Andreas hat geschrieben:Anton B. hat geschrieben:Ansonsten bin ich der Meinung, dass das wissenschaftliche Wissen über den "historischen Jesus" von Münek, Zeuss, Sven usw. einigermaßen korrekt wiedergegeben wird.
Diese Meinung teile ich keineswegs.
Ich weiß. Sonst würden wir ja auch so nicht über das Thema reden
Andreas hat geschrieben:Ein Zerrbild der Wissenschaft dadurch zu erzeugen, dass man einzelne Sätze aus wissenschaftlichen Büchern aus ihrem Sinnzusammenhang reißt und so den Sinn ins Gegenteil verkehrt, hat mit "wissenschaftlich argumentieren" nichts zu tun.
Dass die Vertreter des "Neuen Atheismus" "die Wissenschaft" auf diese Weise missbrauchen und sich so dienlich machen, belege ich hier ein ums andere Mal exemplarisch am Beispiel von Theißen.
Ist ok. Können wir ja diskutieren.
Andreas hat geschrieben:Behauptung: "Konsens der Jesus-Forschung": - WIDERLEGT
In jedem Fachbuch dazu - bei Wolfgang Stegemann, bei Conzelmann/Lindemann und auch bei Theißen - gibt es einen Aufriss der Geschichte der Jesus-Forschung. First Quest, Second Quest, Third Quest mit weiteren Unterstufen und Strömungen. Auch bei Theißen in dem Kapitel aus dem Müneks letztes Zitat (S. 487) stammt geht es zu Beginn des § 16 DER HISTORISCHE JESUS UND DIE ANFÄNGE DER CHRISTOLOGIE wieder darum das aufzuzeigen:
1. Drei Phasen der Erforschung neutestamentlicher Christologie
[...]
Ja. Das ist ein Abriss der Forschungsgeschichte. Die veränderten Fragestellungen beziehen eine Veränderung der Methodik mit ein. Die veränderten Fragestellungen werden jeweils mit einer "Krise" der alten Fragestellung begründet.[/quote]
Andreas hat geschrieben:Theißen Vorwort hat geschrieben:Weil Wissenschaft nicht einfach von der Wirklichkeit "erzählen kann, sondern über Quellen, Forschungslagen, Methoden und Probleme reflektiert, ist sie ein kompliziertes Geschäft.
"Die Jesus-Forschung" ist tatsächlich ein kompliziertes Geschäft, es ist eine Revision der Revision der Revision und daher ist es unstatthaft das Gerücht eines angeblichen "Konsens der Jesus-Forschung" dadurch in die Welt zu setzen, dass man Zitate aus allen diesen Quests und Revisionen in einen Topf schmeißt - von Reimarus, über Schweitzer, Bultmann usw. bis Theißen - um sich einen angeblichen "Konsens der Jesus-Forschung" zu generieren, [...]
"Angeblicher Konsens" ist ja erstmal eine Behauptung. Wenn es einen Majoritäts-Konsens in der Forschung geben sollte, dann ist das ein "zeitgenössischer" Konsens der jetzigen Forschergemeinschaft. Reimarus, Schweitzer usw. sind letztlich Schritte dahin.
So wie Du den "Konsens" bezweifelst, kannst Du genausogut jeden Majoritätskonsens in anderen Wissenschaften bezweifeln. In der Geologie zählst Du verschiedene Protagonisten der verschiedenen Entwicklungsschritte zu den spezifischen zu erforschenden Zusammenhängen auf, die derzeitigen Fragestellungen, die Methodiken ihrer Zeit und blätterst dann ein beliebiges heute für Studenten empfohlenes Lehrbuch auf. Und voiila, schon siehst Du ein Sammelsurium von Zitaten, die auch außerhalb der Historie der Forschungsgeschichte im fachlich darstellenden Teil von spätestens Smith über Lyell eine illustre Anzahl von Persönlichkeiten und Ideen versammelt. Und das beste ist, aus all zitierten Werken werden Aussagen rausgequetscht, die den zeitgenössischen Konsens darstellen. Es werden aber auch Aussagen dingfest gemacht, die definitiv keinen zeitgenössischen Konsens darstellen, sonder als überholt gelten, vielleicht sogar nie zu einem wirklichen Konsens geführt haben. Hier denke ich z.B. an einige Thesen des Lyell, die gerne von einer entsprechend aufgestellten Klientel als Zeugen für das Modellgebäude der Geologie dargestellt werden.
Andreas hat geschrieben:[...] -- der genau zu der eigenen ideologischen Stoßrichtung und den Zielen des "Neuen Atheismus" beispielsweise der Giordano Bruno Stiftung passt.
Nu, ja. Wahrscheinlich sind die federführenden Mitglieder der Giordano-Bruno-Stiftung praktizierende oder zumindest ausgebildete Wissenschaftler. Wenn die sich selber nicht in die Nesseln setzen wollen, dann wenden die genau ihre erlernte Methodik so gut wie möglich an, um sich nicht angreifbar zu machen. Wahrscheinlich aber setzen auch sie "Wissen" über "Glauben". Was eine schwerlich wirklich begründbare Positionsentscheidung ist, wenn wir, wie es hier ja der Fall ist, über die philosophischen Kategorien "Wissen" und "Glauben" sprechen.
