Alles Teufelszeug? VII

closs
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#1431 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von closs » Sa 16. Dez 2017, 19:20

sven23 hat geschrieben:Worin soll der Unterschied bestehen?
Entweder sie sind nichts als menschliche Erfindungen oder sie sind (sogar evt. historische) Entität.

sven23 hat geschrieben:Sie kann versuchen, zu rekonstruieren, was historisch ist und was später hinzugedichtete Legenden und Mythen sind.
Prinzipiell erst mal JA - aber auch hier wieder unwissenschaftlich wertend formuliert: Ob ein später Hinzugekommenes automatisch "gedichtet" sein muss, steht auf einem anderen Blatt. - Halten wir also fest: Sie kann verlässliche Chronologien der vorliegenden Quellen (!) erstellen.

sven23 hat geschrieben: sven23 hat geschrieben:
Der Glaube an Götter belegt nicht die Götter, sondern den Glauben an sie.

Naja - das würden Dir Berger und Ratzinger hoch-gelangweilt zugestehen.


Das würde ich bezweifeln, sonst würden sie nicht so rumheulen.
Ich Metzinger auch nicht - aber ich halte ihn nicht für dumm, sondern auf dem Irrweg. - Das solltest Du bei Ratzinger & Co auch tun.

sven23 hat geschrieben:Wie man immer wieder sehen kann, kann man es gar nicht oft genug wiederholen.
Mir ist kein einziger Anlass bekannt.

sven23 hat geschrieben:Trotzdem gilt nach wie vor, dass man zu falschen Ergebnissen kommt, wenn man von falschen Voraussetzungen ausgeht. Siehe Kurzzeitkreationismus.
Natürlich gilt das. - Wenn man mit seiner Hermeneutik ins Klo langt, wird das nix - aber wir wissen halt nicht, ob bspw. in Frage "Naherwartung" die HKM oder die Kanonik ins Klo langt. - Wir können nur glaubend für uns postulieren und argumentieren, warum wir jeweils recht haben.

sven23 hat geschrieben:Rahner war katholischer Kergmatiker. Das allein schon widerspricht deiner Darstellung.
Nein - das widerspricht NICHT (Du bist gerne sehr schnell mit Deinen Wisch-und-Weg-Urteilen). - Rahner kann sich genauso gegen die Heuler aus dem HKM-Lager abgeschottet haben, indem er ihnen ihr Zeug zugestanden hat, damit er seine Ruhe hat. - Das ist jetzt KEIN Urteil meinerseits, weil ich Rahner nur sehr oberflächlich kenne - aber es wäre eine von mehreren plausiblen Erklärungen.

Nebenbei: Wenn Rahner KEIN HKM-ler ist: Wie kann er das überhaupt beurteilen?

sven23 hat geschrieben:Die Mehrheit der Forschung bejaht dies.
Zirkelschluss. - Erstens meinst Du wahrscheinlich wieder nur die historischz-kritische Forschung. - Zweitens ist das so, als ob Du VW fragen würdest, ob sie auch für Klein-LKW zuständig sind. - Natürlich sagen sie dann JA - neue Marktanteile ist immer gut.

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#1432 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Pluto » Sa 16. Dez 2017, 19:38

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Worin soll der Unterschied bestehen?
Entweder sie sind nichts als menschliche Erfindungen oder sie sind (sogar evt. historische) Entität.
Man muss nicht das Univerum durchkämmen, um festzustellen, dass es Zeus oder Wotan nicht gibt. Dazu reicht eine gesunde Portion Skepsis.

Warum sollte das für JHWE anders sein?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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sven23
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#1433 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von sven23 » Sa 16. Dez 2017, 20:20

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Worin soll der Unterschied bestehen?
Entweder sie sind nichts als menschliche Erfindungen oder sie sind (sogar evt. historische) Entität.
Ja eben, Tausende von Göttern sind nichts als menschliche Projektionen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Sie kann versuchen, zu rekonstruieren, was historisch ist und was später hinzugedichtete Legenden und Mythen sind.
Prinzipiell erst mal JA - aber auch hier wieder unwissenschaftlich wertend formuliert: Ob ein später Hinzugekommenes automatisch "gedichtet" sein muss, steht auf einem anderen Blatt. - Halten wir also fest: Sie kann verlässliche Chronologien der vorliegenden Quellen (!) erstellen.
Das ist schon mal sehr viel, verglichen mit den Möglichkeiten, die man im Mittelalter hatte.

