Homöopathie III

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closs
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#1471 Re: Homöopathie III

Beitrag von closs » So 17. Sep 2017, 14:57

Anton B. hat geschrieben:Doch, Deine Erkenntnis ist Interpretation. Zumindest wissenschaftlich. Zu jeder wissenschaftlichen Beobachtung gehört eine Beobachtungstheorie.
OK - da stimme ich Dir zu - aber damit gehst Du in die Tiefe descartscher Gedanken, wonach radikal-skeptizistisch der Satz "In Nachbars Garten steht eine Birke" angezweifelt werden kann, da wir streng genommen nicht wissen können, ob es die "Res extensae" überhaupt gibt, und ob nicht jegliche Wahrnehmung "Einbildung" ist.

Dann drehe ich den Spieß um und frage DICH: Wie würdest Du die folgende Aussagen kategorial unterscheiden:

1) "Ich nehme wahr, dass jedesmal dann meine Bauchschmerzen nach zwei Tagen weg sind, wenn ich dieser oder jenes tue"
2) "Meine Bauchschmerzen gehen weg, WEIL ihc dieses oder jenes tue"

1) würde ich als wahrgenommenes Phänomen bezeichnen - 2) als Interpretation desselben. Zwischen beide sehe ich einen kategorialen Unterschied.

Anton B. hat geschrieben:Das bedeutet ja nichts anderes, als dass jeder Elter, jeder Homöopath und jeder closs aus seinen "Beobachtungen" für sich Schlüsse ziehen darf, aber ein allgemeiner wissenschaftlicher Anspruch dieser Erkenntnisse als auch vieler so gestalteter Beobachtungen aus guten Gründen auch nicht vertreten werden kann.
Das wäre nicht das Problem - das Problem entsteht erst dann, wenn man postuliert "Wissenschaftliches Ergebnis muss in Bezug auf das, was wirklich 'ist', wahrheits-näher sein als eine persönliche Beobachtung".

Konkret: Was nützt die wissenschaftliche Aussage "Wir können nachweisen, dass ab D20 kein Wirkstoff vorhanden ist" (was übrigens ein Homöopath längst weiß), wenn das Postulat falsch wäre, dass nur per Wirk-STOFF Wirkung möglich sei? - Mit anderen Worten: Wissenschaft beantwortet doch nur Fragen, die sie selber zu stellen in der Lage ist, und NICHT solche Fragen, die zwar ontisch relevant sein können, aber wissenschaftlich nicht vorgesehen sind.

Noch konkreter: Wie will man wissenschaftlich überprüfen, ob das Präparat "Aurum D 100 var. b" wirkt, wenn es aus homöopathischer Sicht nur bei ganz bestimmten Menschentypen und sonstigen Konstellationen wirksam sein kann, die unmöglich klinisch überprüft werden können?

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#1472 Re: Homöopathie III

Beitrag von closs » So 17. Sep 2017, 15:04

sven23 hat geschrieben:Die Beurteilung als "Phänomen" ist bereits Interpretation, denn in Wirklichkeit gibt es dieses Phänomen gar nicht.
OK - halten wir fest:

Die Beurteilung des Satzes "In Nachbars Garten steht eine Birke" ist bereits eine Interpretation - da würde Dir Descartes recht geben. Aber es ist neu, dass Du Descartes gut findest.

sven23 hat geschrieben:denn in Wirklichkeit gibt es dieses Phänomen gar nicht.
DAS ist eine Interpretation - Du sagst: "Es gibt NICHT das Phänomen, dass jemand vorher krank war, etwas dagegen nimmt, und danach gesund ist". - Da bist Du radikal-skeptizistischer als Descartes, da er aus dieser Falle rauskommt, indem er eine Lösung dafür anbietet.

Nach MEINEM Sprachverständnis ist "Ich bin krank - ich nehme etwas dagegen - ich bin danach gesund" ein Phänomen und erst die Begründung dafür eine Interpretation.

