Call me brother!

Judentum, Islam, Hinduismus, Brahmanismus, Buddhismus,
west-östliche Weisheitslehre
Pluto
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#11 Re: Call me brother!

Beitrag von Pluto » Di 22. Nov 2016, 10:46

Ja, erbreich... dann hast du gelebt. :wave:
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

erbreich
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#12 Re: Call me brother!

Beitrag von erbreich » Di 22. Nov 2016, 10:51

Ja das habe ich, Pluto, und ich lebe immer noch und ich sehe: Du auch! :thumbup:

Novas
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#13 Re: Call me brother!

Beitrag von Novas » Di 22. Nov 2016, 13:36

erbreich hat geschrieben: Indem wir ihm seine Freiheit verweigern, sich auf dem Holzweg zu befinden, sind wir selbst auf dem Holzweg. Andern die Freiheit zum Dummsein zuzugestehen, ist einer der wichtigsten und schwierigsten Schritte auf dem Weg zum geistigen Fortschritt

Sehr gut gesagt :thumbup: ein Baby lernt ja auch das Gehen, in dem es hinfällt und wieder aufsteht. Gehen da liebende Eltern hin und beschimpfen ihr Kind, weil es schon wieder hingefallen ist?

erbreich hat geschrieben:Ja das habe ich, Pluto, und ich lebe immer noch und ich sehe: Du auch! :thumbup:

und heute wurdest Du wiedergeboren. Dein Profilbild erinnert mich übrigens an Tom Hanks in Cast Away, in dem er Robinson Crusoe spielte :D


erbreich
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#14 Re: Call me brother!

Beitrag von erbreich » Di 22. Nov 2016, 16:41

Novalis hat geschrieben:...und heute wurdest Du wiedergeboren.
Ja, schon unzählige Male sind wir heute gestorben und wiedergeboren: Weil wir in der Illusion leben, wir seien ein beharrendes Selbst, eine feste Entität, die so oder so sei. Mit diesem Selbstbild, diesem Selbstverständnis, leben wir. Und wo immer dieses Selbstbild angezweifelt wird, wo an ihm gekratzt wird - sei es von uns selber oder von unseren Mitmenschen - da leiden wir.

Fortwährend erschaffen wir uns Vorstellungen darüber, wie wir vor uns selber und vor unseren Mitmenschen erscheinen möchten, als was und wie wir angesehen werden möchten. So müssen wir zwangsläufig den ganzen Tag über in immer wieder andere Selbstbilder, in andere Rollen, schlüpfen, mit denen wir uns dann als unser Selbst, als uns selber, als so und dieses seiend, identifizieren.

Wir werden also schon in diesem einen Leben fortwährend geboren und sterben wieder. Am Morgen früh wird der Erwachende geboren, kaum ist er erwacht, ist der Erwachende gestorben und der Aufstehende wird geboren. Dann der sich Duschende, dann (wenn ich mir die Zeit gönne) der Meditierende, dann der Frühstückende. Wenn ich meine Berufstätigkeit aufnehme, werde ich geboren als Sozialtherapeut. Ist diese Tätigkeit beendet und komme ich nach Hause, ist der Sozialtherapeut tot und der Ehemann geboren. Und so weiter und so fort. Eigentlich geschieht dieses Geborenwerden, Sterben und Wiedergeborenwerden in jedem einzelnen Bewusstseinmoment.

Je mehr wir uns mit einer Rolle identifizieren, sie als unser Ich, als unser Selbst verstehen, umso mehr fühlen wir uns bestätigt, wenn unsere Umgebung uns in dieser Rolle rühmt und achtet, und umso mehr leiden wir, wenn die Rolle infrage gestellt wird oder zu Ende geht (zum Beispiel durch Verlust des Arbeitsplatzes, des Partners, usw.).

