Alles Teufelszeug? VI

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sven23
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#31 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Sa 22. Apr 2017, 11:53

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn der gute closs wenigstens das mal begreifen würde, wäre schon viel gewonnen. Aber solange er sich aller Literatur verweigert
Lies nochmal Theißens Vorwort (ich habe es gestern nochmal gemacht) - Du wirst erkennen, dass er sehr wohl begreift, dass seine Arbeit nicht universale, sondern methodische Ergebnisse erbringt. - So - und jetzt überlegt Euch mal, was ein "methodisches Ergebnis" ist. - Und danach reden wir weiter.
Natürlich betont Theißen die Wichtigkeit der Methodik, das habe ich doch mehrfach verlinkt. Genauso wie die Methodik der Doppelblindstudien entscheidend für die Beurteilung dafür ist, ob ein Medikament wirkt oder nicht. Wenn aber ein Medikament nicht wirkt, ist das nicht Schuld der Methodik, sondern die Methodik ist das Werkzeug, das die Unwirksamkeit offenlegt. Darum geht es.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dann wären beide Ansatze reine Zirkelschlüsse. Deshalb geht die Forschung nicht mit dieser Prämisse an die Arbeit.
Dann kennst Du die Methodik nicht, die Du vertrittst - mit anderen Worten: Wenn Du weißt, was Kritischer Rationalismus ist, weißt Du auch, dass die HKM gar nicht danach fragen KANN, ob Jesus göttlich ist, da sie nicht nach "Gott" fragen kann, da nicht falsifizierbar. - Somit geht der Kritische Rationalismus/die HKM mit der Prämisse an die Arbeit, dass Jesus nur Mensch sein kann. - Und ist somit nach Deiner Logik zirkelschlüssig.
Natürlich kann die Forschung die Frage nicht beantworten. Das kann auch die Theologie nicht, genauso wenig wie bei Zeus, Jupiter, Thor und allen anderen Tausenden von Göttern.

closs hat geschrieben: Meine Logik ist eine andere: Beide Prämissen/Hermeneutiken werden wissenschaftlich unterschiedlich verarbeitet - die HKM forscht in die eine Richtung, die Kanonik (oder andere Exegese-Formen) in die andere Richtung. - Das ist unter Wissenschaftlern vollkommen normal.
Unter Wissenschaftlern ja, aber nicht bei ideologisierten Laien. Deshalb hat Kanonik in der historischen Forschung keine Heimat. Es geht der Forschung ja nicht darum, kanonische Schriften zirkelreferent zu bestätigen, sondern sie will ja gerade den Unterschied zwischen Überlieferung und Historie herausarbeiten. Kanonik hat diesen Ehrgeiz überhaupt nicht. Im Gegenteil geht biblische Exegese von der Irrtumslogikeit der Schrift aus. Da werden Widerprüche einfach weggeglaubt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Eben, weil niemand Aussagen darüber machen kann, verfolgt die Forschung diesen Ansatz erst gar nicht. Deshalb ist sie ja ergbnisoffen.
Sachemal: Glaubst Du das wirklich selbst? - Das Gegenteil ist doch der Fall: Weil die HKM nur den einen von zwei historisch möglichen Ansätzen verfolgen kann, ist sie ergebnisoffen INNERHALB dieser Hermeneutik.
Nein, dann könnte die Forschung auch nicht ergbnisoffen über andere mythologische Gestalten forschen. Den Sonderstatus für die christliche Mythologie musst du dir endlich abschminken.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ich?
JA!!! - Und fange mal mit dem Theißen-Vorwort an.

Bitte sehr:
"Weil Wissenschaft nicht einfach von der Wirklichkeit „erzählen " kann, sondern
über Quellen , Forschungslagen , Methoden und Probleme reflektiert , ist sie ein
kompliziertes Geschäft . Wir sehen darin eine Herausforderung für die Wissen ­
schaftsdidaktik. Unser Buch möchte differenziertes Problemwissen so klar wie möglich vermitteln und auch etwas von der Freude, die es macht, innerhalb des Wissenschaftsprozesses an der Suche nach Wahrheit und der Korrektur unserer Irrtümer
teilzunehmen. Wir haben als Leserinnen und Leser auch interessierte Laien im Auge,
die sich über Jesus informieren wollen . Deshalb ist allen griechischen und hebräischen Zitaten und Worten eine Übersetzung beigegeben. Deshalb bemühen wir uns, der akademischen Neigung, Tiefsinn und Unklarheit zu verwechseln, so wenig wie
möglich nachzugeben. Deshalb ist unser Buch stark von didaktischen Überlegungen
bestimmt. Es ist aus „Intensivkursen zum Neuen Testament" hervorgegangen, die
der Autor als Lehrer durchführte und an denen die Autorin vor längerer Zeit als Studierende teilnahm . Wir haben bewußt ein Lehrbuch geschrieben , das auch zum Selbststudium in kleinen Gruppen oder in Einzelarbeit geeignet ist."