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#1473 Re: Homöopathie III

Beitrag von sven23 » So 17. Sep 2017, 15:30

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Beurteilung als "Phänomen" ist bereits Interpretation, denn in Wirklichkeit gibt es dieses Phänomen gar nicht.
OK - halten wir fest:

Die Beurteilung des Satzes "In Nachbars Garten steht eine Birke" ist bereits eine Interpretation - da würde Dir Descartes recht geben. Aber es ist neu, dass Du Descartes gut findest..
Schlechte Analogie. Die Birke bedarf keiner Interpratation.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:denn in Wirklichkeit gibt es dieses Phänomen gar nicht.
DAS ist eine Interpretation - Du sagst: "Es gibt NICHT das Phänomen, dass jemand vorher krank war, etwas dagegen nimmt, und danach gesund ist". - Da bist Du radikal-skeptizistischer als Descartes, da er aus dieser Falle rauskommt, indem er eine Lösung dafür anbietet.
Das hat überhaupt nichts mit Descartes zu tun. Der Umstand, dass jeden Morgen die Sonne aufgeht, wenn du dich rasierst, muss man nicht als Phänomen bezeichnen. Es ist einfach die Verwechselung von Korrelation und Kausalität. Bei Globuli und jedem anderen esoterischen Unsinn ist es das gleiche.
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#1474 Re: Homöopathie III

Beitrag von Anton B. » So 17. Sep 2017, 16:05

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Doch, Deine Erkenntnis ist Interpretation. Zumindest wissenschaftlich. Zu jeder wissenschaftlichen Beobachtung gehört eine Beobachtungstheorie.
OK - da stimme ich Dir zu - aber damit gehst Du in die Tiefe descartscher Gedanken, wonach radikal-skeptizistisch der Satz "In Nachbars Garten steht eine Birke" angezweifelt werden kann, da wir streng genommen nicht wissen können, ob es die "Res extensae" überhaupt gibt, und ob nicht jegliche Wahrnehmung "Einbildung" ist.

Dann drehe ich den Spieß um und frage DICH: Wie würdest Du die folgende Aussagen kategorial unterscheiden:

1) "Ich nehme wahr, dass jedesmal dann meine Bauchschmerzen nach zwei Tagen weg sind, wenn ich dieser oder jenes tue"
2) "Meine Bauchschmerzen gehen weg, WEIL ihc dieses oder jenes tue"
Der Spieß lässt sich nicht so einfach umdrehen, weil -- bevor wir Deine beiden Aussagen kategorial trennen wollen -- zuvor die kategoriale Identifizierung, wer denn "DICH" nun sein soll, geklärt sein muss.

Als Wissenschaftler bewerte ich (1) als persönliche Wahrnehmung und (2) als womöglich potentiell wissenschaftliche Hypothese.

Als "naives" Menschlein bewerte ich 1) als persönliche Wahrnehmung und (2) als persönliche Schlussfolgerung aufgrund beschränkter Kenntnisse, sofern ich gezwungen bin (mir geht es gerade nicht gut, Arzt ist nicht erreichbar oder "geht mir gerade nicht gut" ist von unkritischer Ausprägung) mir eine eigene Meinung zu bilden. Beispiel wäre mein geliebtes Glas heißer Milch mit Honig darinnen. Keine Ahnung, ob es wissenschaftlich belegt hilft, ob es der Placebo-Effekt ist oder reine EInbildung ist, ob es der besonderen physiologischen Konstitution des Antons zuzuschreiben ist: Ich trinke es halt im Fall der Fälle!

closs hat geschrieben:
Anton B. hat geschrieben:Das bedeutet ja nichts anderes, als dass jeder Elter, jeder Homöopath und jeder closs aus seinen "Beobachtungen" für sich Schlüsse ziehen darf, aber ein allgemeiner wissenschaftlicher Anspruch dieser Erkenntnisse als auch vieler so gestalteter Beobachtungen aus guten Gründen auch nicht vertreten werden kann.
Das wäre nicht das Problem - das Problem entsteht erst dann, wenn man postuliert "Wissenschaftliches Ergebnis muss in Bezug auf das, was wirklich 'ist', wahrheits-näher sein als eine persönliche Beobachtung".