Wir freuen uns, wir sind betrübt. Wir sind überglücklich wenn uns etwas Tolles widerfährt oder wenn uns etwas super gelingt und wir gelobt werden, und wir sind todtraurig, wenn wir Verlust und Schmerz erfahren oder wenn uns etwas völlig missrät und wir getadelt werden. Dieses Loben und Tadeln übernehmen wir übrigens sehr häufig - wenn nicht sogar meist - gleich selber. Dies zum Beispiel auch dann, wenn wir uns fragen: was denkt wohl jener Mensch jetzt über mich? Oder wenn ich schon zu wissen glaube, dass und wie jener negativ (oder auch positiv) über mich denkt.

All dies hat mit unserem Selbstbild zu tun und damit, dass wir bestrebt sind, unser Selbstbild fortwährend vor uns selbst zu bestätigen und uns von Mitmenschen darin bestätigt zu erleben. Das ist der ganz normale Weg des Lebens. Auf diesem Weg spielt sich gewöhnlich das Leben von uns Menschen ab.

Etwas anderes aber ist der Weg des wahren Lebens: Der Weg des wahren Lebens ist der Weg, der diese Selbstbezogenheit überwindet und auflöst. Es ist der Weg, der uns von der Abhängigkeit von fixen Selbst- (und übrigens ebenso von Welt-) Bildern befreit.

Die Ketten der Selbstbetrachtung zu zerbrechen, das bedeutet in buddhistischem Verständnis, die Betrachtung oder Anschauung aufzugeben, die Person, die ich als mich selber erfahre, sei ein festes, autonomes, von der Umwelt unabhängiges (und vielleicht gar ewiges) Ich oder Selbst.

Es bedeutet, zu erkennen, dass alle geistigen und körperlichen Phänomene, aus denen meine Person (und natürlich auch jedes andere Wesen und Ding) sich zusammensetzt, vollständig bedingt durch - und abhängig von - einer anfangslosen Vielzahl von geistigen und körperlichen Phänomenen existiert, die ich nicht meiner Person (oder dem anderen Wesen oder Ding) zurechne.

Es bedeutet auch, zu erkennen, dass alle diese Phänomene selber keine fixen Dinge sind, sondern Prozesse, die sich selbst und damit zwangsläufig auch meine Person und deren Erleben unaufhörlich verändern.

"Ich in der Welt" ist ein unaufhörliches Entstehen und Vergehen geistiger und körperlicher Wahrnehmungen. "Alles fliesst", sagte Heraklit. Und alles ist durch dieses ineinander Überfliessen anfangslos miteinander verbunden. Womit wir auch wieder bei deiner früheren Aussage angelangt sind, Novalis:

Novalis hat geschrieben:...wenn es ein Haus der Religion gibt, dann ist es die ganze Schöpfung und nichts und niemand ist jenseits davon, alles ist inbegriffen.
:wave:

Pluto
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#15 Re: Call me brother!

Beitrag von Pluto » Di 22. Nov 2016, 17:52

erbreich hat geschrieben:Fortwährend erschaffen wir uns Vorstellungen darüber, wie wir vor uns selber und vor unseren Mitmenschen erscheinen möchten, als was und wie wir angesehen werden möchten. So müssen wir zwangsläufig den ganzen Tag über in immer wieder andere Selbstbilder, in andere Rollen, schlüpfen, mit denen wir uns dann als unser Selbst, als uns selber, als so und dieses seiend, identifizieren.

Wir werden also schon in diesem einen Leben fortwährend geboren und sterben wieder.
Du sagst da sehr viel Wahres. Dass wir die Fähigkeit besitzen ständig in neue Rollen zu schlüpfen, um die unterschiedlichsten Aufgaben zu lösen, ist vermutlich etwas was den Mensch vom Tier unterscheidet.
Allerdings finde ich es falsch zu sagen, wir würden dabei immer wieder neu geboren.

