Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

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JackSparrow
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#11 Re: Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

Beitrag von JackSparrow » Fr 19. Feb 2016, 08:57

Pluto hat geschrieben:Dauert das nicht hunderte von Generationen?
Deshalb muss der Mensch schon von Anfang an so moralisch fortgeschritten gewesen sein wie heute. Nur ging es ihm wirtschaftlich nicht immer gut genug, um die Moral auch praktizieren zu können. Und bei geeigneten Umständen würden wir auch heute wieder unmoralisch werden.

closs
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#12 Re: Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

Beitrag von closs » Fr 19. Feb 2016, 09:34

JackSparrow hat geschrieben:Und bei geeigneten Umständen würden wir auch heute wieder unmoralisch werden.
Korrekt. - Und wir sind es bereits.

Habe gerade gestern einen Film gesehen über die Verwicklung von gesetzestreuen Organ-Implantations-Institutionen im Westen und den Produzenten der benötigten Organe - hier China. - Man hat in China für Häftlinge eigens Kliniktrakte, in denen sie als Organ-Träger rumlaufen und bei Bedarf operiert werden. - Und zwar nicht nur EINE Niere, sondern auch Lungen und Herz - oft ohne Narkose. - Der Rest wird unbetäubt ins Krematorium gesteckt.

Von ai weiss ich dies schon lange - jetzt kam es auch im Fernsehen. - Zeugen waren Ärzte, die geflohen sind - und dies längst in den USA veröffentlicht haben. - JEDE Organ-Implantations-Institution im Westen weiss dies auch, wenn sie es wissen will. - Man lässt sich vermutlich zertifizieren, dass dem NICHT so ist - und gut ist.

Will heißen: Der Grundsatz des römischen Dichters Plautus ist nach wie vor korrekt:
"Lupus est homo homini, non homo, quom qualis sit non novit" (Übersetzung: "Ein Wolf ist der Mensch dem Menschen, kein Mensch, wenn man sich nicht kennt"). - Und somit hat sich auch im 21. Jh. nichts wesentliches geändert seit der Kannibalenzeit - man macht es nur eleganter.

ThomasM
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#13 Re: Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

Beitrag von ThomasM » Fr 19. Feb 2016, 12:26

Pluto hat geschrieben:Ich meine diese Frage mit einem eindeutigen JA, beantworten zu können (und auch zu begründen).
Ich möchte diese Frage mit einem klaren NEIN beantworten (und auch begründen).

Ich würde sagen, dass wir heute eine andere Moral haben, als unsere Vorfahren.
Das sollte eigentlich denen einleuchten, die meinen, dass Moral und Ethik nicht Gottgegeben sind (z.B. weil sie nicht an Gott glauben) und dies deshalb als Teil einer Kultur / Zeitepoche einordnen.
Wenn jede Zeit und jede Kultur eine eigene Moral bzw. Ethik haben, dann lebt auch jede Zeit und Kultur eine andere Moral.

Wenn man unsere Moral heute als "fortgeschrittener" bezeichnen möchte, dann besteht die Frage, woran man denn diesen Fortschritt misst und zwar ohne die Maßstäbe der heutigen Kultur zur Hilfe zu nehmen.
Schaut man sich die bisherigen Argumentationen an, so lauten sie alle, also auch die von Pluto selbst eigentlich:
Unsere Moral ist fortgeschrittener, weil sie mehr der Moral entspricht, die wir heute als richtig erachten.
Ein klarer Zirkelschluss.

Das Problem liegt natürlich daran, dass Pluto hier versucht, die Moral mit moralischen Begriffen zu klassifizieren. Irgendwo beißt sich die Katze in den Schwanz.

Meine Meinung: Moral wird zeit- und kulturbedigt entwickelt und misst sich nur daran.
Wenn also bei den Römern das Halten von Sklaven ok gewesen ist, dann ist das nicht zu beanstanden. Das ist Teil des damaligen Denkens und nicht unmoralisch.
Das Misshandeln von Sklaven war dagegen auch nach den Regeln des Altertums unmoralisch (wenn auch straffrei).