Gerd Theißen

Also was hindert dich noch an einem Selbststudium? Dann würdest du auch verstehen, warum Theißen schreiben kann:

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“

Es ist das Ergebnis von Quellenlage, Forschunglage und Methodik. Was sonst?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#32 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Sa 22. Apr 2017, 16:27

sven23 hat geschrieben:Natürlich betont Theißen die Wichtigkeit der Methodik, das habe ich doch mehrfach verlinkt.
Aber hast Du auch VERSTANDEN, dass "Methodik" auch heißt: "Folgende Ergebnisse sind Folge meiner Methodik - in Klammern: Bei einer anderen Methodik würde ich möglicherweise zu anderen Ergebnissen kommen" ---???????----

sven23 hat geschrieben: Wenn aber ein Medikament nicht wirkt, ist das nicht Schuld der Methodik
Da würde Dir nicht einmal ein Homöopath wiedersprechen. :D

sven23 hat geschrieben:die Methodik ist das Werkzeug, das die Unwirksamkeit offenlegt.
Aber auch nur im Sinne von: "Aus Sicht unserer Methodik ist eine Wirksamkeit nicht nachweisbar". - Ontologisch vermag Methodik streng genommen nichts - mit anderen Worten: Wenn ein Präparat wirkt, dann nicht in Abhängigkeit von einer Methodik - sondern es wirkt ganz einfach.

sven23 hat geschrieben:Natürlich kann die Forschung die Frage nicht beantworten.
Das soll sie auch nicht - Nicht-Falsifizierbares KANN Wissenschaft nicht beantworten. --- Wissenschaft soll
1) beobachten und beschreiben - und
2) WENN sie schon interpretieren will, erkenntlich machen, unter welcher Hermeneutik (Jesus=Nur-Mensch?/göttlich?) sie interpretiert.
So einfach wäre das eigentlich.

sven23 hat geschrieben:Unter Wissenschaftlern ja, aber nicht bei ideologisierten Laien. Deshalb hat Kanonik in der historischen Forschung keine Heimat.
Du hast nicht kapiert, dass Theologie genauso Wissenschaft ist wie HKM - nur eben hermeneutisch anders begründet.

sven23 hat geschrieben:Es geht der Forschung ja nicht darum, kanonische Schriften zirkelreferent zu bestätigen, sondern sie will ja gerade den Unterschied zwischen Überlieferung und Historie herausarbeiten. Kanonik hat diesen Ehrgeiz überhaupt nicht.
Es geht der historisch-kritischen Forschung um etwas anderes als der theologischen Forschung - logisch. - Und zirkelreferent arbeiten entweder beide oder keiner von beiden - entscheide Dich. :lol:

sven23 hat geschrieben:Nein, dann könnte die Forschung auch nicht ergbnisoffen über andere mythologische Gestalten forschen.
Natürlich kann sie auch anderes im Rahmen ihrer Hermeneutik ergebnisoffen erforschen - da widerspricht doch keiner. - Es wird nur widersprochen, wenn sie als Vegetarier Noten zum Geschmack von Wurstsorten vergibt - das kann sie nicht. - 1000 Stellungen kennen, nie eine Frau im Bett gehabt und dann als Erotik-Experte auftreten - das haben wir gerne.

sven23 hat geschrieben:Bitte sehr
Ich meine das Zitat, wo er betont, dass er nicht "Ergebnisse", sondern "methodische Ergebnisse" anbieten kann.

sven23 hat geschrieben:Dann würdest du auch verstehen, warum Theißen schreiben kann: „Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Das ist nicht schwer zu verstehen, wenn man es als inner-methodische Folgerichtigkeit, also als "methodisches Ergebnis" versteht. - Die nächste Frage wäre dann, ob es mit dem übereinstimmt, was damals historisch der Fall war - und da würde es Widerspruch geben.

sven23 hat geschrieben:Es ist das Ergebnis von Quellenlage, Forschunglage und Methodik. Was sonst?
Interpretation.

Wenn man historische Realität an den ersten Rezeptionen festmacht UND man mit "Forschungslage" ausschließlich die der HKM meint UND man kritisch-rational interpretiert, als sei Jesus historisch nur Mensch, ist das in der Tat das Ergebnis von Quellenlage, Forschunglage und Methodik. - Ein Methoden-Ergebnis.

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sven23
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#33 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Sa 22. Apr 2017, 17:27

