Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

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Pluto
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#1 Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

Beitrag von Pluto » Do 18. Feb 2016, 17:31

Ich meine diese Frage mit einem eindeutigen JA, beantworten zu können (und auch zu begründen).

Ich denke die Menschen vor 100 oder 150 Jahren waren moralisch unterentwickelt im Vergleich zu heute. Sie träumten von Patriotismus und Eroberung, hatten ganz andere Vorstellungen als wir, was das Leben eines Menschen betrifft. Einige Dichter und Denker verherrlichten die Kriegshelden vergangener Zeit; manche wünschten sich sogar den Krieg herbei — etwas was in der heutigen Zeit als ziemlich dumm gilt.
Ein langsames Umdenken begann erst nach WK I und nahm nach dem Holocaust und WK II an Fahrt zu.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

2Lena
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#2 Re: Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

Beitrag von 2Lena » Do 18. Feb 2016, 19:48

Viele Kriege entstanden wegen Hetze und Unterdrückung.


Hallo Pluto,

dein beharrliches Verteidigen des Humanismus (hinter dem du stehst und an gute, menschliche Ideale denkst) hat mich dazu verführt, mal die allgemeinen Begriffe nachzuschlagen. Ich habe nämlich unter dem „Humanismus“ nur eine weltanschauliche Warnung „gespeichert“, die bereits Prophetinnen des 18. Jahrhunderts ausgesprochen haben. Was soll daran so gefährlich sein, fragte ich schon vor Jahrzehnten. Sind das nicht die aufgeklärten Menschen … ?
Wo triften die bloß hin?

Als Überblick fand ich zu Humanismus:
A) eine Haltung, die von der Achtung der Würde des Menschen geprägt ist.
"die Ideale des Humanismus verteidigen/vertreten"
B) (im vierzehnten bis sechzehnten Jahrhundert sich vollziehende) literarische und philosophische Neuentdeckung des antiken Menschenideals. (im Zusammenhang mit der franz. Revolution, Säkularisierung, etc. kam Einiges in Gang, doch schon zuvor bei den Kreuzzügen.)

Es mag beim Lesen antiker Literatur seltsam anmuten, dass mehrmals die Bücher antiker Philosophen verbrannt wurden. Das war um 300 n.Chr. Und danach, weil die Lehren von Jesus Christus als viel besser gesehen wurden, und der Schrott auf dem Müll kam. Auf Umwegen gelangte er über arabische Literatur zur Zeit der Kreuzzüge wieder nach Europa. Das zweite Mal wurde ein Verbot daraus, weil irgendwelche komplizierten Ratschläge zur Erklärung von Fragen des Christentums herangezogen wurden. War da nicht Maimonides, später Spinoza mit Geschrei um die Unvereinbarkeit der griechischen Philosophie mit dem Christentum? Erster ist mehr als unverständlich, weil er die hebräischen Texte und ihre Dichtung kannte, die Weltbilder verrbinden konnte. Andere machten eine spaltung und viele pickelten da rum bis in die heutigen Tage. Es folgt ein Auszug aus dem Artikel „Humanismus“ in Wikipedia.

Christliche Humanismuskritik wendet sich gegen den anthropozentrischen, als „weltlich“ betrachteten Ansatz der humanistischen Modelle, der als unvereinbar mit dem christlichen Konzept eines auf Gott ausgerichteten Lebens angesehen wird. Christliche Kritiker des Humanismus missbilligen nicht nur die glaubensferne, teils religionsfeindliche Haltung vieler Humanisten, sondern verwerfen auch den „christlichen Humanismus“, in dem sie einen Versuch der Harmonisierung von Unvereinbarem sehen. Im englischsprachigen Raum ist secular humanism („weltlicher Humanismus“) ein Kampfbegriff in Auseinandersetzungen um Religion und Christentum.
siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Humanismu ... 6se_Kritik

Wenn ihr näher die Diskussionen darüber betrachtet – und was bei „Tante Wicki“ an Berühmtheiten bei diesem Abschnitt angeführt wird, merkt ihr deutlich, wie irgendwelche „Meinungen“ über das Christentum – und ebenso analoge Meinungen aus der Antike daherschwimmen … nichts Genaues also …

In Anwendung der Gesetze Abrahams lassen sich die Fäden etwas entwirren. Diese Gesetze erklären, wie weit eine „Meinung“ oder ein Wunsch vorliegt, oder wie weit eben die Bedingungen etwas möglich machen, die Steuerung einschalten, Bremsungen geben, etc. Man MÖCHTE in heutiger Zeit eine allgemeine Zustimmung zu „Frieden“, aber die Bedingungen dazu liegen weit vom Schuss der Möglichkeiten. Letztere aber pendeln ungenutzt vor sich hin, hängen in fehlgeleiteten Interessen, verkehrten Vorstellungen, u.s.w. Vor allem fehlen viele Kenntnisse … sodass der Glauben völlig in Frage gestellt wurde. Dabei heißt der „emuna“ (Ausbildung).

In dem Artikel von Wikipedia könnt ihr es vielleicht erkennen, dass die Berühmtheiten wie Kant oder Bultmann eben nicht ein „hochgelobtes Christentum“ vor sich haben, sondern etwas zum Abriss. Sie kümmern sich aber nicht um die Ideale – einen Sollzustand, der sich aus der besten Erarbeitung des „Ist“ ergibt. Genommen wird jedoch der „Humanismus“ als vages Ideal, hochgelobt – wo eigentlich ….

Habt Ihr schon mal die alten Werke gelesen?
Was ist daran lobenswert, was fehlt …
Ist das, was man sich heute vorstellen kann – denn vollkommen?

