atheistischer Satanismus

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Tyrion
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#1 atheistischer Satanismus

Beitrag von Tyrion » So 27. Nov 2016, 16:28

Ich fasse mal ein heißes Eisen an. Da man hier offen über jede Religion diskutieren kann, dann auch sicher über Satanismus im weitesten Sinne.

Vorweg als Disclaimer: Ich selbst bin Atheist, aber kein atheistischer Satanist, geschweige denn überhaupt Satanist (edit: hier stand "Atheist" - man sollte beim Schreiben auch denken, nur schreibe ich das Wort "Satanist" so selten, das geht nichtso leicht von der Hand). Mir kam die Idee zu diesen Thread über die aktuelle Diskussion über Evolution.

Da ich eben kein Satanist bin, interpretiere ich vermutlich den atheistischen Satanismus falsch. ich versuche es dennoch (und dann kommt meine Fragestellung).

Anton Szandor LaVey, Gründer der Church of Satan, gab sich selbst als Atheist aus. Gott - inwelcher Form auch immer - existiert nicht. Den Begriff Satanismus hat er vermutlich gewählt, weil er einerseits damit Publicity bekam, es provozierend war, er aber zudem das Christentum ablehnte und sich gegen deren Gebote und Regeln auflehnte. Es gibt also doch einen Antichristlichen Bezug, aber nicht zu einem realen Gott/Jesus, sondernin Bezug auf die Menschen, die daran glauben.

LaVay sieht, wie ich ihn verstehe, in der Natur, in der Evolution, in dem Wettstreit (Variabilität und Selektion) ein Naturprinzip. Dieses Naturprinzip hat in der Evolutionsdiskussion auch Roland zusammengefasst und festgestellt, dass das nicht zu Gott passt (und stellt daher das Naturprinzip in Frage). LaVay nennt dieses Prinzip "Satan".

Ich habe die Satanische Bibel noch nicht gelesen (bzw. nur Auszüge daraus). Die Informationen habe ich aus Wikipedia genommen (alles, was hier kursiv ist, stammt aus den Wikipedia-Artikeln über LaVey bzw. die Church of Satan).

Er stellt in seiner "Satanischen Bibel" neun Prinzipien auf, die einem das Überleben in einer evolutioinsgesteuerten, gottlosen Welt erleichtern sollen:


Satan bedeutet Sinnesfreude statt Abstinenz.
Satan bedeutet Lebenskraft statt Hirngespinste.
Satan bedeutet unverfälschte Weisheit statt heuchlerischem Selbstbetrug.
Satan bedeutet Güte gegenüber denen, die sie verdienen, statt Liebe an Undankbare.
Satan bedeutet Rache statt Hinhalten der anderen Wange.
Satan bedeutet Verantwortung für die Verantwortungsbewussten statt Fürsorge für psychische Vampire.
Satan bedeutet, dass der Mensch lediglich ein Tier unter anderen Tieren ist, manchmal besser, häufig jedoch schlechter als die Vierbeiner, da er auf Grund seiner „göttlichen, geistigen und intellektuellen Entwicklung“ zum bösartigsten aller Tiere geworden ist.
Satan bedeutet alle sogenannten Sünden, denn sie alle führen zu physischer, geistiger und emotionaler Erfüllung.
Satan ist der beste Freund, den die Kirche jemals gehabt hat, denn er hat sie die ganzen Jahre am Leben erhalten.


Gut, ich erkenne hier seine Ablehnung der christlichen Kultur der USA der 60er Jahre. Immerhin nennt er die Kirche explizit im neunten Prinzip. Das siebte Prinzip würde ich sogar unterschreiben. Wir sind das gefährlichste Raubtier dieses Planeten. Nun gut... Rache hingegen fnde ich schwach, unnötig, dumm.

