es im Griechischen nicht gibt. Er wird daher mit einem ähnlichen Laut, s, wiedergegeben (aus dem König Schaul wurde über das griechische und lateinische auch Saul).
Im Griechischen folgt dann der Selbstlaut a, der wiederum im aramäischen Wort fehlt. Entweder es ist eine aramäische Dialektform oder das Griechische fügte dieses a ein, weil griechische Wörter ungern mit zwei Mitlauten beginnen.
Im Aramäischen folgt nun w, im Griechischen ein b. Beide Sprachen besitzen für w und b nur einen einzigen Buchstaben (aus dem griechischen Wort Basileus, König, wurde so etwa der slawische Name Vasily).
Beide Sprachen haben dann den identischen Selbstlaut a, worauf im Aramäischen dann q steht. Das ist ein tief in der Kehle gesprochener Laut (wie das kh der Schweizer
). Diesen Laut gibt es im Griechischen nicht, weshalb man ch schrieb, was im Griechischen ein Buchstabe ist.
Der Rest ist dann identisch:
ta ist die Endung für zweite Person Einzahl in der Vergangenheit ("du hast"),
ni das persönliche Fürwort "mich".
Dieses aramäische Schwaq (Schabak, Schbaq) wird in frühen aramäischen Übersetzungen des NT (Mt 24,43; Apg 24,27; Apg 25,14; Rö 11,4) sonst für "lassen, zurücklassen, übriglassen" verwendet, man muss also nicht zwingend "verlassen" übersetzen. Der Psalmtext 22,2 im Targum (aramäische Übersetzung des AT) nennt ebenso Schabak.
Die wörtliche Übersetzung meint also: "Mein Gott, wozu (warum, für was) übriglassen (bleiben lassen, lassen) du hast mich?"
Statt dem aramäischen schwaqtani/sabachtani steht im hebräischen Psalmtext 'asavtani. Für beide Evangelien gibt es Handschriften, die auch dieses Wort in griechischer Umschrift im Zitat verwenden.
Der Ausruf ist also überwiegend aramäisch, aber nicht in Reinform, sondern mit hebräischen Einflüssen aus dem AT.
Ups, jetzt wurde es wieder so lang. Möge es lesen, wem es interessiert. Danke dafür.
Servus