Alles Teufelszeug? VIII

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Münek
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#581 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von Münek » Mi 10. Jan 2018, 02:05

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die HKM spricht NICHT von der Wirklichkeit Jesu.
Warum möchte man dann "methodische Ergebnisse" gleichgestellt sehen mit "Fakten"?
Wie oft denn noch: Die historisch-kritische Exegese operiert nur mit mehr oder weniger hohen Wahrscheinlichkeiten. Den Exegeten ist der ausschließlich hypothetische Charakter ihrer Forschungsergebnisse völlig bewusst.

Gläubige haben dagegen eine andere (unwissenschaftliche) Sicht. Für sie stellen alle biblischen Aussagen und Berichte Fakten dar, weil nach ihrem Glauben die von Gott auserwählten Verfasser der biblischen Schriften vom Heiligen Geist inspiriert waren: Gott ist der eigentliche Au-
tor (siehe KKK).

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Du sprichst ständig von der GÖTTLICHKEIT Jesu. Zu dieser angeblichen Göttlichkeit kann die HKM keine Stellung beziehen und tut es auch nicht.
Und sie interpretiert auch nicht so - richtig. ABER man darf damit nicht den Anspruch der ERgebnisoffenheit aufrechterhalten.
Es ist ein Prädikat der Wissenschaft, ergebnisoffen zu forschen; sie ist keiner Weltanschauung verpflichtet - das gilt auch für die HKM, die sich weltanschaulich nicht festlegt.

closs hat geschrieben:Wer eine historisch naheliegende Option aus methodischen Gründen auslässt, ist nicht ergebnisoffen.
Der Glaube an Götter, Teufel, Engel, Geister und Dämonen, Höllen- und Himmelfahrt, Auferstehung von den Toten, göttlicher Heilsplan etc. ist für Historiker ALLES ANDERE als eine "historisch naheliegende Option".

:lol: :lol: :lol:

Diesen hanebüchenen Schwachsinn muss man nicht näher kommentieren.


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Der subjektive Glaube Ratzingers ist sein persönliches Ding und kann nicht Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen sein.
Richtig: Ratzingers Glaube ist in der Tat nicht Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchung.
Dann ist ja alles gut.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Deine offensichtlichen Defizite im Bereich "historisch-kritische Exegese" stellst Du hier immer wieder zur Schau - und bist nicht bereit, entsprechende Lücken durch das Studium von Fachlektüre zu schließen.
Es geht und ging noch nie um detaillierte Kenntnis der HKM, sondern der Kenntnis von Rahmenbedingungen und der Rolle, die die HKm darin spielt bzw. spielen sollte.
GRUNDKENNTNISSE über die HKM sollten schon vorhanden sein, um mitreden zu können. Und die könntest Du Dir aneignen, wenn Du wolltest.

Das bekannte, von Theologiestudenten viel benutzte "Arbeitsbuch zum Neuen Testament" von Conzelmann/Lindemann (14. Auflage)
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closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Glaubensbasierte Exegesen gehören in den kirchlich-dogmatischen Sandkasten. Dort und NICHT an den theologischen Fakultäten fristen sie ihr Dasein.
Falsch - sobald die Exegese von der reinen Sachebene in die interpretative Ebene wechselt, sind es gerade die religiös (und nicht säkular) glaubensbasierten Exegesen, die in die theologischen Fakultäten gehören.
Falsch - persönlicher Glaube und postulierte kirchen-dogmatische Wahrheiten haben in einer wissenschaftlichen Diziplin nichts zu suchen. Wer glaubensmäßig bedient werden will, wird im Katechismus der Katholischen Kirche fündig - nicht in der Exegese.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ich werde Dich daran erinnern, wenn Du wieder mal mit Deinem "DAS, WAS IST" wie von einer alternativlosen Realität schwadronierst.
"Das, was ist", ist die Geschichte - und die gibt es nur EINMAL.
Mit Deinem "das, was ist" meinst Du doch das, was jenseits unseres Wahrnehmungs- und Erkenntnisvermögens existieren, eine transzendente Dimension, in der beispielsweise "Gott" wesen könnte. Eine ausschließlich spekulative Annahme.

