Krieg der Religionen

ThomasM
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#81 Re: Krieg der Religionen

Beitrag von ThomasM » Mi 20. Sep 2017, 12:56

Pluto hat geschrieben:
closs hat geschrieben:Dazu kommt noch, dass die "Aufklärung" auf einem christlich-neutestamentarischen Menschenbild beruht ("Jedes Individuum ist vor Gott gleich viel wert").
Das war nie die Haltung der Kirchen.
Das war nie die Haltung der Kirche früher.
Heute ist das aber die Haltung der Kirchen.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

JackSparrow
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#82 Re: Krieg der Religionen

Beitrag von JackSparrow » Mi 20. Sep 2017, 13:15

ThomasM hat geschrieben:Das war nie die Haltung der Kirche früher.
Heute ist das aber die Haltung der Kirchen.
Wäre schlecht fürs Marketing, sich zu genau an der Bibel zu orientieren.

Was anderes als ein paar politisch korrekte Geschichten vom moralisch einwandfreien Jesulein darf man dem Mob heute nicht mehr zumuten, und vor allem sollte in jedem dritten Satz in allen möglichen Kombinationen das Wort "Liebe" auftauchen - das verkauft sich immer am besten.

piscator
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#83 Re: Krieg der Religionen

Beitrag von piscator » Mi 20. Sep 2017, 13:37

ThomasM hat geschrieben:Es ist auch die Frage, was man als Vorteil sieht.
Ich denke, die Aussage ist auf der Voraussetzung gegründet, dass die westlich, technische Entwicklung mit ihren Konsequenzen zu Medizin, Bequemlichkeit und Gesellschaftsordnung der entscheidende Vorteil sein soll.
Die westliche technische Entwicklung ist bei weitem nicht perfekt, aber wenn ich mir die Verhältnisse auf diesem Planeten so ansehe, insbesondere in den Regionen, wo sie islamisch geprägt sind, dann bin ich heilfroh, hier leben zu dürfen. Und ich bin ein Mann, aus Sicht einer Frau dürfte das noch drastischer sein.
Offen bleibt bei diesem Blickwinkel, ob der Vorteil auch dauerhaft ist. Das Problem "der Mensch ist des Menschen Feind" hat sich nicht geändert und die modernen technischen Zivilisationen sind , nach allem, was erkennbar ist, instabil. Der Vorteil könnte sich auch noch als Nachteil herausstellen, der den Menschen in eine Sackgasse führt.
Ich denke, dass wir als Spezies noch zu jung sind, um stabile Zivilisationen zu entwickeln, aber wir lernen dazu. Und mit "wir" meine ich uns Mitteleuropäer, auch China und Japan. Die Religionen bzw. ähnliche Weltanschauungen sind in diesen Gesellschaften präsent,Teil des Lebens, aber ohne dies zu dominieren. Wo hingegen der religiöse Fundamentalismus herrscht, ist aus meiner Sicht zurzeit Hopfen und Malz verloren.
Es sind auch eine Reihe von Vorteilen der traditionellen Gesellschaftsordnungen verloren gegangen, die aber von den Vertretern der neuen Glaubensrichtungen geringgeschätzt werden.
Tradition ist aus meiner Sicht in Ordnung, weil Tradition nicht Stillstand, sondern behutsame Fortentwicklung bedeutet. Viele die neuen Glaubensrichtungen dagegen sind aus meiner Sicht rückwärtsgewandt, hier wird meist versucht, eine statische Gesellschaftsordnung zu schaffen, wo jeder an seinem angestammten Platz zu bleiben hat.
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Detlef
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#84 Re: Krieg der Religionen

