Anton B. hat geschrieben:Ansonsten bin ich der Meinung, dass das wissenschaftliche Wissen über den "historischen Jesus" von Münek, Zeuss, Sven usw. einigermaßen korrekt wiedergegeben wird.
Diese Meinung teile ich keineswegs. Zum Teil sind nicht einmal die Grundbegriffe mit denen sie hantieren verstanden.
Ein Zerrbild der Wissenschaft dadurch zu erzeugen, dass man einzelne Sätze aus wissenschaftlichen Büchern aus ihrem Sinnzusammenhang reißt und so den Sinn ins Gegenteil verkehrt, hat mit "wissenschaftlich argumentieren" nichts zu tun.
Dass die Vertreter des "Neuen Atheismus" "die Wissenschaft" auf diese Weise missbrauchen und sich so dienlich machen, belege ich hier ein ums andere Mal exemplarisch am Beispiel von Theißen.
Behauptung: "Konsens der Jesus-Forschung": - WIDERLEGT
In jedem Fachbuch dazu - bei Wolfgang Stegemann, bei Conzelmann/Lindemann und auch bei Theißen - gibt es einen Aufriss der Geschichte der Jesus-Forschung. First Quest, Second Quest, Third Quest mit weiteren Unterstufen und Strömungen. Auch bei Theißen in dem Kapitel aus dem Müneks letztes Zitat (S. 487) stammt geht es zu Beginn des § 16 DER HISTORISCHE JESUS UND DIE ANFÄNGE DER CHRISTOLOGIE wieder darum das aufzuzeigen:
1. Drei Phasen der Erforschung neutestamentlicher Christologie
1.1 Die Diskussion um die Messianität Jesu von Reimarus bis ca. 1900
1.2 Die Synthese von formgeschichtlicher Skepsis und religionsgeschichtlichen Übertragungstheorien seit ca. 1900
1.2.1. Die Entstehung der formgeschichtlichen Skepsis
1.2.2. Die religionsgeschichtlichen Übertragungstheorien
1.2.3. Die Kombination von formgeschichtlicher Skepsis und religionsgeschichtlichen Übertragungstheorien bei R. Bultmann
1.2.4. Die Abwandlung dieser Synthese in der Phase der neuen Frage nach dem historischen Jesus (seit 1953)
1.3 Die Revision der Christologieforschung (seit ca. 1961)
1.3.1. Die Revision der religionsgeschichtlichen Ableitungen
1.3.2. Die Revision der historischer Skepsis
1.3.3 Die Revision des exklusiven Titelverständnisses
1.4. Ein systematischer Überblick über die Hauptprobleme: Historischer Jesus und christologische Titel
... usw.
Theißen Vorwort hat geschrieben:Weil Wissenschaft nicht einfach von der Wirklichkeit "erzählen kann, sondern über Quellen, Forschungslagen, Methoden und Probleme reflektiert, ist sie ein kompliziertes Geschäft.
"Die Jesus-Forschung" ist tatsächlich ein kompliziertes Geschäft, es ist eine Revision der Revision der Revision und daher ist es unstatthaft das Gerücht eines angeblichen "Konsens der Jesus-Forschung" dadurch in die Welt zu setzen, dass man Zitate aus allen diesen Quests und Revisionen in einen Topf schmeißt - von Reimarus, über Schweitzer, Bultmann usw. bis Theißen - um sich einen angeblichen "Konsens der Jesus-Forschung" zu generieren, der genau zu der eigenen ideologischen Stoßrichtung und den Zielen des "Neuen Atheismus" beispielsweise der Giordano Bruno Stiftung passt.
Das ist Ideologie - Wissenschaft zu entstellen und zu missbrauchen ist kein "wissenschaftliches Argumentieren".
Behauptung: "DIE HKM" bräuchte keine Hermeneutik": - WIDERLEGT
Pluto hat geschrieben:Ich weiß nicht warum du das Wort Hermeneutik im Zusammenhang mit der HKM verwendest. Die HKM arbeitet nicht hermeneutisch sondern wissenschaftlich.
...
Deshalb muss Hermeneutik der wissenschaftlichen Methode weichen.
Münek hat geschrieben:Seriöse Textauslegung hat nichts mit dem Glauben und der Hermeneutik des Exegeten zu tun.
Münek hat geschrieben:Die jesuanische Botschaft an das Volk vom nahen Reich Gottes wird von der HKM durch die Bank für authentisch gehalten. Nicht irgendeine Hermeneutik, sondern die überlieferten Worte Jesu zur unmittelbar bevorstehenden Gottesherrschaft bilden die Grundlage für die wissenschaftliche Jesusforschung (Textinterpretation).
Abgesehen davon, dass "DIE HKM" hier permanent falsch als Wissenschafts-, als Forschungszweig, als Jesus-Forschung oder gar in Bezugnahme auf Theißen oder andere Theologen in Persona "verkauft" wird und nicht als Methode:
Conzelmann/Lindemann, Arbeitsbuch zum Neuen Testament, Seite 1 hat geschrieben:Ziel der Exegese ist das Verstehen des Textes. Dem vorausgehen muss jedoch die Frage, welchen Bedingungen Verstehen grundsätzlich unterworfen ist. Die allgemeine Lehre vom Verstehen heißt Hermeneutik. Die Hermeneutik als Methode ist notwendig, weil Text und Leser einander niemals unmittelbar begegnen, sondern immer durch einen zeitlich oder sachlich bedingten Abstand von einander getrennt sind.
Jeder bis auf einer der 16 Paragraphen in Theißens Standardwerk der wissenschaftlichen Jesus-Forschung "Der historische Jesus" endet mit HERMENEUTISCHE REFLEXION oder mit ZUSAMMENFASSUNG UND HERMENEUTISCHE REFLEXION oder mit HERMENEUTISCHE ÜBERLEGUNGEN oder mit ZUSAMMENFASSENDE DARSTELLUNG UND HERMENEUTISCHE REFLEXION.
Sinngemäß findet sich das auch in anderen wissenschaftlichen Fachbüchern über Hermeneutik bzw. historisch-kritische Exegese, z.B. bei Uwe Becker, Jean Grondin, Manfred Oemig, Hans-Georg Gadamer usw.