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Münek
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#582 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von Münek » Mi 10. Jan 2018, 05:49

Andreas hat geschrieben: Bei der wissenschaftlichen Arbeit, spielt die Göttlichkeit Jesu, wie auch die Gottesfrage, wie jetzt schon mehrmals von mir mit Zitaten dargelegt, überhaupt keine Rolle, weil Texte untersucht werden und keine Götter. Wie sollte das auch gehen? Sagst du es mir?
Diese Fragestellung taucht nicht mal am Horizont auf. Es ist also völlig gleichgültig, ob man diese Setzung - die ja nur closs fordert - macht oder nicht. Auf die Ergebnisse wissenschaftlicher Arbeit hat das eh keinen Einfluss.
Diese korrekte Feststellung wird Dir heftigsten Widerspruch von unserem lieben closs eintragen.

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#583 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von closs » Mi 10. Jan 2018, 08:11

Münek hat geschrieben:Diese korrekte Feststellung wird Dir heftigsten Widerspruch von unserem lieben closs eintragen.
Jein. - Bei der rein sachlichen Untersuchung hat Andreas recht, wenn es auf Interpretation ("Jesus hatte eine Naherwartung") hinausgeht, hat er unrecht - aber wahrscheinlich meint er nur die Sachebene. - Aber dann weiß das auch Ratzinger.

Wie auch immer: Es ist gut, dass Andreas auf den sachlich-wissenschaftlichen Aspekt der HKM hinweist - denn bei redlichen Profis schlagen die Wellen bei weitem nicht so hoch wie in einer weltanschaulichen Diskussion wie hier.

Münek hat geschrieben: Die historisch-kritische Exegese operiert nur mit mehr oder weniger hohen Wahrscheinlichkeiten.
Gemessen an was? - Gemessen an ihrer eigenen Hermeneutik? - Auch andere Exegesen operieren so und kommen zu ganz anderen Wahrscheinlichkeiten - gemessen an ihrer eigenen Hermeneutik.

Münek hat geschrieben:Gläubige haben dagegen eine andere (unwissenschaftliche) Sicht.
Es scheint nach wie vor schwer vermittelbar zu sein, dass nicht-falsifizierbare Grundlagen als solche wissenschaftlich nicht bearbeitbar sind, sondern dass auf Basis dieser Grundlagen wissenschaftlich gearbeitet wird. - UNTERSUCHEN tun sowohl HKM als auch andere Exegesen die Texte wissenschaftlich - aber sie interpretieren sie anders.

Münek hat geschrieben:Es ist ein Prädikat der Wissenschaft, ergebnisoffen zu forschen
Das tun sie alle in ihrem methodisch möglichen Rahmen - damit kannst Du keine Unterschiede konstruieren.

Münek hat geschrieben: ist für Historiker ALLES ANDERE als eine "historisch naheliegende Option".
Das ist deren Problem. - Es erwartet auch keiner, dass sie ihre Methodik danach ausrichten - aber sie sind dann halt nicht ergebnisoffen, sobald sie beginnen zu interpretieren.

Münek hat geschrieben:GRUNDKENNTNISSE über die HKM sollten schon vorhanden sein, um mitreden zu können. Und die könntest Du Dir aneignen, wenn Du wolltest.
Du bist auf dem falschen Dampfer - gerade WEIL mir diese Grundkenntnisse zueigen sind, versuche ich seit Äonen, Sachebene und Interpretations-Ebene zu trennen sowie "methodische" und "ontische" Ebene zu unterscheiden. - Und darauf hinzuweisen, dass KEINE Wissenschaft mehr als innerhalb ihrer Hermeneutik/ihres Modells/ihrer Methodik "ergebnisoffen" sein kann. - DAS wären "GRUNDKENNTNISSE".

Ihr versucht es mit allen Mitteln: Wenn man sachlich nicht mehr dagegen halten kann, versucht man es mit "der andere hat keine Ahnung".

Münek hat geschrieben:Falsch - persönlicher Glaube und postulierte kirchen-dogmatische Wahrheiten haben in einer wissenschaftlichen Diziplin nichts zu suchen.
ERgo: Münek meint, dass innerhalb der Wissenschaft nicht interpretiert werden darf. - Da kommst Du mir entgegen.

Münek hat geschrieben:Mit Deinem "das, was ist" meinst Du doch das, was jenseits unseres Wahrnehmungs- und Erkenntnisvermögens existieren, eine transzendente Dimension, in der beispielsweise "Gott" wesen könnte. Eine ausschließlich spekulative Annahme.
Wenn diese Annahme falsch ist, "ist" Fakt, dass dementsprechende Hermeneutiken ins Leere stoßen. - Dann ist es halt dumm gelaufen.

