Was haltet ihr vom Buddhismus?

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Pluto
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#11 Re: Was haltet ihr vom Buddhismus?

Beitrag von Pluto » Sa 9. Jul 2016, 23:40

Janina hat geschrieben:Andererseits sind Buddhisten so... langweilig. Ich halte nichts davon, dem Leben zu entsagen, damit man nachher, wenns zuende geht, nicht dran klammern muss. Lieber kräftig leiden und dafür wenigstens kräftig gelebt haben!
Man muss ja nicht gleich ein fundamentalistischer Mönch werde.

Wie ich schon sagte, ich finde die Meditation gut. Nur... wozu man so unbequeme Stellungen einnehmen?
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2Lena
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#12 Re: Was haltet ihr vom Buddhismus?

Beitrag von 2Lena » So 10. Jul 2016, 08:04

Pluto hat geschrieben:Wie ich schon sagte, ich finde die Meditation gut. Nur... wozu man so unbequeme Stellungen einnehmen?
Erlaube mir die Gegenfrage:
Wozu nimmt einer Genussmittel, mit dem Ergebnis, dass er dem Körper schadet?

Extreme Anspannung oder Ähnliches mehr bringen "Geist" in Wallung. Das erhöht die Schärfung der Sinne, worauf sich außersinnliche Eindrücke einstellen könnten. Du bist dann nicht "ganz bei dir".
Viele quälen sich dann, angeleitet von Lehrern, dass sie so zu Erkenntnissen kommen.
Das kann man aber nicht anlernen. Man bekommt sie geschenkt, hat das häufig schon von Geburt an.

Pluto
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#13 Re: Was haltet ihr vom Buddhismus?

Beitrag von Pluto » So 10. Jul 2016, 09:04

2Lena hat geschrieben:Erlaube mir die Gegenfrage:
Wozu nimmt einer Genussmittel, mit dem Ergebnis, dass er dem Körper schadet?
Weil viele Menschen die kurzfristige Befriedigung höher einschätzen als die verzögerte Belohnung.

Ist dir Walter Mischel und sein "Marschmallow Test" ein Begriff? Zu deutsch auch Das Belohnungsaufschub-Paradigma genannt. Es geht ganz allgemein um Versuchungen. Das wirklich interessante an diesem Test sind seine prophetischen Eigenschaften. Kinder die im Test der Versuchung widerstanden, waren in der Schule und im späteren Leben leistungsfähiger und dadurch erfolgreicher.
Walter Mischel hat vor wenigen Jahren dazu ein hochinteressantes Buch veröffentlicht: Der Marshmallow-Effekt: Wie Willensstärke unsere Persönlichkeit prägt. Sehr empfehlenswert!

2Lena hat geschrieben:Extreme Anspannung oder Ähnliches mehr bringen "Geist" in Wallung. Das erhöht die Schärfung der Sinne, worauf sich außersinnliche Eindrücke einstellen könnten. Du bist dann nicht "ganz bei dir".
Och... "ganz bei mir" bin ich auch, wenn ich bequem in meinem Sessel sitze. :engel:
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erbreich
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#14 Re: Was haltet ihr vom Buddhismus?

Beitrag von erbreich » Mo 29. Aug 2016, 16:51

Halman hat geschrieben: Soweit ich es verstanden habe, ist das Ich gem. der buddhistischen Lehre nur eine Illusion und in Wahrheit gar nicht existent. Daher ist es sinnlos, das Ego festhalten zu wollen; das Nicht-Ich ist nach meinem sehr bescheidenen Wissen eine zentrale buddhistische Lehre. Der Buddhist versteht sich nicht als konstante Seelen-Einheit, sondern als Prozess ständiger Veränderung.
Das ist korrekt, Halman.

Ich verstehe Buddha's Nicht-Ich-Lehre auch als die konkrete Praxis von Jesu Forderung nach Selbstverleugnung ("Wer mir nachkommen will verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich täglich und folge mir nach.") Die geforderte Selbstverleugnung im Sinne des buddhistischen Erkennes der Kernlosigkeit des eigenen Wesens geht tiefer als ein "nichts für mich und alles für den Nächsten" (der direkte Weg ins Burnout der Menschen auf einem Helfertrip). Mein Sein und das Sein meines Nächsten sind gleichwertig. Beide sind kernlos, ohne eine unabhängige, unbedingte Ich-Instanz.