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Natürlich betont Theißen die Wichtigkeit der Methodik, das habe ich doch mehrfach verlinkt.
Aber hast Du auch VERSTANDEN, dass "Methodik" auch heißt: "Folgende Ergebnisse sind Folge meiner Methodik - in Klammern: Bei einer anderen Methodik würde ich möglicherweise zu anderen Ergebnissen kommen" ---???????----
Natürlich: bei einer wissenschaftlichen Methodik kommen belastbare und weitgehend objektivierbare Ergebnisse zustande. Bei Glaubensdogmatikern kommen halt 100 verschiedene, mehr oder weniger willkürliche Ergebnisse zustande. Deshalb gibt es auch dieses Kauderwelsch an unterschiedlichsten Denominationen, Konfessionen und Sekten ein und derselben Religion.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Wenn aber ein Medikament nicht wirkt, ist das nicht Schuld der Methodik
Da würde Dir nicht einmal ein Homöopath wiedersprechen. :D
Außer einem closs, der es auf die Methodik abschieben wollte.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:die Methodik ist das Werkzeug, das die Unwirksamkeit offenlegt.
Aber auch nur im Sinne von: "Aus Sicht unserer Methodik ist eine Wirksamkeit nicht nachweisbar". - Ontologisch vermag Methodik streng genommen nichts - mit anderen Worten: Wenn ein Präparat wirkt, dann nicht in Abhängigkeit von einer Methodik - sondern es wirkt ganz einfach.
Nein, es wirkt eben nicht, wie die Methodik zeigt. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Natürlich kann die Forschung die Frage nicht beantworten.
Das soll sie auch nicht - Nicht-Falsifizierbares KANN Wissenschaft nicht beantworten. --- Wissenschaft soll
1) beobachten und beschreiben - und
2) WENN sie schon interpretieren will, erkenntlich machen, unter welcher Hermeneutik (Jesus=Nur-Mensch?/göttlich?) sie interpretiert.
So einfach wäre das eigentlich.
Wie schon oft gesagt: es gibt keine Sonderrechte für christliche Mythologie.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Unter Wissenschaftlern ja, aber nicht bei ideologisierten Laien. Deshalb hat Kanonik in der historischen Forschung keine Heimat.
Du hast nicht kapiert, dass Theologie genauso Wissenschaft ist wie HKM - nur eben hermeneutisch anders begründet.
Theologie als Ganzes ist nun mal keine Wissenschaft. Lediglich in ihren historischen Disziplinen und da ist die historisch-kritische Methode die Standardauslegung. Systematik, Dogmatik sind in der historischen Jesusforschung nicht zu gebrauchen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es geht der Forschung ja nicht darum, kanonische Schriften zirkelreferent zu bestätigen, sondern sie will ja gerade den Unterschied zwischen Überlieferung und Historie herausarbeiten. Kanonik hat diesen Ehrgeiz überhaupt nicht.
Es geht der historisch-kritischen Forschung um etwas anderes als der theologischen Forschung - logisch. - Und zirkelreferent arbeiten entweder beide oder keiner von beiden - entscheide Dich. :lol:
Kanonik kann innerhalb der historischen Jesusforschung überhaupt nicht zirkelreferent arbeiten, weil sie dort nichts zu suchen hat. Außerhalb tut sie es ja mit wachsender Begeisterung.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, dann könnte die Forschung auch nicht ergbnisoffen über andere mythologische Gestalten forschen.
Natürlich kann sie auch anderes im Rahmen ihrer Hermeneutik ergebnisoffen erforschen - da widerspricht doch keiner. - Es wird nur widersprochen, wenn sie als Vegetarier Noten zum Geschmack von Wurstsorten vergibt - das kann sie nicht. - 1000 Stellungen kennen, nie eine Frau im Bett gehabt und dann als Erotik-Experte auftreten - das haben wir gerne.
Hier kannst du eigentlich nur zölibatäre Theologen meinen, die sich ausgiebig mit dem Jungfernhäutchen Mariens befassen. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Bitte sehr
Ich meine das Zitat, wo er betont, dass er nicht "Ergebnisse", sondern "methodische Ergebnisse" anbieten kann.
Das sagt er doch. Die Ergebnisse basieren auf Grundlage der historisch-kritischen Methode. ( Und nicht auf subjektiver Willkür und Wunschdenken)

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dann würdest du auch verstehen, warum Theißen schreiben kann: „Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Das ist nicht schwer zu verstehen, wenn man es als inner-methodische Folgerichtigkeit, also als "methodisches Ergebnis" versteht. - Die nächste Frage wäre dann, ob es mit dem übereinstimmt, was damals historisch der Fall war - und da würde es Widerspruch geben.
So ist das nun mal in der Wissenschaft. Methodisch sauber erzielte Ergebnisse haben gegenüber sujektiver Willkür und Wunschdenken den Vorrang.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist das Ergebnis von Quellenlage, Forschunglage und Methodik. Was sonst?
Interpretation.
Ohne Interpretation der Foschungsergebnisse geht es halt nicht. Und da ist der göttliche Charakter Jesu nur schwer haltbar. Das ist aber nicht Folge einer Setzung, sondern Folge der Forschungsergebnisse.

closs hat geschrieben: Wenn man historische Realität an den ersten Rezeptionen festmacht UND man mit "Forschungslage" ausschließlich die der HKM meint UND man kritisch-rational interpretiert, als sei Jesus historisch nur Mensch, ist das in der Tat das Ergebnis von Quellenlage, Forschunglage und Methodik. - Ein Methoden-Ergebnis.
Die Forschungsergebnisse auf die Methodik zu schieben und sie damit zu relativieren oder zu negieren, wird dir genausso wenig gelingen, wie du das bei den Doppelblindstudien nicht gelungen ist.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#34 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Pluto » Sa 22. Apr 2017, 17:59

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Natürlich betont Theißen die Wichtigkeit der Methodik, das habe ich doch mehrfach verlinkt.
Aber hast Du auch VERSTANDEN, dass "Methodik" auch heißt: "Folgende Ergebnisse sind Folge meiner Methodik
Welcher Methodik folgt die Kanonik?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#35 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Sa 22. Apr 2017, 18:16

sven23 hat geschrieben:bei einer wissenschaftlichen Methodik kommen belastbare und weitgehend objektivierbare Ergebnisse zustande.
Das bestreitet doch keiner bei der HKM im Sinne ihrer Methodik. - "Objektivierbar" heisst, dass eine Begründung aufgrund von Belegen ("Es gibt dieses Zitat und auch jenes Zitat") intersubjektiv nachweisbar ist. - Aber das ist doch nicht das Problem - das Problem ist, wie man es dann deutet im Sinne von "Was hat das zu bedeuten?" - Und diese Frage wird nicht von den Belegen beantwortet, sondern von der Hermeneutik des Auslegenden.

sven23 hat geschrieben:Bei Glaubensdogmatikern kommen halt 100 verschiedene, mehr oder weniger willkürliche Ergebnisse zustande.
Aber ebenfalls auf Basis von Belegen ("In Gen. 1,x steht dieses - in 1.Kön 2.x steht jenes - in Mk. 4,x steht folgendes"), aber es wird hermeneutisch anders gedeutet. - Und ja, es gibt viele Hermeneutiken innerhalb des Christentums - trotzdem können sie jeweils hermeneutisch-methodisch korrekt mit ihren Schlussfolgerungen sein.