Aber man muss dazu nicht transzendent werden - das gilt genauso für sehr weltliche Dinge. - So werden wir nie wissen, was Bismarck wirklich gedacht hat, als er die Emser Depesche so beantwortet hat, wie es geschehen ist. - Man kann sich dem methodisch näheren - aber es könnte auch ganz anders gewesen sein.

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Andreas
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#584 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von Andreas » Mi 10. Jan 2018, 09:38

Münek hat geschrieben:Diese korrekte Feststellung wird Dir heftigsten Widerspruch von unserem lieben closs eintragen.
Mag sein. Offensichtlich hat er ein ganz anderes Verständnis vom Zweck der Bibel als ich. Ich verstehe einfach nicht, was es für einen Unterschied in den Interpretationen ausmachen soll, ob Jesus wirklich göttlich war oder nicht.

Wenn man sich beispielsweise die Stillung des Sturms in Mk 4,35-41 ansieht, macht es doch für den Leser keinen Unterschied, ob das wirklich ein göttliches Wunder war, oder nicht. Soll das eine Interpretation, welche diese Möglichkeit in Betracht zieht etwa "entscheiden" und sagen: Das war wirklich so, weil Jesus göttlich ist! Das hat doch mit der Intention des Textes nichts mehr zu tun. Der Text zielt doch auf die Wirkung im Leser ab. Die Menschen sind tief ergriffen und heulen, wenn sie Romeo und Julia im Theater oder Kino sehen. Jeder weiß, dass das nicht wirklich geschehen ist und doch empfindet und glaubt jeder Zuschauer an diese große Liebe und erkennt sie wieder in den Liebestragödien seines eigenen Lebens. Wenn das Geistliche nicht im Rezipienten passiert, war alles für die Katz. Es geht doch nicht darum, dass das Göttliche auf diesem scheiß See "wirklich" passierte.

Ein Sturm vor 2000 Jahren ist Schnee von Vorgestern und hat keinen Einfluss auf den Leser heute. Das ist doch keine christliche Botschaft, dass dieser Sturm wirklich von Jesus gestillt wurde. Das ist doch kein Wetterbericht. Wenn Christus nicht die Sicht auf die Stürme des eigenen Lebens besänftigen kann, ist er nicht im Leser auferstanden. So lange der Leser in diesem Gleichnis bleibt, weil er es wörtlich als Tatsachenbericht versteht, findet das nicht statt, was beabsichtigt ist. Diese Erzählung ist eine Brücke ins Geistliche. Da muss man halt drüber gehen und darf nicht ewig auf der Brücke stehen bleiben.

Gerade das leistet die HKM viel besser, als das, was closs fordert. Sie leitet in das Gleichnis auf der einen Seite der Bildebene hinein und auf der anderen Seite des Gleichnisses auch wieder hinaus auf die geistliche Ebene. Die Forderung von closs nagelt den Leser auf der Brücke für alle Zeiten fest und verschließt den geistlichen Zugang. Das ist genau das, was Jesus den Schriftgelehrten vorwarf, dass sie den Weg ins Reich Gottes dem Volk versperren und sich selbst auch.

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#585 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von Pluto » Mi 10. Jan 2018, 09:51

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Die historisch-kritische Exegese operiert nur mit mehr oder weniger hohen Wahrscheinlichkeiten.
Gemessen an was? - Gemessen an ihrer eigenen Hermeneutik?
Nee. Gemessen an dem was wirklich war.
closs hat geschrieben: Auch andere Exegesen operieren so und kommen zu ganz anderen Wahrscheinlichkeiten - gemessen an ihrer eigenen Hermeneutik.
Welche anderen Exegeten?
Die Kanoniker setzen, was unwissenschaftlich ist.

closs hat geschrieben:Es scheint nach wie vor schwer vermittelbar zu sein, dass nicht-falsifizierbare Grundlagen als solche wissenschaftlich nicht bearbeitbar sind
Es ist nicht nur schwer vermittelbar; es ist unmöglich.
closs hat geschrieben:sondern dass auf Basis dieser Grundlagen wissenschaftlich gearbeitet wird.
Das bezweifle ich!