Es werden noch neun satanische Sünden benannt:

1. Dummheit
2. Anmaßung
3. Solipsismus
4. Selbsttäuschung
5. Zugehörigkeit zur Herde
6. Mangel an Perspektiven
7. Vergesslichkeit gegenüber früheren Grundsätzen
8. Kontraproduktiver Stolz
9. Mangel an Ästhetik


Und dann kommt das, mit dem ich Probleme habe - seine elf Regeln:


1. Gib deine Meinung oder Ratschläge nicht preis, außer du wurdest gefragt.
2. Berichte anderen nicht von deinen Sorgen, es sei denn, du bist dir sicher, dass sie sie hören wollen.
3. Wenn du dich in den Räumlichkeiten eines anderen aufhältst, erweise ihm Respekt oder geh nicht dort hin.
4. Wenn dich ein Gast in deinen Räumlichkeiten belästigt, behandle ihn grausam und ohne Gnade.
5. Starte keine sexuellen Annäherungsversuche, außer du bekommst ein Signal dazu.
6. Nimm nichts an dich, was dir nicht gehört, es sei denn, es ist eine Bürde für die andere Person und sie schreit danach, davon erlöst zu werden.
7. Respektiere die Kraft der Magie, wenn du sie erfolgreich eingesetzt hast, um deine Wünsche zu erfüllen. Wenn du die Kraft der Magie abstreitest, nachdem du sie erfolgreich angerufen hast, wirst du alles verlieren, was du hast.
8. Beschwere dich über nichts, dem du dich nicht aussetzen musst.
9. Verletze keine kleinen Kinder.
10. Töte keine nicht-menschlichen Tiere, solange du nicht angegriffen wirst oder Essen brauchst.
11. Wenn du in offenem Gelände unterwegs bist, belästige niemanden. Wenn dich jemand belästigt, fordere ihn dazu auf, dies zu unterlassen. Wenn er nicht damit aufhört, vernichte ihn.


Nun, gegen die erste Regel verstoße ich ständig *hüstel*. Regel 3 halte ich für selbstverständlich. Regel 6 finde ich sehr fragwürdig, denn wer kann das entscheiden. Regel 10 wird jeden Tierschützer freuen.
Probleme habe ich mit dem Fettgedruckten. Insbesondere Regel 11, zweite Hälfte.

Ich habe eine Person kennengelernt, die Mitglied in der Church of Satan ist. Dass mir die Person sehr unsympathisch war, spielt dabei keine Rolle - es ist nur eine Person. Mir kam dessen Weltbild sehr sozialdarwinistisch vor. Zudem schwang ein Elitendenken mit "nicht Teil der Herde, nicht blind und dumm, sondern weise und sehend, selbstbestimmend".

Ich persönlich finde es ehrlich gesagt lächerlich, dass LaVey für seine Philosphie den Namen Satanismus verwendet. Hier sehe ich zudem ein Paradoxon. Gäbe es den Teufel tatsächlich und er würde LaVey lenken, dann wäre es schlauer, nicht den Namen Satanismus zu verwenden, denn der schreckt ja ab. Gibt es aber Satan nicht, dann wäre diese Form des "Satanismus" frei von Satan, also nicht unbedingt schlecht.
LaVey nehme ich den Atheismus nicht wirklich ab, zumal er Beschwörungsrituale beschreibt. Er sagt zwar selbst, dass er die Beschwörung an sich als Aberglaube sieht, sie aber dem Mensch selbst dient, sich frei zu machen.

LaVey sucht meines Erachtens nach einem göttlichen Prinzip in der Natur und findet dieses in der Evolution. Er will das aber nicht zugeben und nennt sich daher Atheist. Er benennt aber das Naturprinzip als Satan. Damit ist er für mich ähnlich zu bewerten, wie Menschen, die anb Evolution glauben, aber ein göttliches Prinzip in Form von verstecktem ID sehen. Nur ist LaVey so gegen das Christentum eingestellt, dass er seine Naturreligion (ich nenne es mal so) zugleich antikirchlich ausrichtet (an Satan als Person und an Jesus als Person oder Gott als Person glaubt er ja nicht). Wegen der ersten Regel ist es schwer, an Mitglieder heranzukommen, denn sie outen sich nicht.

