Göttliche Sexualität oder christliche Erotik

Leben in einer christlich geprägten Gesellschaft
Ehe & Familie, Partnerschaft & Sexualität, Abtreibung, Homosexualität
Benutzeravatar
Demian
Beiträge: 3533
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:09

#1 Göttliche Sexualität oder christliche Erotik

Beitrag von Demian » Mo 14. Jul 2014, 17:02

Die christliche Liebe umfasst alle Bereiche des Menschseins - somit auch die pure Leibhaftigkeit und Erotik - nur geht es um eine Verwandlung der eben auch sehr destruktiven Triebnatur in eine Göttliche Sexualität. Es geht - mit William Adolphe Bouguereau gesprochen - um die "Geburt der Venus"* (die Triebe werden durch die Erweckung der Liebesnatur veredelt, verfeinert und befreit und nicht unterdrückt!) Lesen wir das Hohelied der Liebe:

Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes; denn deine Liebe ist lieblicher als Wein.
3 Es riechen deine Salben köstlich; dein Name ist eine ausgeschüttete Salbe, darum lieben dich die Mädchen.
4 Zieh mich dir nach, so wollen wir laufen. Der König führte mich in seine Kammern. Wir wollen uns freuen und fröhlich sein über dich; wir preisen deine Liebe mehr als den Wein. Herzlich lieben sie dich.
(...)
9 Ich vergleiche dich, meine Freundin, einer Stute an den Wagen des Pharao.
10 Deine Wangen sind lieblich mit den Kettchen und dein Hals mit den Perlenschnüren.
11 Wir wollen dir goldene Kettchen machen mit kleinen silbernen Kugeln.
12 Als der König sich herwandte gab meine Narde ihren Duft:
13 Mein Freund ist mir ein Büschel Myrrhen, das zwischen meinen Brüsten hängt.
14 Mein Freund ist mir eine Traube von Zyperblumen in den Weingärten von Engedi.
15 Siehe, meine Freundin, du bist schön; schön bist du, deine Augen sind wie Taubenaugen.
16 Siehe mein Freund, du bist schön und lieblich. Unser Lager ist grün.


...

1 Ich bin eine Blume und eine Lilie im Tal.
2Wie eine Lilie unter den Dornen, so ist meine Freundin unter den Mädchen.
3Wie ein Apfelbaum unter den wilden Bäumen, so ist mein Freund unter den Jünglingen. Unter seinem Schatten zu sitzen, begehre ich, und seine Frucht ist meinem Gaumen süß.
4Er führt mich in den Weinkeller, und die Liebe ist sein Zeichen über mir.
5Er erquickt mich mit Traubenkuchen und labt mich mit Äpfeln, denn ich bin krank vor Liebe.
6Seine Linke liegt unter meinem Haupte, und seine Rechte herzt mich. -
7Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, bei den Gazellen oder den Hinden auf dem Felde, daß ihr die Liebe nicht aufweckt und nicht stört, bis es ihr selbst gefällt.
8Da ist die Stimme meines Freundes! Siehe, er kommt und hüpft über die Berge und springt über die Hügel.
9Mein Freund gleicht einer Gazelle oder einem jungen Hirsch. Siehe, er steht hinter unsrer Wand und blickt durchs Gitter.
10Mein Freund antwortet und spricht zu mir: Steh auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm her!
11Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist vorbei und dahin.
12Die Blumen sind aufgegangen im Lande, der Lenz ist herbeigekommen, und die Turteltaube läßt sich hören in unserm Lande.
13Der Feigenbaum hat Knoten gewonnen, und die Reben duften mit ihren Blüten. Steh auf, meine Freundin, und komm, meine Schöne, komm her!
14Meine Taube in den Felsklüften, im Versteck der Felswand, zeige mir deine Gestalt, laß mich hören deine Stimme; denn deine Stimme ist süß, und deine Gestalt ist lieblich.

*** Bild wegen fehlender Quellenangabe gelöscht. ***
Es genügt nicht, den Künstler anzugeben!

...
Zuletzt geändert von Demian am Mo 14. Jul 2014, 17:16, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
Demian
Beiträge: 3533
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:09

#2 Re: Göttliche Sexualität oder christliche Erotik

Beitrag von Demian » Mo 14. Jul 2014, 17:13

Wunderbare, liebevolle und sehr sinnliche Poesie, wie sie m.E. sogar mit den großen Gedichten der Surrealisten vergleichbar ist.