Konkret: Was nützt die wissenschaftliche Aussage "Wir können nachweisen, dass ab D20 kein Wirkstoff vorhanden ist" (was übrigens ein Homöopath längst weiß), wenn das Postulat falsch wäre, dass nur per Wirk-STOFF Wirkung möglich sei? - Mit anderen Worten: Wissenschaft beantwortet doch nur Fragen, die sie selber zu stellen in der Lage ist, und NICHT solche Fragen, die zwar ontisch relevant sein können, aber wissenschaftlich nicht vorgesehen sind.
Von mir aus sei das so. Bis hierher ist aber nichts anders, als es beim alten Röntgen der Fall war. Der schwadronnierte dann ja erstmal von den ganz ominösen X-Strahlen. Herrlich! Aber wie man später sah, konnten diese X-Strahlen ja doch irgendwie wissenschaftlich behandelt werden. Und vor allem: Der olle Röntgen konnte auch die Beobachtungssituation so genau beschreiben, dass wirklich auf der ganzen Welt dieses Beobachtungsphänomen reproduzierbar wiederholt werden konnte.

closs hat geschrieben:Noch konkreter: Wie will man wissenschaftlich überprüfen, ob das Präparat "Aurum D 100 var. b" wirkt, wenn es aus homöopathischer Sicht nur bei ganz bestimmten Menschentypen und sonstigen Konstellationen wirksam sein kann, die unmöglich klinisch überprüft werden können?
Nu ja. Bei den X-Strahlen stellte sich schnell heraus, dass die Beobachtung nicht in einer sehr komplexen Abhängigkeit von der geographischen Höhe und Breite seines Labors, seiner Höhenlage über dem Meerespegel, dem gerade herrschenden Luftdruck, der Temperatur usw. stand. Sozusagen leichtes Spiel für Röntgen, zumal fast gleichzeitig auch anderes Wissen nutzbar wurde.

Wenn aber wie Du sagst, die homöopathische Wirkung eben nicht wissenschaftlichen Beobachtungen wirklich zugängig ist, vielleicht ist dann das "Phänomen" -- zumindest derzeit -- einfach nicht-wissenschaftlich? Im übrigen konnten ja auch schon sehr komplexe naturwissenschaftliche "Phänomene" wissenschaftlich beschrieben werden.
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#1475 Re: Homöopathie III

Beitrag von sven23 » So 17. Sep 2017, 16:26

closs hat geschrieben: Noch konkreter: Wie will man wissenschaftlich überprüfen, ob das Präparat "Aurum D 100 var. b" wirkt, wenn es aus homöopathischer Sicht nur bei ganz bestimmten Menschentypen und sonstigen Konstellationen wirksam sein kann, die unmöglich klinisch überprüft werden können?
Na und?
Dann nimmt man halt nur die "ganz bestimmten Menschentypen" in die Versuche auf. Wurde auch schon in unzähligen Studien gemacht. Die Ergebnisse sind bekannt.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#1476 Re: Homöopathie III

Beitrag von Anton B. » So 17. Sep 2017, 16:37

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben: Noch konkreter: Wie will man wissenschaftlich überprüfen, ob das Präparat "Aurum D 100 var. b" wirkt, wenn es aus homöopathischer Sicht nur bei ganz bestimmten Menschentypen und sonstigen Konstellationen wirksam sein kann, die unmöglich klinisch überprüft werden können?
Na und?
Dann nimmt man halt nur die "ganz bestimmten Menschentypen" in die Versuche auf. Wurde auch schon in unzähligen Studien gemacht. Die Ergebnisse sind bekannt.
Oder noch systematischer: Zellkulturen. Auch schon gemacht.

closs unterschätzt die Findigkeit der Experimentatoren.
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#1477 Re: Homöopathie III

Beitrag von Pluto » So 17. Sep 2017, 18:29

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:In DEINEM Beispiel bleibt es eine Korrelation die fälschlicherweise als Kausalität interpretiert wird.
Nein - meine Aussage ist zu verstehen wie "In meinem Garten steht eine Birke" - ohne Warums oder Wies, sondern nur, "dass es so ist".
Pluto hat geschrieben:Doch gerade da ist es höchst relevant, wo du sagst, "vorher krank, nachher gesund".
Nein - diese Aussage ist doch auch dann richtig, wenn es KEINE Korrelation oder Kausalität zwischen Homöopathie und Krankheitsverlauf gibt - es ist ein rein temporaler Bezug.
Die Analogie ist schlecht. Beim Beispiel HP, gibt es drei Schritte:
(a) Man ist krank
(b) Man nehme HP-Mittel X.
(c) Man ist gesund.