Die Nicht-Ich-Lehre wird gut illustriert durch das Modell der fünf Daseinsgruppen, die laut Buddha die ganze Existenz abdecken und ohne einen substanziellen Kern, ohne ein unveränderliches Ich sind. Aufgrund ihrer durchgängigen Veränderlichkeit und Vergänglichkeit sind die fünf Daseinsgruppen - also die gesamte Existenz - unzulänglich, leidhaft (das "Kreuz", von dem Jesus sagt, dass wir nicht darum herum kommen, es auf uns zu nehmen - diese Leidhaftigkeit der Existenz zu akzeptieren also).

Um nun vom psychischen Leiden an der existenziellen Leidhaftigkeit frei zu werden, muss das (begehrliche, abwehrende, ich-zentrierte) Anhaften an der Existenz - an "Ich und Welt" - gelöst werden. Dies geschieht eben durch tiefe Einsicht in die Ichlosigkeit, Kernlosigkeit meiner Existenz und allen Seins, also durch Nichtidentifikation damit.

Gruss, erbreich

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Kingdom
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#15 Re: Was haltet ihr vom Buddhismus?

Beitrag von Kingdom » Di 30. Aug 2016, 13:23


Fazit: Nur persönliche Erkenntnis und Erfahrung, Achtsamkeit und Meditation können nach seiner Lehre Befreiung bringen.Glaubensvorstellungen sind demgegenüber untergeordnet.Du kannst also Christ und praktizierender Buddhist sein.
Was meinst ihr dazu?

Selberlösung und Christ, Menschliche Philosophie und Christ. Das beisst sich ungemein.

Man kann Buddhist sein und Christliche Werte, in sein Leben integrieren.

Man kann aber nicht Christ sein und der Selbsterlösung, in seinem Leben einen Platz einräumen. Der Weg ans Ziel könnte hier nicht Gegensätzlicher sein.

Lg Kingdom

erbreich
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#16 Re: Was haltet ihr vom Buddhismus?

Beitrag von erbreich » Di 30. Aug 2016, 17:54

Kingdom hat geschrieben:Selberlösung und Christ, Menschliche Philosophie und Christ. Das beisst sich ungemein.
Man kann Buddhist sein und Christliche Werte, in sein Leben integrieren.
Man kann aber nicht Christ sein und der Selbsterlösung, in seinem Leben einen Platz einräumen. Der Weg ans Ziel könnte hier nicht Gegensätzlicher sein.
Im Buddhismus ist nicht mehr "Selbsterlösung" als Paulus hier erwähnt:

Daher, meine Geliebten, gleichwie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht allein als in meiner Gegenwart, sondern jetzt vielmehr in meiner Abwesenheit, bewirket eure eigene Seligkeit mit Furcht und Zittern..." (Phil 2,12)

"Bewirkt eure eigene Seligkeit" (oder, je nach Übersetzung: "euer Heil" oder "eure Rettung"): Das gilt auch für den Buddhisten. Christ wie Buddhist sind aufgerufen, ihren Anteil zu tun, eine "billige Gnade" hat da keinen Raum. Dazu passt auch dies hier, ebenfalls von Paulus geäussert - und zwar gegenüber der Gemeinde, nicht etwa gegenüber "Heiden":

Irret euch nicht; Gott läßt seiner nicht spotten! Denn was der Mensch sät, das wird er ernten. (Galater 6.7)

Das Gesetz von Saat und Ernte (buddhistisch: Karmagesetz) gilt unumstösslich. Auch der Gläubige (ob Buddhist oder Christ) erntet, was er sät. Die Gnade hebt dieses Gesetz nicht aus den Angeln, sie verhilft aber dazu, die Ernte annehmen zu können, auch oder gerade auch da, wo sie als leidvoll erlebt wird.

Der Buddhist kann Nirvana nicht machen, sowenig wie der Christ seine Erlösung machen kann. Beide können nur dies: Die ihnen als Menschen möglichen Bedingungen dafür schaffen, dass die Erlösung geschehen kann (nicht zwangsläufig muss). Und so fährt Paulus an die Philipper weiter:

"...denn Gott ist es, der in euch wirkt sowohl das Wollen als auch das Wirken, nach seinem Wohlgefallen. (Phil 2,13)

Der Buddhist sagt nun natürlich nicht, es sei ein Gott, der das nach seinem Wohlgefallen wirke, sondern er sagt, das sind Bedingungen, die ihm, dem Menschen, nicht erkennbar und nicht zugänglich sind. Wenn alle Bedingungen für Erlösung (Nirvana) erfüllt sind, dann geschieht die Befreiung. Sie kann nicht berechenbar gemacht werden. Weder vom Buddhisten, noch vom Christ.

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#17 Re: Was haltet ihr vom Buddhismus?