1Siehe, meine Freundin, du bist schön! Siehe, schön bist du! Deine Augen sind wie Taubenaugen hinter deinem Schleier. Dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die herabsteigen vom Gebirge Gilead.
2Deine Zähne sind wie eine Herde geschorener Schafe, die aus der Schwemme kommen; alle haben sie Zwillinge, und keines unter ihnen ist unfruchtbar.
3Deine Lippen sind wie eine scharlachfarbene Schnur, und dein Mund ist lieblich. Deine Schläfen sind hinter deinem Schleier wie eine Scheibe vom Granatapfel.
4Dein Hals ist wie der Turm Davids, mit Brustwehr gebaut, an der tausend Schilde hangen, lauter Schilde der Starken.
5Deine beiden Brüste sind wie junge Zwillinge von Gazellen, die unter Lilien weiden.
(...)
7Du bist wunderbar schön, meine Freundin, und kein Makel ist an dir.
(...)
9Du hast mir das Herz genommen, meine Schwester, liebe Braut, du hast mir das Herz genommen mit einem einzigen Blick deiner Augen, mit einer einzigen Kette an deinem Hals.
10Wie schön ist deine Liebe, meine Schwester, liebe Braut! Deine Liebe ist lieblicher als Wein, und der Geruch deiner Salben übertrifft alle Gewürze.
11Von deinen Lippen, meine Braut, träufelt Honigseim. Honig und Milch sind unter deiner Zunge, der Duft deiner Kleider ist wie der Duft des Libanon.
12Meine Schwester, liebe Braut, du bist ein verschlossener Garten, eine verschlossene Quelle, ein versiegelter Born.
13Du bist gewachsen wie ein Lustgarten, von Granatäpfeln mit edlen Früchten, Zyperblumen mit Narden,
14Narde und Safran, Kalmus und Zimt, mit allerlei Weihrauchsträuchern, Myrrhe und Aloe, mit allen feinen Gewürzen.
15Ein Gartenbrunnen bist du, ein Born lebendigen Wassers, das vom Libanon fließt.
16Steh auf, Nordwind, und komm, Südwind, und wehe durch meinen Garten, daß der Duft seiner Gewürze ströme! Mein Freund komme in seinen Garten und esse von seinen edlen Früchten. -


...

Vergleichen wir das Beispielsweise mit diesem Gedicht von Paul Celan:

Rembremerding
Beiträge: 2984
Registriert: So 18. Aug 2013, 16:16

#3 Re: Göttliche Sexualität oder christliche Erotik

Beitrag von Rembremerding » Mo 14. Jul 2014, 18:39

Danke @Demian, damit vollziehst Du nach, was Götzenverehrung bei den Völkern rund um die Israeliten und bei den Griechen bedeutete: Die Vergötzung der eigenen Wünsche, man nennt das auch Idolatrie.

Dabei schafft der Mensch aus seinen inneren Wünschen heraus einen Göttercharakter, der diesen Wünschen entspricht. Das war der Sündenfall des Menschen, der ihm von der Schlange angeboten wurde.
Jemand, der Macht will und Gewalt liebt, schafft sich einen Kriegsgott Mars. Jemand, der seine sexuellen Triebe seiner Herrschaft entlassen will, schafft sich einen Liebesgott (Bacchus, Venus) mit den entsprechenden Kulten mit Tempeldirnen und ungezügelter Sexualität "zur Ehre des Gottes". Im Götzendienst verliert man seine Freiheit, weil man sich seinen vergötterten Wünschen unterwirft.

Als Christ hat man aber nur den einen Gott und das Hohelied der Liebe erzählt von diesem Gott und seiner Liebe zu seiner Braut. Und die Liebe, die Gott gibt, bedeutet Freiheit.
Dieser katholische User ist hier dauerhaft inaktiv

Benutzeravatar
Demian
Beiträge: 3533
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:09

#4 Re: Göttliche Sexualität oder christliche Erotik

Beitrag von Demian » Mo 14. Jul 2014, 19:07

Rembremerding hat geschrieben:Danke @Demian, damit vollziehst Du nach, was Götzenverehrung bei den Völkern rund um die Israeliten und bei den Griechen bedeutete: Die Vergötzung der eigenen Wünsche, man nennt das auch Idolatrie.

Die Liebe umfasst das gesamte Leben und somit auch die Sexualität.

Als Christ hat man aber nur den einen Gott und das Hohelied der Liebe erzählt von diesem Gott und seiner Liebe zu seiner Braut. Und die Liebe, die Gott gibt, bedeutet Freiheit.

