Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

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michaelit
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#1 Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

Beitrag von michaelit » Mi 14. Jan 2015, 09:05

Hallo,

seit 15 Jahren leide ich an Schizophrenie, manchmal mit mehr oder weniger Beschwerden aber konstant so daß ich nicht arbeiten gehen kann. Pinzipiell aber habe ich das Problem schon vorher gehabt, daß ich viele Arten Arbeit als physisch und psychisch schwierig erlebe.

Ich möchte es gerne beschreiben. Ich lebe in einem Wohnheim für psychisch kranke Menschen und habe hier auch Dienste zu leisten. Wir versorgen uns größtenteils selbst was heißt wir kochen bis auf einen Tag die Woche selbst, machen fast alles selbst sauber und gehen selbst Lebensmittel kaufen usw. Da wir pro Wohngruppe mindestens 8 Leute sind geht das auch ganz gut und es läuft.

Aber obwohl es dann doch nicht soviel Arbeit für den Einzelnen ist habe ich immer wieder damit psychische Probleme. Ich muß etwa Dienstags unsere drei Bäder/Toiletten putzen und ich mache es auch, ist ja meine Pflicht, aber ich habe da den ganzen Tag Angst davor. Es dauert meistens nur so um die 20 Minuten, aber ich empfinde da in meiner Psyche diesen großen Druck und hinterher muß ich mich immer erstmal hinlegen. Ich kriege es einfach nicht hin das wie fast jeder andere so locker aus dem Ärmel zu schütteln. Aber ich atme schwer und fühle Drangsal obwohl ich eigentlich körperlich gesund bin. Ich war auch vor drei Jahren mal in den Bergen um zu wandern, das fiel mir leicht und ich hatte nur gute Laune.

Es klingt billig, aber ich bin dann in mir so wütend und gereizt. Es ist doch offensichtlich daß die Arbeit getan werden muß, warum empfinde ich dann so? Andere Menschen müssen viel mehr arbeiten als ich und haben aber Lust und Freude dazu. Früher ging das manchmal bei mir, habe als Hilfskrankenpfleger auch geputzt und gewaschen usw und ich hatte kein Druckgefühl dabei. Jetzt kriege ich sowas einfach nicht mehr hin.

In meinem Kopf baut sich da immer viel dummes auf. Ich höre eine Stimme die herumschreit, oder ich empfinde es so daß die Stimme böse auf mein Herz schaut so daß ich dann Herzensangstgefühle habe, etwa wie bei Menschen mit Herzkrankheiten, aber ohne daß da etwas vorliegt. EKG, Blutdruck, alles im grünen Bereich im Krankenhaus.

Andrerseits kann ich mich etwa in Computerspielen oder im Kunstmachen richtig verlieren. Einmal habe ich zwei Wochen lang Gedichte und Essays geschrieben, habe kaum gegessen und geschlafen, habe durchweg Denkarbeit gemacht. Und da war ich schon krank. Ich denke auch immer, ich würde gerne eine intellektuelle Arbeit machen. Vielleicht bin ich einfach für körperliche Arbeit nicht geeignet. Aus dem Grund gehe ich auch nicht in die WfbM wie andere aus dem Heim hier, und ich weiß auch diese Arbeit könnte ich gar nicht aushalten, ich würde am Ende schreiend davonlaufen.

Was würdet ihr jetzt tun? Ich denke viel über Aussteiger nach. Etwa kam vor kurzem mal ein Bericht über einen "Stadtindianer" der mit Zelt und Schlafsack in Berlin lebt und kein Geld nutzt sondern sein Essen aus Supermarkttonnen holt und so. Er wäre glücklich dabei sagte er. Oder ein anderer Mann, studiert, hat so eine Websitearbeit für 20 Stunden im Monat, kriegt so um die 500 Euros dafür und lebt davon, hat ein Zimmer in einer Community, ißt nur ganz billiges Zeug und treibt sich sonst in der Stadt herum und geht in Museen und zu Gesprächsrunden und so. Wie denkt ihr über solche Aussteiger? Handeln sie unmoralisch?

