Pluto hat geschrieben:
Eine mathematische Kugel ist natürlich immer eine Kugel, da hast du vollkommen recht!
Aber was ist eine Kugel in der realen Welt?
Genau darauf wollte ich hinaus.
Es existiert keine
gegenständliche Kugel, die der mathematischen Definition exakt entspräche und bei der jeder Punkt der Kugeloberfläche absolut exakt gleicht weit entfernt ist von ihrem Mittelpunkt (es wird in der Oberfläche einer materiellen Kugel immer Dellen geben und seien sie auch noch so klein). Dennoch kann z.B. das Volumen einer Billardkugel mit hinreichender Exaktheit mit Hilfe der entspechenden Formel berechnet werden, obwohl sich diese Formel auf einen
idealen Gegenstand der Geometrie bezieht.
Mathematik/Geometrie ist also hilfreich bei der Erfassung der gegenständlichen Wirklichkeit.
Normalerweise meint man aber, wenn man von "Gott" spricht, in der Regel kein
gegenständliches Ding. Gläubige glauben an die Wirklichkeit eines Wesens, das zwar wirklich ist, aber nicht gegenständlich, also kein Objekt der materiellen Welt. Man klassifiziert es vielmehr als
transzendent.
In welchem Sinne ist also dieses geglaubte Wesen "Gott"
wirklich?
In dem Sinne, wie eine
ideale Kugel in der Mathematik beschrieben wird, der aber nichts Gegenständliches entspricht? Die ideale Kugel "existiert" nur als mathematisches Objekt. Welchem Grad von Wirklichkeit entspricht dies? Welchem Grad von Wirklichkeit entspräche ein transzendentes Wesen? Ganz sicher ist es kein gegenständliches Ding, dennoch wird es als Teil der Wirklichkeit betrachtet.
Der Gott in Gödels Gottesbeweis existiert notwendig als logisches Objekt. Es ist nun die Frage, welchen
Grad an Wirklichkeit man diesem logischen Objekt zusprechen will?
Pluto hat geschrieben:
Gaudilo war ein sehr viel schlauerer Logiker als Anselm. Er nahm als Beispiel die Vorstellung einer perfekten Insel.
Doch dann fragte er, "Wenn ich beweise, dass meine Vorstellung einer Insel existiert, muss dann logischerweise auch eine solche Insel in der Wirklichkeit existieren?"
Verkürzt entspricht dies Kants Kritik am ontologischen Gottesbeweis, dass 100 gedachte Taler noch keine 100 wirklichen Taler sind (er hat aber auch noch den Einwand, dass
zu existieren keine Eigenschaft eines Dinges sein kann).
Anselm hätte auf die Kritik vermutlich geantwortet, dass sowohl Gaudilos Insel als auch Kants Taler nichts sind,
über das hinaus nichts Vollkommeneres gedacht werden kann. Zur Vorstellung einer Insel oder Talern gehört nicht Vollkommenheit. Zur Vorstellung Gottes schon. Vollkommen kann aber nichts sein, was nicht existierendes Bestandteil der Wirklichkeit ist.
Pluto hat geschrieben:
PS: Tut mir leid wenn ich dich an deinem ersten Tag so stressen. Es ist eine echt interessante Diskussion.
Keine Ursache.
Ob man das, was Gödel in seinem formallogischen Beweis als "G" bezeichnet, nun "Gott" oder "Spaghettimonster" nennt, ist unerheblich. Erfüllt das Spaghettimonster die von Gödel gemachten logischen Voraussetzungen und die Bestimmung, dass es alle positiven Eigenschaften in sich vereint, dann existiert auch ein "Spaghettimonster" in allen möglichen Welten mit logischer Notwendigkeit.
Ist Gödels Beweis nur die intellektuelle Spielerei, die
Hirnakrobatik eines etwas sonderlichen Menschen, der offensichtlich nichts Besseres mit seiner Zeit anzufangen wusste?
Das kann man so sehen, wenn man will.
In diesem Falle wäre z.B. der Beweis der Poincaré-Vermutung durch den russischen (und ebenfalls sehr sonderbaren) Mathematiker Grigori Perelmann, ebenfalls nichts weiter als bloße - Hirnakrobatik.
Man sollte dann aber bedenken, dass die Poincaré-Vermutung im Jahr 2000 vom Clay Mathematics Institute zu den sieben bedeutendsten ungelösten mathematischen Problemen gezählt wurde, den sogenannten Millennium-Problemen. Für den Beweis der Poincaré-Vermutung hatte das Institut eine Belohnung von 1 Mill. US-Dollar ausgeschrieben, die Perelmann für seine mathematische Jahrtausendleistung erhalten sollte sowie die Fields-Medaille, dem Nobelpreis für Mathematiker. Beides lehnte Perelmann ab. Stattdessen hat er sich aus der Mathematik vollständig zurückgezogen. (Das meine ich mit sonderbar).