Was haltet ihr vom Buddhismus?

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erbreich
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#21 Re: Was haltet ihr vom Buddhismus?

Beitrag von erbreich » Di 30. Aug 2016, 20:48

JackSparrow hat geschrieben:Wie viele Menschen kennst du, die sich nicht mit sich selbst identifizieren oder gar über sich selbst in der dritten Person sprechen? Ich denke, solche Menschen sind eher ein Fall für die nächstgelegene Nervenheilanstalt.
Josi hat geschrieben:Aber ob Polytheismus, oder Monotheismus, oder auch Beides irgendwie kombiniert zusammengebracht, ist eh bedeutungslos, denn wenn es etwas gibt, was sie allesamt vereint, dann die von F. Nietzsche sehr gut begründete Sklavenmentalität.

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erbreich
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#22 Re: Was haltet ihr vom Buddhismus?

Beitrag von erbreich » Di 30. Aug 2016, 21:01

Janina hat geschrieben:Was macht denn nun ein Buddhist mit dem Marshmallow?
Spare jetzt, lebe später, und später kommt nie?
Oder den Augenblick genießen?
Das Fazit (im Link) beschreibt es trefflich: Der Buddhist wird „wichtige Entscheidungen nicht in Stress- oder Ausnahmesituationen treffen, sondern seine Optionen in ruhiger Umgebung nüchtern abwägen.“ Das nennt sich im Palikanon Achtsamkeit und Wissensklarheit.

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#23 Re: Was haltet ihr vom Buddhismus?

Beitrag von Pluto » Di 30. Aug 2016, 21:20

erbreich hat geschrieben:Das Fazit (im Link) beschreibt es trefflich: Der Buddhist wird „wichtige Entscheidungen nicht in Stress- oder Ausnahmesituationen treffen, sondern seine Optionen in ruhiger Umgebung nüchtern abwägen.“ Das nennt sich im Palikanon Achtsamkeit und Wissensklarheit.
Das ist die Theorie. In der Praxis handeln die Meisten spontan.

Fazit: Auch ein Buddhist ist NUR ein Mensch.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#24 Re: Was haltet ihr vom Buddhismus?

Beitrag von Janina » Di 30. Aug 2016, 21:57

Pluto hat geschrieben:
Janina hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ist dir Walter Mischel und sein "Marschmallow Test" ein Begriff? Zu deutsch auch Das Belohnungsaufschub-Paradigma genannt.
Das kommt mir vor wie das Gegenkonzept zu der Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral von Heinrich Böll.
Die Frage ist viel tiefschürfender: Warum wählen so viele Menschen den Spatz in der Hand?
Weil es vielleicht gar nicht so dumm ist, den Augenblick zu genießen?

Als ich klein war, habe ich Momo gelesen. Da waren alle, die versucht haben, ihr Leben zu sparen, betrogen worden.

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#25 Re: Was haltet ihr vom Buddhismus?

Beitrag von Pluto » Di 30. Aug 2016, 22:14

Janina hat geschrieben:Weil es vielleicht gar nicht so dumm ist, den Augenblick zu genießen?
Und was sagt das über ihre Selbstkontrolle und Disziplin aus?

Janina hat geschrieben:Als ich klein war, habe ich Momo gelesen. Da waren alle, die versucht haben, ihr Leben zu sparen, betrogen worden.
Momo ist ein Märchen. Im rL sind diejenigen die Selbstkontrolle ausüben die Gewinner.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#26 Re: Was haltet ihr vom Buddhismus?

Beitrag von Janina » Mi 31. Aug 2016, 06:40

Pluto hat geschrieben:
Janina hat geschrieben:Als ich klein war, habe ich Momo gelesen. Da waren alle, die versucht haben, ihr Leben zu sparen, betrogen worden.
Momo ist ein Märchen.
Märchen im Sinne von Mythos oder Archetyp, nicht von Lüge.

Pluto hat geschrieben:Im rL sind diejenigen die Selbstkontrolle ausüben die Gewinner.
Von Geld und Posten vielleicht. Hat das Leben sonst nichts zu bieten?

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#27 Re: Was haltet ihr vom Buddhismus?

