Alles Teufelszeug? VI

closs
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#591 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Do 22. Jun 2017, 20:23

sven23 hat geschrieben:Die Naherwartung ist keine Fehlleistung der Forschung
Es ging um Deine Fehlleistungen aufgrund schräger Konstrukte in Bezug auf Wissenschaft und Hermeneutik.

sven23 hat geschrieben:Nee, sie setzt nichts
Du erkennst es trotz größter Offensichtlichkeit nicht - es ist nachgewiesen und jederzeit nachweisbar und Du siehst es nicht.

sven23 hat geschrieben: Nur weil es religiöse Texte sind, müssen sie nicht die historische Wahrheit widerspiegeln.
Das ist ganz sicher richtig. :D

sven23 hat geschrieben:Die Anwendung einer wissenschaftlichen Methodik ist Voraussetzung für Wissenschaft.
Richtig - aber das hat nichts mit den (unterschiedlichen) hermeneutischen Vorannahmen von HKM und Theologie zu tun.

sven23 hat geschrieben:Glaubensbekenntnisse und Glaubensdogmen sind Aussschlusskriterien für Wissenschaft.
Schräger Satz, weil es darum nicht geht. - Die hermeneutischen Vorannahmen der HKM sind KEIN Ausschlußkriterium für die Wissenschaftlichkeit der HKM.

sven23 hat geschrieben:Selbstverständlich wurde er verstanden, sonst hätte er sicher keine Anhänger um sich scharen können.
Falsch - weil er falsch verstanden wurde, war er auf dem ersten Blick hochinteressant für seine Anhänger. - Aber er hatte etwas anderes im Sinn, als diese glaubten - im Kontext für Theologen erkennbar.

sven23 hat geschrieben:"Ich sage euch aber, daß ich von nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks
trinken werde, bis an jenem Tage, da ich es neu mit euch trinken werde in dem Reiche meines Vaters." (Mt 26:29)
Das ist doch nicht irdisch gemeint, sondern übertragen!!! - Auch darin bestätigt mich der Katechismus, den ich gerade mal nachgeschlagen habe: "1042 Am Ende der Zeiten wird das Reich Gottes vollendet sein. Nach dem allgemeinen Gericht werden die Gerechten, an Leib und Seele verherrlicht, für immer mit Christus herrschen".

Das "Reich meines Vaters" ist doch nicht eine göttliches Reich auf Erden - oder meinst Du das etwa?

sven23 hat geschrieben:Wenn man Cherrypicking betreibt. Aber du merkst ja selber, wie du allen Stellen ausweichst, die für die Naherwartung sprechen.
Das ist eine wiederholt bösartige Unterstellung wider besseren Wissens - gerade noch gestern habe ich Dir eine Antwort dazu gegeben. - Die Zeiten der falschen Manöver sind jetzt mal langsam vorbei!!!

sven23 hat geschrieben:Und mit geistig öffnen meinst du natürlich dran glauben.
Nee - man weiß doch vorab nicht, was kommt. - WAS dann kommt, hat allerdings gute Chancen, geglaubt zu werden - das ist richtig.

sven23 hat geschrieben:Aus nah wird nicht einfach fern, weil man die Grundannahmen verändert. Wie oft denn noch?
Diese komische Bemerkung habe ich nie verstanden - auch unter theologischen Gesichtspunkten spricht man von "nah".

sven23 hat geschrieben:Von einer hermeutischen Grundannahme in deinem Sinne spricht Theißen nirgendwo.
Ähm - die HKM basiert auf Grundannahmen, die dem Kritischen Rationalismus angelehnt sind - sie wurden hier mehrfach genannt. - Theißen spricht insofern davon, dass er von "methodischen Ergebnissen" spricht (die falsch sein können, wenn die Methodik nicht zu dem passt, was wirklich geschah) - traue ihm bitte zu, dass er um die Basis seiner Arbeit weiß - mich jedenfalls hat sein Vorwort sehr beruhigt.