Du kannst Dir abschminken, dass bspw. die katholische Hermeneutik weniger wissenschaftlich arbeitet als die HKM-Hermeneutik - da bist Du auf der falschen Spur. - Es ist die HERMENEUTIK, die den Unterschied macht.

sven23 hat geschrieben:Nein, es wirkt eben nicht, wie die Methodik zeigt.
Es wirkt oder es wirkt nicht - und entweder wird es methodisch richtig erkannt oder nicht.

sven23 hat geschrieben:Wie schon oft gesagt: es gibt keine Sonderrechte für christliche Mythologie.
Das ist nicht mehr als ein methodisches Mantra der HKM - sonst nichts. - Und die HKM hat damit sogar recht, wenn sie es unterläßt, theologisch zu interpretieren. - Sie kann dagegen jederzeit sagen: "Für uns ist aus methodischen Gründen die Frage nach Gott irrelevant, weshalb wir Jesus untersuchen wie Donar. Dabei kommt folgendes an Ergebnis raus".

Aber sie kann damit NICHT beanspruchen, die Leit-Disziplin der Bibel-Exegese zu sein - es sei denn, man versteht "Exegese" rein technisch, also ohne jeglichen geistigen Bezug.

sven23 hat geschrieben:Theologie als Ganzes ist nun mal keine Wissenschaft.
Nach dem allgemeinen Wissenschafts-Verständnis schon (sonst müsste man jegliche Geisteswissenschaften aus den Universitäten werfen). - Richtig ist, dass der naturwissenschaftliche Wissenschaftsbegriff ein anderer als der geisteswissenschaftliche Wissenschaftsbegriff ist.

sven23 hat geschrieben:Systematik, Dogmatik sind in der historischen Jesusforschung nicht zu gebrauchen.
Wenn sich die HKM auf Fragen beschränken würde "Wie war damals das Wetter/die Mode/die wirtschaftliche Lage/etc?" oder "Wann war Jesus wo unterwegs/was aß er am liebsten/wieviele Begleiter hatte er/etc?" oder "Von wann ist diese Quelle/wo wurde sie gefunden/was wissen wir über den Verfasser/etc?", hättest Du recht. - Aber das tut sie ja nicht.

sven23 hat geschrieben:Kanonik kann innerhalb der historischen Jesusforschung überhaupt nicht zirkelreferent arbeiten, weil sie dort nichts zu suchen hat.
:?: - Dito umgekehrt. - Die beiden machen UNTERSCHIEDLICHES. - Der eine legt aus, als sei Jesus nur Mensch - der ander, als sei Jesus göttlich. - Innerhalb dieser Prämisse arbeiten sie ergebnisoffen - und pfuschen sich gegenseitig in der Tat nicht rein.

sven23 hat geschrieben:Hier kannst du eigentlich nur zölibatäre Theologen meinen
Nein - damit meine ich Wissenschafts-Disziplinen, die einerseits "Geist" als Kriterium ablehnen, sich aber andererseits als Spezialisten in Sachen Bibel-Verständnis hervortun.

sven23 hat geschrieben:Das sagt er doch. Die Ergebnisse basieren auf Grundlage der historisch-kritischen Methode.
Richtig - und die Schlussfolgerungen finden im Rahmen dessen statt, was die HKM kann und nicht kann.

sven23 hat geschrieben:Methodisch sauber erzielte Ergebnisse haben gegenüber sujektiver Willkür und Wunschdenken den Vorrang.
Rein formal hast Du recht (da würde Dir auch Ratzinger zustimmen) - trotzdem hast Du Dich bei diesem Thema total verrannt. - Du hältst immer noch nicht Wissenschaft und hermeneutische Perspektive auseinander.

Wissenschaft ist ein geprüftes Verfahren, Hermeneutik ist eine Interpretations-Perspektive. - Sowohl HKM als auch Theologie sind wissenschaftlich, haben aber unterschiedliche Hermeneutiken.

sven23 hat geschrieben:Ohne Interpretation der Foschungsergebnisse geht es halt nicht. Und da ist der göttliche Charakter Jesu nur schwer haltbar. Das ist aber nicht Folge einer Setzung, sondern Folge der Forschungsergebnisse.
Und genau das wäre die berühmte Zirkelreferenz: Eine Hermeneutik, die in Selbstsicht nicht nach Göttlichkeit fragen kann, kommt zum Ergebnis, dass es Folge von Forschung ist, dass Jesu Göttlichkeit schwer haltbar sei. - Wie gemalt.

Und solange solche Grundlagen nicht verstanden werden, werden wir auch in den nächsten 500 Forenseiten nicht in eine vernünftige Diskussion EINTRETEN - wir sind immer noch vorher.

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#36 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Sa 22. Apr 2017, 18:21

Pluto hat geschrieben:Welcher Methodik folgt die Kanonik?
Sie benennt ihre Hermeneutik, analysiert die Bibel/den Text als Gesamtes, zieht historische Hilfs-Disziplinen heran und zieht Schlussfolgerungen/Interpretationen aus allem Gesammelten - wir nannten das früher "geisteswissenschaftliche Methodik". (Man kann das sicherlich verfeinern)

Wichtig für uns war damals, dass Beobachtetes/Analysiertes festgehalten und beschrieben wurde und die Schlussfolgerungen/Interpretationen intersubjektiv nachvollziehbar begründet wurden.