closs hat geschrieben:UNTERSUCHEN tun sowohl HKM als auch andere Exegesen die Texte wissenschaftlich - aber sie interpretieren sie anders.
Ich kenne außer der HKM nur die Kanonische, und diese muss setzen, dass Jesus göttlich war, um zum gwünschten Ergebnis zu kommen.

closs hat geschrieben:Aber man muss dazu nicht transzendent werden - das gilt genauso für sehr weltliche Dinge. - So werden wir nie wissen, was Bismarck wirklich gedacht hat, als er die Emser Depesche so beantwortet hat, wie es geschehen ist. - Man kann sich dem methodisch näheren - aber es könnte auch ganz anders gewesen sein.
Irrelevant, denn es ist unmöglich zu wissen, was Bismarck gedacht hat. Wichtig ist nur, dass er die Emser Depesche beantwortet hat.
Genauso, ist es völlig irrelevant, was Jesus sich gedacht hat, als er seine Naherwartung verkündete; wichtig sind nur seine überlieferten Worte, und diese sind unmissverständlich im Sinne seiner Naherwartung. Was andere (Paulus, Petrus oder die heutige Kanonik) später vermuteten ist ebenso irrelevant. Wichtig ist nur, was Jesus tatsächlich gesagt hat, und da ist die Sachebene relevant.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#586 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von Andreas » Mi 10. Jan 2018, 10:10

Uwe Becker, Exegese des alten Testaments, dritte Auflage 2011, S. 6 hat geschrieben: Exegese als Schlüssel zum Textverstehen

In der Auslegung des Alten Testaments hat sich in den vergangenen Jahrhunderten ein aus mehreren aufeinander aufbauenden Schritten bestehender Methodenkanon herausgebildet. Die in einer fremden Sprache geschriebenen, aus einem fremden Kulturkreis stammenden und auch zeitlich sehr fern stehenden Zeugnisse sollen auf diese Weise Schritt für Schritt einem heutigen Verständnis erschlossen werden. Exegese ("Auslegung") bedeutet in diesem Sinne nicht mehr als ein methodengeleitetes - und das heißt methodisch kontrolliertes, allgemein nachvollziehbares und insofern möglichst "objektives" - genaues Lesen eines Textes, das zu seinem Verstehen hinführen soll. Exegese ist der Schlüssel zum Textverstehen. Sie schließt andere Zugänge nicht prinzipiell aus, ist aber von der Erkenntnis geleitet, dass es ohne eine historische Rückbindung der Auslegung kein den Texten selbst gerecht werdendes Verstehen geben kann. Dabei stehen die einzelnen methodischen Schritte nicht für sich; sie sind vielfältig miteinander verwoben. Dennoch beschreiben sie jeweils bestimmte Lesehinsichten und Fragestellungen, die man im Rahmen einer exegetischen Arbeit - sei es für ein Proseminar, ein Hauptseminar, das Examen oder auch als Vorarbeit für eine Predigt - sorgsam unterscheiden sollte.
Der Sinn einer christlichen Predigt - und das NT ist im gesamten gesehen eine Predigt - ist doch nicht die Menschen zu einem Wunderglauben zu führen oder zum wirklichen Jesus, der über die Hügel von Galiläa wanderte, sondern zum auferstandenen Christus. Gerade dadurch, dass man sich auf "der Überfahrt" dem "historischen" Jesus als Nur-Mensch bewusst wird, gelingt es doch erst auf die andere geistliche und göttliche Seite in den Texten zu kommen und dort den Christus zu finden. "Wer ist dieser Mensch?" Deswegen schippern die doch dauernd "über" den See ans "andere Ufer" - von einer (Bild-)Ebene zu der anderen (Geist-)Ebene und das geistliche Wunder geschieht deshalb während der Überfahrt - aber "drüben" ankommen, bei Christus, ist das Ziel der Erzählung und nicht auf dem See für alle Ewigkeit zu ankern.

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#587 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von closs » Mi 10. Jan 2018, 10:25

Pluto hat geschrieben:Nee. Gemessen an dem was wirklich war.
Was rein sachliche Dinge angeht: Ja. - Aber wie bspw. "Naherwartung" zu interpretieren ist, ist das Rennen komplett offen - da kann Ratzinger genauso recht haben (gemessen an dem, was wirklich war).