LG
Daniel

closs
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#2 Re: Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

Beitrag von closs » Mi 14. Jan 2015, 09:34

michaelit hat geschrieben:Es ist doch offensichtlich daß die Arbeit getan werden muß, warum empfinde ich dann so?
Da kann ich Dir vielleicht eine Antwort geben, da ich aufgrund einer schweren Kopfverletzung seit 10 Jahren Invalide bin.

Bis vor 10 Jahren hatte ich grundsätzlich mehr als 3000-Stunden-Arbeits-Jahr - auf 11 Monate bezogen (4 Wochen Urlaub hatte ich ja trotzdem) sind das zwischen 270 und 300 Stunden pro Monat gewesen. - Heute komme ich vielleicht auf 50 Stunden pro Monat, an denen ich etwas leisten kann - und auch das nur halbwegs. - Die geistige Fitness an sich ist vollkommen erhalten - ich kann immer noch Nocturnes von Chopin und Fugen von Bach spielen sowie neue Texte von Hegel oder Kant lesen und verstehen - allerdings letzteres gerade mal gut 10 Minuten. Danach bin ich erschöpft.

Und da kommt jetzt der Bogen zu Deinen Schilderungen: Wenn ich erschöpft bin, ist sogar das Holz holen im Keller eine fast unüberwindbare Hürde - es erfüllt mich buchstäblich mit Panik, wenn ich die Treppe runter soll und dann wieder hoch - als sei dies die Besteigung des Kilimandscharo.

Gleichzeitig gibt es eine Meta-Ebene in mir, die sich in die Hose macht vor Lachen, dass es so ist. Und die mir sagt: "Hey - das sind 16 Stufen - das ist NICHTS". - Es nützt aber nichts - die Panik bleibt - ich lege mich ins Bett und knacke 2 Stunden weg, und danach geht's. - Ein Arzt hat mir gesagt, dass das "Betriebssystem" des Gehirns dauerhaft derart beschäftigt ist, nicht abzustürzen, dass für die Arbeitsebene nicht mehr meinetwegen 80%, sondern nur noch 10% (gemessen an früher) übrigbleiben - und Druck (also etwas machen zu MÜSSEN) nimmt von den 10% auch noch die Hälfte weg. - Das könnte (aus anderen Gründen) auch bei Dir der Fall sein.

Insofern mache Dir nicht in die Hose - es ist unter diesen Bedingungen normal. - Ich löse das Problem, dass ich in den Standby-Zeiten Dinge tue, die von allein fließen UND ohne Druck sind - beispielsweise Forums-Posts schreiben und Radfahren. - Ich könnte problemlos eine Deutschland-Tour mit dem Fahrrad machen - am Tag 8 Stunden unterwegs - danach Hotel zum Pennen - das geht. Aber ich könnte nichts tun MÜSSEN - da würde mein Gehirn nicht mitmachen. - Davon abgesehen: Auch nicht das Schlechteste.

Pluto
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#3 Re: Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

Beitrag von Pluto » Mi 14. Jan 2015, 12:25

closs hat geschrieben:Aber ich könnte nichts tun MÜSSEN - da würde mein Gehirn nicht mitmachen. - Davon abgesehen: Auch nicht das Schlechteste.
Der Geist ist willig, aber das Fleisch ist schwach? Oder ist es bei dir so, dass Beides schwach ist?
Bei mir ist es jedenfalls so.