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#37 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Sa 22. Apr 2017, 19:03

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:bei einer wissenschaftlichen Methodik kommen belastbare und weitgehend objektivierbare Ergebnisse zustande.
Das bestreitet doch keiner bei der HKM im Sinne ihrer Methodik. - "Objektivierbar" heisst, dass eine Begründung aufgrund von Belegen ("Es gibt dieses Zitat und auch jenes Zitat") intersubjektiv nachweisbar ist. - Aber das ist doch nicht das Problem - das Problem ist, wie man es dann deutet im Sinne von "Was hat das zu bedeuten?" - Und diese Frage wird nicht von den Belegen beantwortet, sondern von der Hermeneutik des Auslegenden.
Und die Hermeutik der Forschung basiert auf wissenschaftlichem Anspruch. Die Hermeneutik der Kanoniker beruht auf Glaubensentscheidungen und der Wirkung des Heiligen Geistes.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Bei Glaubensdogmatikern kommen halt 100 verschiedene, mehr oder weniger willkürliche Ergebnisse zustande.
Aber ebenfalls auf Basis von Belegen ("In Gen. 1,x steht dieses - in 1.Kön 2.x steht jenes - in Mk. 4,x steht folgendes"),...
An Belegen für irgendwas herrscht bei dem Textangebot kein Mangel. Wenn man sich einzelne rauspickt und andere ignoriert, läuft man halt in die falsche Richtung. Deshalb versucht die Forschung, alles in einem plausiblen Erklärungsmodell zu vereinen. Widerprüche müssen plausibel aufgelöst werden, sie können nicht einfach weggeglaubt werden.


closs hat geschrieben: Du kannst Dir abschminken, dass bspw. die katholische Hermeneutik weniger wissenschaftlich arbeitet als die HKM-Hermeneutik - da bist Du auf der falschen Spur. - Es ist die HERMENEUTIK, die den Unterschied macht.
Für die historischen Disziplinen stimmt das ja auch. Als Ganzes kann Theologie keine Wissenschaft sein.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nein, es wirkt eben nicht, wie die Methodik zeigt.
Es wirkt oder es wirkt nicht - und entweder wird es methodisch richtig erkannt oder nicht.
Eben, es gibt keinen Wirkstoff, der außerhalb von Studien angeblich immer auf spukhafte Weise wirkt, aber in Studien auf wundersame Weise immer versagt, bzw. über den Placeboeffekt nicht hinauskommt. Das sind Märchen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wie schon oft gesagt: es gibt keine Sonderrechte für christliche Mythologie.
Das ist nicht mehr als ein methodisches Mantra der HKM - sonst nichts. - Und die HKM hat damit sogar recht, wenn sie es unterläßt, theologisch zu interpretieren. - Sie kann dagegen jederzeit sagen: "Für uns ist aus methodischen Gründen die Frage nach Gott irrelevant, weshalb wir Jesus untersuchen wie Donar. Dabei kommt folgendes an Ergebnis raus".
Aber sie kann damit NICHT beanspruchen, die Leit-Disziplin der Bibel-Exegese zu sein - es sei denn, man versteht "Exegese" rein technisch, also ohne jeglichen geistigen Bezug.
Richtig, die Forschung muss geistiges Wunschdenken aussen vor lassen. Sie kann beschreiben - und das tut sie ja auch - wie die Lehre Jesu von den Schreibern/Kirche verändert und verfälscht wurde. Und deshalb ist die historisch-kritische Methode die Standardauslegung. Punkt.
Was sich im glaubensdogmatischen Sandkasten abspielt, ist für die historische Jesusforschung irrelevant.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Theologie als Ganzes ist nun mal keine Wissenschaft.
Nach dem allgemeinen Wissenschafts-Verständnis schon (sonst müsste man jegliche Geisteswissenschaften aus den Universitäten werfen). - Richtig ist, dass der naturwissenschaftliche Wissenschaftsbegriff ein anderer als der geisteswissenschaftliche Wissenschaftsbegriff ist.
Gibt es denn ausser der Theologie geisteswissenschaftliche Disziplinen, die auf den Heiligen Geist angewiesen sind? :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Systematik, Dogmatik sind in der historischen Jesusforschung nicht zu gebrauchen.
Wenn sich die HKM auf Fragen beschränken würde "Wie war damals das Wetter/die Mode/die wirtschaftliche Lage/etc?" oder "Wann war Jesus wo unterwegs/was aß er am liebsten/wieviele Begleiter hatte er/etc?" oder "Von wann ist diese Quelle/wo wurde sie gefunden/was wissen wir über den Verfasser/etc?", hättest Du recht. - Aber das tut sie ja nicht.
Die Glaubenswelt des Wanderpredigers gehört selbstverständliche zur Aufgabe der Forschung. Darauf, dass dir die Ergebnisse nicht gefallen, kann sie keine Rücksicht nehmen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Kanonik kann innerhalb der historischen Jesusforschung überhaupt nicht zirkelreferent arbeiten, weil sie dort nichts zu suchen hat.
:?: - Dito umgekehrt. - Die beiden machen UNTERSCHIEDLICHES. - Der eine legt aus, als sei Jesus nur Mensch - der ander, als sei Jesus göttlich. - Innerhalb dieser Prämisse arbeiten sie ergebnisoffen - und pfuschen sich gegenseitig in der Tat nicht rein.
Kanonik arbeitet nicht ergebnisoffen, weil das Ergebnis, nämlich die Vergottung des Wanderpredigers, schon feststeht. Alles andere wird diesem Ziel untergeordnet. Kann man machen, wenn man keinen wissenschaftlichen Anspruch hat.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Hier kannst du eigentlich nur zölibatäre Theologen meinen
Nein - damit meine ich Wissenschafts-Disziplinen, die einerseits "Geist" als Kriterium ablehnen, sich aber andererseits als Spezialisten in Sachen Bibel-Verständnis hervortun.
Kann es sein, dass du Geist mit religiösem Wunschdenken verwechselst?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das sagt er doch. Die Ergebnisse basieren auf Grundlage der historisch-kritischen Methode.
Richtig - und die Schlussfolgerungen finden im Rahmen dessen statt, was die HKM kann und nicht kann.
Und genau deshalb sagt Theißen:

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“

eben, weil die Methode es kann. :thumbup:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Methodisch sauber erzielte Ergebnisse haben gegenüber sujektiver Willkür und Wunschdenken den Vorrang.
Rein formal hast Du recht (da würde Dir auch Ratzinger zustimmen) - Sowohl HKM als auch Theologie sind wissenschaftlich, haben aber unterschiedliche Hermeneutiken.
Für die HKM trifft dies zu, für die Theologie als Ganzes nicht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ohne Interpretation der Foschungsergebnisse geht es halt nicht. Und da ist der göttliche Charakter Jesu nur schwer haltbar. Das ist aber nicht Folge einer Setzung, sondern Folge der Forschungsergebnisse.
Und genau das wäre die berühmte Zirkelreferenz: Eine Hermeneutik, die in Selbstsicht nicht nach Göttlichkeit fragen kann, kommt zum Ergebnis, dass es Folge von Forschung ist, dass Jesu Göttlichkeit schwer haltbar sei. - Wie gemalt.
Man kann die Forschungsergebnisse nicht einfach wegglauben, auch wenn man dies mit Hermeneutik zu bemänteln versucht. Es ändert nichts. Da bleibt eben nur Ratzingers Glaubensentscheid. Wenigstens das hat der alte Mann begriffen.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#38 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Sa 22. Apr 2017, 22:06

sven23 hat geschrieben:Und die Hermeutik der Forschung basiert auf wissenschaftlichem Anspruch. Die Hermeneutik der Kanoniker beruht auf Glaubensentscheidungen und der Wirkung des Heiligen Geistes.
Da hast Du Dich eben verrannt. - Denn Du verkennst, dass auch die HKM-Forschung in ihren Interpretationen auf einer "Glaubensentscheidung" beruht, nur dass diese nicht "Glaubensentscheidung" heißt, sondern "Ich interpretiere im Rahmen eines säkularen Verständnisses der Bibel". - Und damit ist der nächste Irrtum verbunden: Du verstehst nicht, dass BEIDE wissenschaftlich arbeiten. - Schau mal in theologische Bibel-Analysen rein, dann weißt Du, was ich meine.

sven23 hat geschrieben:Deshalb versucht die Forschung, alles in einem plausiblen Erklärungsmodell zu vereinen.
Genau das tut sie. - Aber hermeneutisch bedingt tut es die HKM anders als etwa die kanonische Hermeneutik.

sven23 hat geschrieben:Widerprüche müssen plausibel aufgelöst werden, sie können nicht einfach weggeglaubt werden.
Auch das gilt für beide Seiten - jedoch wird keine Seite um Widersprüche in Bezug auf Einzelzitate herumkommen.

sven23 hat geschrieben: Sie kann beschreiben - und das tut sie ja auch - wie die Lehre Jesu von den Schreibern/Kirche verändert und verfälscht wurde.
Sie kann spätere Unterschiede zu älteren Quellen beobachten - das wäre die wissenschaftliche Ausdrucksweise. - Als nächstes muss man das dann interpretieren. - Und wie interpretiert man? - Richtig, auf seiner jeweiligen hermeneutischen Grundlage.

sven23 hat geschrieben:Gibt es denn ausser der Theologie geisteswissenschaftliche Disziplinen, die auf den Heiligen Geist angewiesen sind?
Streng genommen sind ALLE Disziplinen auf den HG angewiesen. :D - In Deinem Weltbild gesagt: Gewisse Abläufe im Gehirn müssen dasein, damit man in solchen Disziplinen mitreden kann.

sven23 hat geschrieben:Die Glaubenswelt des Wanderpredigers gehört selbstverständliche zur Aufgabe der Forschung.
Natürlich muss die HK-Forschung das Glaubens-Umfeld der Zeit analysieren - da stimme ich Dir zu. - Und wenn die HK-Forschung hermeneutisch davon ausgeht, dass Jesus nichts anderes als ein Teil dieses Glaubensumfeldes ist, kann sie dies auf Jesus übertragen: "Man glaubte damals folgendes - also auch Jesus". - Kann man machen, solange man nicht darauf besteht, dass nur das historisch ist.

sven23 hat geschrieben:Kanonik arbeitet nicht ergebnisoffen, weil das Ergebnis, nämlich die Vergottung des Wanderpredigers, schon feststeht.
HK-Interpretation arbeitet nicht ergebnisoffen, weil das Ergebnis, nämlich das Nur-Menschentum des Wanderpredigers, schon feststeht. Das ist exakt dasselbe in Grün.

Aber beide arbeiten INNERHALB Ihrer "Feststehung"/PRämisse/Setzung/Hermeneutik ergebnisoffen und sind deshalb als Wissenschaft zu bezeichnen (wenn sie gewissen Ansprüchen wie "intersubjektive Nachvollziehbarkeit" genügen).

sven23 hat geschrieben:Und genau deshalb sagt Theißen:„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“ eben, weil die Methode es kann. :thumbup:
Korrekt - es ist ein methodisches Ergebnis, dem andere methodische Ergebnisse entgegenstehen.

sven23 hat geschrieben:Man kann die Forschungsergebnisse nicht einfach wegglauben, auch wenn man dies mit Hermeneutik zu bemänteln versucht. Es ändert nichts. Da bleibt eben nur Ratzingers Glaubensentscheid. Wenigstens das hat der alte Mann begriffen.
Jetzt fehlst nur noch Du. - Denn Du solltest begreifen, dass HKM-Interpretations-Ergebnisse Folge eines hermeneutischen Glaubensentscheids (s.o.) sind. - Ratzinger ist Dir hier voraus.