sven23 hat geschrieben:Das ist aber das Konzept von Kanonikern und Glaubensdogmatikern. Sie lesen die Texte entgegen ihrer ursprünglichen Bedeutung. Diese Anfängerfehler gelten in der Forschung schon lange als überwunden
Das ist wieder mal ein besonders schroffer Fall des Dunning-Kruger-Effekts. - Da blustert sich Hänschen in seiner ideologischen Konklave auf und meint damit, Vertretern anderer Exegeseformen und ohnehin der Systematischen Theologie ans Bein pinkeln zu können - Du scheinst die realen Verhältnisse nicht zu kennen.

sven23 hat geschrieben: "Seit der Aufklärung hat sich die Auffassung herausgebildet, dass wir denjenigen Sinn eines Textes herausarbeiten müssen, den der/die Autor/in im historischen Ursprungs-Kontext zum Ausdruck gebracht hat, und nicht den, den spätere Leserschaften ihm zuerkannt haben oder zuerkennen. Diese Herangehensweise macht die historisch-kritische Methode aus." Schart, Aaron: Einführung in die historisch-kritische Methode der Textinterpretation
Da hat Schart recht - und dem stimmt jeder fitte Hermeneutiker oder Systematiker klaglos zu. - Aber es ist nur der erste Schritt - der nächste Schritt ist dann: "Wie ist das zu verstehen?" - Diese Frage überschreitet bei weitem das, was Schart zu Recht sagt.

sven23 hat geschrieben:Logisch, weil die von der Irrtumslosigkeit und Inspiriertheit der Schriften ausgehen.
Nein - weil sie die Schrift vor dem Hintergrund der Annahme "JEsus ist göttlich" und im gesamt-kanonischen Kontext interpretieren. - Damit kommen sie zu Ergebnissen, die historisch sind, wenn Jesus nicht nur Mensch war. - Das hat mit der Irrtumslosigkeit und Inspiriertheit der Schriften nichts zu tun.

sven23 hat geschrieben:In der historischen Jesusforschung gibt keine Konkurrenz zur HKM.
Auf reiner "technischer" Sachebene ist das richtig - wenn es jedoch um Fragen nach dem geht, was Jesus gewollt und gedacht hat, kann man sich dem, wenn Jesus nicht nur Mensch war, unmöglich per HKM nähern. - Warum gibt sich die HKM eigentlich nicht mit ihrem Platz zufrieden? Dort wird sie doch anerkannt.

sven23 hat geschrieben:Auffallend ist doch, dass auf sachlicher Ebene Kubitza keiner was entgegnen kann, weil es fundierte Forschungsergebnisse sind.
Die von ihm eingestreuten Forschungsergebnisse werden gar nicht näher angeguckt, also als korrekt angenommen - darum geht es nicht. - Es geht um seine interpretativen Verknüpfungen, die ich nach anfänglichem Entsetzen inzwischen neugierig lese, weil sie derart artistisch sein können, dass man schon wieder Beifall klatschen möchte.

sven23 hat geschrieben:Dann mach dich halt mal selber schlau
Wenn Theißen den Satz "Jesus hatte eine Naherwartung" als methodisches Ergebnis bezeichnet, bin ich schon befriedet. - Und dass man dann in seinem Buch vieles an interessanten Details finden kann, glaube ich Dir gerne. - Aber damit sind die Grundsatzprobleme, die es VORHER gibt (Hermeneutik/Setzungen/Wissenschaftlichkeit/etc) nicht geklärt - und darum geht es hier nach wie vor.

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sven23
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#592 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Fr 23. Jun 2017, 07:29

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Naherwartung ist keine Fehlleistung der Forschung
Es ging um Deine Fehlleistungen aufgrund schräger Konstrukte in Bezug auf Wissenschaft und Hermeneutik.
Was heißt schräge Konstrukte? Der Gegensatz zwischen Wissenschaft und Glaubensdogmatik ist doch offensichtlich und für jeden erkennbar. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Nee, sie setzt nichts
Du erkennst es trotz größter Offensichtlichkeit nicht - es ist nachgewiesen und jederzeit nachweisbar und Du siehst es nicht.
Die Setzung besteht aus der Anwendung einer wissenschaftlichen Methodik. Na und? Das ist doch völlig normal. :roll: Was erwartest du von der Wissenschaft.?