closs hat geschrieben: Ich Metzinger auch nicht - aber ich halte ihn nicht für dumm, sondern auf dem Irrweg. - Das solltest Du bei Ratzinger & Co auch tun.
Tue ich doch, beide sind auf einem Irrweg.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Trotzdem gilt nach wie vor, dass man zu falschen Ergebnissen kommt, wenn man von falschen Voraussetzungen ausgeht. Siehe Kurzzeitkreationismus.
Natürlich gilt das. - Wenn man mit seiner Hermeneutik ins Klo langt, wird das nix - aber wir wissen halt nicht, ob bspw. in Frage "Naherwartung" die HKM oder die Kanonik ins Klo langt.
Nach wissenschaftlichen Kriterien wissen wir das schon einigermaßen sicher.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Rahner war katholischer Kergmatiker. Das allein schon widerspricht deiner Darstellung.
Nein - das widerspricht NICHT (Du bist gerne sehr schnell mit Deinen Wisch-und-Weg-Urteilen). - Rahner kann sich genauso gegen die Heuler aus dem HKM-Lager abgeschottet haben, indem er ihnen ihr Zeug zugestanden hat, damit er seine Ruhe hat. - Das ist jetzt KEIN Urteil meinerseits, weil ich Rahner nur sehr oberflächlich kenne - aber es wäre eine von mehreren plausiblen Erklärungen.
Das widerspricht sehr wohl deiner Darstellung, weil du behauptet hast, Rahner wäre lediglich dem Zeitgeist gefolgt und dem "HKM-Hype" gefolgt. Und jetzt behauptest du auch noch, er hätte dies nur getan, damit er seine Ruhe hat.
Manchmal hat man bei dir den Eindruck, dass du dich nur noch von alternativen Fakten ernährst. :roll:

closs hat geschrieben: Nebenbei: Wenn Rahner KEIN HKM-ler ist: Wie kann er das überhaupt beurteilen?
Jeder Theologie oder wissenschaftlich Interessiert sollte in der Lage sein, wissenschaftliche Publikationen beurteilen zu können. Und zudem sind ihm die Schriften des NT wohl nicht ganz fremd.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Mehrheit der Forschung bejaht dies.
Zirkelschluss. - Erstens meinst Du wahrscheinlich wieder nur die historischz-kritische Forschung.
Natürlich, nur sie hat eine Existenzberechtigung in der historischen Jesusforschung. Auch das sollte inzwischen Allgemeinwissen sein. :roll:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#1434 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von closs » Sa 16. Dez 2017, 22:17

Pluto hat geschrieben:Man muss nicht das Univerum durchkämmen, um festzustellen, dass es Zeus oder Wotan nicht gibt. Dazu reicht eine gesunde Portion Skepsis.
Pragmatisch mache ich es genauso.

Pluto hat geschrieben:Warum sollte das für JHWE anders sein?
Es KANN anders sein, weil seine Darstellung (Person, Entität, Allmacht, Allwissen, Allpräsenz) mit dem übereinstimmt, was entitäts-mäßig nötig ist, um von "einzigen Gott" zu sprechen. - Im übrigen sind ALLE Gottesbilder menschliche Wahrnehmungsversuche, dieses Absolute bildlich zu beschreiben - es gibt also nicht einen Gott namens "Jahwe", es geht um "G..." (also das Unausprechliche - Juden machen das so), der jenseits jeglicher Vorstellung ist.

sven23 hat geschrieben:Tausende von Göttern sind nichts als menschliche Projektionen.
Die Wahrnehmungs-Bilder sind IMMER Projektionen - die Frage ist, ob hinter dieser Vorstellung eine Entität steht.

sven23 hat geschrieben:Das ist schon mal sehr viel, verglichen mit den Möglichkeiten, die man im Mittelalter hatte.
Ohne Frage.

sven23 hat geschrieben:Tue ich doch, beide sind auf einem Irrweg.
Das darf man meinen, aber Dummheit würde ich wirklich nicht unterstellen.

sven23 hat geschrieben:Nach wissenschaftlichen Kriterien wissen wir das schon einigermaßen sicher.
Das ist ein Modell, dass passt oder nicht.