erbreich hat geschrieben:Am Morgen früh wird der Erwachende geboren, kaum ist er erwacht, ist der Erwachende gestorben und der Aufstehende wird geboren.
Selbst das Erwachen ist keine Neugeburt, sondern ich sehe es als das "hochfahren" des Bewusstseins, was ja in der Nacht zum erliegen gekommen war.
Bei mir entsteht dabei das Gefühl der Orientierungslosigkeit, bis mein ICH-Gefühl sozusagen wieder "voll da" ist. Wenn du das als Wiedergeburt bezeichnen willst, dann ist das bei dir so, aber aus meiner Sicht ist die Geburt, selbst die Geburt des Geistes, etwas völlig anderes.
Der Beweis: Nach meiner Sekunde der Orientierungslosigkeit kommt mir wieder die Erinnerung an den gestrigen Tag, und ich kann alles wieder einordnen. Würde ich neu geboren, wüsste ich nicht einmal, wo ich meine Kleider hingelegt hatte, oder wo die Küche ist.

erbreich hat geschrieben:Wir freuen uns, wir sind betrübt. Wir sind überglücklich wenn uns etwas Tolles widerfährt oder wenn uns etwas super gelingt und wir gelobt werden, und wir sind todtraurig, wenn wir Verlust und Schmerz erfahren oder wenn uns etwas völlig missrät und wir getadelt werden.
Das hast du aber sehr gut beschrieben! :clap:
Ich sehe uns zu allererst als Individuum mit eben diesen Emotionen, die in uns Gefühle auslösen können wie Freude, Leid, Verlust oder Schmerz.

erbreich hat geschrieben:Dieses Loben und Tadeln übernehmen wir übrigens sehr häufig - wenn nicht sogar meist - gleich selber. Dies zum Beispiel auch dann, wenn wir uns fragen: was denkt wohl jener Mensch jetzt über mich? Oder wenn ich schon zu wissen glaube, dass und wie jener negativ (oder auch positiv) über mich denkt.
Ja, das ist das unser soziales Umfeld. Ohne solches Lob und Tadel wären wir völlig hilflos. Wir brauchen den "Feedback" ständig, um zu wissen wo wir sozialen Umfeld stehen.

erbreich hat geschrieben:All dies hat mit unserem Selbstbild zu tun und damit, dass wir bestrebt sind, unser Selbstbild fortwährend vor uns selbst zu bestätigen und uns von Mitmenschen darin bestätigt zu erleben. Das ist der ganz normale Weg des Lebens. Auf diesem Weg spielt sich gewöhnlich das Leben von uns Menschen ab.
Ja, es ist oberstes Ziel des Organismus, am Leben zu bleiben, denn der Mensch ist ständig bestrebt, sein eigenes Wohlbefinden zu erhöhen. Wir alle hängen deshalb am Leben.

erbreich hat geschrieben:Etwas anderes aber ist der Weg des wahren Lebens: Der Weg des wahren Lebens ist der Weg, der diese Selbstbezogenheit überwindet und auflöst. Es ist der Weg, der uns von der Abhängigkeit von fixen Selbst- (und übrigens ebenso von Welt-) Bildern befreit.
Hier scheiden sich die Geister... ;)
Wir sind so sehr auf den eigenen Organismus und seine Individualität gebunden, dass mE von Befreiung keine Rede sein kann.

erbreich hat geschrieben:Es bedeutet, zu erkennen, dass alle geistigen und körperlichen Phänomene, aus denen meine Person (und natürlich auch jedes andere Wesen und Ding) sich zusammensetzt, vollständig bedingt durch - und abhängig von - einer anfangslosen Vielzahl von geistigen und körperlichen Phänomenen existiert, die ich nicht meiner Person (oder dem anderen Wesen oder Ding) zurechne.

Es bedeutet auch, zu erkennen, dass alle diese Phänomene selber keine fixen Dinge sind, sondern Prozesse, die sich selbst und damit zwangsläufig auch meine Person und deren Erleben unaufhörlich verändern.
Du magst dir solche Ziele der Befreiung setzen, aber ich halte sie für unerreichbar.

Novalis hat geschrieben:...wenn es ein Haus der Religion gibt, dann ist es die ganze Schöpfung und nichts und niemand ist jenseits davon, alles ist inbegriffen.
Verstehe ich nicht. Wie kann ich Teil einer Schöpfung sein, die zunächst einmal nichts weiter als ein Mythos ist?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#16 Re: Call me brother!

