Warum diskutieren Atheisten etc. mit gläubigen Christen?

Leben in einer christlich geprägten Gesellschaft
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Samantha

#1 Warum diskutieren Atheisten etc. mit gläubigen Christen?

Beitrag von Samantha » Di 1. Jul 2014, 11:51

Seltsamerweise tummeln sich in Religionsforen oft auch Menschen, die Gott ablehnen bzw. nicht an ihn glauben. Warum ist dies so? Eine Diskussion artet oft in Streiterei aus, weil beide Parteien nicht imstande oder willens sind, sich in den anderen hineinzuversetzen. Bei den Extremen „ Gott oder Wissenschaft“ gibt es kaum Überschneidungen – entweder weil die Bibel oft zu wörtlich genommen wird oder weil die Wissenschaft eindeutige Beweise verlangt. Da es aber so viel Unerklärliches gibt und der Mensch von Natur aus neugierig ist, befasst er sich auch mit Religion, immer wieder …

Vielleicht wollen einige „streitsüchtige“ Atheisten den Gläubigen den Mund stopfen, damit sie sie entlarven können als Spinner. Sie wollen das Thema Gott einfach nur verdrängen oder "erledigen" und sind nicht bereit, sich ernsthaft mit dem Thema Glaube zu befassen. Andere wieder akzeptieren nur Beweise, weil sie Unsicherheiten hassen und andere vor Manipulation schützen wollen. Vielleicht suchen manche aber auch nach Antworten, ohne es zu wissen. Tja, wie auch immer … es wird gestritten, beleidigt, und es scheint kaum eine gemeinsame Ebene oder ein Verstehen zu geben.

Oft gab es aber auch mal eine andere Situation: vielleicht war mal jemand in einer Religion gefangen und wurde enttäuscht oder extrem eingeengt, oder andere Religiöse haben sich heuchlerisch verhalten oder haben weder Verständnis noch Vernunft gezeigt. Wollen manche auf diese Weise, etwas verarbeiten, indem sie angreifen, um auf diese Weise eine Reaktion zu erzwingen? Soll dieses Verhalten bei der Verarbeitung gewisser Probleme helfen?

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#2 Re: Warum diskutieren Atheisten etc. mit gläubigen Christen?

Beitrag von Scrypton » Di 1. Jul 2014, 11:57

Samantha hat geschrieben:Seltsamerweise tummeln sich in Religionsforen oft auch Menschen, die Gott ablehnen bzw. nicht an ihn glauben. Warum ist dies so?
Warum nicht?
Es gibt naturwissenschaftliche Foren, in denen tummeln sich auch immer wieder Theisten dazu...

Die Frage also sollte sein: Warum diskutieren Atheisten mit Gläubigen und umgekehrt?

Nun; warum nicht?
Ab und zu, wenn auch selten, kommt es sogar vor, dass sich ein gläubiger Naturwissenschaftler einbringt. Zwei von dir dargelegte Gegensätze in einer Person, auch das gibt es, wenn auch solche die vermeindlichen Gegensätze wunderbar unter einen Hut bringen.

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#3 Re: Warum diskutieren Atheisten etc. mit gläubigen Christen?

Beitrag von Pluto » Di 1. Jul 2014, 13:07

Samantha hat geschrieben:Seltsamerweise tummeln sich in Religionsforen oft auch Menschen, die Gott ablehnen bzw. nicht an ihn glauben. Warum ist dies so?
Keine einfache Frage, aber ich versuchs mal...

Kommunikation ist für die meisten Menschen sehr wichtig. Wir lieben Diskussionen, vor allem wenn unterschiedliche Meinungen aufeinader prallen. "Wer anders denkt als ich, dem werde ichs schon zeigen!", oder so ähnlich. ;)
In der heutigen Zeit gibt es wenige Themen wo praktisch Jedermann mitreden kann; Religion/Glaube ist eines der spannendsten Diskussionsthemen dieser Art, die ich kenne. Hinzu kommt vielleicht die Neugierde mit Andersdenkenden zusammen zu kommen, um sie zu verstehen. Man muss ja nicht immer gleich mit der ad hominem Keule kommen!

Samantha hat geschrieben:Eine Diskussion artet oft in Streiterei aus, weil beide Parteien nicht imstande oder willens sind, sich in den anderen hineinzuversetzen.
Ich finde solche Diskussionen sehr spannend, und sie müssen ja nicht in Streit ausarten. Das tun sie erst, wenn Jemand keinen Respekt vor der Meinung des Gesprächspartners hat, oder über ihn Macht ausüben will; also seine eigene Überzeugung dem anderen aufzudrücken versucht.
Das ist übrigens auch die Wurzel allen missionarischen Denkens — eine IMO falsche Motivation.