Beitrag von Detlef » Mi 20. Sep 2017, 14:12

closs hat geschrieben:So gesehen ist das richtig - aber es passt nicht zum Atheismus, der in der Tat ein Glaube ist. - Sicherlich kein klassisch-religiöser, aber trotzdem ein Glaube.
Aus meiner Sicht hat der anthropozentrische, atheistische Materialismus (incl. gelegentlich auftauchender humanistischer Weichspüler) in seiner heutigen Dominanz den Staffelstab der Kirche des Mittelalters übernommen: Man versteht sich als Maß der Dinge. - Und das soll KEIN Glaube sein?
So ein heilloses Gewurstle wie bei dir und @rembremerding kommt raus, wenn man nicht unterscheiden kann (oder will?) zwischen den Begriffen "Glaube (als Glaube oder Ehrfurcht vor einer transzendalen Macht)" , glauben im Sinne von "für wahr halten", und Religion.
Problematisch ist religiöser Fanatismus, ob der nun den Glauben an einen Gott oder ein ähnliches Wesen aufweist, oder nicht. Entscheidend ist nur, ob man auf die unumstößlichen Wahrheit seiner Glaubenssätze beharrt oder in der Lage ist, "sich der eigenen Vernunft zu bedienen, ...vermeintlich unantastbare Behauptungen in Frage zu stellen"(Schmidt-Salomon) .
Die Wahrheit lässt sich pachten, mit dem Glauben an des Gottes Sohn, doch die Thesen sind vergänglich, allen Gläubigen zum Hohn! (Gert Reichelt)

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#85 Re: Krieg der Religionen

Beitrag von Pluto » Mi 20. Sep 2017, 14:17

ThomasM hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Das war nie die Haltung der Kirchen.
Das war nie die Haltung der Kirche früher.
Heute ist das aber die Haltung der Kirchen.
Du hast recht. Ich hatte mich etwas zu unpräzise ausgedrückt. Mit "früher" meine ich, bis weit ins 17. Jahrhundert hinein.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#86 Re: Krieg der Religionen

Beitrag von Pluto » Mi 20. Sep 2017, 14:18

closs hat geschrieben:aber es passt nicht zum Atheismus, der in der Tat ein Glaube ist
... und das Nicht-Sammeln von Briefmarken ist ein Hobby — Meintest du das so?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#87 Re: Krieg der Religionen

Beitrag von closs » Mi 20. Sep 2017, 14:54

Pluto hat geschrieben: closs hat geschrieben:

piscator hat geschrieben:
Wichtig ist, ob der genannte anthropozentrische, atheistische Materialismus gegenüber den herkömmlichen Religionen Vorteile für die Menschen bringt. Dazu genügt ein Blick in die Geschichtsbücher, um das zu bejahen.

Das kann ich nicht bestätigen.

Habt ihr denn gegenteilige Belege?
Eine Menge sogar - aber meistens kommt es in der heute dominierenden Denkformatierung nicht an, wenn man mit Begriffen wie "geistige Verarmung" kommt.

Pluto hat geschrieben:Das war nie die Haltung der Kirchen.
Ganz so ist es nicht (schau Dir nur mal Leute wie den Hl. Franziskus und Meister Eckart an). - Aber die Kirche als Träger weltlicher Macht hat hier weitgehend in der Tat versagt - insofern war die Säkularisierung ein Vorwärtsschub für die Kirche:
ThomasM hat geschrieben:Heute ist das aber die Haltung der Kirchen.


Detlef hat geschrieben:Entscheidend ist nur, ob man auf die unumstößlichen Wahrheit seiner Glaubenssätze beharrt oder in der Lage ist, "sich der eigenen Vernunft zu bedienen, ...vermeintlich unantastbare Behauptungen in Frage zu stellen"(Schmidt-Salomon) .
Das Problem: Ratzinger ist in einem heute weitgehend verloren gegangenen Sinn um Längen aufgeklärter als Schmidt-Salomon. - Hier wird viel auf den Kopf gestellt (sagen vermutlich beide Seiten :lol: ).

Pluto hat geschrieben:... und das Nicht-Sammeln von Briefmarken ist ein Hobby — Meintest du das so?
Nein - aber das Ersetzen von einem Hobby durch ein anderes.

Ersetze "Hobby" durch "Setzungen"/"Glaubensentscheidung" - die heutigen säkularen"Setzungen"/"Glaubensentscheidung" sind strukturell nichts anderes als die kirchlichen aus früheren Zeiten.

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#88 Re: Krieg der Religionen

Beitrag von Detlef » Mi 20. Sep 2017, 15:31

closs hat geschrieben:Das Problem: Ratzinger ist in einem heute weitgehend verloren gegangenen Sinn um Längen aufgeklärter als Schmidt-Salomon. - Hier wird viel auf den Kopf gestellt (sagen vermutlich beide Seiten :lol: ).
Tu doch nicht so, als würdest du Schmidt-Salomon kennen...und ...äh und wie kann man jetzt "in einem verlorengegangenen Sinn aufgeklärt" sein ??? Überhaupt Ratzinger, ich habe seine salbungsvolle Fistelstimme noch im Ohr ("Der Klahauuube an die Wissenschaft ist aaauuch nur eein Klaahaauuubeee...) :roll: - der weiß also nicht mal, das wissenschaftlichen Erkenntnisse ergebnisoffen sind und eines Tages durch neue ergänzt oder als nicht mehr „wahr“ offen gelegt werden können - und nicht als unumstößlichen Dogmen dargestellt werden, wie sein "Klahauuube"
Die Wahrheit lässt sich pachten, mit dem Glauben an des Gottes Sohn, doch die Thesen sind vergänglich, allen Gläubigen zum Hohn! (Gert Reichelt)