sven23 hat geschrieben:Das widerspricht sehr wohl deiner Darstellung, weil du behauptet hast, Rahner wäre lediglich dem Zeitgeist gefolgt und dem "HKM-Hype" gefolgt. Und jetzt behauptest du auch noch, er hätte dies nur getan, damit er seine Ruhe hat.
Ich weiß es nicht - beides ist möglich. - Fest steht, dass er in dieser Hype-Zeit tätig war und sich in irgendeiner Form damit herumschlagen musste. - Und da ist eben beides möglich - ich weiß einfach nicht, ob er es selber geglaubt hat, oder nur als methodisches Ergebnis gesagt hat, oder es der HKM zugestanden hat, um Ruhe in seiner Kerymatik zu haben.

sven23 hat geschrieben:Manchmal hat man bei dir den Eindruck, dass du dich nur noch von alternativen Fakten ernährst.
Wieder mal unqualifiziert bis in die Knochen. - Jedesmal, wenn er nicht plump zuschlägt, wird er für Dich verdächtig.

sven23 hat geschrieben:Jeder Theologie oder wissenschaftlich Interessiert sollte in der Lage sein, wissenschaftliche Publikationen beurteilen zu können.
Das wollte ich nur mal hören (weil ständig all den Ratzingers abgesprochen wird, HKM-Ergebnisse beurteilen zu können).

sven23 hat geschrieben:Natürlich, nur sie hat eine Existenzberechtigung in der historischen Jesusforschung. Auch das sollte inzwischen Allgemeinwissen sein.
Was bringt das, wenn man flankierend nachhelfen muss, weil die HKM nicht alle historisch naheliegenden Fälle untersuchen kann, weil es die Methodik verbietet?

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#1435 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Münek » Sa 16. Dez 2017, 23:06

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Der Begriff "Beschreibung" passt insofern nicht, als Exegese wortwörtlich Auslegung, d.h. Interpretation biblischer Texte bedeutet.
Ja - im unterschiedlichen Sinn. - Für den Wortsinn ist die HKM gut.
Die zum Verständnis der Schrift unentbehrliche historisch-kritische Auslegungsmethode versucht, den WORTSINN eines Textes zu erfassen, d.h. zu ermitteln, was die Textverfasser und die Redaktoren eigentlich sagen = zum Ausdruck bringen wollten.

Geschieht dies nicht, d.h. wird etwas in den Text hineininterpretiert, was nicht drinsteht oder vom Verfasser nicht gemeint war, spricht man nicht mehr von Exegese, sondern von unzulässiger Eisegese (hineindeuten, hineinlesen, hineininterpretieren).


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wenn sie wirklich gut wäre, hätte sie sich eigentlich schon längst an den theologischen Fakultäten etablieren müssen.
Das es NICHT so ist, kann zwei Gründe haben: 1) Es passt nicht in eine materialistische Zeit. 2) Die HKM ist nur für den Wortsinn gemeint, weshalb sie zu Recht etabliert ist.
Ich denke, die kanonische Exegese konnte sich deshalb nicht an den theologischen Fakultäten etablieren, weil sie einen unwissen-
schaftlichen Glaubensentscheid des Exegeten voraussetzt, d.h. einen Glauben an einen transzendenten Gott und dessen Heilsplan
mit den Menschen - und damit kirchendogmatischen Vorgaben folgt.


closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Der Wissensdurst der Theologie in allen Ehren. Aber da kann ihr die Wissenschaft leider nicht helfen.
Wir halten fest: Die HKM ist methodisch nicht in der Lage, Jesu Historizität für den Fall zu untersuchen, dass er nicht nur menschlich, sondern auch göttlich ist. (Das ist meine Aussage seit Jahren)
Als wissenschaftliche Diziplin kann und darf sie nicht davon ausgehen, dass Jesus ein inkarniertes himmlisches Geistwesen gewesen war. Die Göttlichkeit des Jesus von Nazareth kann nur Gegenstand und Annahme eines persönlichen Glaubens sein und entzieht sich damit einem auf Objektivität ausgerichteten wissenschaftlichen Zugriff.

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#1436 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von closs » Sa 16. Dez 2017, 23:47

Münek hat geschrieben:Die zum Verständnis der Schrift unentbehrliche historisch-kritische Auslegungsmethode versucht, den WORTSINN eines Textes zu erfassen, d.h. zu ermitteln, was die Textverfasser und die Redaktoren eigentlich sagen = zum Ausdruck bringen wollten.
Bereits das ist kritisch. - Denn ich frage mich nach wie vor, wie man als bewusst säkulare Exegese dies entscheiden können, wenn es die Textverfasser geistig gemeint haben.