Pluto hat geschrieben:Welche anderen Exegeten?
Guckst Du wik - da findest Du eine ganze Latte an Exegesen.

Pluto hat geschrieben:Die Kanoniker setzen, was unwissenschaftlich ist.
Weder die Annahme, dass Historie als lückenlos im naturalistischen Wirkungszusammenhang zu verstehen sei (keine "Wunder", etc.) noch die Annahme, dass Jesus leiblich auferstanden sei, ist "wissenschaftlich" oder "unwissenschaftlich", sondern jeweils eine Annahme, auf deren Basis wissenschaftlich gearbeitet wird. - Auf beiden Annahmen kann man wissenschaflich arbeiten.

Ihr macht im Grund dasselbe wie Paulus auf anderer Ebene: "WEIL ich 'wissenschaftlich' und 'wirklich' gleichsetze, ist die Wirklichkeit nur mit meinem Wissenschaftsbegriff ermittelbar". - Das ist zirkelreferent.

Pluto hat geschrieben:Es ist nicht nur schwer vermittelbar; es ist unmöglich.
Richtig - aber warum kann man es dann nicht vermitteln?

Pluto hat geschrieben: closs hat geschrieben:
sondern dass auf Basis dieser Grundlagen wissenschaftlich gearbeitet wird.

Das bezweifle ich!
Siehe oben: Wissenschafts-Theorie. - Konkret: In den Geisteswissenschaften gilt das als "wissenschaftlich", was gewissen Regeln in der Art und Weise der Bearbeitung einer Thematik entspricht. - Ziel ist es, intersubjektiv nachvollziehbar Argumentationen anhand von Texten zu belegen. - Mit anderen Worten: Man kann per Bibel-Quellen wissenschaftlich belegen, dass "Naherwartung" ganz anders gemeint ist, als es von säkularer Seite her getan wird - eben weil die (jeweils nicht falsifizierbaren) Grundlagen dazu unterschiedlich sind.

Pluto hat geschrieben:Ich kenne außer der HKM nur die Kanonische, und diese muss setzen, dass Jesus göttlich war, um zum gwünschten Ergebnis zu kommen.
Du stellst entstellt dar. - Die kanonische Exegese will doch nicht zum Ergebnis kommen, dass Jesus göttlich ist - das hat sie doch gesetzt. - Sie will rausfinden, wie sich dies in den Texten darstellt.

Und immer wieder: Das, was Du agnostische Exegese nennst, macht es doch nicht anders. - Du setzt, dass Jesus nur menschlich ist, solange seine Göttlichkeit nicht nachgewiesen ist (was nicht geht, da nicht falsifizierbar) - also setzt Du tatsächlich, dass Jesus nur menschlich ist - und wirst fortan die Bibel so interpretieren - geht doch von Deinen Grundlagen her gar nicht anders.

Pluto hat geschrieben:Irrelevant, denn es ist unmöglich zu wissen, was Bismarck gedacht hat. Wichtig ist nur, dass er die Emser Depesche beantwortet hat.
Genauso, ist es völlig irrelevant, was Jesus sich gedacht hat, als er seine Naherwartung verkündete; wichtig sind nur seine überlieferten Worte.
DANN aber darf man nicht sagen "Jesus HATTE eine Naherwartung (im hier proklamierten Sinn)" - denn dieses "hatte" impliziert, dass ER persönlich so gedacht hat.

Die HKM selbst ist nicht das Problem, sondern die Ansprüche (bis ins Ideologische hinein), die man damit verbindet. - Es hat nach wie vor keiner etwas dagegen, wenn die HKM sagt: "Nach MEINER Methotik WÄRE naheliegend, dass Jesus so gedacht hat. - ABER wir sind Profis und wissen deshalb, dass die kanonischen Kollegen genauso recht mit IHRER Methodik haben können".

Andreas hat geschrieben:Wenn man sich beispielsweise die Stillung des Sturms in Mk 4,35-41 ansieht, macht es doch für den Leser keinen Unterschied, ob das wirklich ein göttliches Wunder war, oder nicht.
Doch - denn wenn es NICHT ein göttliches Wunder ist, war es "Zufall". - Da hat unser Wanderprediger mit all seinen Tricks Wetterphänomen deuten können und so getan, als würde er den Sturm stillen.