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Nur weil es religiöse Texte sind, müssen sie nicht die historische Wahrheit widerspiegeln.
Das ist ganz sicher richtig. :D
Und genau das scheinen Ratzinger, Berger und Co. nicht zu kapieren. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Anwendung einer wissenschaftlichen Methodik ist Voraussetzung für Wissenschaft.
Richtig - aber das hat nichts mit den (unterschiedlichen) hermeneutischen Vorannahmen von HKM und Theologie zu tun.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Glaubensbekenntnisse und Glaubensdogmen sind Aussschlusskriterien für Wissenschaft.
Schräger Satz, weil es darum nicht geht. - Die hermeneutischen Vorannahmen der HKM sind KEIN Ausschlußkriterium für die Wissenschaftlichkeit der HKM.
Wieso schräger Satz. Du hast doch selber eingesehen, dass es keine Wissenschaft gibt, die auf Glaubenbekenntnisse, Dogmen, Wunder und Geister angewiesen ist.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Selbstverständlich wurde er verstanden, sonst hätte er sicher keine Anhänger um sich scharen können.
Falsch - weil er falsch verstanden wurde, war er auf dem ersten Blick hochinteressant für seine Anhänger. - Aber er hatte etwas anderes im Sinn, als diese glaubten - im Kontext für Theologen erkennbar.
Dann ist die komplette Forschung wohl auf dem Holzweg. :roll:
Ein Fall von Dunning Kruger oder Realitätsverweigerung? Warum meinst du schreibt Theißen im breiten Konsens mit der Forschung?

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“

Man muss Theißen ja richtig dankbar sein für so einen klaren Satz. Der sonst übliche verklausulierte und mehr verschleiernde als klärende Theologensprech geht mir bisweilen gehörig auf die Nüsse.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:"Ich sage euch aber, daß ich von nun an nicht mehr von diesem Gewächs des Weinstocks
trinken werde, bis an jenem Tage, da ich es neu mit euch trinken werde in dem Reiche meines Vaters." (Mt 26:29)
Das ist doch nicht irdisch gemeint, sondern übertragen!!! - Auch darin bestätigt mich der Katechismus, den ich gerade mal nachgeschlagen habe: "1042 Am Ende der Zeiten wird das Reich Gottes vollendet sein. Nach dem allgemeinen Gericht werden die Gerechten, an Leib und Seele verherrlicht, für immer mit Christus herrschen".
Das "Reich meines Vaters" ist doch nicht eine göttliches Reich auf Erden - oder meinst Du das etwa?
Wie die Forschung richtig sagt, muss Jesus im Kontext seiner jüdischen Religion gesehen werden. Danach sollte das Reich Gottes hier auf Erden etabliert werden, daran glaubte auch der Jude Jesus.
Die Verortung des Gottesreiches in ein jenseitiges Himmelreich ist christliche Veränderung. Wer das allerdings aus ideologischen Gründen nicht wahrhaben will, weil er meint, Jesus sei schon als Christ auf die Welt gekommen, der wird es nie begeifen. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wenn man Cherrypicking betreibt. Aber du merkst ja selber, wie du allen Stellen ausweichst, die für die Naherwartung sprechen.
Das ist eine wiederholt bösartige Unterstellung wider besseren Wissens - gerade noch gestern habe ich Dir eine Antwort dazu gegeben. - Die Zeiten der falschen Manöver sind jetzt mal langsam vorbei!!!
Du bist mal wieder ausgewichen, indem du behauptet hast, von 10 Zitaten seinen nur 2 übrig geblieben und die anderen wären von andern Usern widerlegt worden. Die übliche, grobschlächtige Schnoddrigkeit, mit der du über alles hinweggehst.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und mit geistig öffnen meinst du natürlich dran glauben.
Nee - man weiß doch vorab nicht, was kommt. - WAS dann kommt, hat allerdings gute Chancen, geglaubt zu werden - das ist richtig.
So hat die Leben-Jesu-Forschung auch mal angefangen. Was dann kam, ist Geschichte.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Aus nah wird nicht einfach fern, weil man die Grundannahmen verändert. Wie oft denn noch?
Diese komische Bemerkung habe ich nie verstanden - auch unter theologischen Gesichtspunkten spricht man von "nah".
In der historischen Jesusforschung gilt "nah" eindeutig als Terminzusage.
Auch ist es unredlich und unwissenschaftlich, die Adressaten eines Textes einfach zu verändern. Auch darauf bist du wie üblich nicht eingegangen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Von einer hermeutischen Grundannahme in deinem Sinne spricht Theißen nirgendwo.
Ähm - die HKM basiert auf Grundannahmen, die dem Kritischen Rationalismus angelehnt sind - sie wurden hier mehrfach genannt. - Theißen spricht insofern davon, dass er von "methodischen Ergebnissen" spricht (die falsch sein können, wenn die Methodik nicht zu dem passt, was wirklich geschah) - traue ihm bitte zu, dass er um die Basis seiner Arbeit weiß - mich jedenfalls hat sein Vorwort sehr beruhigt.
Er meint es sicher nicht in dem Sinne, dass er tagsüber als Forscher glaubt, dass Jesus eine Naherwartung hatte und nach Feierabend das Gegenteil davon.
Wenn Theißen von Methodik spricht, dann meint er z. B. folgendes:

"Zum Kriterium der historischen Plausibilität
(1) Darstellung
In jüngster Zeit tritt Gerd Theißen aufgrund der Problematik des Differenz- und des
Kohärenzkriteriums für ein modifiziertes Kriterium der historischen Plausibilität ein,
»das mit Wirkungen Jesu auf das Urchristentum und seiner Einbindung in einen jüdischen
Kontext rechnet.« (Der historische Jesus 117).
ª Dementsprechend unterscheidet er zwischen der Ebene der Wirkungsplausibilität
(Jesus und das Urchristentum) und der Ebene Kontextplausibilität (Jesus und das
Judentum) und kommt zu vier Teilkriterien:

»Historische Wirkungsplausibilität haben Jesusüberlieferungen, wenn sie als Auswirkungen des Lebens Jesu verständlich gemacht werden können – teils durch Übereinstimmung unabhängiger Quellen, teils durch tendenzwidrige Elemente in diesen
Quellen. Kohärenz und Tendenzwidrigkeit sind komplementäre Kriterien für historische Wirkungsplausibilität.« (Der historische Jesus 118)
Beispiel: Basileia-Botschaft Jesu (wirkungsplausible Kohärenz); Konflikt Jesu mit seiner Familie (wirkungsplausible Tendenzwidrigkeit)
ÃŽ »Historische Kontextplausibilität haben Jesusüberlieferungen, wenn sie in den jüdischen Kontext des Wirkens Jesu passen und innerhalb dieses Kontextes als individuelle Erscheinungen erkennbar sind. Kontextuelle Korrespondenz und kontextuelle
Individualität sind komplementäre Kriterien für historische Kontextplausibilität.«
(Der historische Jesus 119)
Beispiel: Basileia-Vorstellung Jesu und des Frühjudentums (sowohl kontextuelle Korrespondenz als auch Individualität)"

Häfner, Grundwissen Neues Testament

Es ist also bei weitem nicht so simpel und laienhaft, wie du es immer darstellst.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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sven23
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#593 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Fr 23. Jun 2017, 07:31