Münek hat geschrieben:Geschieht dies nicht, d.h. wird etwas in den Text hineininterpretiert, was nicht drinsteht oder vom Verfasser nicht gemeint war, spricht man nicht mehr von Exegese, sondern von unzulässiger Eisegese
Im Grunde wäre dann Christliche Hermeneutik aus säkularer Sicht Eisegese. - Da stimmt was nicht.

Münek hat geschrieben:Ich denke, die kanonische Exegese konnte sich deshalb nicht an den theologischen Fakultäten etablieren, weil sie einen unwissen-
schaftlichen Glaubensentscheid des Exegeten voraussetzt
Daran kann es eigentlich nicht liegen, weil auch die HKM einen Glaubensentscheid (siehe Definition von "historischem Wirkungszusammenhang" und Ablehnung von Wundern) vorschiebt. - Auch hier stimmt was nicht.

Münek hat geschrieben:Als wissenschaftliche Diziplin kann und darf sie nicht davon ausgehen, dass Jesus ein inkarniertes himmlisches Geistwesen gewesen war.
Sie kann aber so interpretieren: Was wäre, wenn. - Und sie muss es sogar, wenn sie historisch nicht einseitig bleiben will. - Wer Wissenschaft streng kritisch-rational definiert, hat in Geisteswissenschaften nur sehr bedingt etwas zu suchen.

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#1437 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Münek » Sa 16. Dez 2017, 23:49

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Warum sollte das für JHWE anders sein?
Es KANN anders sein, weil seine Darstellung (Person, Entität, Allmacht, Allwissen, Allpräsenz) mit dem übereinstimmt, was entitäts-mäßig nötig ist, um von "einzigen Gott" zu sprechen. - Im übrigen sind ALLE Gottesbilder menschliche Wahrnehmungsversuche, dieses Absolute bildlich zu beschreiben - es gibt also nicht einen Gott namens "Jahwe", es geht um "G..." (also das Unausprechliche - Juden machen das so), der jenseits jeglicher Vorstellung ist.
So jenseits jeglicher Vorstellung kann der jüdisch-christliche Gott wohl nicht sein, wenn ich sehe, wie außerordentlich gut die Gläubigen über seine Eigenschaften und Absichten Bescheid zu wissen meinen. Das riecht ganz stark nach Projektion.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nach wissenschaftlichen Kriterien wissen wir das schon einigermaßen sicher.
Das ist ein Modell, dass passt oder nicht.
Das nahezu einvernehmlich erzielte Ergebnis der wissenschaftlich-neutestamentlichen Forschung passt bestens zu Jesu Aussagen. Da können Ratzinger und Berger den Mond anbellen soviel sie wollen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Natürlich, nur sie hat eine Existenzberechtigung in der historischen Jesusforschung. Auch das sollte inzwischen Allgemeinwissen sein.
Was bringt das, wenn man flankierend nachhelfen muss, weil die HKM nicht alle historisch naheliegenden Fälle untersuchen kann, weil es die Methodik verbietet?
Hat sich eigentlich schon mal einer der Theologieprofessoren bei Dir für Deine "flankierende Nachhilfe" bedankt, die Du hier im Forum unermüdlich für die wissenschaftliche Exegese leistest? :lol:

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#1438 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Münek » So 17. Dez 2017, 00:34

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die zum Verständnis der Schrift unentbehrliche historisch-kritische Auslegungsmethode versucht, den WORTSINN eines Textes zu erfassen, d.h. zu ermitteln, was die Textverfasser und die Redaktoren eigentlich sagen = zum Ausdruck bringen wollten.
Bereits das ist kritisch.
Aus der Sicht der "Päpstlichen Bibelkommission" überhaupt nicht - ganz im Gegenteil. Kannste nachlesen.