Früher habe ich mit Links 60 Stunden gearbeitet, plus durch ganz Europa gereist. Danach habe ich als Frührentner meine 40-Stunden Wochen gemacht, und mir auf dem "zweiten Weg" eine neue Existenz aufgebaut. Nun, als Rentner, fühle ich mich überfordert, auf Dauer zu arbeiten, meine Pflicht zu erfüllen; es ist so als wäre die Feder des Lebens irgendwie "ausgepowert", und ich leide darunter (hab oft ein schlechtes Gewissen).
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Pluto
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#4 Re: Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

Beitrag von Pluto » Mi 14. Jan 2015, 12:48

michaelit hat geschrieben:Was würdet ihr jetzt tun?
Du scheinst mir ein Sonderfall zu sein, Daniel. Schließlich ist es wirklich ein hartes Los, auf Dauer in einem Heim leben zu müssen.

IMO fehlt dir die innere Motivation!
Die Routine, dass jeder seine Pflichten zu erfüllen hat, sehe ich nicht zuletzt als eine Art Therapie, verbunden mit nützlichem Inhalt. Vielleicht hilft es, auf die getane Arbeit stolz zu sein, sich darüber zu freuen, wie alles hinterher glänzt und gut riecht. Das könnte helfen, dir deine Angst vor deinem wöchentlichen Arbeitseinsatz zu nehmen.

michaelit hat geschrieben:Ich denke viel über Aussteiger nach. Etwa kam vor kurzem mal ein Bericht über einen "Stadtindianer" der mit Zelt und Schlafsack in Berlin lebt und kein Geld nutzt sondern sein Essen aus Supermarkttonnen holt und so. Er wäre glücklich dabei sagte er. Oder ein anderer Mann, studiert, hat so eine Websitearbeit für 20 Stunden im Monat, kriegt so um die 500 Euros dafür und lebt davon, hat ein Zimmer in einer Community, ißt nur ganz billiges Zeug und treibt sich sonst in der Stadt herum und geht in Museen und zu Gesprächsrunden und so. Wie denkt ihr über solche Aussteiger? Handeln sie unmoralisch?
"Unmoralisch" ist das falsche Wort.

Aber besonders gut oder erstrebenbswert finde ich es nicht. Von solchen Aussteigern halte in der Tat sehr wenig. Sie leben im Grunde wie Parasiten auf Kosten der Gesellschaft. Wer zahlt z. Bsp. ihre Artztrechnungen wenn sie krank sind? Ich finde es sogar sehr egoistisch zu erwarten, dass andere Menschen für meine versteckten Kosten aufkommen sollen.

Ich hatte mir sehr früh im Leben vorgenommen, auf eigenen Füssen zu stehen, mich und meine Familie zu ernähren. Das hat sich auf Dauer bewährt und bezahlt gemacht. Es gab Zeiten, da wollte ich Aussteiger werden — einfach davon laufen, und alles liegen lassen, aber dann kam schnell die Ernüchterung: Was haben diese "Aussteiger" denn für eine Zukufstperspektive?

Ich habe nie auf Kosten anderer gelebt, und immer gerne (meistens? ;) ) meine Steuern bezahlt.
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2Lena
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#5 Re: Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

Beitrag von 2Lena » Mi 14. Jan 2015, 13:34

michaelit hat geschrieben:Wie denkt ihr über solche Aussteiger? Handeln sie unmoralisch?
Unmoralisch ist die Bescheidenheit nicht, aber es ist ein schwieriges Leben. Das kannst du nicht Zeit deines Lebens führen. Da wäre es schon besser, in kräftigeren Jahren etwas für die Vorsorge gegen magere Zeiten zu tun.
michaelit hat geschrieben: Es klingt billig, aber ich bin dann in mir so wütend und gereizt.
Frage: Kommt das überhaupt nur beim Badputzen vor? Bist du generell beim Bücken atemlos, beim Joggen frustriert oder beim Gehen müde, ohne Weiterkommen - oder gar durch Medikamente geschwächt, willenlos, etwa betäubt?

