Pluto hat geschrieben:Verstehe ich nicht. Wie kann ich Teil einer Schöpfung sein, die zunächst einmal nichts weiter als ein Mythos ist?Novalis hat geschrieben:...wenn es ein Haus der Religion gibt, dann ist es die ganze Schöpfung und nichts und niemand ist jenseits davon, alles ist inbegriffen.
Dass die Welt eine Schöpfung ist, das ist selbstverständlich eine Deutung. Ich halte es übrigens für sehr bedauerlich, dass das Wort "Mythos" heute in einem oft eher abschätzigen Sinne gebraucht wird, als Synonym für Lüge und Falscheit. Mythen besitzen eine ureigene Legitimität, sie vermitteln Wahrheit, die in großen Bildern zu uns spricht, auch wenn sie mit historischen Fakten nicht viel zu tun haben. Ob Jesus wirklich Lazarus von den Toten auferweckte oder Moses das Rote Meer teilte, ist vollkommen unerheblich. Viel wichtiger ist die Frage: welche Botschaft wollen diese Geschichten vermitteln?
Die Aufgabe von Religion ist nicht die Weitergabe von historischen Ereignissen in möglichst objektiver Form, denn alle Religionen deuten bestimmte Ereignisse, sie sind erzählte Geschichte, die dem Weltganzen einen höheren Sinn zuschreibt, wie die biblische Schöpfungsgeschichte, die keinen naturwissenschaftlichen oder historiographischen Charakter hat.
Die Schöpfungserzählungen haben also einen mythischen und ätiologischen Charakter – mit beiden
Begriffen wollen wir uns nun auseinandersetzen.
Die Deutung von Welt und Dasein erfolgt narrativ, d.h. nicht in einem begrifflichen Diskurs. Den
schriftlichen Erzählungen liegen zumeist mündliche Traditionen zu Grunde, die sich veränderten Le-
benslagen und historischen Situationen anpassen, d.h. der Mythos ist wandlungsfähig und wird immer
wieder neu ausgelegt. Die mythische Erzählung ist Poesie, sie ist fiktional, kein Bericht und orientiert
sich an ästhetischen Kriterien.
Allgemeine Aussagen über den Menschen und die Welt werden in eine mythische Urzeit verlegt, die Handelnden sind göttliche Personen oder im Monotheismus eine göttliche Person. Von den Göttern wird metaphorisch und anthropomorph gesprochen: sie sehen, hören
oder sprechen, handeln aus Liebe oder Zorn. Die biblischen und altorientalischen Schöpfungsmythen
sind anthropozentrisch, d.h. sie kreisen um den Menschen, seine Entstehung und seine Lebensbedin-
gungen
Prof. Dr. Lucia Scherzberg
Schöpfungslehre, Anthropologie und Eschatologie
Die Evolution, Welt und Dasein des Menschen kann, aber muss selbstverständlich nicht als Schöpfung gedeutet werden. Das ist ja kein muss, sondern ein zusätzlicher Sinnhorizont der durch Religion aufgeschlossen wird. Ich gebrauche ganz bewusst diesen Begriff, weil "Schöpfung" beinhaltet, dass alles von einem gemeinsamen Grund kommt.
Christen verstehen diesen Grund des Seins eher personal, während Buddhisten vermutlich eher dazu neigen ihn unpersönlich zu verstehen, aber entscheidend ist: da ist ein gemeinsamer Grund. Alle Weltentstehungsmythen weisen darauf hin.