Das Hohelied der Liebe erzählt ganz klar von der göttlichen Liebe, die auch die Vereinigung von Mann und Frau beinhaltet. Nachfolge bedeutet eine Verwandlung des gesamten Menschen in diese Liebe, in dieses Bewusstsein der Liebe hinein. Das gesamte Leben wird dadurch veredelt und befreit.
Zuletzt geändert von Demian am Mo 14. Jul 2014, 21:20, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
Demian
Beiträge: 3533
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:09

#5 Re: Göttliche Sexualität oder christliche Erotik

Beitrag von Demian » Mo 14. Jul 2014, 19:34

Jemand, der Macht will und Gewalt liebt, schafft sich einen Kriegsgott Mars. Jemand, der seine sexuellen Triebe seiner Herrschaft entlassen will, schafft sich einen Liebesgott (Bacchus, Venus) mit den entsprechenden Kulten mit Tempeldirnen und ungezügelter Sexualität "zur Ehre des Gottes".

In dem Bild „The Birth of Venus“ von Bouguerau geht es gerade um die göttliche Erneuerung und Neuschöpfung des Menschen durch die Liebe. Die wahre Natur des Menschen verkörpert durch Nacktheit, geboren aus der puren Lebendigkeit der schäumenden Fluten. Das Meer repräsentiert das Göttliche, die Geburt des freien, schöpferischen Menschen aus dem. Ein Mensch der seine wahre Natur erkennt, erlebt selbst eine solche Verwandlung.

(...)
4 Du bist schön , meine Feundin, wie Tirza, lieblich wie Jerusalem, gewaltig wie eine Heer.
5Wende deine Augen von mir, denn sie verwirren mich. Deine Haare sind wie eine Herde Ziegen, die herabsteigen vom Gebirge Gilead.
(...) 10Wer ist sie, die hervorbricht wie die Morgenröte, schön wie der Mond, klar wie die Sonne, gewaltig wie ein Heer?
11Ich bin hinabgegangen in den Nußgarten, zu schauen die Knospen im Tal, tu schauen, ob der Weinstock sproßt, ob die Granatbäume blühen.
12Ohne daß ich's merkte, trieb mich mein Verlangen zu der Tochter eines Fürsten.
Zuletzt geändert von Demian am Mo 14. Jul 2014, 23:55, insgesamt 1-mal geändert.

Benutzeravatar
Janina
Beiträge: 7431
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:12

#6 Re: Göttliche Sexualität oder christliche Erotik

Beitrag von Janina » Mo 14. Jul 2014, 23:27

Rembremerding hat geschrieben:Jemand, der seine sexuellen Triebe seiner Herrschaft entlassen will, schafft sich einen Liebesgott (Bacchus, Venus) mit den entsprechenden Kulten mit Tempeldirnen und ungezügelter Sexualität "zur Ehre des Gottes". Im Götzendienst verliert man seine Freiheit, weil man sich seinen vergötterten Wünschen unterwirft.
Hör auf, ich werd noch ganz geil! :oops:

Demian hat geschrieben:Das Hohelied der Liebe erzählt ganz klar von der göttlichen Liebe, die auch die Vereinigung von Mann und Frau beinhaltet. Nachfolge bedeutet eine Verwandlung des gesamten Menschen in diese Liebe, in dieses Bewusstsein der Liebe hinein. Das gesamte Leben wird dadurch veredelt und befreit.
Wunderbar! :Herz:

Abischai
Beiträge: 3190
Registriert: Sa 27. Apr 2013, 14:25

#7 Re: Göttliche Sexualität oder christliche Erotik

Beitrag von Abischai » Di 15. Jul 2014, 16:08

Ich votiere für die Unterscheidung der Liebe in verschiedene Nuancen, wie das die Griechen in ihrer antiken Kultur versehentlich schon gemacht haben. Uns sind Fragmente diese Differenzierung erhalten geblieben, und zwar die Termini Eros, Agape, Philia und Stoika. Die Begriffe geben zwar nicht das wieder, was ursprünglich damit gemeint war, aber als abgrenzende Begriffe sind sie gut geeignet. Demian hat in seinem Eingangspost einwandfrei die "reine" Erotik im ursprünglichen Wortsinn beschrieben.

Man kann die Komponenten der Liebe nicht strikt abgrenzen, man kann sie ja nicht mal richtig verstehen.
Christen haben von dieser Vielfalt leider in Unkenntnis der Begrifflichkeit auch nur wenig Ahnung, was aber keine Eigenheit des Christentums ist, sondern weltweiter Irrtum der Menschheit. Christen sind auch nur Menschen.