So, jetzt zum Diskussionsansatz - wie seht ihr das? Hätte LaVey seine Religion nicht als Satanismus bezeichnet und seine Bibel als "Naturalistische Bibel", würde das einen Unterschied machen?
Hat LaVey's Church of Satan wirklich mit Satan in der christlichen Sicht zu tun? Wäre Evolution dann das Werk Satans? Oder ist LaVey nur ein "durchgeknallter" Sozialdarwinist mit einem traumatischen Verhältnis zur Kirche?

Gilt für euch auch hier das verfassungsrechtliche Recht auf freie Religionsausübung? Ist für euch LaVeys Kirche "böse"? Oderist es auch hier so, dass diese Religion gute inhalte transportiert, man aber auch die eine oder andere Kröte schlucken muss? Sind die Worte "vernichte ihn" wortwörtlich zu nehmen? Oder ist es übertragen gemeint?

Ich weiß, dass es schwer sein wird, darauf zu antworten, da strenge Christen ja kaum die Satanische Bibel lesen wollen, um fundiert mitzureden (habe ich ja auch noch nicht). Aber die Frage, ob man die Regeln der Natur Satan zuordnen kann, ist vielleicht interessant und diskutabel. Denn wenn Gott so gütig ist, warum istz es die Schöpfung nicht? Hat LaVey abgesehen von seinem Atheismus auch aus christlicher Warte betrachtet Recht? Hat er sich nur der falschen Seite zugewandt?

LaVey selbst sagt, dass seine "Religion" komplett auf der Philosophie von Ayn Rand aufbaut und nur durch ein paar Zeremonien und Rituale ausgeschmückt wurde.

Ist die Church of Satan gefährlich? Oder nur einer der vielen Auswüchse er Hippiegesellschaft?

Und keine Sorge, ich überlege nicht, dort mitzumachen. Ich bin weder Theist, noch Satanist, auch kein atheistischer Satanist, sondern Atheist pur.

Ach ja, letzte Frage - kann es das überhaupt geben, einen atheistischen Satanismus?

Fragen über Fragen...

Ich selbst bin auch voreingenommen, da ich eben
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#2 Re: atheistischer Satanismus

Beitrag von lovetrail » So 27. Nov 2016, 16:37

Tyrion hat geschrieben: Ach ja, letzte Frage - kann es das überhaupt geben, einen atheistischen Satanismus?

Meine Erfahrung dazu ist, dass Satanismus oft doppelt gemoppelt ist. Nach aussen hin wird etwas anderes vertreten, als im inneren Kreis.
Die "dumme Welt" anzulügen ist da kein Problem. (denn "sie hat es halt nicht besser verdient, wenn sie so dumm ist").


Es dreht sich also dabei mW viel um Maskerade...

LG
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#3 Re: atheistischer Satanismus

Beitrag von Tyrion » So 27. Nov 2016, 16:39

Hallo lovetrail,

das ist natürlich gut möglich. Der eine (wie gesagt, nicht repräsentativ) Vertreter der CoS, den ich mal kennegelrent habe, kam sich sehr als etwas "Besseres", etwas "Besonderes" vor. Würde dazu zumindest passen

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#4 Re: atheistischer Satanismus

Beitrag von lovetrail » So 27. Nov 2016, 17:03

Tyrion hat geschrieben:Hallo lovetrail,

das ist natürlich gut möglich. Der eine (wie gesagt, nicht repräsentativ) Vertreter der CoS, den ich mal kennegelrent habe, kam sich sehr als etwas "Besseres", etwas "Besonderes" vor. Würde dazu zumindest passen
Hallo Tyrion!

Es mag natürlich auch solche geben, die das mehr philosophisch als Emanzipation und Selbstbestimmung verstehen.

Satanismus wurde auf diese Weise gesellschaftsfähig und sogar hip. (vgl. Rolling Stones "Sympathy for the devil"). Von La Vey wird berichtet, dass er im inneren Kreis aber schon den Teufel angebetet hätte (und auch an ihn geglaubt hat).