Samantha hat geschrieben:Bei den Extremen „ Gott oder Wissenschaft“ gibt es kaum Überschneidungen – entweder weil die Bibel oft zu wörtlich genommen wird oder weil die Wissenschaft eindeutige Beweise verlangt.
Du hast da völlig Recht: Wissenschaft und Religion haben kaum Gemeinsamkeiten.
Allerdings erheben Beide den Anspruch dieselben großen Fragen der Welt beantworten zu können: "Woher kommen wir?" und "Wohin gehen wir?
Wenn dann Beide versuchen auf unterschiedliche Weise die Fragen zu beantworten, ist der Eklat vorprogrammiert. Die Frage ist nicht wie wir Meinungsverschiedenheiten aus der Welt schaffen, sondern wie man mit ihnen umgeht.

Die Wissenschaft hat sich in den letzten 50-60 Jahren stark zurückgezogen. Sie hält sich heute strikt an die Vorgaben des ontologischen Naturalismus, die besagt, dass das Transzendente keine überprüfbare Vorhersagen machen kann. Damit ist Transzendenz nicht falsifizierbar, und führt zu keinem Erkenntniszuwachs. Die Wissenschaft zieht sich also zurück, in dem sie auf Kommentare über metaphysische Fragen verzichtet.
Samantha hat geschrieben:Vielleicht wollen einige „streitsüchtige“ Atheisten den Gläubigen den Mund stopfen, damit sie sie entlarven können als Spinner.
Da muss ich dir absolut Recht geben: Das ist sicher ein Motiv für viele "harten" Atheisten. Solche Leute kann man getrost in einen Sack mit den religiösen Extremisten (Islamisten oder auch radikale Christen) packen. Das ist mehr eine Charakterfrage als eine Frage des Weltbilds.
Samantha hat geschrieben:Andere wieder akzeptieren nur Beweise, weil sie Unsicherheiten hassen und andere vor Manipulation schützen wollen.
Ja es sieht oft so aus, nicht wahr?
Letztendlich beruht aber all unser (angebliches) Wissen auf Argumentationsketten die entweder in unendliche Regresse oder Zirkelschlüsse enden. Diese muss man mit einer Behauptung abschließen, die dann sehr schnell zu einem Dogma zu werden droht. Die Wissenschaft hat hier einen genialen "Trick" entwickelt um dogmatische Behauptungen am Ende einer Beweiskette zu umgehen. Diesen Trick bezeichnet man in der Fachsprache als kritischen Rationalismus (s. Popper). Er fordert ausnahmslos als Abschluss einer Argumentationskette falsifizierbare Beobachtungen, mit der Begründung, dass nur solche Beobachtungen einen Zuwachs an Erkenntnis ermöglichen.
Hier schließt sich der Kreis wieder, denn in der Metaphysik kann man keine falsifizierbaren Vorhersagen machen. Daher werden von der Wissenschaft solche Erfahrungen/Erlebnisse einfach ausgeklammert.
Samantha hat geschrieben:Tja, wie auch immer … es wird gestritten, beleidigt, und es scheint kaum eine gemeinsame Ebene oder ein Verstehen zu geben.
Das ist doch menschlich!
Wenn Jemand sein Weltbild erst mal verinnerlicht hat, kann man ihn nicht so schnell davon abbringen. Bestenfalls kann man hoffen, mit sauberer Argumentation den anderen in Detailfragen umzustimmen. Leider arten die Gespräche (wie wir gesehen haben) manchmal in Streit aus, aber das muss nicht sein, wenn sich jeder diszipliniert verhält. Es ist IMO auch keine Schande sich aus einer Diskussion zurückziehen, wenn einem das "Pflaster zu Heiß wird" und man erkennt, dass der andere stur auf seiner Meinung beharrt.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

Samantha

#4 Re: Warum diskutieren Atheisten etc. mit gläubigen Christen?

Beitrag von Samantha » Di 1. Jul 2014, 14:00

Darkside hat geschrieben:Ab und zu, wenn auch selten, kommt es sogar vor, dass sich ein gläubiger Naturwissenschaftler einbringt. Zwei von dir dargelegte Gegensätze in einer Person, auch das gibt es, wenn auch solche die vermeindlichen Gegensätze wunderbar unter einen Hut bringen.
Das bezweifle ich. Wenn ein Naturwissenschaftler gläubig ist, dann sicherlich nicht auf fanatischer Ebene. Er wird vielleicht einen Gott für möglich halten, aber kaum die Bibel im Ganzen akzeptieren oder vielleicht auch leicht zweifeln. Mir ist ein kritischer Wissenschaftler lieber, als der, der tief gläubig ist, weil er sich begrenzt und dadurch kaum ein guter Wissenschaftler sein kann. Es gibt da sehr wenige Ausnahmen, die wirklich offen für alles sind.

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#5 Re: Warum diskutieren Atheisten etc. mit gläubigen Christen?