Wenn Du DAS begriffen hast, begreifst Du auch, dass unterschiedliche Ergebnisse nicht mit jeweiligem "Wegglauben" zu tun haben, sondern methodisch zwingend sind. - Am Ende steht man vor diesen Ergebnissen und fragt sich: "Welches Ergebnis ist historisch wahrscheinlicher?" - Und die Antwort wird wieder diesselbe sein: "Wenn Jesus historisch nur Mensch war, hat die HKM recht. - Wenn Jesus historisch auch göttlich war, hat die Theologie recht".

Man wird von vorneherein Nicht-Falsifizierbares weder durch HKM noch durch Kanonik verifizieren können, sondern nur jeweils begründen können. - Und wenn die HKM herausfindet, was man damals geglaubt, gegessen, gelesen, etc. hat, wird sie genauso wenig diese Hürde der Nicht-Falsifizierbarkeit überwinden können wie die Kanonik.

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#39 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » So 23. Apr 2017, 07:36

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und die Hermeutik der Forschung basiert auf wissenschaftlichem Anspruch. Die Hermeneutik der Kanoniker beruht auf Glaubensentscheidungen und der Wirkung des Heiligen Geistes.
Da hast Du Dich eben verrannt. - Denn Du verkennst, dass auch die HKM-Forschung in ihren Interpretationen auf einer "Glaubensentscheidung" beruht, nur dass diese nicht "Glaubensentscheidung" heißt, sondern "Ich interpretiere im Rahmen eines säkularen Verständnisses der Bibel". - Und damit ist der nächste Irrtum verbunden: Du verstehst nicht, dass BEIDE wissenschaftlich arbeiten. - Schau mal in theologische Bibel-Analysen rein, dann weißt Du, was ich meine.
Die Forschung glaubt, dass die Anwendung der historisch-kritischen Methode der einzig gangbare Weg ist, um sich dem historischen Jesus zu nähern. Kanoniker glauben, dass die sog. Heiligen Schriften als das Wort Gottes irrtumsfrei sind und deshalb geglaubt werden müssen. Es bedarf nicht allzu viel Intelligenz, um zu erkennen, dass dies zwei völlig unterschiedliche Glaubensentscheide sind.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Deshalb versucht die Forschung, alles in einem plausiblen Erklärungsmodell zu vereinen.
Genau das tut sie. - Aber hermeneutisch bedingt tut es die HKM anders als etwa die kanonische Hermeneutik.
Ja eben. Wissenschaft versus Glaubensdogmatik.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Widerprüche müssen plausibel aufgelöst werden, sie können nicht einfach weggeglaubt werden.
Auch das gilt für beide Seiten - jedoch wird keine Seite um Widersprüche in Bezug auf Einzelzitate herumkommen.
Die Widersprüche ergeben sich aus den unterschiedlichen Quellen. Die Forschung versucht diese plausibel zu erklären, Kanoniker wollen sie einfach wegglauben. Das ist der Unterschied.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Sie kann beschreiben - und das tut sie ja auch - wie die Lehre Jesu von den Schreibern/Kirche verändert und verfälscht wurde.
Sie kann spätere Unterschiede zu älteren Quellen beobachten - das wäre die wissenschaftliche Ausdrucksweise. - Als nächstes muss man das dann interpretieren. - Und wie interpretiert man? - Richtig, auf seiner jeweiligen hermeneutischen Grundlage.
Wenn man bestimmte Aussagen dem Wanderprediger zuordnen kann, dann dürfen spätere Veränderungen/Verfälschungen auch als solche benannt werden.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Gibt es denn ausser der Theologie geisteswissenschaftliche Disziplinen, die auf den Heiligen Geist angewiesen sind?
Streng genommen sind ALLE Disziplinen auf den HG angewiesen. :D - In Deinem Weltbild gesagt: Gewisse Abläufe im Gehirn müssen dasein, damit man in solchen Disziplinen mitreden kann.
Das ist wieder der typische Versuch, alles der religiösen Fantasy unterzuordnen. Das geht sogar so weit, dass ein Theologe wie Barth den Nationalsozialismus als göttliche Offenbarung verkaufen will. Da sieht man, wohin religiöse Wahnvorstellungen führen können.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Kanonik arbeitet nicht ergebnisoffen, weil das Ergebnis, nämlich die Vergottung des Wanderpredigers, schon feststeht.
HK-Interpretation arbeitet nicht ergebnisoffen, weil das Ergebnis, nämlich das Nur-Menschentum des Wanderpredigers, schon feststeht. Das ist exakt dasselbe in Grün.
Nein, es ist nicht dasselbe, weil diese Setzung für die Textuntersuchungen keine Rolle spielen. Ob jemand pesönlich an Wunder oder Auferstehung glaubt, ist eine andere Sache. Manche tun es, andere halten sich an Bultmann, der kein übernatürliches Zerreissen geschichtlicher Wirkungszusammenhänge für möglich hält. An den Forschungsergebnissen selbst ändert das nichts. Man kann es sehr schön an der Naherwartung festmachen. Beide Lager kommen zu dem bekannten Konsens der Naherwartung.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und genau deshalb sagt Theißen:„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“ eben, weil die Methode es kann. :thumbup:
Korrekt - es ist ein methodisches Ergebnis, dem andere methodische Ergebnisse entgegenstehen.
Die aber für die historische Jesusforschung irrelevant sind. Das ist der entscheidende Punkt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Man kann die Forschungsergebnisse nicht einfach wegglauben, auch wenn man dies mit Hermeneutik zu bemänteln versucht. Es ändert nichts. Da bleibt eben nur Ratzingers Glaubensentscheid. Wenigstens das hat der alte Mann begriffen.
Jetzt fehlst nur noch Du. - Denn Du solltest begreifen, dass HKM-Interpretations-Ergebnisse Folge eines hermeneutischen Glaubensentscheids (s.o.) sind. - Ratzinger ist Dir hier voraus.
Vor allem ist er dir voraus, denn er hat das wissenschaftliche Terrain verlassen und den Glauensentscheid gewählt. Du hingegen willst über die Hintertür doch noch den Wissenschafts-TÜV Stempel ergattern. Das kannst du aber vergessen. :roll:
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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#40 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » So 23. Apr 2017, 09:40