Damit kann man übrigens dreijährige Enkel beeindrucken: Man tut im Fahrstuhl kurz vorm Ausssteigen so, als würde man die Fahrstuhltür aufdrücken, welche natürlich von selber aufgeht . Ergebnis: "Boah - mein Opa ist ganz stark".

Andreas hat geschrieben:Der Text zielt doch auf die Wirkung im Leser ab. Die Menschen sind tief ergriffen und heulen, wenn sie Romeo und Julia im Theater oder Kino sehen. Jeder weiß, dass das nicht wirklich geschehen ist und doch empfindet und glaubt jeder Zuschauer an diese große Liebe und erkennt sie wieder in den Liebestragödien seines eigenen Lebens.
Da bin ich ganz anderer Meinung:
1) Die Bibeltexte als literarische Quelle zur Anregung von Empfindungen zu verstehen, ist mir zu wenig.
2) Wer "Romeo und Julia" siehr und er ergriffen ist, dann deshalb, WEIL es "wirklich" ist - zwar nicht auf der Bühne, aber auf der Wirklichkeits-Ebene, für die die Bühne Chiffre ist.

Andreas hat geschrieben:Gerade das leistet die HKM viel besser, als das, was closs fordert. Sie leitet in das Gleichnis auf der einen Seite der Bildebene hinein und auf der anderen Seite des Gleichnisses auch wieder hinaus auf die geistliche Ebene.
Das ist an sich gut, weil damit der Chiffre-Gedanke aufgenommen wird.

Aber warum sollte man dabei meinen, dass dies alles NICHT geschehen ist? Auch und gerade Geschichte ist CHiffre/Gleichnis. - "Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis" (Goethe)

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#588 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von closs » Mi 10. Jan 2018, 10:41

Andreas hat geschrieben:Der Sinn einer christlichen Predigt - und das NT ist im gesamten gesehen eine Predigt - ist doch nicht die Menschen zu einem Wunderglauben zu führen oder zum wirklichen Jesus, der über die Hügel von Galiläa wanderte, sondern zum auferstandenen Christus.
Aber dieser muss doch "da" sein, um überhaupt auferstehen zu können. Der kerygmatische Jesus ist doch nicht aus sich selber, sondern Folge des geschichtlich-wirklichen Jesus.

Andreas hat geschrieben:Gerade dadurch, dass man sich auf "der Überfahrt" dem "historischen" Jesus als Nur-Mensch bewusst wird, gelingt es doch erst auf die andere geistliche und göttliche Seite in den Texten zu kommen und dort den Christus zu finden.
Nee. - Wenn der Nur-Mensch Jesus sagt "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben", hat er nicht alle Tassen im Schrank - daraus kann man keinen kerygmatischen Jesus machen.

Andreas hat geschrieben: "drüben" ankommen, bei Christus, ist das Ziel der Erzählung und nicht auf dem See für alle Ewigkeit zu ankern.
Richtig - dieser Transfer ist entscheidend. - Der Unterschied ist, ob man diesen Transfer mit oder ohne Notwendigkeit eines historisch Geschehenen versteht.

Hier schließe ich mich den großkirchlichen Theologien an, dass Historie die Grundlage ist, auf der dieser Transfer stattfindet: Geschichtlich Daseins-Geschehen wird zur Grundlage des geistigen Transfers. - Alternative: Man versteht das Geschehene von vorneherein als mythisch - kann man machen, aber dann braucht es nicht Jesus, der doch gerade für den Transfer von Dasein zum Disseits steht. - Dann reicht Jesus als mythenhafte Figur.

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#589 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von Münek » Mi 10. Jan 2018, 10:43

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Diese korrekte Feststellung wird Dir heftigsten Widerspruch von unserem lieben closs eintragen.
Jein. - Bei der rein sachlichen Untersuchung hat Andreas recht, wenn es auf Interpretation ("Jesus hatte eine Naherwartung") hinausgeht, hat er unrecht - aber wahrscheinlich meint er nur die Sachebene. - Aber dann weiß das auch Ratzinger.
Jesu Irrtum ist das nahezu einvernehmliche Resultat aus der INTERPRETATION aller einschlägigen Bibelstellen durch die historisch-kritische Forschung. Interpretation = Exegese = Auslegung.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Die historisch-kritische Exegese operiert nur mit mehr oder weniger hohen Wahrscheinlichkeiten.
Gemessen an was? - Gemessen an ihrer eigenen Hermeneutik?
An WAS misst man Hypothesen?