Was mir bei der Evolutionstheorie verdächtig satanisch erscheint, ist dieses Konzept der Entwicklung aus einem Fehler (Mutation) einerseits und die natürliche Selektion des Fitteren (Angepassteren) andererseits.

Im Christentum geschieht hingegen die Erkösung durch das "fehlerlose Lamm", welches nicht durch Anpassung überlebt, sondern auf Grund seiner Inkompatibilität hingrichtet und von Gott wieder auferweckt wird. (Auch wenn du nicht daran glauben magst, so beachte die unterschiedlichen Konzepte).

LG
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#5 Re: atheistischer Satanismus

Beitrag von Pluto » So 27. Nov 2016, 18:01

Tyrion hat geschrieben:Mir kam die Idee zu diesen Thread über die aktuelle Diskussion über Evolution.
Ein schönes Thema. Danke!

Tyrion hat geschrieben:LaVay sieht, wie ich ihn verstehe, in der Natur, in der Evolution, in dem Wettstreit (Variabilität und Selektion) ein Naturprinzip. Dieses Naturprinzip hat in der Evolutionsdiskussion auch Roland zusammengefasst und festgestellt, dass das nicht zu Gott passt (und stellt daher das Naturprinzip in Frage).
LaVay nennt dieses Prinzip "Satan".
Dem Prinzip der Evolution kann ich zustimmen.
Aber satanisch würde ich es nicht nennen. Evolution ist eher pragmatisch.

Tyrion hat geschrieben:Ich habe eine Person kennengelernt, die Mitglied in der Church of Satan ist. Dass mir die Person sehr unsympathisch war, spielt dabei keine Rolle - es ist nur eine Person. Mir kam dessen Weltbild sehr sozialdarwinistisch vor. Zudem schwang ein Elitendenken mit "nicht Teil der Herde, nicht blind und dumm, sondern weise und sehend, selbstbestimmend".
Ja. Sozialdarwinistisch ist eine sehr gute Bezeichnung dafür. Das haben die Herren im Dritten Reich schon ausprobiert. Wohin das führte, lehrt uns die Geschichte.

Tyrion hat geschrieben:Ich persönlich finde es ehrlich gesagt lächerlich, dass LaVey für seine Philosphie den Namen Satanismus verwendet. Hier sehe ich zudem ein Paradoxon. Gäbe es den Teufel tatsächlich und er würde LaVey lenken, dann wäre es schlauer, nicht den Namen Satanismus zu verwenden, denn der schreckt ja ab. Gibt es aber Satan nicht, dann wäre diese Form des "Satanismus" frei von Satan, also nicht unbedingt schlecht.
Ein solches Weltbild gibt es schon. Man könnte es einen extremistischen Okkultismus mit schrägem sozial-darwinistischem Einschlag nennen.

Tyrion hat geschrieben:LaVey nehme ich den Atheismus nicht wirklich ab, zumal er Beschwörungsrituale beschreibt. Er sagt zwar selbst, dass er die Beschwörung an sich als Aberglaube sieht, sie aber dem Mensch selbst dient, sich frei zu machen.
Ich kannte LaVay bisher nicht.
Seine Ansichten ähneln denen der Thelema von Aleistair Crowley: "Tu was du willst, ist das ganze Gesetz."

Tyrion hat geschrieben:LaVey sucht meines Erachtens nach einem göttlichen Prinzip in der Natur und findet dieses in der Evolution. Er will das aber nicht zugeben und nennt sich daher Atheist.
Ja. Er scheint mir aber ein Extremist zu sein, ganz nach dem Muster von Crowley.

Mir sagt die eher zurückhaltende Form des Atheismus eines Spinoza zu (deus sive natura). Gott und Natur sind nach Spinoza austauschbare Begriffe.