closs hat geschrieben:Denn ich frage mich nach wie vor, wie man als bewusst säkulare Exegese dies entscheiden können, wenn es die Textverfasser geistig gemeint haben.
Es genügt völlig, sich in die Gedanken des Verfassers und in sein damaliges Umfeld hineinzuversetzen. Der persönliche Glaube des Exegeten spielt dabei keine Rolle.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Geschieht dies nicht, d.h. wird etwas in den Text hineininterpretiert, was nicht drinsteht oder vom Verfasser nicht gemeint war, spricht man nicht mehr von Exegese, sondern von unzulässiger Eisegese
Im Grunde wäre dann Christliche Hermeneutik aus säkularer Sicht Eisegese. - Da stimmt was nicht.
Die Hermeneutik ist unwichtig . Ob es sich bei der jeweiligen Exegese in Wirklichkeit um Eisegese handelt, wäre in jedem Einzelfall zu prüfen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ich denke, die kanonische Exegese konnte sich deshalb nicht an den theologischen Fakultäten etablieren, weil sie einen unwissenschaftlichen Glaubensentscheid des Exegeten voraussetzt
Daran kann es eigentlich nicht liegen.
Einen anderen Grund kann ich mir nicht vorstellen. Eine Exegese, die sich selbst kirchen-dogmatische Fesseln anlegt, hat es eben schwer, im wissenschaftlichen Betrieb Fuß zu fassen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Als wissenschaftliche Diziplin kann und darf sie nicht davon ausgehen, dass Jesus ein inkarniertes himmlisches Geistwesen gewesen war.
Sie kann aber so interpretieren: Was wäre, wenn.
Nein - an unseriösen "was-wäre-wenn-Spielchen" teilzunehmen, fehlt ihr jeglicher Anlass.

closs hat geschrieben:Und sie muss es sogar, wenn sie historisch nicht einseitig bleiben will.
Die historisch-kritische Forschung handelt gewiss nicht einseitig, wenn sie die Existenz eines angeblich "Mensch gewordenen Gottes" außer Betracht lässt. Götter haben nun mal in der Wissenschaft nichts zu suchen.

closs hat geschrieben:Wer Wissenschaft streng kritisch-rational definiert, hat in Geisteswissenschaften nur sehr bedingt etwas zu suchen.
Für die Geschichtswissenschaft und die historisch-kritische Exegese antiker Texte gilt dies sicher nicht.

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#1439 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Andreas » So 17. Dez 2017, 01:43

Historisch Kritische Methodenschritte
Nach Uwe Becker, Exegese des alten Testaments, dritte Auflage 2011, S. 8-9, von mir maximal komprimiert.
Prof. Dr. Uwe Becker ist evangelischer Theologe an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, Lehrstuhl für Altes Testament.


Fragen nach der Textgeschichte

Textkritik
Was ist das für ein Text? Ausgabe des Druckes, sein Alter? Ausgehend von welchen Handschriften und deren Zuverlässigkeit? Nähe zur "Urfassung" und seine Entstehungszeit? Sprache hebr. aram. griech.?

Literarkritik
Eingebundenheit in größeren literarischen Zusammenhang? Text als Ganzes in sich selbst als Einheit verständlich? Spannungsbogen? Von einer Hand? Verarbeitete Quellen? Redaktionelle Bearbeitungen? Literarische Schichten?

Überlieferungsgeschichte
Mündliche Vorstufen? Anlass und Motivation der Verschriftlichung?

Redaktionsgeschichte
Werdegang bis zur Endgestalt des Textes? Motive und Intentionen der verschiedenen Redaktionsprozesse? Datierung der Redaktionsstufen in der Zeitgeschichte? Wachstum im Bezug zur Theologiegeschichte?

Fragen nach der Gestaltung der Texte

Formgeschichte
Textform bzw. Textgattung durch individuelle sprachliche Äußerung oder durch bestimmte Sprachkonventionen ausgestaltet? Lebenszusammenhang des Textes erkennbar?

Traditionsgeschichte
Geistige Heimat der Verfasser? Geistes-, theologie- oder religionsgeschichtliche Prägung ihrer Vorstellungswelt? Soziales Milieu der Verfasser? Angehöriger des Hofes, Priester, General, Rechtsgelehrter, Weisheitslehrer?

---------------------------

@closs
Keine dieser Fragestellungen ist unter deiner geforderten Berücksichtigung einer "möglichen historischen Präsenz des Göttlichen" zu beantworten. Im Gegenteil! "Extrem zu Ende geglaubt" hielte man sich damit all diese Fragen vom Hals, und macht es sich bequem mit zwei Sätzen: "Die Bibel ist wörtlich von Gott eingegeben; alles, was darin steht ist wahr. Für das richtige Verständnis sorgt einzig der Heilige Geist."

Das ist der prinzipielle Unterschied dieser wissenschaftlichen zu fundamental-dogmatischen Herangehensweisen an eine Exegese.
Zuletzt geändert von Andreas am So 17. Dez 2017, 06:16, insgesamt 2-mal geändert.