closs hat geschrieben:Auch andere Exegesen operieren so und kommen zu ganz anderen Wahrscheinlichkeiten - gemessen an ihrer eigenen Hermeneutik.
Glaubensbasierte Exegesen operieren NICHT mit Wahrscheinlichkeiten, sondern mit unumstößlichen Glaubenswahrheiten.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Gläubige haben dagegen eine andere (unwissenschaftliche) Sicht.
Es scheint nach wie vor schwer vermittelbar zu sein, dass nicht-falsifizierbare Grundlagen als solche wissenschaftlich nicht bearbeitbar sind, sondern dass auf Basis dieser Grundlagen wissenschaftlich gearbeitet wird.
Grundannahmen (Setzungen) müssen hinsichtlich Plausibilität und Evidenz hinterfragbar sein, um ernst genommen zu werden. Selbstimmunisierung verfängt nicht.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Es ist ein Prädikat der Wissenschaft, ergebnisoffen zu forschen
Das tun sie alle in ihrem methodisch möglichen Rahmen.
Ideologisch postulierte unhinterfragbare Wahrheiten (Dogmen) haben mit ergebnisoffen forschender Wissenschaft NICHTS zu tun.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: ist für Historiker ALLES ANDERE als eine "historisch naheliegende Option".
Das ist deren Problem.
Du hast mal wieder verstümmelt zitiert. Ich schrieb: Der Glaube an Götter, Engel, Teufel, Geister und Dämonen, Höllen- und Himmelfahrt, Auferstehung von den Toten, göttlicher Heilsplan etc. ist für Historiker ALLES ANDERE als eine "historisch naheliegende Option".

Historiker haben da überhaupt kein Problem, sondern nur Du.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:GRUNDKENNTNISSE über die HKM sollten schon vorhanden sein, um mitreden zu können. Und die könntest Du Dir aneignen, wenn Du wolltest.
Du bist auf dem falschen Dampfer - gerade WEIL mir diese Grundkenntnisse zueigen sind,
Wieso merkt man davon nichts?

closs hat geschrieben:Ihr versucht es mit allen Mitteln: Wenn man sachlich nicht mehr dagegen halten kann, versucht man es mit "der andere hat keine Ahnung".
Keine Ausflüchte. Kaufe endlich das "Arbeitsbuch zum Neuen Testament" für knapp 5,--€ bei Amazon - und gut is.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Falsch - persönlicher Glaube und postulierte kirchen-dogmatische Wahrheiten haben in einer wissenschaftlichen Diziplin nichts zu suchen.
ERgo: Münek meint, dass innerhalb der Wissenschaft nicht interpretiert werden darf.
Ein solcher Blödsinn käme mir nie in den Sinn. Nochmals zum Mitschreiben: Interpretation = Auslegung = Exegese.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Mit Deinem "das, was ist" meinst Du doch das, was jenseits unseres Wahrnehmungs- und Erkenntnisvermögens existieren, eine transzendente Dimension, in der beispielsweise "Gott" wesen könnte. Eine ausschließlich spekulative Annahme.
Wenn diese Annahme falsch ist, "ist" Fakt, dass dementsprechende Hermeneutiken ins Leere stoßen. - Dann ist es halt dumm gelaufen.
Macht nix. Wenn Kinder älter werden, glauben sie auch nicht mehr an den Weihnachtsmann. Dann ist es halt dumm gelaufen. ;)

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#590 Re: Alles Teufelszeug? VIII

Beitrag von Münek » Mi 10. Jan 2018, 12:19

closs hat geschrieben:
Andreas hat geschrieben:Gerade dadurch, dass man sich auf "der Überfahrt" dem "historischen" Jesus als Nur-Mensch bewusst wird, gelingt es doch erst auf die andere geistliche und göttliche Seite in den Texten zu kommen und dort den Christus zu finden.
Nee. - Wenn der Nur-Mensch Jesus sagt "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben", hat er nicht alle Tassen im Schrank - daraus kann man keinen kerygmatischen Jesus machen.
Das Dumme ist nur, dass der historische Jesus diesen Satz - wie alle "Ich-bin-Worte" im Johannesevangelium - mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit NIE gesagt hat.

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