Wenn das nicht der Fall ist, solltest du über die Chemikalien im Bad nachdenken, die bei der Reinigung verwendet werden. Die können Unwohlsein und Agressivsein auslösen. Man beachtetet jedoch nirgendwo die Auswirkungen, sondern schreibt die Veränderungen der "labilen" Psyche und der Launenhaftigkeit zu. Ich will jetzt nicht eine ganze Liste von chemischen Inhalten verschiedener Reinigungsprodukte, Körperpflegemittel oder Waschmittel hier aufführen, mit den speziellen Nebenwirkungen daraus.

Neben Hautreizungen gibt es Stoffwechselstörungen, Beeinträchtiung des Denkvermögens, Agressivität, geschwollene Mandeln und Schleimhäute, verstopfte Nase. Ganz Empfindliche bekommen nach einer Weile Fieberschübe. Die Folge ist dann regelrechte "Panik", wie vor einem Hund, der bereits mal zugebissen hatte. Der Körper reagiert, ohne dass der Mensch bewusst denkt. Abneigungen erscheinen jedoch nicht bewusst. Es gibt fast gar keine Literatur zu diesem Thema, aber man arbeitet in der Parfümindustrie seit jeher bewusst mit Dorgen zwecks der Beeinflussung der Psyche.

Das einfachste Mittel, stets das Bad sauber zu haben, ist das Trockenhalten. Sofort die Spritzer abtrocknen - und alles sieht stets wie neu aus. Dann braucht es monatelang keinerlei Chemikalien, im Grunde nie. Werden jedoch Körperpflegemittel verwendet, die das Bad verschmutzen, so helfen Wascherde (ganz feiner Ton), Waschnüsse (in Wasser eingeweicht, eine nussig duftende Lauge) oder heißer Tee aus Senfsamen. Damit kommt ein ganz anderer Glanz sowie duftende Frische für die feucht zu wischenden Wände und Böden.

michaelit
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#6 Re: Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

Beitrag von michaelit » Mi 14. Jan 2015, 13:54

Ich weiß nicht ob du das mit den Aussteigern richtig verstehst, Pluto. Arztrechnungen zahlt doch die Versicherung, die trägt auch ein Mensch mit Arbeit nicht selber. Ich habe nur 100 Euros im Monat und muß auch noch 45 Euros für den Arzt zahlen.

Das mit den Kosten liegt auch an den gesetzlichen Regelungen. Mein Heimplatz kostet im Monat rund 2000 Euros mit allem drum und dran. Wenn ich meine eigene Bude wieder hätte und wie gehabt von Sozialhilfe leben würde (wie früher schon), käme das den Staat nur rund 600 Euros. Ich würde viel lieber wieder alleine wohnen aber die Richterin und mein Betreuer lassen mich nicht. Das ist generell für viele Leute mit Schizophrenie so, das relativ neue deutsche Gesetz für psychische Krankheiten macht aus Betreuung eine Quasi-Vormundschaft. Wenn man da einmal zugestimmt hat und seine Rechte und seine Unabhängigkeit verloren hat kommt man da nur dann heraus wenn der Richter es zuläßt. Da wird bewertet und bewertet und bewertet, ich werde nicht als fähig eingestuft alleine leben zu können. Früher, so um 2002 und so, hatte ich ja auch schon die Schizophrenie und es war viel krasser als jetzt, mit Wahngedanken, Halluzinationen, Selbstmordversuchen, das ganze Palett eben. Doch ich durfte weiterhin alleine leben und galt als zurechnungsfähig. Mit dem neuen Gesetz aber unterliege ich der Einschätzung anderer Menschen und diese Einschätzungen sind nicht anfechtbar.

Es ist so, der Betreuer sagt wenn ich ein Jahr lang stabil bin kann ich wieder ausziehen. Stell dir vor ich bin dann 10 Monate lang stabil, dann habe ich eine Krise so daß ich meine Dienste nicht machen kann. Das dauert einen Monat vielleicht, dann bin ich wieder stabil. Für den Betreuer ist das aber so daß der dann sagt ich muß wieder erst ein Jahr lang stabil sein. So mir einfach mal zu glauben daß auch ein Krisenmonat nicht so schlimm ist geht nicht.