Beitrag von JackSparrow » Di 30. Aug 2016, 19:23

erbreich hat geschrieben:Um nun vom psychischen Leiden an der existenziellen Leidhaftigkeit frei zu werden, muss das (begehrliche, abwehrende, ich-zentrierte) Anhaften an der Existenz - an "Ich und Welt" - gelöst werden.
Insebsondere muss der zukünftige Buddhist erst mal dahingehend indoktriniert werden, dass er auch wirklich auf die Idee kommt, seine Existenz sei "leidvoll". Solange jemand mit seinem Leben relativ zufrieden ist und das Gefühl hat, dass es ihm ja eigentlich ganz gut geht, kann er unmöglich Buddhist sein.

Ähnlich wie man auch unmöglich Christ sein kann, bevor man nicht gründlich davon überzeugt wurde, was für ein verkommener kleiner Sünder man doch ist.

Dies geschieht eben durch tiefe Einsicht in die Ichlosigkeit, Kernlosigkeit meiner Existenz und allen Seins, also durch Nichtidentifikation damit.
Wie viele Menschen kennst du, die sich nicht mit sich selbst identifizieren oder gar über sich selbst in der dritten Person sprechen? Ich denke, solche Menschen sind eher ein Fall für die nächstgelegene Nervenheilanstalt.

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Josi
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#18 Re: Was haltet ihr vom Buddhismus?

Beitrag von Josi » Di 30. Aug 2016, 19:55

erbreich hat geschrieben:Im Buddhismus ist nicht mehr "Selbsterlösung" als Paulus hier erwähnt:

Daher, meine Geliebten, gleichwie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, [...]
Hallo zusammen, hallo Erbreich, :)

mir scheint eher, dass kaum eine Denkwelt weiter von buddhistischen Weltverständnissen entfernt sein kann, als jene von Paulus.
Denn Paulus forderte im Ramen monotheistischer Kontexte, und somit entgegenstehend polytheistischer Denkweisen, eine völlig andersgeartete Gefolgsamkeit ein.
Nicht weniger aufs Äußerste unvereinbar sind beide Vorstellungen zur Erlösung u. o. Selbsterlösung, denn auch diese Begriffe sind in unmöglich vergleichbaren Kontexten definiert bzw. gefasst.

Darüber hinaus erscheinen mir Anhänger des Buddhismus überhaupt zu überzogen tolerant aufzutreten, vertreten sie offiziell (meist unbewusst, weil hörig agierend) nur zu gern zahlreiche Argumente vom Typ 'Non Sequitur', um sich dadurch völlig andersgearteten, einschließlich extremst intoleranten Religionskonzepten gegenüber, in ein "gutes Licht" stellen zu können.
Inoffiziell hingegen pflegen sich elitäre Buddhisten Ziele, die nicht weniger intolerant bzw. totalitär sind, als jene monotheistischer Herrschaftsformen, danach die große Masse verdummbeutelter Gutgläubigen bedingungslos hörig sein bzw. werden soll.

Aber ob Polytheismus, oder Monotheismus, oder auch Beides irgendwie kombiniert zusammengebracht, ist eh bedeutungslos, denn wenn es etwas gibt, was sie allesamt vereint, dann die von F. Nietzsche sehr gut begründete Sklavenmentalität.

;)
Wer propagiert, es sei nicht schlimm wenn Menschen - einschließlich Kinder - getötet werden, da sie bei Gott weiter leben würden, gehört selbst auf der Stelle mit der Begründung getötet: "DIES SEI AUCH DIR GEGÖNNT!!!"

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Janina
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#19 Re: Was haltet ihr vom Buddhismus?

Beitrag von Janina » Di 30. Aug 2016, 19:57

Pluto hat geschrieben:Ist dir Walter Mischel und sein "Marschmallow Test" ein Begriff? Zu deutsch auch Das Belohnungsaufschub-Paradigma genannt.
Das kommt mir vor wie das Gegenkonzept zu der Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral von Heinrich Böll.

Was macht denn nun ein Buddhist mit dem Marshmallow?
Spare jetzt, lebe später, und später kommt nie?
Oder den Augenblick genießen?

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#20 Re: Was haltet ihr vom Buddhismus?

Beitrag von Pluto » Di 30. Aug 2016, 20:15

Janina hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Ist dir Walter Mischel und sein "Marschmallow Test" ein Begriff? Zu deutsch auch Das Belohnungsaufschub-Paradigma genannt.
Das kommt mir vor wie das Gegenkonzept zu der Anekdote zur Senkung der Arbeitsmoral von Heinrich Böll.
Die Frage ist viel tiefschürfender: Warum wählen so viele Menschen den Spatz in der Hand?
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