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das ist aber das Konzept von Kanonikern und Glaubensdogmatikern. Sie lesen die Texte entgegen ihrer ursprünglichen Bedeutung. Diese Anfängerfehler gelten in der Forschung schon lange als überwunden
Das ist wieder mal ein besonders schroffer Fall des Dunning-Kruger-Effekts. - Da blustert sich Hänschen in seiner ideologischen Konklave auf und meint damit, Vertretern anderer Exegeseformen und ohnehin der Systematischen Theologie ans Bein pinkeln zu können - Du scheinst die realen Verhältnisse nicht zu kennen.
1. Selbst die Systematische Theologie gibt zu, dass es einen Unterschied zwischen historischem Jesus und kirchlicher Überlieferung gibt.
2. siehe nachfolgend die Anmerkungen von Schart

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: "Seit der Aufklärung hat sich die Auffassung herausgebildet, dass wir denjenigen Sinn eines Textes herausarbeiten müssen, den der/die Autor/in im historischen Ursprungs-Kontext zum Ausdruck gebracht hat, und nicht den, den spätere Leserschaften ihm zuerkannt haben oder zuerkennen. Diese Herangehensweise macht die historisch-kritische Methode aus." Schart, Aaron: Einführung in die historisch-kritische Methode der Textinterpretation
Da hat Schart recht - und dem stimmt jeder fitte Hermeneutiker oder Systematiker klaglos zu. - Aber es ist nur der erste Schritt - der nächste Schritt ist dann: "Wie ist das zu verstehen?" - Diese Frage überschreitet bei weitem das, was Schart zu Recht sagt.
Wie soll es zu verstehen sein? Es heißt nichts anderes, als dass man Texte nicht gegen deren ursprünglichen Bedeutung lesen darf. siehe vorigen Abschnitt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Logisch, weil die von der Irrtumslosigkeit und Inspiriertheit der Schriften ausgehen.
Nein - weil sie die Schrift vor dem Hintergrund der Annahme "JEsus ist göttlich" und im gesamt-kanonischen Kontext interpretieren. - Damit kommen sie zu Ergebnissen, die historisch sind, wenn Jesus nicht nur Mensch war. - Das hat mit der Irrtumslosigkeit und Inspiriertheit der Schriften nichts zu tun.
Hat es sehr wohl. Denn wenn Jesus als göttlich angenommen wird, können die Schriften erst recht nicht irren. Wie könnte ein Gott sich selbst widersprechen oder irren? Hier dreht man sich zirkelreferent im Kreis.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:In der historischen Jesusforschung gibt keine Konkurrenz zur HKM.
Auf reiner "technischer" Sachebene ist das richtig - wenn es jedoch um Fragen nach dem geht, was Jesus gewollt und gedacht hat, kann man sich dem, wenn Jesus nicht nur Mensch war, unmöglich per HKM nähern. - Warum gibt sich die HKM eigentlich nicht mit ihrem Platz zufrieden? Dort wird sie doch anerkannt.
Was Jesus "gewollt oder gedacht" hat, läßt sich nur über die Quellen ermitteln. Und nach diesen hatte er eine terminliche Naherwartung. Punkt!

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Auffallend ist doch, dass auf sachlicher Ebene Kubitza keiner was entgegnen kann, weil es fundierte Forschungsergebnisse sind.
Die von ihm eingestreuten Forschungsergebnisse werden gar nicht näher angeguckt, also als korrekt angenommen
Warum windest du dich dann bei der Naherwartung wie ein Aal im Tapetenkleister? :roll:


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dann mach dich halt mal selber schlau
Wenn Theißen den Satz "Jesus hatte eine Naherwartung" als methodisches Ergebnis bezeichnet, bin ich schon befriedet. - Und dass man dann in seinem Buch vieles an interessanten Details finden kann, glaube ich Dir gerne. - Aber damit sind die Grundsatzprobleme, die es VORHER gibt (Hermeneutik/Setzungen/Wissenschaftlichkeit/etc) nicht geklärt - und darum geht es hier nach wie vor.
Siehe oben.
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
George Orwell