Beitrag von erbreich » Mi 31. Aug 2016, 07:45

Pluto hat geschrieben:Das ist die Theorie. In der Praxis handeln die Meisten spontan.
Pluto hat geschrieben:Im rL sind diejenigen die Selbstkontrolle ausüben die Gewinner.
Stellt sich die Frage: Wie bringen wir Selbstkontrolle (in meinen Worten: Achtsamkeit und Wissensklarheit) und Spontaneität zusammen?
Wikipedia zu "spontane Handlungen":

Dabei folgt die Person eigenem Antrieb auf eine für die Umwelt oft überraschend schnelle Weise, basierend auf
einem besonderen Maß an Intuition
guter Erfahrung im Umgang mit den eigenen Emotionen
ungewöhnlich rascher Überlegung oder Entschlusskraft


Was durch stetige Wiederholung eingeübt, trainiert wird - z.B. eben Achtsamkeit und Wissensklarheit (Selbstkontrolle) - steigt im gegebenen Fall spontan (intuitiv) auf und zeigt sich als guter Umgang mit den eigenen Emotionen und als Schlagfertigkeit (rasche Überlegung und Entschlusskraft).

Spontaneität und Selbstkontrolle müssen sich nicht ausschliessen. Das buddhistische Geistestraining hat vielmehr die spontane Selbstkontrolle zum Ziel. Das muss aber halt eben eingeübt werden, genauso wie alles andere auch, z.B. Autofahren: Als ich Fahren lernte, geschahen meine "Kontrollen" (Pedale, Spiegel, Schaltung, etc.) alles andere als spontan, heute tue ich intuitiv das Richtige - meistens jedenfalls... ;-).

Pluto hat geschrieben:Fazit: Auch ein Buddhist ist NUR ein Mensch.
Wieso das "nur" so betonen? Wir sind Menschen, so ist es. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

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#28 Re: Was haltet ihr vom Buddhismus?

Beitrag von JackSparrow » Mi 31. Aug 2016, 08:24

erbreich hat geschrieben:Der Buddhist wird „wichtige Entscheidungen nicht in Stress- oder Ausnahmesituationen treffen, sondern seine Optionen in ruhiger Umgebung nüchtern abwägen.“
Wie jeder andere Mensch auch.

Stellt sich die Frage: Wie bringen wir Selbstkontrolle (in meinen Worten: Achtsamkeit und Wissensklarheit) und Spontaneität zusammen?
Überhaupt nicht, da spontanes Handeln in Stresssituationen überlebenswichtig ist. Man kann nicht "seine Optionen in ruhiger Umgebung nüchtern abwägen", während man gerade von einem hungrigen Puma verfolgt wird.

Mag sein dass Meditieren die Toleranzgrenze erhöht, bevor sich der Sympathikus einschaltet und man sich "gestresst" fühlt. Die Frage ist bloß, ob man aus irgendwelchen fadenscheinigen religiösen "Gründen" unbedingt die eigenen biologischen Körperfunktionen manipulieren sollte...

Wir sind Menschen, so ist es. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Und wer sich gern als Elite und als ein etwas besserer Mensch fühlen möchte, wird einfach Anhänger einer Religion.

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#29 Re: Was haltet ihr vom Buddhismus?

Beitrag von erbreich » Mi 31. Aug 2016, 10:18

JackSparrow hat geschrieben:...da spontanes Handeln in Stresssituationen überlebenswichtig ist.
Richtig. Und wie hilfreich ist es gerade da, wenn die Stresssituation - wenigstens ein Stück weit - "in ruhiger Umgebung" eingeübt werden konnte.

Man kann nicht "seine Optionen in ruhiger Umgebung nüchtern abwägen", während man gerade von einem hungrigen Puma verfolgt wird.
Nein, dann nicht mehr, dann ist es überlebenswichtig, dass ein Verhalten, welches die grösstmögliche Überlebenschance bietet (vorausgesetzt, man will überleben), spontan - intuitiv - zur Verfügung steht. Und das tut es umso eher, als das entsprechende Wissen vorher einstudiert und eingeübt worden ist. Das ist auch Sinn und Zweck der Ausbildung z.B. von Polizisten und Soldaten: Achtsamkeit und Wissensklarheit für den Einsatz werden gelernt und eingeübt, so dass das richtige Verhalten im Ernstfall spontan und intuitiv zur Verfügung steht.

Ebenso kann ein gutes, heilsames Leben erlernt und eingeübt werden. Christus und Buddha sind dafür zwei hervorragende Lehrer.