Bei deiner Birke gibt es aber nur einen Schritt: Sie steht im Garten. Wenn du jetzt gesagt hättest,
(a) Es stand eine Birke im Garten
(b) Ich habe sie mit einem i-Phone gefällt
(c) Die Birke steht nicht mehr.
...dann wäre das genauso unglaubwürdig, wie das Fallbeispiel mit der Heilwirkung von HP.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben: Aber wenn du sagst, "vorher krank, dann wurde etwas geschluckt, danach ist man gesund", ist das eine Korrelation und keine Kausalität.
Ich behaupte doch gar nichts in Sachen Korrelation oder Kausalität. - Wenn Eltern feststellen, dass
a) etwas geschluckt wurde, und
b) es danach dem Kind besser geht
ist diese Aussage zunächst rein temporaler Natur.
Auch diese Analogie ist falsch. Du überspringst das mittlere Ereignis, was den Grund für das gesund werden beschreibt.
"Vorher krank ==> Mittel geschluckt => Nachher gesund". Damit implizierst du dass das Mittel gewirkt hat und schließt fälschlicherweise daraus auf die Wirkung des Präparats X.
Ist das denn so schwer zu verstehen?

closs hat geschrieben:Es gibt eine Pseudo-Krupp-"Epidemie" - Teilgruppe 1 geht zu einem Kinderarzt UND danach tritt aus Sicht der Eltern x ein. - Teilgruppe 2 geht zu einem HP-Arzt UND danach tritt aus Sicht der Eltern y ein. - Das ist das Phänomen.
Darin liegt die vermutete Kausalität.
In einer echten Studie würde man eine dritte Teilgruppe definieren, der ein Placebo verabreicht wird.

closs hat geschrieben:Auf Interpretations-Ebene und erst dann geht es um die Frage, WARUM das so ist?
a) Echte Wirkung von HP?
b) Placebo-Effekt?
c) Einbildung der Eltern?
d) Gruppendynamisch erklärbare Anekdoten-Häufung?
e) ...
f) Kausalität wird hinein interpretiert, was aber falsch ist.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Es ist DEINE Aussage und DEINE Interpretation.
Es ist KEINE Interpretation - meine Beobachtung, dass in Nachbars Garten eine Birke steht, ist KEINE Interpretation.
Stimmt. Das ist ein Tasachenbericht, aber darum ging es im realen Beispiel gar nicht, sondern um den (falschen) Schluss, dass HP wirkt.

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Der Fehler ist, automatisch anzunehmen, dass es sich um eine Kausalität handelt.
Absolut richtig - genau davor warne ich doch genauso. - Genau deshalb tue ich es doch eben NICHT.
Erkläre warum ich das glauben soll!

closs hat geschrieben:Die "Hahnemann'sche Wirkung" wäre ein interpretativer Ansatz im Sinne von "Ich beobachte das Phänomen "vorher - nachher" und interpretiere es im zweiten Schritt als Ausdruck Hahnemann'scher Wirkung - genau das tue ich NICHT
Doch genau das tust du!
(a) vorher krank
(b) Schlucke Mittelchen X
(c) nachher gesund
Schon vergessen?

closs hat geschrieben:(bzw.: Ich erwäge es im zweiten, interpretativen Schritt als EINE Möglichkeit). - Der Gag dieser kategorialen Trennung von Beobachtung ("vorher- nachher") und Interpretation ("Warum ist das so?") ist doch gerade, etwas unabhängig von Interpretationen sagen zu können.
Eben da beginnt die Interpretation. Sie ist nicht abhängig von der scheinbaren Wirkung.

closs hat geschrieben:Beobachtbar ist in unserem konkreten Beispiel: "Mütter beobachten, dass HP-Arzt-behandelte Kinder 'nachher' besser drauf sind als Kinder von anderen Müttern, die NICHT HP-behandelt sind"
Es sollte auch dir klar sein, dass die Mütter interpretieren, die Genesung sei auf Grund des Mittelchens eingetreten.

closs hat geschrieben:Diese Interpretation kann ja in Bezug auf das Phänomen durchaus richtig sein - muss aber nicht, wenn man "Wirkung" definiert als das, was über den pharmakologischen Sinn hinaus wirken kann.
Warum willst du nicht wahrhaben, dass der Sinn einer Doppelblind-Studie es ist, Interpretation (Korrelation) auszuchließen.