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#594 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Fr 23. Jun 2017, 09:26

sven23 hat geschrieben:Was heißt schräge Konstrukte? Der Gegensatz zwischen Wissenschaft und Glaubensdogmatik ist doch offensichtlich und für jeden erkennbar.
Der Gegensatz von "Banane" und "Steuererklärung" ist auch offensichtlich und trotzdem schräg.

sven23 hat geschrieben:Die Setzung besteht aus der Anwendung einer wissenschaftlichen Methodik.
Das tut die Kanonik auch - das ist nicht der Unterschied. - Der Unterschied liegt in den Vorannahmen, BEVOR man wissenschaftliche Methodik einsetzt.

sven23 hat geschrieben:Und genau das scheinen Ratzinger, Berger und Co. nicht zu kapieren.
Deinen kausalen Zusammenhang teilen sie sicherlich NICHT.

sven23 hat geschrieben: Du hast doch selber eingesehen, dass es keine Wissenschaft gibt, die auf Glaubenbekenntnisse, Dogmen, Wunder und Geister angewiesen ist.
Die Wissenschaft ist auf zweierlei angewiesen:
1) Ihre Arbeitsweise
2) Ein Objekt, das sie untersuchen kann.

sven23 hat geschrieben:Warum meinst du schreibt Theißen im breiten Konsens mit der Forschung? „Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Weil er im Sinne seiner Methodik Grund dafür hat, so zu schreiben - es ist ein methodisches Ergebnis, das sicherlich NICHT beliebig austauschbar ist, aber auch nicht wissenschaftliche Exklusivität beanspruchen kann.

sven23 hat geschrieben:Dann ist die komplette Forschung wohl auf dem Holzweg.
Ist sie eh nicht, weil es nur die historisch-kritische Forschung betrifft. - Und selbst dann ist keine Häme angebracht, weil es nicht Folge von Unfähigkeit ist, sondern von den Vorannahmen, denen nach Jesus bis auf Widerruf (also immer :D ) nur als Mensch zu interpretieren ist. - Da kann Wissenschaft dann nichts mehr zurechtbiegen - man muss auf seiner Schiene bleiben - oder wie Theißen der Spur nach sagt: "Die Einhaltung der Methodik ist im Zweifelsfall wichtiger als das Ergebnis".

sven23 hat geschrieben:Die Verortung des Gottesreiches in ein jenseitiges Himmelreich ist christliche Veränderung.
Aber "christlich" ist doch das Äquivalenz zum Paradigmen-Wechsel Jesu. - Es ist doch nicht damit getan, Jesus auf ein paar Torah-Verschärfungen zu reduzieren. - Hättest Du recht, wäre Jesus ein Mini-Motzer innerhalb des Judentums gewesen, der von kaum einem gekannt wurde, liquidiert wurde und nicht einmal eine Randfigur war. - Und daraus hätte es der allmächtige Paulus vermocht, eine Weltreligion anzuleiern?

sven23 hat geschrieben:Du bist mal wieder ausgewichen, indem du behauptet hast, von 10 Zitaten seinen nur 2 übrig geblieben und die anderen wären von andern Usern widerlegt worden.
Nicht widerlegt, sondern anders interpretiert worden - so wie es halt die Theologie macht. - Was hat das mit "Ausweichen" zu tun?

sven23 hat geschrieben:So hat die Leben-Jesu-Forschung auch mal angefangen. Was dann kam, ist Geschichte.
Passt - die HKM ist mit ihrer Hermeneutik genauso rangegangen wie die Theologie mit einer anderen Hermeneutik rangegangen ist, und kam zu anderen Ergebnissen im Sinne ihrer Hermeneutik, die man dann auch glaubt. - Alles ganz normal.

sven23 hat geschrieben:In der historischen Jesusforschung gilt "nah" eindeutig als Terminzusage.
Das gilt in der Theologie insofern ebenfalls, als dass die Auferstehung ein Termin ist, an dem eingelöst wird.