Wenn die Chinesen eine Art autokratische Sichtweise von "Freiheit" entwickeln, dann ist das aus der Sicht der chinesischen Machthaber moralisch. Also darf man seine Bürger überwachen und Abweichler bestrafen. Das ist Teil der chinesischen Moral (und übrigens verständlich aus der chinesischen Geschichte) und kein Rückschritt oder so.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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Janina
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#14 Re: Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

Beitrag von Janina » Fr 19. Feb 2016, 13:20

Pluto hat geschrieben:Nach dem Essen sollst du Rauchen,
oder eine Frau gebrauchen.
Hast du beides nicht zur Hand
Dann nimm Pril, denn Pril entspannt.

So Sprüche sind zeitlos. Stehen auf jeder Klowand, vor so wie in 100 Jahren.

Pluto hat geschrieben:Solches Verhalten wurde damals durchaus geduldet. Heute gilt solches Verhalten als völlig unakzeptabel. Dafür anerkennen die Meisten unter uns, dass Homosexualität einfach eine andere Ausdrucksweise der Sexualität ist.
Zustimmung. Die Sittlichkeit ist heute mehr der Würde des Menschen zugewandt als früher.

Pluto hat geschrieben:Man nennt die schaumgefüllten Süßigkeiten heute Schoko-Köpfe.
Nein, "Schaumeizuckerware mit Migrationshintergrund". :lol:

Pluto hat geschrieben:
JackSparrow hat geschrieben:Heute werden unsere evolutionär bedingten unmoralischen Gedankengänge durch wirtschaftlichen Wohlstand kompensiert.
Glaubst du, dass Evolution so schnell wirkt? Dauert das nicht hunderte von Generationen?
Auf Kultur (Meme) wirkt sie natürlich schnell.
Also nicht auf die Gedanken, aber dafür auf deren Bewertungsmaßstäbe.
Oder wollte JackSparrow nur sagen, wer zu fett zum fi..en ist, hört auch auf davon zu träumen? :oops:

JackSparrow
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#15 Re: Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

Beitrag von JackSparrow » Fr 19. Feb 2016, 13:45

ThomasM hat geschrieben:Wenn also bei den Römern das Halten von Sklaven ok gewesen ist, dann ist das nicht zu beanstanden. Das ist Teil des damaligen Denkens und nicht unmoralisch.
"Sklave" sagt man heute nicht mehr. Das heißt jetzt "Arbeitnehmer".

Das Modell wurde inzwischen dahingehend optimiert, dass maximale Arbeitsfähigkeit bei gleichzeitig minimalem Risiko von Aufständen gewährleistet ist. So ist es wirtschaftlicher. Zumindest im industrialisierten Europa.

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#16 Re: Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

Beitrag von Mia » Fr 19. Feb 2016, 14:52

Hallo Zusammen,

vor ein paar Jahren kam es mir auch vor als wären die Menschen früher primitiver und grausamer gewesen.
Doch es hat wohl etwas mit den Machtstrukturen zu tun. Ich hab viele Berichte und Tagebücher aus dem 17 +18 Jahrhundert gelesen und sie unterscheiden sich von ihrem Denken und Fühlen nicht zu den heutigen Menschen.
Im Gegenteil es waren gerade Menschen aus der damaligen Zeit, die mutig dafür kämpften, dass es ihre Kindere einmal besser haben werden.

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#17 Re: Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

Beitrag von Lena » Sa 20. Feb 2016, 16:16

Nach nochmaligem darüber nachdenken, muss ich sagen, waren Menschen schon immer, unmoralisch. Haben gegen ihr Gewissen und ihr besseres Wissen, gehandelt. Sie mag heute feiner daherkommen, die Unmoral. Oder aber, die Menschen haben sich so daran gewöhnt, dass sie keine moralischen Bedenken mehr verspüren...

