Kasten(un)wesen.

Judentum, Islam, Hinduismus, Brahmanismus, Buddhismus,
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sven23
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#1 Kasten(un)wesen.

Beitrag von sven23 » So 20. Jul 2014, 09:31

Nicht nur das Christentum hat, gestützt auf die Bibel, Sklaverei und Knechtschaft gerechtfertigt. Auch die drittgrößte Religion der Welt, der Hinduismus, hat ein System hervorgebracht, das als Kastenwesen bekannt ist. Obwohl es offiziell abgeschafft ist, bestimm es nach wie vor den Alltag der Menschen.

Besonders die unteren Kasten leiden unter Unterdrückung und Ausbeutung und haben kaum eine Chance des Aufstiegs. Auch hier wird Religion zum Hemmschuh für gesellschaftliche Entwicklung und Rechtfertigung und Festschreibung für den Status quo.
Die Geringschätzung der Frau im Christentum/Bibel findet auch in der indischen Gesellschaft ihre Entsprechung. Die hohen Abtreibungsraten und Morde an Mädchen sind wegen der Mitgift ein goßes Problem in Indien. Die Rechte der Frauen sind völlig unterentwickelt.

Fazit: Wenn Gesellschaften sich hin zu einem humanerem Gemeinwesen entwickeln wollen, müssen sie sich weitgehend vom engen Korsett der Religionen befreien. Allein diese Tatsache sollte zu denken geben.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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barbara
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#2 Re: Kasten(un)wesen.

Beitrag von barbara » So 20. Jul 2014, 10:07

David Graeber schreibt in "Schulden - die ersten 5000 Jahre", dass das Problem selten bei den Kasten bzw generll sozialen Hierarchien liegt, sondern eher bei Schuldknechtschaft - bei Bauernaufständen seien immer als Erstes die Unterlagen verbrannt worden, in denen die Schulden aufgezeichnet waren...

Doch solange es wenig oder keine Schuldknechtschaft gab, waren Leute auch innerhalb von Kasten ganz glücklich und wollten sie nicht abschaffen. Nein, auch jene der unteren Kasten wollten sie nicht abschaffen.

gruss, barbara

Pluto
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#3 Re: Kasten(un)wesen.

Beitrag von Pluto » So 20. Jul 2014, 10:17

barbara hat geschrieben:Doch solange es wenig oder keine Schuldknechtschaft gab, waren Leute auch innerhalb von Kasten ganz glücklich und wollten sie nicht abschaffen. Nein, auch jene der unteren Kasten wollten sie nicht abschaffen.
So kann man selbst das gnadenlos barbarische System des Knastenwesens demokratisch rechtfertigen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

barbara
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#4 Re: Kasten(un)wesen.

Beitrag von barbara » So 20. Jul 2014, 10:24

Pluto hat geschrieben:
barbara hat geschrieben:Doch solange es wenig oder keine Schuldknechtschaft gab, waren Leute auch innerhalb von Kasten ganz glücklich und wollten sie nicht abschaffen. Nein, auch jene der unteren Kasten wollten sie nicht abschaffen.
So kann man selbst das gnadenlos barbarische System des Knastenwesens demokratisch rechtfertigen.

Demokratisch? Wo war die Rede von demokratisch? :shock:

Die Aussage war schlicht: Leute, denen es gut geht, sind auch in hierarchisch klar strukturierten Gesellschaften ganz zufrieden. Anthropologische Forschung hat das gezeigt. Auch wenn das dem modernen Mitteleuropäer und dessen postmoderner Gleichmacherkultur nicht in den Kram passen mag.

Wenn man helfen will, dann bitte an jenen Orten, wo Hilfe auch etwas nützt! - und nicht einfach irgendwas machen, bloss um die eigene Eitelkeit zu befriedigen oder sich die eigene kulturelle Überlegenheit zu bestätigen. Kolonialismus aller Art hatten wir nun schon wahrlich mehr als genug, das muss jetzt nicht noch mit andern Mitteln weitergeführt werden.

gruss, barbara

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#5 Re: Kasten(un)wesen.

Beitrag von Naqual » So 20. Jul 2014, 10:29

sven23 hat geschrieben:Nicht nur das Christentum hat, gestützt auf die Bibel, Sklaverei und Knechtschaft gerechtfertigt. Auch die drittgrößte Religion der Welt, der Hinduismus, hat ein System hervorgebracht, das als Kastenwesen bekannt ist. Obwohl es offiziell abgeschafft ist, bestimm es nach wie vor den Alltag der Menschen. ....
Fazit: Wenn Gesellschaften sich hin zu einem humanerem Gemeinwesen entwickeln wollen, müssen sie sich weitgehend vom engen Korsett der Religionen befreien. Allein diese Tatsache sollte zu denken geben.