Und während ich hier im Heim bin ist nix mit irgendwelcher Arbeit oder mit Freundin finden und so. Alles was geht wäre die Behindertenwerkstatt und das kriege ich nicht hin. Ich würde durchdrehen wenn ich 8 Stunden irgendwo sitze und Umschläge falte, für 60 Euros im Monat zusätzlich.

Da sage ich mir irgendwann, es ist mir egal daß ich dem Staat die 2000 Euros koste. Ich will diesen Heimplatz hier gar nicht haben und die intensive Betreuung und alles. Ich meine, was soll ich denn machen? Ich kann weder hierhin noch dahin. Ich würde gerne in der Stadt wohnen und gleich morgen mir irgendwas suchen was mir gefällt, vielleicht wieder Hilfskrankenpfleger (habe ich ja auch gelernt). Oder zumindest mal wieder Leute treffen und was unternehmen. Die Leute denken immer ohne Arbeit ist man nutzlos. Doch das Denken finde ich auch blöd denn man kann gerade mit Kunst und Musik soviel machen. Ich spiele ja manchmal im Sommer Gitarre hier auf dem Stadtmarkt und verdiene ein bißchen was dazu. Doch da quatschen mich dann Polizisten an ob ich überhaupt alleine in die Stadt gehen darf. Diese Psychogesetze sind blöd. Hat auch die von der Leyen gemacht, die Tante hat keine Ahnung.

Früher haben die Behörden Schizophrene besser verstanden. Jetzt gibt es da nicht mehr viel außer in SPD Städten wie Berlin und so. Dort geht alles noch, aber hier in Sachsen ist CDU Land da gibt es nicht mehr viel Verständnis. Ich habe fast den Eindruck mein Betreuer ist neidisch darauf daß ich wegen der Schizo Sozialhilfe kriege. Der scheint zu denken, wenn man krank ist soll man auch im Heim wohnen, sonst simuliere ich nur. Daß der ganze Quatsch die Kassen viel mehr kostet als wenn einer eine eigene Wohnung hat schnallt der nicht.

Und das Heim ist auch nicht immer so die Welt. Es ist ein christliches Heim und auch hier habe ich wieder mal sehen müssen wieviel sich Christen oft herausnehmen was Autorität und Regeln und so betrifft. Hier wird geschimpft wenn ich mir nachts eine (selbstbezahlten) Kaffee mache und gerne etwas Milch dazu aus dem (nichtbezahlten) Kühlschrank haben möchte. Aber dann wieder bauen sie teure Garagen für ihren Luxusfuhrpark an Betriebsautos. Wir feiern zweimal im Jahr ein Fest. Die Volkssolidarität feiert in ihren Häusern einmal jede Jahreszeit. Und wenn ich mal auswärts bin und drei Tage bei meiner Mutter bleibe kriege ich eigentlich Zehrgeld. Doch wenn ich etwas früher wiederkomme, so gegen 15 Uhr statt 18 Uhr am letzten Tag, obwohl ich dann extra nichts esse, kriege ich kein Zehrgeld weil ich angeblich noch drei Stunden betreut werde. Wobei hier Betreuung heißt, da kommt einer mit Anweisungen und ißt mit von unserem Essen und betet vor dem Essen. Mehr machen die eigentlich nicht. Und deren Gehalt bezahlen die Kassen mit.