Tyrion hat geschrieben:So, jetzt zum Diskussionsansatz - wie seht ihr das? Hätte LaVey seine Religion nicht als Satanismus bezeichnet und seine Bibel als "Naturalistische Bibel", würde das einen Unterschied machen?
Nicht wirklich, denn er scheint mir ein Extremist zu sein. Wie du weiter unten sagst, ein "durchgeknallter Sozialdarwinist"

Tyrion hat geschrieben:Gilt für euch auch hier das verfassungsrechtliche Recht auf freie Religionsausübung? Ist für euch LaVeys Kirche "böse"? Oderist es auch hier so, dass diese Religion gute inhalte transportiert, man aber auch die eine oder andere Kröte schlucken muss? Sind die Worte "vernichte ihn" wortwörtlich zu nehmen? Oder ist es übertragen gemeint?
So weit würde ich nicht gehen.
Natürlich gilt die Glaubensfreiheit, aber LaVey halte ich für einen Spinner. Er geht mir entschieden zu weit.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#6 Re: atheistischer Satanismus

Beitrag von Tyrion » So 27. Nov 2016, 21:39

Lieber Pluto,

ja, Crowley hat sicherlich LaVey beeinflusst. Aber diejenigen, die sich mehr Crowleys Gedankenwelt identifiziert hatten, haben sich als Temple of Set von der Church of Satan abgetrennt. Von denen hört man auch wenig bis nichts, was mit dem Geheimbundcharakter zu tun haben dürfte.

Crowley selbst war als Kind offenbar Opfer seines extrem religiösen Vaters. Er muss sehr darunter gelitten haben, was ihn dazu bewog, eine Gegenrichtung einzuschlagen. Meines Wissens hatte Crowley - vor allem im Alter - eher Angst vor Dämonen, als diese anzubeten. Ich sehe in ihm ein Opfer übertriebener "christlicher Härte" in seiner Kindheit. Nicht von ungefähr hat er als junger Erwachsener erstmal die ultimative Freiheit als Extrembergsteiger gesucht.

Interessant finde ich, dass die "Hexe", die ich kenne, nur ungern mit dem Crowley-Tarot arbeitet, weil sie dieses als sehr mächtig und potentiell gefährlich ansieht. Für mich ist das alles Hokuspokus und Humbug. Ich vermute, dass sie, da sie ja an Magie glaubt, nichts mit bösen Mächten oder Geistern zu tun haben möchte. Und Crowley ist ihr wohl zu düster. Ich sehe die Gefahr eher, dass man über den Okkultismus den Bezug zur Realität verliert und beginnt, an übersinnliche Geister zu glauben und so auch offen für Sekten etc. wird.

Kuckuck
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#7 Re: atheistischer Satanismus

Beitrag von Kuckuck » Di 29. Nov 2016, 20:49

Guten Abend,
warum will eine Strömung den Atheismus mit dem Satanismus vereinen? Das ist mir zu hoch. Entweder ich bin Atheist, das heißt ich glaube nicht an Gott/ Götter oder weiter gefasst an Geistwesen irgendeiner Art. Einem Atheisten ist jede Art von Hingabe zu irgendeinem Pseudowesen (vor allem den rosa Elefanten ) fremd. Als Atheist stehe ich ganz alleine in diesem Leben. Ist doch so? Oder verstehe ich den Atheimus falsch?
Wozu nun die Verbindung zu Satan? Er ist der Gegner Gottes. Ein gefallener Engel und damit ein Geistwesen. An Geistwesen glauben Atheisten jedoch nicht.
Gruß
Kuckuck

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#8 Re: atheistischer Satanismus

Beitrag von Tyrion » Di 29. Nov 2016, 21:03

Wozu nun die Verbindung zu Satan? Er ist der Gegner Gottes. Ein gefallener Engel und damit ein Geistwesen. An Geistwesen glauben Atheisten jedoch nicht.

Kuckuck,

das finde ich ja auch eher grotesk. Für mich ist das mit dem Begriff "Satan" mehr ein Mediengag (ich habe gerade einen Beitrag verfasst - als ich den abschicken wollte, kam deiner als "Update" dazwischen - daher: siehe unten...)