Damit komme ich auf ein Gebiet, an dem ich arbeite. Niemals hätte ich mir vorstellen können (mit den üblichen Bildungen) dass überaus kluge Gesetze und Ratschläge in der Bibel vorhanden sind. Aber man hatte die Texte nicht erforscht …

Was soll also dann mit den Vormeinungen geschehen?

Lena
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#3 Re: Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

Beitrag von Lena » Do 18. Feb 2016, 19:49

Die Moral, die Sittlichkeit, ist heute im Keller.
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
Erbreich 

Pluto
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#4 Re: Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

Beitrag von Pluto » Do 18. Feb 2016, 20:05

Lena hat geschrieben:Die Moral, die Sittlichkeit, ist heute im Keller.
Ich denke, die Moral wandelt sich mit der Zeit in der wir leben.
Als ich jung (und hübsch) war, galt es als unsittlich, wenn ein Paar außereheliche Beziehungen pflegte. Aber... selbst ein solches Zusammenleben ist weitaus moralischer, als das was zu Urgroßvaters Zeiten üblich war. Da galt die Magd auf den Bauernhöfen sozusagen als "Freiwild" für den Herrn, sozusagen eine anerkannte Art, sich als Mann abzureagieren. Und wenn dann ein Kind kam, wurde es schnell abgetrieben, wenn nicht sogar nach der Geburt getötet.

Zu Urgroßvaters Zeiten (vor dem ersten Weltkrieg) gab es unter Männern einen Spruch:
Nach dem Essen sollst du Rauchen,
oder eine Frau gebrauchen.


Solches Verhalten wurde damals durchaus geduldet. Heute gilt solches Verhalten als völlig unakzeptabel. Dafür anerkennen die Meisten unter uns, dass Homosexualität einfach eine andere Ausdrucksweise der Sexualität ist.

Also... nein, Lena. Ich widerspreche dir.
Die Moral und die Sittlichkeit sind heut nicht "im Keller". Sie sind einfach anders. Was damals noch Sitte war, wird heute nicht mehr toleriert weil der moderne Mensch mit den alten Tabus aufgeräumt hat.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Pluto
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#5 Re: Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

Beitrag von Pluto » Do 18. Feb 2016, 20:16

Natürlich waren unsere Urgroßväter keine "Vollpfosten". Sie waren sicherlich intelligente und lebenswerte Menschen.
Nur... sie lebten in einer anderen Zeit und pflegten andere Werte; Werte die wir heute teilweise für falsch, primitiv oder gar dumm halten.
Die Moral hat sich gewandelt, in Richtung mehr Toleranz für Minderheiten.

Beispiel:
Heute sagt man mit Rücksicht auf farbige Mitbürger nicht mehr Mohrenköpfe. Man nennt die schaumgefüllten Süßigkeiten heute Schoko-Köpfe.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

JackSparrow
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#6 Re: Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

Beitrag von JackSparrow » Do 18. Feb 2016, 22:36

Pluto hat geschrieben:Ein langsames Umdenken begann erst nach WK I und nahm nach dem Holocaust und WK II an Fahrt zu.
Heute werden unsere evolutionär bedingten unmoralischen Gedankengänge durch wirtschaftlichen Wohlstand kompensiert. Vor 100 Jahren, als beispielsweise ein Arbeitsloser mit 30 Reichsmark pro Monat auskommen musste, war einfach die Motivation noch viel stärker.


Lena hat geschrieben:Die Moral, die Sittlichkeit, ist heute im Keller.
Nur weil du noch nie eine Dokumentation über das antike Pompeii gesehen hast. Je mehr Überwachungsstaat, desto höher die Sittlichkeit, weil man sich dank Facebook & Co. einfach keine Ausschweifungen mehr leisten kann...

Pluto
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#7 Re: Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

Beitrag von Pluto » Do 18. Feb 2016, 22:59

JackSparrow hat geschrieben:Heute werden unsere evolutionär bedingten unmoralischen Gedankengänge durch wirtschaftlichen Wohlstand kompensiert.
Glaubst du, dass Evolution so schnell wirkt? Dauert das nicht hunderte von Generationen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Samantha

#8 Re: Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

Beitrag von Samantha » Fr 19. Feb 2016, 00:48

Unsere Moral ist abhängig von der uns zugebilligten Freiheit. Alles, was erlaubt ist, gilt als einwandfrei. Man sollte auch nicht nur die europäische Moral sehen, sondern mal weltweit gucken. Lebt da die Moral nur im Verborgenem?

Pluto
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#9 Re: Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

Beitrag von Pluto » Fr 19. Feb 2016, 01:13

Samantha hat geschrieben:Unsere Moral ist abhängig von der uns zugebilligten Freiheit. Alles, was erlaubt ist, gilt als einwandfrei. Man sollte auch nicht nur die europäische Moral sehen, sondern mal weltweit gucken. Lebt da die Moral nur im Verborgenem?
Natürlich ist es nicht überall so wie bei uns.
Ich bin aber überzeugt, dass unsere "westlichen" moralischen Standards sich mit der Zeit weltweit durchsetzen werden.
Voraussetzung sind m.E. starke demokratische Regierungen.

Z. B. hinkt die Türkei noch hinterher. Sie ist aber ein gutes Beispiel für Fortschritt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Samantha

#10 Re: Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

Beitrag von Samantha » Fr 19. Feb 2016, 01:20

Der "Westen" setzt erstmal seine unmoralischen Vorstellungen woanders um ... geht ja daheim nicht. Das nennt man Macht ausweiten. Wenn dann die falsche Unmoral besiegt ist ... tja, was machen wir dann?

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