Ich habe so das Bild einer Hippiekommune vor mir, wo die Bewohner alle Freunde sind und zusammenleben. Das wäre ideal für mich. Keine falschchristlichen Autoritäten beachten müssen und so. In Amerika haben sie mal die Obdachlosen befragt wie sie die Auffangheime finden. Die haben den evangelikalen Heimen so um die 3 Punkte gegeben, die Unitarier (auch religiös, aber von allem was und ohne Gerichtsdrohung und ohne Schwulenhaß und all das) kriegten 9 Punkte. Da sieht man wie es läuft. Christentum ist oft keine richtige Religion mehr mit echtem Wissen und Erleuchtung und Ideen und echter Liebe, sondern wurde zu einem neuen Pharisäertum. Es ist doch hier auch so, da ist ein Patient im Heim der es ultraschwer hat, er ist krank und hat keine Angehörigen mehr. Da frage ich mich, kann da nicht mal einer von den Betreuern einen Kaffee machen und dem armen Kerl ins Zimmer bringen und dort vernünftig mit ihm reden? Das wird nicht gemacht aber die Leute wollen dauernd gelobt werden. Der Patient kann jammern wie er will, er kriegt die Nächstenliebe nicht.

Doch was will man tun? Sich einen Anwalt nehmen? Ich lach mir nen Ast, da geht gar nix. Gilt alles als Lappalien vor dem Gesetz. Die Betreuer sind nicht verpflichtet richtig nett zu sein. Und die Richter selbst? Für die gelten unsere Sorgen als Symptome der Krankheit. Mein Freund Wolle hier war zu DDR Zeiten in Bautzen inhaftiert, wegen Fahnenrunterreißen und solches Zeug. Da wurde mal entschieden, er kriegt eine Entschädigung vom Staat, 200 Euros im Monat. Laut Gesetz müßte er dieses Geld trotz des Heimplatzes kriegen (normalerweise wird Rente und Sozialhilfe kassiert wenn man in einem Heim wohnt, bis auf 100 Euros Taschengeld). Doch sein Betreuer sagt er wolle das Geld für Wolfgang sparen, wenn er mal im Alter was braucht. Und so sitzt Wolle auf dem Schlauch, hat seine 100 Euros und kriegt nichts von seinem eigenen Geld. Er hat so um die 15.000 auf dem Konto bis jetzt, und der Betreuer sagt immer noch er will Wolle nichts geben, nicht mal nen Tausender oder sowas. Einen Anwalt zu nehmen traut er sich nicht, will keinen Ärger machen und so, hat Angst vor dem Mobbing das dann vielleicht kommt. Alles schwer auszuhalten oft.

Pluto
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#7 Re: Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

Beitrag von Pluto » Mi 14. Jan 2015, 14:32

@michaelit

Nun lieber Daniel, du berichtest von der Anstalt in der du lebst. Das ist für mich alles entsetzlich traurig. Ich hofe sehr, dass du durchalten kannst, und du nach einem Jahr entlassen wirst.

Im Eingangspost erwähntest du zwei Beispiele von Aussteigern und fragtest nach Meinungen dazu. Meine Antwort richtete sich gegen den Gedanken an einen solchen Ausstieg, weil ich der Meinung bin, dass diese Leute sich ihren Lebensstil teilweise als Schmarotzer leisten.

Auch sind in deiner Antwort einige Fehler, z. Bsp.:
Bei Angestellten, zahlt der Arbeitgeber einen Teil der Versicherungsprämien. Bei Aussteigern muss aber der Staat dafür aufkommen. Das ist gegenüber der arbeitenden Bevölkerung unfair.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Hemul
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#8 Re: Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

Beitrag von Hemul » Mi 14. Jan 2015, 14:40

Pluto hat geschrieben: Bei Angestellten, zahlt der Arbeitgeber einen Teil der Versicherungsprämien. Bei Aussteigern muss aber der Staat dafür aufkommen. Das ist gegenüber der arbeitenden Bevölkerung unfair.