So, ich habe mir die Satanische Bibel von LaVey mittlerweile durchgelesen (bis zu dem Punkt, an dem die in meinen Augen kindischen Beschwörungsriten beschrieben werden).

LaVey war meines Erachtens Kind seiner Zeit. Vieles von dem, was er schreibt, ist für mich nichts anderes, als "normaler" Humanismus des 20. Jahrhunderts. Sein Text ist allerdings - wie so oft bei solchen Texten - eine Mischung. Im Zentrum steht der Mensch und der Weg, glücklich zu sein oder zu werden. Der Kant'sche Imperativ scheint auch immer wieder durch. LaVey hat die sexuelle Befreiung erlebt und sieht in ihr auch eine Art Zwang, denn wer nicht mitmacht im Leben in der Kommune, galt bei vielen wohl als "out". Insofern hat er empfohlen, auchund gerade in sexueller Hinsicht zu machen, was man will, sich aber nichts einreden zu lassen. Niemand dürfe zu Schaden kommen (Kant!) usw.
Seine Begründung, warum man gerade alle sieben Todsünden zeitgleich erfüllen sollte, ist fast witzig. Wer eitel ist, wird sich niemals so sehr der Völlerei hingeben, dass sein Körper hässlich und aufgedunsen wird.

Wo ich mit ihm übereinstimme - wenn eine Religion alle möglichen, natürlichen Veranlagungen als Sünde brandmarkt, hat man zwangshaft immer ein schlechtes Gewissen, da man es nie schaffen wird, alle Veranlagungen wegzudrücken. Und das Unterdrücken kann zu psychischen Störungen führen. Psychoanalytiker können ein Lied davon singen.

Dass alles mit dem Begriff "Satanismus" zu verbinden, erlebe ich nur bei ihm und bei Fundamentalchristen, die alles, was sich z. B. pro ausgelebte Sexualität (z. B. Homosexualität) ausspricht, als satanisch bezeichnen.

Was mir gefällt: die liberale Einstellung zu sexueller Orientierung. Ob BDSM, Fetischismus, Polyamory, Monogamie, Asexualität - alles ist Teil unserer Natur. Niemand soll zu irgendwas davon gezwungen werden, aber wer so empfindet, soll sich nicht verdrehen, sich dafür schlechtmachen, sondern soll sich so annehmen, wie er ist (oder wie er von Gott gechaffen wurde, wenn man theistisch denken würde). Finde ich gut. Den begrifflichen Zusammenhang mit "Satan" (den er nicht als Person anerkennt, sondern nur als symbolischen Namen) missfällt mir da allerdings.

Was mir auch missfällt: Er ist m. E. zu kurzsichtig, wenn er versucht, bewusst alle möglichen christlichen Tugneden umzudrehen - dabei macht er das nicht einmal konsquent, denn auch der Humanismus baut ja auf christlichen Idealen auf. Er bezieht sich zwar auch auf andere Religionen - z.B. östlichen Mystizismus - aber als Bürger der USA hat er sich primär gegen die dortigen - ich sage mal "Scheinchristen" - gewandt. Dabei sind gerade die USA Vorreiter, was Rache betrifft (ihr Justizsystem an sich). Das LaVey will, dass man wieder zu "Auge um Auge, Zahn um Zahn" zurückkehrt, ist typisch amerikanisch. Auch, dass man zurückschlagen soll, wenn man eine gewatscht bekommt. Erhängt da zu sehr in seinem Begriff "Satanismus" drin, er muss es ja umkehren, sonst passt der Begriff nicht.

Für mich handelt es sich um ein medienwirksames Produkt, dass eine Mode der damaligen Zeit bedient. Die soziualdarwinistischen Inhalte, die immer wieder mal aufblitzen und das amerikanische "Nichteinmischen", "nicht mein Problem" gefällt mir auch nicht (bin ja auch kein Satanist).