Der Hinduismus ist keine EINE Religion sondern ein Konglomerat von recht unterschiedlichen Vorstellungen, die ganz pragmatisch von den Besatzungsmächten als Begriff für die Religionen auf dem indischen Subkontinent genommen wurden, die nicht christlich, jüdisch, muslimisch oder animistisch ausgerichtet sind.
Denke, man muss auch in Indien stark auseinanderhalten zwischen den religionsphilosphischen Größen (und da gibt es etliche vom "Feinsten", die mit dem Kastenwesen rein gar nichts zu tun haben) und dem volkstümlichen Hinduismus, der sehr stark von gesellschaftlichen Bedingungen geprägt ist (siehe Barbara).
Die Hindus sind nicht einfach "religiöse Barbaren" wie unser "spätkolonialistischer Blick" noch suggeriert. Wie schon die Chinesen hatten die Blütezeiten in Gesellschaft und Wissenschaft - nur Jahrtausende früher und später in der Entwicklung gehemmt. Ähnlich wie das Christentum in der Spätantike über Jahrhunderte wissenschaftlichen Fortschritten im Weg stand (während gleichzeitig die arabische Welt kulturelle Höhepunkte erlebte, bei denen Europa im Vergleich "rückständig" war. )

Bei Deinem Fazit bin ich ein weniger "unentschiedener" in Bezug auf die Religionen. Letztere neigen dazu nach philosophischen Glanzleistungen zu Beginn zu "versteifen", sich einzumauern und von den Vertretern ganz weltlicher Interessen für ihre gruppenegoistischen Zwecke funktionalisiert zu werden.
Religionen haben Positives wie Negatives. Selbst wenn man Teilaspekte ansieht, z.B. in Bezug auf die gesellschaftliche Moralentwicklung. Erst bringen sie Besserungen im Vergleich zur Moral ihrer Zeit, dann verfestigen sie sich und werden unabänderlich, obwohl die Moralentwicklung weitergetrieben werden kann. Und dann wird Steinzeitdenken implantiert in eine viel neuere Zeit (die eigentlich schon weiter wäre).

Spontane Überlegung: Ist es mit Religionen nicht wie mit den Geisteswissenschaften? Wenn man sie mit politischer Macht kombiniert wird's brandgefährlich!! Ich würde nun nicht die Geisteswissenschaften abschaffen wollen. So auch nicht "Religion".
Aber auch religiöse Ideen müssen frei ausgetauscht werden können in produktiver Konkurrenz stehen können, offen bleiben dafür sich selbst zu hinterfragen, usw.
Gefährlich wird es immer dann, wenn Gedankensysteme anderen Menschen aufgedrückt werden können. Eigentlich egal, ob religiös oder weltanschaulich.

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#6 Re: Kasten(un)wesen.

Beitrag von sven23 » So 20. Jul 2014, 10:35

Naqual hat geschrieben:
Spontane Überlegung: Ist es mit Religionen nicht wie mit den Geisteswissenschaften? Wenn man sie mit politischer Macht kombiniert wird's brandgefährlich!! Ich würde nun nicht die Geisteswissenschaften abschaffen wollen. So auch nicht "Religion".
Aber auch religiöse Ideen müssen frei ausgetauscht werden können in produktiver Konkurrenz stehen können, offen bleiben dafür sich selbst zu hinterfragen, usw.
Gefährlich wird es immer dann, wenn Gedankensysteme anderen Menschen aufgedrückt werden können. Eigentlich egal, ob religiös oder weltanschaulich.

Würde ich auch so unterschreiben. Zwang hat noch nie zu guten Ergebnissen geführt.
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#7 Re: Kasten(un)wesen.

Beitrag von sven23 » So 20. Jul 2014, 10:42

barbara hat geschrieben:
Doch solange es wenig oder keine Schuldknechtschaft gab, waren Leute auch innerhalb von Kasten ganz glücklich und wollten sie nicht abschaffen. Nein, auch jene der unteren Kasten wollten sie nicht abschaffen.

gruss, barbara

Ich weiß nicht, ob man sich da die Welt nicht schön redet. Ob die Unberührbaren mit ihrem Schicksl so glücklich sind, wage ich mal zu bezweifeln.