Mag sein dass Meditieren die Toleranzgrenze erhöht, bevor sich der Sympathikus einschaltet und man sich "gestresst" fühlt.
Ich habe als langjähriger Meditierender an einer Studie der Uni Zürich teilgenommen (voll verkabelt) und das, was du hier sagst, wurde (unter vielen anderen positiven Aspekten) auch dort belegt: Es wurde im CT ein deutlicher Unterschied sichtbar zwischen Meditierenden und Nichtmeditierenden was die Toleranzgrenze angeht. Dieser Unterschied ermöglicht ein realistischeres Handeln unter Stress.

Die Frage ist bloß, ob man aus irgendwelchen fadenscheinigen religiösen "Gründen" unbedingt die eigenen biologischen Körperfunktionen manipulieren sollte...
Es wird nichts manipuliert, auf jeden Fall nicht in der Satipatthana-Vipassana-Methode. Das Vorgehen besteht in reiner Präsenz (Achtsamkeit als reines Beobachten). Diese Präsenz ermöglicht Toleranz gegenüber dem Erleben und dadurch auch ein verantwortungsbewusstes Handeln im jeweiligen Erleben.

Und wer sich gern als Elite und als ein etwas besserer Mensch fühlen möchte, wird einfach Anhänger einer Religion.
Oder er wird Hardcore-Atheist und fühlt sich so besser... ;)

Es ist eine subtile Ebene, dieses Sichmehr- oder Sichweniger-Fühlen als andere. Im Buddhismus gilt dieser Dünkel als eine der ans Leiden kettenden Fesseln und wo immer wir diese Überheblichkeit (oder ihr Gegenteil, den Minderwert) in uns selber wahrnehmen, da haben wir ein gutes Übungsfeld für unsere Geistesentfaltung und unsere Herzenskultur.

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#30 Re: Was haltet ihr vom Buddhismus?

Beitrag von Kingdom » So 4. Sep 2016, 16:11

erbreich hat geschrieben: Im Buddhismus ist nicht mehr "Selbsterlösung" als Paulus hier erwähnt:

Daher, meine Geliebten, gleichwie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht allein als in meiner Gegenwart, sondern jetzt vielmehr in meiner Abwesenheit, bewirket eure eigene Seligkeit mit Furcht und Zittern..." (Phil 2,12)



"Bewirkt eure eigene Seligkeit" (oder, je nach Übersetzung: "euer Heil" oder "eure Rettung"): Das gilt auch für den Buddhisten. Christ wie Buddhist sind aufgerufen, ihren Anteil zu tun, eine "billige Gnade" hat da keinen Raum. Dazu passt auch dies hier, ebenfalls von Paulus geäussert - und zwar gegenüber der Gemeinde, nicht etwa gegenüber "Heiden":

Irret euch nicht; Gott läßt seiner nicht spotten! Denn was der Mensch sät, das wird er ernten. (Galater 6.7)

Genau das was ich sagte Erbreich, wenn jemand auf Menschliche Philosophie sät, wird er daraus kein Leben ernten, setzt aber jemand sein Fundament auf Christus den Erlöser, wird er Leben ernten. Paulus meinte mit dem Werk Gott ehren nicht Gott verleugen.

Das Gesetz von Saat und Ernte (buddhistisch: Karmagesetz) gilt unumstösslich. Auch der Gläubige (ob Buddhist oder Christ) erntet, was er sät. Die Gnade hebt dieses Gesetz nicht aus den Angeln, sie verhilft aber dazu, die Ernte annehmen zu können, auch oder gerade auch da, wo sie als leidvoll erlebt wird.

Das siehst Du völlig falsch, Christus hat der Ehebrecherin nicht gesagt, du wirst wiederkommen bis Du bei mir dein Karma abbezahlt hast, sondern er hat gesagt:

Joh. 8.11 Sie sprach: Herr, niemand! Jesus sprach zu ihr: So verurteile ich dich auch nicht. Gehe hin und sündige hinfort nicht mehr!

Die Gnade Gottes steht über der Menschlichen Philosophie.


Der Buddhist kann Nirvana nicht machen, sowenig wie der Christ seine Erlösung machen kann. Beide können nur dies: Die ihnen als Menschen möglichen Bedingungen dafür schaffen, dass die Erlösung geschehen kann (nicht zwangsläufig muss).

Nun wer sucht der findet, ist eine feste Zusage Gottes an sein Volk. Gnade ist aber das man hören und verstehen kann und eben Gnade nicht mit Menschenwerk und Menschlicher Philosophie verweschselt.

Lg Kingdom

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