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#1440 Re: Alles Teufelszeug? VII

Beitrag von Andreas » So 17. Dez 2017, 05:58

Uwe Becker, Exegese des alten Testaments, dritte Auflage 2011, S. 6 hat geschrieben: Exegese als Schlüssel zum Textverstehen

In der Auslegung des Alten Testaments hat sich in den vergangenen Jahrhunderten ein aus mehreren aufeinander aufbauenden Schritten bestehender Methodenkanon herausgebildet. Die in einer fremden Sprache geschriebenen, aus einem fremden Kulturkreis stammenden und auch zeitlich sehr fern stehenden Zeugnisse sollen auf diese Weise Schritt für Schritt einem heutigen Verständnis erschlossen werden. Exegese ("Auslegung") bedeutet in diesem Sinne nicht mehr als ein methodengeleitetes - und das heißt methodisch kontrolliertes, allgemein nachvollziehbares und insofern möglichst "objektives" - genaues Lesen eines Textes, das zu seinem Verstehen hinführen soll. Exegese ist der Schlüssel zum Textverstehen. Sie schließt andere Zugänge nicht prinzipiell aus, ist aber von der Erkenntnis geleitet, dass es ohne eine historische Rückbindung der Auslegung kein den Texten selbst gerecht werdendes Verstehen geben kann. Dabei stehen die einzelnen methodischen Schritte nicht für sich; sie sind vielfältig miteinander verwoben. Dennoch beschreiben sie jeweils bestimmte Lesehinsichten und Fragestellungen, die man im Rahmen einer exegetischen Arbeit - sei es für ein Proseminar, ein Hauptseminar, das Examen oder auch als Vorarbeit für eine Predigt - sorgsam unterscheiden sollte.
Diese wenige Zeilen lange Definition eines Wissenschaftlers seiner eigenen Disziplin aufmerksam zu lesen, erübrigt eigentlich diese unendlichen Diskussionen darüber, was HKM angeblich sei, oder wie sie zu sein hätte. Es ist wirklich kein Kunststück sich an der Quelle zu informieren.

Uwe Becker, Exegese des alten Testaments, dritte Auflage 2011, S. 141 hat geschrieben:Zur biblischen Theologie und kanonischen Schriftauslegung

Unter Biblischer Theologie verstand man zunächst - in Abgrenzung zur Dogmatik - die in der Bibel enthaltene Theologie. Heute wird unter diesem Begriff demgegenüber die Frage nach der Einheit der Bibel beider Testamente diskutiert: In welchem Verhältnis stehen Altes und Neues Testament zueinander? Und welcher alttestamentliche Kanon ist maßgebend: der im Neuen Testament rezipierte griechische Kanon (Septuaginta) oder der hebräisch-aramäische? Gibt es eine einheitliche "gesamtbiblische Theologie", eine Theologie des christlichen Kanons? Wie ist der gesamtbiblische Kanon theologisch zu würdigen? Ist allein die kanonische, sozusagen die kirchlich rezipierte Endgestalt das Maß aller Dinge, wie vor allem B.S. Childs meint? So wird neuerdings in produktiver Fortführung der Gedanken B.S. Childs' vornehmlich in der katholischen Exegese eine neue "kanonische Schriftauslegung" zum Programm erhoben, die den kirchlich rezipierten Bibelkanon theologisch ernst nimmt und zum Auslegungshorizont macht (vgl. G. Steins). Im Grunde werden damit Gedanken der "Biblischen Theologie" wieder aufgenommen und kanontheologisch ausgebaut. Gelegentlich wird der kanontheologische Zugang auch mit einer dezidierten Kritik am "herkömmlichen" exegetischen Instrumentarium verbunden (vgl. die Diskussion bei W. Gross, Biblisch Theologische Auslegung).

Die hier angesprochenen Fragen haben einerseits direkt mit dem hermeneutischen Problem des Alten Testaments zu tun, führen andererseits aber schon in gesamttheologische Fragen hinein: Welche Rolle spielt die Bibel in beiderlei Gestalt in der christlichen Theologie und Kirche? Wie verhalten sich Exegese und systematische bzw. dogmatische Theologie zueinander? Die Antworten hierauf dürften je nach konfessionellem oder persönlichem Standort sehr vielfältig ausfallen. Sie mögen zu einem guten Teil dem vielfältigen Zeugnis der Bibel - zumal des Alten Testaments - selbst entsprechen, das sich jeder vorschnellen Harmonisierung entzieht. Wenn es der historisch-kritischen Exegese gelingt, dieses Zeugnis offenzulegen und zu vergegenwärtigen, hat sie ihr Ziel erreicht.

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