Beitrag von erbreich » Di 22. Nov 2016, 19:38

Pluto hat geschrieben:Wie kann ich Teil einer Schöpfung sein, die zunächst einmal nichts weiter als ein Mythos ist?
Ich sehe "die Schöpfung" auch nicht als etwas von einem "Schöpfer" Erschaffenes. Ich sehe sie als etwas, das aufgrund immanenter Gesetzmässigkeiten existiert und sich selber unterhält. Und von diesem unaufhörlich werdenden und sich verändernden "Ganzen" bin ich ein "Teil" und dieser "Teil" sowie das "Ganze" sind grenzenlos, ohne Anfang und Ende.

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#17 Re: Call me brother!

Beitrag von Pluto » Di 22. Nov 2016, 19:40

erbreich hat geschrieben:Und von diesem unaufhörlich werdenden und sich verändernden "Ganzen" bin ich ein "Teil" und dieser "Teil" sowie das "Ganze" sind grenzenlos, ohne Anfang und Ende.
Dass es ohne Anfang und ohne Ende ist, glaube ich auch.
Was mich zum Schluss führt, dass das Bild was die Physik uns zeichnet irgendwie unvollständig ist.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#18 Re: Call me brother!

Beitrag von erbreich » Di 22. Nov 2016, 21:38

Pluto hat geschrieben:
erbreich hat geschrieben:Und von diesem unaufhörlich werdenden und sich verändernden "Ganzen" bin ich ein "Teil" und dieser "Teil" sowie das "Ganze" sind grenzenlos, ohne Anfang und Ende.
Dass es ohne Anfangumd ohne Ende ist, glaube ich auch.
Was mich zum Schluss führt, dass das Bild was die Physik uns zeichnet irgendwie unvollständig ist.
Ich kenne mich in der Physik nicht gut aus, aber sagt nicht die moderne Physik ebenfalls, dass es kein unteilbares kleinstes Teilchen geben kann und auch kein begrenztes Ganzes? Das Buch "Quantum und Lotus - Vom Urknall zur Erleuchtung" finde ich ganz informativ, was die Parallelen von Physik und Buddhismus in dieser Frage angeht - und ausserdem spannend zu lesen...

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#19 Re: Call me brother!

Beitrag von erbreich » Di 22. Nov 2016, 22:03

Pluto hat geschrieben:Wir sind so sehr auf den eigenen Organismus und seine Individualität gebunden, dass mE von Befreiung keine Rede sein kann.
Wenn, wie es der Buddhismus behauptet, die Annahme eines unabhängig existierendes festes Selbst - also eines wie auch immer beschaffenen festen "Kerns" in dem, was ich als "mich selbst" erlebe - eine blosse Illusion ist, dann wird es möglich, diese Illusion aufzulösen und die Identifikation des "eigenen Organismus und seiner Individualität" mit einem solchen fixen "Kern" oder "Selbst" aufzuheben und in eine umfassendere Bewusstheit zu gelangen. Hältst du das für unmöglich?

Du magst dir solche Ziele der Befreiung setzen, aber ich halte sie für unerreichbar.
Kann sein, das das Ziel unerreichbar bleibt, aber der Weg dorthin ist spannend und fühlt sich überaus lebendig und wach an. Und das ist doch schon mal etwas, wofür es sich zu leben lohnt!

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#20 Re: Call me brother!

Beitrag von Pluto » Di 22. Nov 2016, 22:58

erbreich hat geschrieben:Ich kenne mich in der Physik nicht gut aus, aber sagt nicht die moderne Physik ebenfalls, dass es kein unteilbares kleinstes Teilchen geben kann und auch kein begrenztes Ganzes?
Die gängigen Theorien sprechen von einer diskreten Zahl von sog. Elementarteilchen.
Was ein "begrenztes Ganzes" ist, verstehe ich nicht.

erbreich hat geschrieben:Das Buch "Quantum und Lotus - Vom Urknall zur Erleuchtung" finde ich ganz informativ, was die Parallelen von Physik und Buddhismus in dieser Frage angeht - und ausserdem spannend zu lesen...
Sorry, das Buch kenne ich nicht.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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