sven23 hat geschrieben:Die Forschung glaubt, dass die Anwendung der historisch-kritischen Methode der einzig gangbare Weg ist, um sich dem historischen Jesus zu nähern.
"Die Forschung" glaubt das nicht, sondern die HKM-Forschung - ansonsten ist das der richtige Ansatz, der hier allerdings noch qualifiziert werden müsste.

sven23 hat geschrieben:Kanoniker glauben, dass die sog. Heiligen Schriften als das Wort Gottes irrtumsfrei sind und deshalb geglaubt werden müssen.
Das ist teilweise richtig - zumindestens ist richtig, dass die Kanoniker glauben, dass Jesus nicht nur Mensch ist (das ist der entscheidende Punkt), und im Gegensatz zur HKM die Bibel aus dieser Sicht erforschen.

sven23 hat geschrieben:Es bedarf nicht allzu viel Intelligenz, um zu erkennen, dass dies zwei völlig unterschiedliche Glaubensentscheide sind.
Bingo - genau darauf will ich hinaus.

sven23 hat geschrieben:Ja eben. Wissenschaft versus Glaubensdogmatik.
Nein. - Wissenschaft versus Wissenschaft, jedoch unter unterschiedlichen Perspektiven, bei denen beide jeweils eine historische Möglichkeit weglassen.

sven23 hat geschrieben:Die Widersprüche ergeben sich aus den unterschiedlichen Quellen. Die Forschung versucht diese plausibel zu erklären,
Aber doch nur im Sinne ihres Verständnisses. - Sie sehen Widersprüche, wo man unter geistig-spiritueller Sicht überhaupt keine sieht, und müssen sie dann ausräumen, weil sie sich widerspruchsfrei darstellen möchten - und dementsprechend sucht man dann nach Erklärungsmöglichkeiten.

sven23 hat geschrieben:Wenn man bestimmte Aussagen dem Wanderprediger zuordnen kann, dann dürfen spätere Veränderungen/Verfälschungen auch als solche benannt werden.
Dann sind wir aber schon wieder tief in einer Einzel-Hermeneutik drin, was Du für andere als unwissenschaftlich abtust.

sven23 hat geschrieben:Das geht sogar so weit, dass ein Theologe wie Barth den Nationalsozialismus als göttliche Offenbarung verkaufen will.
Natürlich kann man Weltkatastrophen als göttliche Offenbarungen verstehen - denke nur an Babel. - Es gibt Rabbis, die die Shoa als göttliche Offenbarung verstehen.

Was ändert das? - Jedenfalls entlastet es nicht den Menschen als Verursacher solcher Geschehen. - Ich fürchte irgendwie, dass Du Barth hier irgendwie komisch interpretierst.

sven23 hat geschrieben:Da sieht man, wohin religiöse Wahnvorstellungen führen können.
Genau: Wenn man unfähig ist, etwas zu verstehen, leiden andere unter Wahnvorstellungen. - Immer das Gleiche.

sven23 hat geschrieben:Nein, es ist nicht dasselbe, weil diese Setzung für die Textuntersuchungen keine Rolle spielen.
Aha - sind wir wieder auf der Sachebene? - Richtig - pure, NEUTRALE Textuntersuchung ist hermeneutisch unbesetzt. - Das ist der Grund, warum sich die Theologie in solchen Dingen an die HKM wendet: "Was habt Ihr rausgekriegt.

Aber die HKM ist halt nicht nur neutrale Sachebene, sondern auch hermeneutisch-interpretativ. - Und da ist es dasselbe in Grün - also wie bei theologischen Exegese-Formen.

sven23 hat geschrieben:An den Forschungsergebnissen selbst ändert das nichts. Man kann es sehr schön an der Naherwartung festmachen.
Daran kann man es eher falsifizieren - natürlich ändert es etwas am Ergebnis. - Trotzdem ist es ein Forschungs-Ergebnis, da sich die HKM mit diesem Ergebnis treu bleibt - sie betreibt Wissenschaft/Forschung im Sinne ihrer Hermeneutik.

sven23 hat geschrieben:Die aber für die historische Jesusforschung irrelevant sind. Das ist der entscheidende Punkt.
Das ist richtig - aber es ist relevant für die Frage, wer Jesus historisch wirklich war.

sven23 hat geschrieben:Vor allem ist er dir voraus, denn er hat das wissenschaftliche Terrain verlassen und den Glauensentscheid gewählt.
Genau das ist Dein Denkfehler. - Statt zu sagen, er hat die Grundlagen seines wissenschaftlichen Ansatzes offengelegt, sagst Du, er hat sie damit verlassen.

sven23 hat geschrieben:Du hingegen willst über die Hintertür doch noch den Wissenschafts-TÜV Stempel ergattern. Das kannst du aber vergessen.
Dieser TÜV ist längst da - diese Frage stellt sich nur aus Deinem ideologischen Ansatz heraus. - Demnach muss man den eigenen hermeneutischen Ansatz ignorieren, um als wissenschaftlich gelten zu dürfen. - Unwissen macht stark. - Verstehst Du jetzt, warum auf eine solche Haltung sehr kritisch geguckt wird?

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