Andreas hat geschrieben:Das ist Ideologie - Wissenschaft zu entstellen und zu missbrauchen ist kein "wissenschaftliches Argumentieren".
Ob die Wissenschaft "entstellt" ist, ist bis hierher noch gar nicht klar. Der Vorwurf der "Ideologie" kann sich bis hier erstmal nur auf die Annahme einer Position und die Darstellung derselben als einzig gerechtfertigte beziehen.
Andreas hat geschrieben:Behauptung: "DIE HKM" bräuchte keine Hermeneutik": - WIDERLEGT
Pluto hat geschrieben:Ich weiß nicht warum du das Wort Hermeneutik im Zusammenhang mit der HKM verwendest. Die HKM arbeitet nicht hermeneutisch sondern wissenschaftlich.
...
Deshalb muss Hermeneutik der wissenschaftlichen Methode weichen.
Hermeneutik ist kein einfacher Begriff. Im ganz engen Sinne würde ich sie mal grob als Analyse eines Textes aufgrund sich selber betrachten. Die wissenschaftliche Methode setzt die
historische Komponente des Textes aber in Beziehung auf das anderweitig bestehende Wissen: Wissenschaftliches Wissen hat den Anspruch mit anderem wissenschaftlichem Wissen, also auch naturwissenschaftlichem Wissen konsistent zu sein. Das geht über die hermeneutische Analyse eines Textes im engen Sinne hinaus.
Andreas hat geschrieben:Abgesehen davon, dass "DIE HKM" hier permanent falsch als Wissenschafts-, als Forschungszweig, als Jesus-Forschung oder gar in Bezugnahme auf Theißen oder andere Theologen in Persona "verkauft" wird und nicht als Methode:
Die Mikrofaziesanalyse der Sedimentologie ist genau so Forschungszweig und Methode gleichzeitig. Das ist bei Spezialgebieten gar nicht so selten.
Andreas hat geschrieben:Conzelmann/Lindemann, Arbeitsbuch zum Neuen Testament, Seite 1 hat geschrieben:Ziel der Exegese ist das Verstehen des Textes. Dem vorausgehen muss jedoch die Frage, welchen Bedingungen Verstehen grundsätzlich unterworfen ist. Die allgemeine Lehre vom Verstehen heißt Hermeneutik. Die Hermeneutik als Methode ist notwendig, weil Text und Leser einander niemals unmittelbar begegnen, sondern immer durch einen zeitlich oder sachlich bedingten Abstand von einander getrennt sind.
Hier wie auch bei Theissen und Gadamer haben wir einen modernen, erweiterten Hermeneutik-Begriff. Wie versuchen denn, Conzelmann & Lindemann, Theissen und die anderen Hermeneuten diesen "zeitlich und sachlich bedingten Abstand" zu schließen? Durch z.B. Darstellungen und wissenschaftliche Ausarbeitungen, wie sie die "Geschichte des Urchristentums" von D.-A. Koch als Lehrbuch zusammenträgt. Also Befunde aufgrund von Texten, Archäologie (inkl. Naturwissenschaften), Soziologie usw., die uns den Kontext der zu interpretierenden Texten in ihrer Zeit aufzeigen.
Aber um auf das Problem der Naherwartung durch den historischen Jesus als Majoritätrs-Konsens in den theologischen Wissenschaften zurück zu kommen: Wo wird es denn dezidiert
nicht so gesehen?
Zu Theissen, ($9 Jesus als Prophet: Die eschatologie Jesu; 6. Zusammenfassung und hermeneutische Reflexion. Fragen zu zum Verständnis der echatologischen Verkündigung: 9. Apokalyptische und weisheitliche Traditionen): "
Jesu Verkündigung hat hat die Form mündlicher Prophetie. Sie bleibt in ihren zeitlichen Dimensionen auf die nahe Zukunft beschränkt, wie das bei mündlicher Verkündigung nahe liegt:"
ebenda, Diskussion nach der Darstellung der 3 Lösungsansätze: "D
ie irrtümliche Naherwartung Jesu (und der ersten Christen) hat im Urchristentum keine große Krise ausgelöst. Jedoch wurde dieses Problem registriert."
Hier noch 2 Exzerpte aus neuerer Lehrliteratur, die oftmals für das Studium empfohlen ist:
D.A. Koch, Geschichte des Urchristentums (2014: 147): "
Historisch wirksam und wichtig geworden sind folgende Aspekte des Wirkens des historischen Jesus: a) seine eschatologische Verkündigung des nahen bzw. anbrechenden Gottesreiches"
U. Schnelle, Theologie des Neuen Testamentes (2016: 82 ):
Jesus rechnete wie alle Juden um ihn mit dem realen Handeln Gottes in der Geschichte. Wie Johannes der Täufer lebte er in einer intensiven Naherwartung und verstand das Reich Gottes als eine geschichtlich-kosmische Größe, deren Sachgehalt und Zeit-/Raumstruktur er in vielfältiger Weise beschreibt.
Die Eiche "ist" - sie steht da - mit oder ohne Wildschweine.