closs hat geschrieben:Aber solche Fragen jucken das Phänomen nicht, da es unabhängig von solchen Überlegungen und Streitereien ist - das Phänomen lautet: "Kinder erscheinen signifikant oft nach einer HP-Behandlung gesünder als vorher" - egal ob mit oder ohne "Wirkung".
Eben, das ist die empfunden kausale Wirkung. Sie ist aber aufgrund der Studienergebnisse als falsch nachgewiesen worden.

closs hat geschrieben:Mein Verdacht: Unser heute vorrangiges anthropozentrisches "Aufklärungs"-Verständnis kann das nicht mehr trennen, weil es die eigene Erklärungs-Kompetenz über "das, was ist" stellt.
Mit diese "Verdacht" beweist du, dass Menschen kein Sinnesorgan haben, was Korrelation und Kausalität auseinander halten kann.
Wenn du das nicht kapierst, wirst du immer wieder in diese Falle treten.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1478 Re: Homöopathie III

Beitrag von closs » So 17. Sep 2017, 19:26

sven23 hat geschrieben:Schlechte Analogie. Die Birke bedarf keiner Interpratation.
Falsch gedacht: KEIN Phänomen bedarf zu seiner Rechtfertigung einer Interpretation.

sven23 hat geschrieben:Das hat überhaupt nichts mit Descartes zu tun. Der Umstand, dass jeden Morgen die Sonne aufgeht, wenn du dich rasierst, muss man nicht als Phänomen bezeichnen. Es ist einfach die Verwechselung von Korrelation und Kausalität.
Das zeigt Deine Vermengung von "Phänomen" und "Interpretation".

1) Natürlich hat es insofern mit Descartes zu tun, dass er untersucht, was ein whargenommenes Phänomen ist:
a) Einbildung (falls es keine Res extensae gibt)
b) Objektive Realität (also Realität des Objekts - weil es Res extensae gibt
Aber auf dieser Schiene habe ich ja gar nicht argumentiert - ich ging stillschweigend vom Fall b) aus.

2) Doch: Der Umstand, dass ich mich nach jedem Sonnenuntergang rasiere, ist ein "Phänomen". Denn es "ist", dass die Sonne aufgeht, und es "ist" genauso, dass ich mich rasiere. - Und die zeitliche Reihenfolge "erst Sonnenaufgang, dann Rasur" "ist" auch - all das "ist" ein Objektives.

Genauso "ist" es, dass das Kind krank ist, man etwas nimmt und es danach besser ist. - Ob Kausalität vorliegt, ist damit überhaupt nicht berührt - es geht rein um das objektive Geschehen.

3) "Phänomen" hat nichts mit "Korrelation" oder "Kausalität" zu tun: Denn der Sonnenaufgang, die Krankheit, die Rasur, das Einnehmen eines Präparats und der Zustand danach sind objektive Geschehnisse "an sich" - es ist dem Sonnenaufgang und dem Präparat wurscht, ob es korrelativ oder kausal in Verbindung mit etwas anderem gebracht wird - das sind ausschließlich Interpretationen des Wahrnehmenden.

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#1479 Re: Homöopathie III

Beitrag von closs » So 17. Sep 2017, 19:36

Anton B. hat geschrieben: 1) "Ich nehme wahr, dass jedesmal dann meine Bauchschmerzen nach zwei Tagen weg sind, wenn ich dieser oder jenes tue"
2) "Meine Bauchschmerzen gehen weg, WEIL ihc dieses oder jenes tue"


Der Spieß lässt sich nicht so einfach umdrehen, weil -- bevor wir Deine beiden Aussagen kategorial trennen wollen -- zuvor die kategoriale Identifizierung, wer denn "DICH" nun sein soll, geklärt sein muss.

Als Wissenschaftler bewerte ich (1) als persönliche Wahrnehmung und (2) als womöglich potentiell wissenschaftliche Hypothese.
OK - das ist ja schon mal eine Unterscheidung. Bleibt man grundsätzlich, könnte man hinzufügen, dass es NUR persönliche Wahrnehmungen gibt - denn auch das Ablesen einer wissenschaftlichen Messreihe ist letztlich eine persönliche Wahrnehmung (Descartes).

Wenn wir uns einig sind, dass (1) als persönliche Wahrnehmung und (2) als womöglich potentiell wissenschaftliche Hypothese klar unterscheidbar sind und klar unterschieden werden MÜSSEN, ist mein Anliegen geklärt.