Der religiöse Irrglaube vieler Kulturen brachte dann solche Blüten wie die Lehre von der reinen Erotik hervor, als ob das ginge.
Diese "reine" Erotik besagt ungefähr, daß der Mensch durch hohes Ausleben seiner Sexualität ein besserer Mensch werde und somit Gott näher käme. Das ist typisch religiös (im negativen Sinne).
Daß wir jedoch alle erotische Wesen sind, wagen die einen beschämt nicht zu zugeben, die anderen prahlen damit, und beide wissen nicht, wovon sie da eigentlich reden.
Ich kenne keinen Menschen, der nicht "stoisch", "agapisch", "erotisch" und "philisch" liebt. Sobald man nicht allein ist, kann man sich gar nicht anders sozial verhalten, sofern man den anderen nicht abgrundtief verachtet.
Die Wichtung der Einzelkomponenten, was von den genannten (angenommenen) Partikeln der Liebe nun überwiegt, das unterscheidet die Menschen in z.B. "Mutter Theresa" und "Gina Wilde", na und noch so manch anderen Typus.
Meine Hilfe kommt von Jahweh, der Himmel und Erde gemacht hat. [Ps 121;2]

Benutzeravatar
Demian
Beiträge: 3533
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:09

#8 Re: Göttliche Sexualität oder christliche Erotik

Beitrag von Demian » Mi 16. Jul 2014, 07:33

Abischai hat geschrieben:Diese "reine" Erotik besagt ungefähr, daß der Mensch durch hohes Ausleben seiner Sexualität ein besserer Mensch werde und somit Gott näher käme. Das ist typisch religiös (im negativen Sinne).

Der Mensch wird durch ein BEWUSSTES Leben ein besserer Mensch: "Die Triebe werden durch die Erweckung der Liebesnatur veredelt, verfeinert und befreit und nicht unterdrückt!" ;) dann kann alles zum Gebet und zur Meditation werden.

Benutzeravatar
Janina
Beiträge: 7431
Registriert: Mo 15. Apr 2013, 23:12

#9 Re: Göttliche Sexualität oder christliche Erotik

Beitrag von Janina » Mi 16. Jul 2014, 07:50

Abischai hat geschrieben:Das ist typisch religiös (im negativen Sinne).
Klingt sehr seltsam für einen Vorwurf.

Abischai
Beiträge: 3190
Registriert: Sa 27. Apr 2013, 14:25

#10 Re: Göttliche Sexualität oder christliche Erotik

Beitrag von Abischai » Mi 16. Jul 2014, 08:12

Wieso das?
Ist Dir noch nicht aufgefallen, daß im christlichen Vokabular "religiös" als negativ besetzt gilt? Säkular wird der christliche Glaube und das Drumherum zwar ebenfalls als Religion bezeichnet, ist es aus unserer Sicht aber gar nicht. Als religiös bezeichnet man alles eigene Bestreben, sich Gott in Eigeninitiative zu nahen, wie man das in durchweg allen Religionen sehen kann. Und hier besteht zum christlichen Glauben ein fundamentaler Unterschied, weil der nicht auf menschlichem Zutun basiert, sondern ausschließlich auf der Initiative Gottes selbst.

Der Einfachheit halber kann man also beim Vergleich der Religionen auch von der christlichen Religion sprechen, der Begriff ist aber eigentlich nicht korrekt angewendet.
Religiös bedeutet den gesetzlichen Teil, also "Gesetzlichkeit", was wiederum ein Terminus ist, hinter dem sich das eigenwillige Erlösungsbestreben des Menschen verschanzt, durch das Halten von Gesetzen gerecht zu werden, was die Bibel aber konsequent verneint. Man darf das nun nicht mit der Aufforderung zur Gesetzlosigkeit verwechseln! Es ist eben ein nicht ganz einfach zu differenzierender Terminus.

Religion ist ein moderner, außerbiblischer Begriff, während "Gesetz" ein antiker biblischer Begriff ist.

Religion = Gesetzlichkeit, also die Überzeugung durch das Einhalten der Gesetze sündfrei zu werden.

(Wassertrinken ist gut, sich aber einzureden daß man durch Wassertrinken ein besserer Mensch sei, ist schlecht.)
Meine Hilfe kommt von Jahweh, der Himmel und Erde gemacht hat. [Ps 121;2]

Antworten