Beitrag von Pluto » Di 1. Jul 2014, 14:10

Samantha hat geschrieben:
Darkside hat geschrieben:Ab und zu, wenn auch selten, kommt es sogar vor, dass sich ein gläubiger Naturwissenschaftler einbringt. Zwei von dir dargelegte Gegensätze in einer Person, auch das gibt es, wenn auch solche die vermeindlichen Gegensätze wunderbar unter einen Hut bringen.
Das bezweifle ich.
Zu Unrecht, denn es gibt sie — da kann ich nur Darkside bestätigen.
Wenn ich mich nicht irre, haben wir hier im Forum auch welche... z. Bsp. ThomasM.
Mein Lieblingsbeispiel ist Prof. Francis Collins, der ehemalige Leiter des "Human Genome Project" und heutiger Chef des NIH, der amerikanischen Gesundheitsbehörde. Collins ist zugleich Genetiker und bekennender wiedergeborener Christ.

Samantha hat geschrieben:Wenn ein Naturwissenschaftler gläubig ist, dann sicherlich nicht auf fanatischer Ebene.
Stimmt. Das passt irgendwie nicht zusammen. :)
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#6 Re: Warum diskutieren Atheisten etc. mit gläubigen Christen?

Beitrag von Scrypton » Di 1. Jul 2014, 14:22

Samantha hat geschrieben:
Darkside hat geschrieben:Ab und zu, wenn auch selten, kommt es sogar vor, dass sich ein gläubiger Naturwissenschaftler einbringt. Zwei von dir dargelegte Gegensätze in einer Person, auch das gibt es, wenn auch solche die vermeindlichen Gegensätze wunderbar unter einen Hut bringen.
Das bezweifle ich.
Das macht nichts, denn es ist trotzdem so.
Und so sehr du es auch weiterhin bezweifeln willst; es ist dennoch so! ;)

Samantha hat geschrieben:Er wird vielleicht einen Gott für möglich halten, aber kaum die Bibel im Ganzen akzeptieren oder vielleicht auch leicht zweifeln.
Falsch!
Bestes Beispiel war/ist unser alter "Nick" (zuletzt "Physiker") aus dem "Neben-Forum". Oder Thomas von hier, wobei ersteres Beispiel wohl besser ist wie ich finde.


Samantha hat geschrieben:Es gibt da sehr wenige Ausnahmen, die wirklich offen für alles sind.
Nun, auch Ausnahmen gibt es.
Daher ja mein Einstieg mit "Ab und zu, wenn auch selten"... ^_-

Samantha

#7 Re: Warum diskutieren Atheisten etc. mit gläubigen Christen?

Beitrag von Samantha » Di 1. Jul 2014, 15:57

@Pluto
Ich sprach ja von Ausnahmen. Außerdem kann man Wissenschaft und Religon nicht wirklich unter einen Hut bringen - man muss immer Abstriche machen. Das heißt aber nicht, dass Wissenschaftler nicht an Gott glauben können.

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#8 Re: Warum diskutieren Atheisten etc. mit gläubigen Christen?

Beitrag von closs » Di 1. Jul 2014, 15:58

Samantha hat geschrieben:Seltsamerweise tummeln sich in Religionsforen oft auch Menschen, die Gott ablehnen bzw. nicht an ihn glauben. Warum ist dies so?
Das kann zwei vollkommen unterschiedliche Gründe haben:

1) Auch der Atheist spürt irgendwo, dass Atheismus nicht alles sein kann. Dieses Spüren mag man damit begründen, dass sich das Wesen des Menschen nicht dadurch ändert, auch wenn man Meinungen verträte, die nicht mit dem Wesen des
Menschen kompatibel wären.

2) Sowohl Atheisten als auch Gläubige empfinden sich der jeweils anderen Seite geistig überlegen - wobei sich diese empfundene Überlegenheit offensiv oder defensiv darstellen kann.

Begründet ist all dies in den verschiedenen Denksystemen, die den unterschiedlichen Haltungen zugrundeliegen. Jedes dieser Denksysteme arbeitet mit Grundlagen, die gesetzt werden und auf denen man jeweils logisch widerspruchsfreie Schlussfolgerungen ziehen kann. Und so lebt jeder in seiner Welt.

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#9 Re: Warum diskutieren Atheisten etc. mit gläubigen Christen?

Beitrag von Scrypton » Di 1. Jul 2014, 16:01

Samantha hat geschrieben:Außerdem kann man Wissenschaft und Religon nicht wirklich unter einen Hut bringen
Doch, kann man.
Beispiele von mir (bzw. Pluto) bestätigen das - und entkräften deine Aussage. Wieder einmal. :)

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#10 Re: Warum diskutieren Atheisten etc. mit gläubigen Christen?

Beitrag von closs » Di 1. Jul 2014, 16:13

Darkside hat geschrieben:Doch, kann man. Beispiele von mir (bzw. Pluto) bestätigen das - und entkräften deine Aussage.
Welche Beispiele?

Aus meiner Sicht kann man Wissenschaft und Religion nur durch dialektische Aufhebung unter einen Hut bringen - aber NICHT auf EINER Ebene.

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