Novalis hat geschrieben:[Ich sehe es so: die Menschheitsfamilie braucht einen gemeinsamen weltweiten Ethos, wenn sie eine Zukunft haben will
Da sind wir ja mal einer Meinung. Stimmt - wir brauchen eine gemeinsame Wertegrundlage, eine globale Ethik, die Leid mindern und Glück und Zufriedenheit fördern soll.
Von der nihilistischen Geisteshaltung des Materialismus wird dieser mit Sicherheit nicht kommen.
Und schon kommt ein abwertender Hammer. Mit welchem Recht spielst du dich als der auf, der "mit Sicherheit" weiß, dass säkular (ich versuche, deine Ismen mal außen vor zu lassen, insbesondere das beleidigende Verwenden von "Nihilismus") kein "Weltethos" generiert werden kann? Das diskreditiert deine "guten" moralischen Werte zu reinem Hochmut und sich über andere Stellen. Das ist ein Problem von Menschen, die meinen, sie seien wegen ihres Glaubens etwas besseres.
Wie sagte nicht schon der Iwan Karamasoff von Dostojewski: „Wenn Gott nicht existiert, ist alles erlaubt!“
Darüber kann man in der Tat diskutieren. Wird Gott dafür gebraucht, durch (fiktive oder reale) Drohungen Menschen dazu zu zwingen, einen Moralcodex wie z.B. die 10 Gebote, für sich anzunehmen? Falls ja, wäre es traurig, da die Menschen dann nicht aufgrund von Verständnis dafür, warum ein Moralcodex nötig ist, diesen annehmen, sondern nur aus Angst. Und ja, dann kann, wenn man darauf kommen würde, dass Gott ja gar nicht existiert, als Gegenpol alle Grenzen und Werte verlieren. Deshalb gibt es ja weltliche Gesetze, die gegensteuern.
Ich für mich halte mich an Moralgrundsätze aus Überzeugung. Ich verstehe mich als einen Teil einer Spezies, die in Verbänden lebt und daher gewisse altruistische Grundsätze benötigt. Es würde schief gehen, wenn jeder nur seine persönlichen Ziele durchsetzen würde oder das wollte. Man kann da vieles an Verhaltensweisen aus der Kogik heraus begreifen. Das alles lehnst du beiläufig mit einem kleinen Satz, in dem du zwei Ismen verwendest, um all die Gedanken darum als grotesk darzustellen, ab.
Schöne Voraussetzung, um an einem Weltethos zu arbeiten. Deine ethischen Werte teile ich vermutlich nicht und ich bin dann froh, dass du nicht an so einem Projekt beteiligt bist. Meinungs- und Gedankenfreiheit gehören für mich nämlich auch dazu. Ebenso, Andersdenkende nicht abzuwerten und als minderwertig anzusehen.
- oder anders gesagt: ohne meta-physische Sinndeutung, ohne ein System transzendenter Werte und Ideale, die dem Menschen einen Platz in der größeren kosmischen Ordnung zuweisen, gibt es keine Grundlage für einen verbindlichen Ethos,schon gar nicht für einen Welt-Ethos, den wir aber benötigen.
Eine pure These, die ich nicht so teile. Leider begründest du diese These nicht.
„Eine Weltepoche, die anders als jede frühere geprägt ist durch Weltpolitik, Welttechnologie, Weltwirtschaft und Weltzivilisation, bedarf eines Weltethos.“ Hans Küng, 1993
Küng hat da sicherlich recht. Aber was hat das mit deiner (herablassenden) These zu tun?
Doch wie kommen wir zu einem Welt-Ethos? Ich denke, dass die Religion am ehesten von sich behaupten kann, die Wahrheit im höchsten Sinne zu spiegeln, die einen solchen die Menschen verbindenden Ethos am Besten vermittelt.
Auf der Ebene kann man diskutieren. (Endlich!) "Ich denke, dass..." klingt da besser als "Es ist völlig klar, dass...".
Ich behaupte, wer für sich die Wahrheit pachtet, der zeigt nur Hochmut und mangelnde Toleranz gegenüber anderen Denkmodellen. Gerade dann denke ich, dass Religionen am schlechtesten geeignet wären, einen Welt-Ethos auszuarbeiten.