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#89 Re: Krieg der Religionen

Beitrag von closs » Mi 20. Sep 2017, 16:17

Detlef hat geschrieben:Tu doch nicht so, als würdest du Schmidt-Salomon kennen
Ich kenne einige seiner Texte, die ziemlich unisono klingen - falls er verschiedene Entwicklungsstufen hinter sich hat, die unterschiedliche Schmidt-Salomons deutlich machen, kenne ich ihn nicht. - Hat er in unterschiedlichen Zeiten sehr Unterschiedliches gemeint? (Wenn es jemand weiß, wirst Du es doch sicherlich sein)

Detlef hat geschrieben:Ratzinge ... weiß also nicht mal, das wissenschaftlichen Erkenntnisse ergebnisoffen sind
Er weiß ganz sicher, dass Wissenschaft in ihrem methodischen Rahmen ergebnisoffen ist. - Aber viele Säkular-Gläubige wissen nicht, dass Wissenschaft nur innerhalb ihres methodischen Rahmens ergebnisoffen ist (Stichwort: "Aufklärung").

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#90 Re: Krieg der Religionen

Beitrag von ThomasM » Mi 20. Sep 2017, 16:56

piscator hat geschrieben: Die westliche technische Entwicklung ist bei weitem nicht perfekt, aber wenn ich mir die Verhältnisse auf diesem Planeten so ansehe, insbesondere in den Regionen, wo sie islamisch geprägt sind, dann bin ich heilfroh, hier leben zu dürfen. Und ich bin ein Mann, aus Sicht einer Frau dürfte das noch drastischer sein.
Auch das ist eine Sichtweise, die aus westlich geprägter Erziehung kommt, ich denke ja auch nicht anders.
Aber weißt du, wie viele Menschen in fundamental islamischen Ländern (einschließlich der Frauen) denken "Gott sei Dank bin ich nicht in diesem verteufelten Westen aufgewachsen"?
Das soziologische Stichwort ist "kulturelle Prägung" und so etwas wie Vorteile einer Lebensweise beurteilen zu können, ist immer auch von der eigenen kulturellen Prägung beeinflusst. Sogar dann, wenn man sich bemüht, diese nicht einfließen zu lassen.

piscator hat geschrieben: Ich denke, dass wir als Spezies noch zu jung sind, um stabile Zivilisationen zu entwickeln, aber wir lernen dazu.
Als Spezies sind wir knapp 5 Millionen Jahre alt und waren schon einmal fast ausgestorben. Der Weg aus diesem Problem hat zu der heutigen Situation geführt, in der wir den Planeten dominieren.
Doch wenn wir nicht in der Lage sind, das "Lernen", das du ansprichst, auf uns selber anzuwenden, sieht es schlecht aus. Die explosionsartige Vermehrung der Menschen und die immer knapper werdenden Ressourcen für eine hochtechnisierte Zivilisation vermehrt die Wahrscheinlichkeit, dass wir wieder auf einen (stabilen) archaischen Zustand zurückfallen werden.
Die meisten Evolutionsbiologen rechnen sowieso mit einem Aussterben der Gattung Homo

piscator hat geschrieben: Viele die neuen Glaubensrichtungen dagegen sind aus meiner Sicht rückwärtsgewandt, hier wird meist versucht, eine statische Gesellschaftsordnung zu schaffen, wo jeder an seinem angestammten Platz zu bleiben hat.
Siehe Stichwort kulturelle Prägung.
Du scheinst nicht sehen zu wollen, dass eine statische Gesellschaftsordnung, in der jeder seinen angestammten Platz hat, auch als Vorteil gesehen werden kann. Zumindest, was das Überleben der Spezies angeht.
Gott würfelt nicht, meinte Einstein. Aber er irrte. Gott nutzt den Zufall - jeden Tag.

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