Das ist aber auch äußerst unfair:
Pluto hat geschrieben:Ich habe nie auf Kosten anderer gelebt, und immer gerne (meistens? ;) ) meine Steuern bezahlt.
:thumbdown:
denn die Waffen, mit denen wir kämpfen, sind nicht fleischlicher Art, sondern starke Gotteswaffen zur Zerstörung von Bollwerken: wir zerstören mit ihnen klug ausgedachte Anschläge (2.Korinther 10:4)

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#9 Re: Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

Beitrag von michaelit » Mi 14. Jan 2015, 14:51

Naja, Pluto, es kommt darauf an. Schmarotzer kann ich echte Aussteiger nicht nennen, das sind nicht die richtigen Worte. Es gibt in der Gesellschaft nicht immer viel Spielraum, man muß sich manchmal seine Freiheit und sein Sinngefühl erst irgendwie erobern. Wenn man etwa zu intellektueller Arbeit neigt und keine entsprechene Stelle kriegt und dann auf dem Bau arbeiten muß obwohl man dafür weder Talent noch Interesse hat wird es blöd. Wenn ich nur fernsehe und Chips futtere ist es albern, das ist kein Aussteigertum. Aber so wie es manche Punks manchmal machen, oder wie es bei Rio Reiser im Rauchhaus mal lief, oder früher die Landstreicher und so, das sollte man nicht Schmarotzer nennen, denn diese Menschen leben nur ihre Freiheit die ihnen die Gesellschaft ja nicht geben will.

Ein Sozialhilfeempfänger kriegt so um die 600 Euros. Mein Freund Jens verdient als Elektroniker so um die 2.500 Euros. Ich meine ist diese Wohlstandsdifferenz nicht genug? Dazu kommt noch, fast jeder Mensch hat so Vorstellungen von Arbeit die dir liegt. Ich würde zum Beispiel gerne wieder an der Uni arbeiten und bei Archäologie mitmachen, war sowieso mal mein Traum und ich war schon auf dem Weg dahin als ich krank und kirre wurde. Aber wenn ich jetzt arbeiten wollte blieb nur die Behindertenwerkstatt --- bin ich nun ein Schmarotzer weil ich mir die Werkstattsarbeit für mich absolut nicht vorstellen kann? Da geht doch die Freiheit verschitt.

Pluto
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#10 Re: Arbeitsunfähigkeit / Aussteiger sein

Beitrag von Pluto » Mi 14. Jan 2015, 15:30

michaelit hat geschrieben:Naja, Pluto, es kommt darauf an.
Worauf kommt es denn an?

michaelit hat geschrieben:Schmarotzer kann ich echte Aussteiger nicht nennen, das sind nicht die richtigen Worte.
Ich sagte teilweise.

michaelit hat geschrieben:Ich würde zum Beispiel gerne wieder an der Uni arbeiten und bei Archäologie mitmachen, war sowieso mal mein Traum und ich war schon auf dem Weg dahin
Es wäre schön wenn dein Traum in Erfüllung gehen würde.
Ich finde es ist nie zu spät, seinen Traumberuf aufzunehmen. Nur muss man vermutlich in der ersten Zeit sehr viel nachholen, und dazu braucht es eine große Portion Motivation und eine fast übermenschliche Anstrengung. Ich wünsche dir, dass du es schaffst.

Kennst du Edwin Hubble? Er hat als Jurist angefangen, und wurde dann in den 1920-er Jahren zu einem der berühmtesten Astronomen der Welt.

michaelit hat geschrieben:bin ich nun ein Schmarotzer weil ich mir die Werkstattsarbeit für mich absolut nicht vorstellen kann? Da geht doch die Freiheit verschitt.
Moooment! — Ich habe dir nie unterstellt gesagt DU seist ein Schmarotzer!

Ich habe nur davor gewarnt, ein Leben als Aussteiger anzustreben, und vermerkt dass diese teilweise als Schmarotzer der Gesellschaft leben. Das ist Fakt!
Eine noch so reiche Gesellschaft kann sich nur eine begrenzte Zahl solcher Aussteiger leisten. Irgendwann geht das nicht mehr.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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