Andererseits glaube ich nicht, dass jede Religion diesen absoluten Wahrheitsanspüruch behalten kann, wenn mehrere gemeinsaem ethische Werte ausarbeiten wollen.
Wenn dabei aber säkulare Strömungen ausgeschlossen werden (weil du beispielsweise festlegst, dass diese nicht taugen, da auch nur irgendwas beizusteuern), dann war's das mit dem Weltethos. Er sollte von allen gemeinsam getragen werden können.
Leider sind es aber gerade Religionen, die an und für sich bereits weitgehend anerkannte Grundlagen wie Menschenrechte oder Menschenwürde ablehnen (schau mal, was Evangelikale zu Menschenrechten und/oder Menschenwürde sagen - das sei ein gottloser Anthropozentrismus, der von Satan ausgeht und ähnliches).
Eloquente und erhabene Gedanken und theologische Systeme bringen im Grunde nichts, wenn sie sich nicht im Sein manifestieren.
Du meinst, dass sie von den Menschen, die sie betreffen, auch angenommen und getragen werden? Stimmt. Daher finde ich es so erbärmlich, dass du einen gar nicht so kleinen Teil der Menschheit kategorsich ausschließt und ihnen deinen Ethos überstülpen willst. Damit wäre das Projekt bereits von Anfang an gescheitert. Ich hoffe, Küng denkt da ein bisserl weiter als du.
Christen haben da zum Glück ein ganz konkretes Vorbild, an dem sie sich orientieren können, wenn es um die Frage geht, was rechtes Sein und Tun, wahres Leben bedeutet:
Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich. (Joh 14,6; EU)
Dieser Satz von Jesus hilft keinen Deut weiter, was einen Weltethos betrifft. Hier geht es um Seelenheil oder irgendwas in der Art. Wieder mal ein frommer Spruch, der nicht weiterhilft. Damit willst du begründen, dass letzten Endes Christen allein prädestiniert für das Definieren eines Weltethos wären? Verstehe ich dich da richtig? Oder willst du nur sagen, dass Christen es einfach haben, weil sie Jesus als Vorbild für einen Weltethos haben?
Naja, wenn du meintst. Glauben kannst du es ja.
Weltethos nur durch Christen allein: das kann ich jetzt kategorisch ausschließen. Dafür ist das Menschenbild zu negativ und sind die vielen Regeln und Verbote zu extrem. Ich hoffe, dass sich Nichtchristen im Küngschen Projekt gut einbringen können, um da etwas gegenzusteuern. Sonst haben wir einen moralsichen Rückschritt in finstere Zeiten.
Zum Glück leben wir aber in einer Demokratie und es bedarf einer Mehrheit, die Ideen dieses "religiösen Think Tanks" anzunehmen. Ich hoffe dass wir stark genug sind, gegen extreme Moralvorstellungne, die christlich vielleicht wichtig sind, aber zu Druck und Leid führen (also einfach nur schlecht sind) argumentativ anzugehen, damit diese keine Mehrheit erhalten. Ich hoffe, dass die anderen Religionen hier Küng ausbremsen und der Kompromiss eher menschliche Züge zeigen kann. Wenn dann auch rein säkulare Vertreter beteiligt sind, word es vielleicht ein echter Kompromiss sein. Und der wird wenige, aber sehr wichtige Grundregeln aufstellen, dem Menschen sonst aber viel Freiheit(!) lassen.
Mir wird ganz anders, wenn ich solche Initiativen mitbekomme. Andererseits: laut der Website haben 1993 200 Vertreter der Weltreligionen unterzeichnet. Ich sollte mir mal die Zeit nehmen, die Erklärung durchzulesen. Da aber offenbar nur Religionsvertreter beteiligt waren, fürchte ich, dass da nichts Gutes bei rauskam. Und immerhin hat sich bis jetzt (2017!) das wohl nicht durchgesetzt.
Da kann ich noch durchatmen und hoffe, dass es auch in Zukunft nicht passiert. Ich setze da eher auf die UN und die Menschenrechtscharta. Da geht es wenigstens um Ethik und Menschen.