Anton B. hat geschrieben:Bis hierher ist aber nichts anders, als es beim alten Röntgen der Fall war. Der schwadronnierte dann ja erstmal von den ganz ominösen X-Strahlen. Herrlich! Aber wie man später sah, konnten diese X-Strahlen ja doch irgendwie wissenschaftlich behandelt werden.
Das kann ja bei der Homöopathie genauso sein - niemand weiß, ob
1) HP-Effekte prinzipiell nicht wissenschaftlich fassbar sind, obwohl es sie gibt,
2) lediglich noch nicht wissenschaftlich fassbar sind,
3) HP-Effekte prinzipiell nicht wissenschaftlich fassbar sind, weil es sie tatsächlich nicht gibt.

Anton B. hat geschrieben:Wenn aber wie Du sagst, die homöopathische Wirkung eben nicht wissenschaftlichen Beobachtungen wirklich zugängig ist, vielleicht ist dann das "Phänomen" -- zumindest derzeit -- einfach nicht-wissenschaftlich?
Dann sollte man aber ergänzen, dass "nicht-wissenschaftlich" nicht dasselbe wie "irreal" ist, sondern einfach (noch) nicht wissenschaftlich fassbar ist.

Weißt Du: Das eigentliche Problem besteht doch darin, dass es heute sehr dominante weltanschauliche Kräfte gibt, die meinen, dass nur DAS "sein" könne, was wissenschaftlich nachweisbar oder gar bereits nachgewiesen sei. - Dem MUSS man philosophisch widersprechen, weil es einfach falsch ist.

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#1480 Re: Homöopathie III

Beitrag von closs » So 17. Sep 2017, 20:34

Pluto hat geschrieben:Die Analogie ist schlecht.
Du vermischst schon wieder "Phänomen" mit "Interpretation". - Bei meiner Aussage heißt es NICHT "Durch die Einnahme des Präparats wird das Kind gesund", sondern "Das Präparat wird eingenommen (kann man objektiv nachweisen) UND das Kind wird gesund". - Es ist eine "UND-Aussage" und keine "WEIL-Aussage".

Pluto hat geschrieben:"Vorher krank ==> Mittel geschluckt => Nachher gesund". Damit implizierst du dass das Mittel gewirkt hat und schließt fälschlicherweise daraus auf die Wirkung des Präparats X.
Ist das denn so schwer zu verstehen?
Das ist leicht zu verstehen, aber es betrifft nicht meine Aussage. - Denn "es impliziert" ist schon wieder eine Interpretation - meine Aussage ist eine reine Phänomen-Beschreibung.

Natürlich liegt es nah, aufgrund dieser Phänomen-Grundlage im NÄCHSTEN Schritt zu bewerten: "Was bedeutet es, dass es diese temporale Folge 'krank - Einnahme - gesund' gibt?". - Und dann bist DU dran mit Deinen Deutungs-Vorschlägen. - Aber mit dem Phänomen hat es nichts zu tun.

Denn das Phänomen 'krank - Einnahme - gesund' wird immer gleich sein, egal ob man interpretiert:
(a) Wirkung
(b) Einbildung
Und um dieses ewig Gleiche des Phänomens, das unabhängig von anthropogenen/anthropozentrischen Deutungen ist, geht es mir - es geht mir also um die De-Anthropozentrierung des Phänomens.

Pluto hat geschrieben:f) Kausalität wird hinein interpretiert, was aber falsch ist.
Das wäre in meiner Aufstellung aus Deiner Sicht von a) abgedeckt.

Pluto hat geschrieben: closs hat geschrieben:
Es gibt eine Pseudo-Krupp-"Epidemie" - Teilgruppe 1 geht zu einem Kinderarzt UND danach tritt aus Sicht der Eltern x ein. - Teilgruppe 2 geht zu einem HP-Arzt UND danach tritt aus Sicht der Eltern y ein. - Das ist das Phänomen.

Darin liegt die vermutete Kausalität.
Möglich, aber irrelevant für das Phänomen des Beobachteten. - Als Patient stellt man fest "Da scheint was zu funktionieren - und zwar nicht als Einzelfall" - Punkt. - Man beachtet auf Patientenebene (oft) nur das Phänomen. - Was nützt es umgekehrt, wenn man auf Interpretationen vertraut, aber das Phänomen ist anders?