Das Christentum hat sicherlich einige ethische Errungenschaften, die man nicht wieder verwerfen sollte. In seiner "Satanischen Bibel" drückt LaVey aber vieles aus, was man den Religionsgemeinschaften vorwerfen kann (vgl. fin und die RKK - Pädophilenproblem - uind nicht nur dort). Viele, die sich aus solchen Gründen von den christlichen Gemeinschaften abwenden, finden in seiner Bibel einige Passagen, bei denen sie dagen werden "stimmt, da hat er Recht". Und leider werden sie dann wohl die kritischen Passagen überlesen oder unterbewusst mitnehmen. Sozialdarwinismus ist meines Erachtens ein Irrweg.

LaVey bezieht sich bei seiner Kritik primär auf die Menschen, die die Religion definieren, nicht auf das Gottesbild dahinter. Kritik auf der fundamentalen Ebene, also gibt es einen Gott (oder meherer) oder nicht, führt er nicht aus (bzw. nur am Rande und nicht vertieft).

Was ich aber in sich grotesk finde - alles, was LaVey schreibt, spricht sich eigentlich gegen seine eigene "Kirche" aus. Denn wenn man das, was er schreibt, ernst nimmt, dann braucht man die nicht. Denn man stellt den Menschen ins Zentrum und hat eine atheistische Sicht der Dinge. Und als Atheist braucht man keine Kirche. Und die Rituale - naja, ihm wurde, glaube ich, damals schon komerzielles Interesse vorgeworfen.

Interessant ist auch, dass er an Crowley kein gutes Haar lässt.

In sich eine sehr krude Sache. Eigentlich "besudelt" er normalen Humanismus mit dem negativ besetzten Begriff "Satanismus". Und das ist schade. Er gibt damit Fundamentalchristen Futter, die Humanisten als von Satan geführt sehen, da LaVey das ja letzten Endes fast schon selbst so benennt. Zum Glück ist seine Bibel ja eine Randerscheinung (denke ich mal). Für pubertierende Jugendliche kann das allerdings recht interessant sein, da da ja "Antisein" reizt. Dass die CoS existiert, weiß ich allerdings, da ich wie gesagt einmal Kontakt zu jemandem hatte, von dem ich mitbekommen habe, dass er da dabei ist. Ansonsten würde ich die ganze Church of Satan (auch heute) als Mediengag ansehen. Dem scheint aber nicht so zu sein. Was die da so treiben, weiß ich allerdings nicht. Wenn es da um Sozialdarwinismus oder Scientology-ähnliche Dinge geht, dann fände ich das wenig prickelnd. Da fehlt mir aber der Einblick.

Mir hat es gereicht, diese "Bibel" einmal zu lesen. ;) Und ich weiß, ich werde nicht eintreten :D

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#9 Re: atheistischer Satanismus

Beitrag von Pluto » Di 29. Nov 2016, 21:10

Kuckuck hat geschrieben:Wozu nun die Verbindung zu Satan? Er ist der Gegner Gottes. Ein gefallener Engel und damit ein Geistwesen. An Geistwesen glauben Atheisten jedoch nicht.
Weder Crowley noch LaVey waren "richtige" Atheisten.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#10 Re: atheistischer Satanismus

Beitrag von Kuckuck » Di 29. Nov 2016, 21:28

Hallo Tyrion,
danke für Deine ausführliche Darstellung.
Persönlich halte ich von religiösem Verhalten im Sinne des wilden Durcheinanders, das sich Christentum nennt auch nicht viel. Da ist nach der Zeit der Apostel bis heute viel kaputt gemacht worden von Menschen. Darum orientiere ich mich an der Bibel und den Geboten die Jesus uns gab.
Allgemein halte ich den Begriff atheistischer Satanismus halt für ein wenig paradox. Weiß nicht, wie würdet ihr reagieren wenn ich von atheistischem Christentum schreiben würde. ;)
@Pluto: ohne mich näher mit den Beiden beschäftigt zu haben, war dies meine Vermutung.
Gruß
Kuckuck

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