Gesellschaft vor dem Untergang
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
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#18 Re: Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

Beitrag von Pluto » Sa 20. Feb 2016, 16:38

Lena hat geschrieben:Nach nochmaligem darüber nachdenken, muss ich sagen, waren Menschen schon immer, unmoralisch. Haben gegen ihr Gewissen und ihr besseres Wissen, gehandelt.
Anwesende sind natürlich von dieser Betrachtung ausgeschlossen. :mrgreen:

Lena hat geschrieben:Sie mag heute feiner daherkommen, die Unmoral. Oder aber, die Menschen haben sich so daran gewöhnt, dass sie keine moralischen Bedenken mehr verspüren...
Aber sicher verspüren moderne Menschen moralische Zwänge. Diese sind nur anders gelagert als in früheren Zeiten.

Wir geilen uns nicht mehr am Leid Anderer auf, wie es in mittelalterlichen Autodafés der Fall war. Auch finden wir kein Vergnügen mehr an der alten Volksbelustigung der Bärenhetze (wo Hunde auf einen angeketteten Bären losgelassen wurden).

Teilweise hat dieses Lechzen nach Blut in den Filmen einen Ersatz gefunden. Aber sollten wir nicht zugeben, dass Ketchup auf einer virtuelle Leiche sehr viel harmloser ist als echtes Blut und Menschenopfer wie vor 1000 oder 2000 Jahren. ;)

- In den 60-er Jahren kam die Friedensbewegung auf. Damals galt sie noch als dumm, aber heute hat sich die Idee des Friedens durchgesetzt (Schwerter zu Pflugscharen).
- In Spanien werden heute Stierkämpfe verboten.
- Unverheiratete Paare werden von der Mehrheit nicht mehr als Sünder angesehen, wie es noch vor nicht einmal 50 Jahren der Fall war.
- Die meisten westlichen Länder anerkennen heute die Homo-Ehe.

Ich sehe das alles als Fortschritt an.

Wir leben in einer anderen Zeit wo sich die moralischen Werte in Richtung Humanismus verschoben haben.
Ich kann in dieser Verschiebung nichts "böses" erkennen; es is lediglich eine logische Folge der Rechte des Einzelnen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#19 Re: Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

Beitrag von Lena » Sa 20. Feb 2016, 17:02

Schau Dir an einem Kiosk die Klatschhefte an. Lies und hör aus Medien, wie Menschen zerrissen werden, die einen Fehler begehen. Wie man Stars zu Göttern macht und wie brutal man sie sausen lässt, wenn sie einem nicht mehr dienen. Wie sehr Menschen unter andern Menschen im Berufsleben zu leiden haben. Rundum Krieg trotz Friedensgeschrei. Sexuelle Ausschweifungen überall. Wegen dem Humanismus:

Dort wo die Humanisten regieren dort bin ich des Lebens nicht mehr sicher.
Kingdom


Die Moral der Geschichte:
Der Moral fort geschritten, lässt sich ein unmoralisches Leben führen, in der Meinung, man lebe moralisch.

Ein verständliches Wunschdenken, die Hoffnung, es käme irgendwann besser...
Kannst du mir helfen, dich richtig zu verstehen?
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#20 Re: Sind wir moralisch fortgeschrittener als unsere Vorfahren?

Beitrag von Janina » So 21. Feb 2016, 10:15

Lena hat geschrieben:Schau Dir an einem Kiosk die Klatschhefte an...
Die Frage ist nicht ob es Mist gibt, sondern ob der Mist heute weniger oder mehr ist als früher. Wenn "überall sexuelle Ausschweifungen" zu finden sind, von denen du nicht betroffen bist, vermute ich mehr Neid als Leid hinter deiner Empörung.
Aber eines stimmt: Die Wertungen, was als moralisch gilt und was nicht, haben sich definitiv verschoben. Verschoben heißt, sie sind woanders, nicht weg. Diese Veränderung ist selbstverständlich gut, sonst hätten wir sie ja nicht so gemacht. Schwerpunkte, die uns nur langweilen oder nerven, fallen weg, anderswo ist die Sensibilität gewachsen.

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