Da gibt es sicher Parallelen zum Christentum:

"Sogar die Kirche hielt sich bis ins 17. Jahrhundert Sklaven, vermeintlich gerechtfertigt durch viele Verse im Alten Testament (2. Mose 21,6): "Spricht aber der Sklave: Ich habe meinen Herrn lieb und mein Weib und Kind, ich will nicht frei werden, so bringe ihn sein Herr vor Gott und stelle ihn an die Tür oder den Pfosten und durchbohre mit einem Pfriemen sein Ohr, und er sei sein Sklave für immer." (Als gäbe es einen Menschen der aus Liebe zu Gott freiwillig zum Sklaven werden will!)"


Quelle
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#8 Re: Kasten(un)wesen.

Beitrag von barbara » So 20. Jul 2014, 11:06

sven23 hat geschrieben: Ich weiß nicht, ob man sich da die Welt nicht schön redet. Ob die Unberührbaren mit ihrem Schicksl so glücklich sind, wage ich mal zu bezweifeln.


Laut Graeber ensteht weltweit und quer durch alle Kulturen das meiste Unglück durch diverse Formen von Schuldknechtschaft, nicht durch soziale Hierarchien. In seinem Buch (5000 Jahre) erläutert er das auch an zahlreichen Beispielen, sehr plausibel, finde ich.

Es ist ja nicht so, dass der Brahmane oder andere Angehörige hoher Kasten mehr Freiheiten hätten; die haben auch ihre Tabus, Dinge, die sie nicht tun oder nicht berühren dürfen.



Da gibt es sicher Parallelen zum Christentum:

"Sogar die Kirche hielt sich bis ins 17. Jahrhundert Sklaven, vermeintlich gerechtfertigt durch viele Verse im Alten Testament (2. Mose 21,6): "Spricht aber der Sklave: Ich habe meinen Herrn lieb und mein Weib und Kind, ich will nicht frei werden, so bringe ihn sein Herr vor Gott und stelle ihn an die Tür oder den Pfosten und durchbohre mit einem Pfriemen sein Ohr, und er sei sein Sklave für immer." (Als gäbe es einen Menschen der aus Liebe zu Gott freiwillig zum Sklaven werden will!)"


Quelle

ja, die Abschaffung von Sklaverei ist ein relativ neues Phänomen. Man kann definitiv nicht mit Vorstellungen des 21. Jahrhunderts argumentieren, wenn es um Verhältnisse des 7. oder 17. Jahrhunderts geht.

Wenn man bösartig sein will, könnte man sagen: die Reichen und Mächtigen erhielten sich die Vorteile der Sklaverei (zB Leute, die für sie die Drecksarbeit machen), aber ohne die Nachteile (zB die Verpflichtung, für den Lebensunterhalt aufzukommen, für Sklaven zu sorgen; die Verpflichtung, Leibeigene zu behalten und nicht wegzuschicken ins Ungewisse)

Und ja, es gibt reichlich Menschen, die sind noch so gerne Sklaven, solange sie gut behandelt, gefüttert und gepflegt werden. Gerade in Deutschland ist diese Mentalität der Obrigkeitshörigkeit sehr häufig; ein Verhältnis von Bürger und Staat wie das Verhältnis von Kind zu Eltern. Ja, viele Menschen fühlen sich sehr wohl in einer Situation von Sklaverei.

gruss, barbara

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#9 Re: Kasten(un)wesen.

Beitrag von Pluto » So 20. Jul 2014, 11:15

barbara hat geschrieben:Leute, denen es gut geht, sind auch in hierarchisch klar strukturierten Gesellschaften ganz zufrieden.
Nein. Es braucht mindestens panem et circenses, und selbst das reicht nicht auf Dauer. Was glaubst du wie die Arbeiterbewegung im 19. Jh. entstand?
barbara hat geschrieben:Anthropologische Forschung hat das gezeigt.
Unsinn! Wo wurde das gezeigt? — Quelle?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#10 Re: Kasten(un)wesen.

Beitrag von barbara » So 20. Jul 2014, 11:24

Pluto hat geschrieben: Nein. Es braucht mindestens panem et circenses, und selbst das reicht nicht auf Dauer. Was glaubst du wie die Arbeiterbewegung im 19. Jh. entstand?

Aus Schuldknechtschaft, drückenden Schulden...


Unsinn! Wo wurde das gezeigt? — Quelle?

ich hab sie schon zweimal angegeben, aber hie ein drittes Mal für dich:

barbara hat geschrieben:David Graeber schreibt in "Schulden - die ersten 5000 Jahre"

gruss, barbara

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