Pluto hat geschrieben:Das ist ein Tasachenbericht, aber darum ging es im realen Beispiel gar nicht, sondern um den (falschen) Schluss, dass HP wirkt.
In MEINER Aussage ist KEIN "Schluss" - ich zitiere lediglich eine objektiv nachvollziehbare Folge.

Pluto hat geschrieben:Erkläre warum ich das glauben soll!
Du glaubst es dann, wenn Du phänomenologische Aussagen von interpretativen Aussagen unterscheidest.

Pluto hat geschrieben:Doch genau das tust du!
(a) vorher krank
(b) Schlucke Mittelchen X
(c) nachher gesund
Schon vergessen?
Nein - nicht vergessen. :D - Lies es noch einmal rein unter phänomenologischen Gesichtspunkten durch - und Du wirst erkennen, dass hier lediglich objektiv nachvollziehbare Phänomene zitiert sind und nichts interpretiert wird.

Pluto hat geschrieben:Eben da beginnt die Interpretation.
Damit beginnt die Interpretation NICHT, weil es eine rein phänomenologische Beschreibung ist. - Allerdings ist diese diese Beschreibung die Grundlage dafür, auf GANZ ANDERER EBENE zu fragen: "Wie interpretieren wir das Beobachtete?". - Und dann kommst Du mit Deinen Bewertungen, die richtig oder falsch sind in Bezug auf "das, was ist".

Pluto hat geschrieben:Es sollte auch dir klar sein, dass die Mütter interpretieren, die Genesung sei auf Grund des Mittelchens eingetreten.
Ja - das glaube ich auch. Aber das ist deren Sache und ändert nichts an der Beobachtung an sich. - Diese Beobachtung wäre diesselbe, wenn sie etwas ganz anderes interpretieren würden.

Pluto hat geschrieben:Warum willst du nicht wahrhaben, dass der Sinn einer Doppelblind-Studie es ist, Interpretation (Korrelation) auszuchließen.
Prinzipiell richtig - aber das geht halt nur dann, wenn der "Vorlauf" stimmt - siehe mein Beispiel gegenüber Anton:
"Wie will man wissenschaftlich überprüfen, ob das Präparat "Aurum D 100 var. b" wirkt, wenn es aus homöopathischer Sicht nur bei ganz bestimmten Menschentypen und sonstigen Konstellationen wirksam sein kann, die unmöglich klinisch überprüft werden können?"

Pluto hat geschrieben: das ist die empfunden kausale Wirkung.
Das ist beobachtetes Phänomen mit anschließender richtiger oder falscher Interpretation.

Pluto hat geschrieben: Sie ist aber aufgrund der Studienergebnisse als falsch nachgewiesen worden.
Wenn ein Wort hier auf dem Forum systematisch runtergewirtschaftet wird, ist es das Wort "Nachweis".

"Nachweise" sind Folgen einer Fragestellung und Untersuchungs-Perspektive, die mit "dem, was wirklich ist", übereinstimmen oder nicht übereinstimmen. - Konkret: Wenn man falsche Grundlagen für eine Doppelblindstudie wählt und damit "nachweist", dass HP keine Wirkung habe, heißt dies lediglich, dass es unter den Bedingungen der Studie keine Wirkung hat. - Darüber, ob HP WIRKLICH keine Wirkung hat, ist damit nichts Abschließendes gesagt.

Pluto hat geschrieben:Mit diese "Verdacht" beweist du, dass Menschen kein Sinnesorgan haben, was Korrelation und Kausalität auseinander halten kann.
Ähm - dieser Nachweis war zwar nicht mein Ziel, aber natürlich ist Deine Aussage richtig (und war von mir nie in Frage gestellt). - Gerade WEIL Deine Aussage richtig ist, ist es doch so wichtig, dass man "Phänomen" und "Interpretation des Phänomens" (korrelativ, kausal, etc.) kategorial unterscheidet.

Pluto hat geschrieben:Wenn du das nicht kapierst, wirst du immer wieder in diese Falle treten.
ICH doch nicht - ICH bin es doch, der ständig davor warnt, "Phänomen" und "Interpretation" in einen Topf zu werfen.

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