Mal ganz einfach formuliert: Stell Dir vor, Du stehst vor einem Riesen-Aquarium, das mit Brettern zugenagelt ist - Jetzt kommt jemand und sagt: "Der Blick auf die Fische ist ganz nah, denn ich habe die Werkzeuge, den Bretterverschlag wegzumachen". - Dann macht er den Verschlag weg, und der Blick auf die Fische ist "da" - und dann stirbt man und wechselt die Seiten und wird selber zum Fisch ("Dein Reich komme") - aber man sieht und spürt in sich vorher, wo es hingeht - und das ist neu. (Jetzt bitte keine Diskussion über Fische).

sven23 hat geschrieben:Er meint es sicher nicht in dem Sinne, dass er tagsüber als Forscher glaubt, dass Jesus eine Naherwartung hatte und nach Feierabend das Gegenteil davon.
Das ist gut möglich - am Tag untersucht er nach den Gesetzen einer Methodik, abends überlegt er, was aus seiner persönlichen Wahrnehmung das Naheliegende ist. - Das ist normal - oder kennst Du es nicht, dass man etwas macht und das Ergebnis so ist, dass man sagt: "Ich habe keine Fehler gemacht - aber irgendwas stimmt da nicht".

sven23 hat geschrieben:Es ist also bei weitem nicht so simpel und laienhaft, wie du es immer darstellst.
Keiner unterstellt Theißen Simpelhaftigkeit oder Laienhaftigkeit - die differenzierte Ausarbeitung seiner Methodik steht überhaupt nicht in Frage. - Aber was hat das mit der vorgeschalteten Frage zu tun, was ein "Ergebnis" ist?

sven23 hat geschrieben:Wie soll es zu verstehen sein? Es heißt nichts anderes, als dass man Texte nicht gegen deren ursprünglichen Bedeutung lesen darf. siehe vorigen Abschnitt.
Wenn man einem Text gerecht werden will, darf man ihn nicht gegen dessen ursprünglichen Bedeutung lesen - richtig. - Man muss also bspw sagen: "Paulus meint an dieser Stelle tatsächlich, dass Jesus eine Naherwartung hatte" - und man darf NICHT sagen: "Paulus sagt an dieser Stelle, dass Jesus keine Naherwartung hatte". - Das weiß die Theologie auch - glaube mir.

Das hat aber primär nichts mit Jesus zu tun - was ER gedacht hat, hängt von ganz anderen Parametern ab.

sven23 hat geschrieben:Denn wenn Jesus als göttlich angenommen wird, können die Schriften erst recht nicht irren.
Leichtsinnige Schlussfolgerung. - Mit "Irrtumslosigkeit" sind NICHT Einzelsätze oder Anekdoten gemeint, sondern die Message als Ganzes - auch das wurde hier von einem Mitforisten belegt (wiewohl man auch selber drauf kommen kann). - Konkret:

Wenn Jesus göttlich ist, ist er deshalb immer noch nicht in Bethlehem geboren, wenn es dieses damals noch nicht gab. - Also KEINE Zirkelreferenz.

sven23 hat geschrieben:Was Jesus "gewollt oder gedacht" hat, läßt sich nur über die Quellen ermitteln. Und nach diesen hatte er eine terminliche Naherwartung. Punkt!
Dein Satz ist ein geradezu geniales Beispiel dafür, dass Du mit beiden Aussagen recht hast und gleichzeitig etwas komplett anderes damit meinst als die Theologie.

sven23 hat geschrieben:Warum windest du dich dann bei der Naherwartung wie ein Aal im Tapetenkleister?
Moment: Mit "Foschungsergebnissen" meine ich rein sachliche Beobachtungen und NICHT deren Interpretation.

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#595 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Fr 23. Jun 2017, 12:49

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Was heißt schräge Konstrukte? Der Gegensatz zwischen Wissenschaft und Glaubensdogmatik ist doch offensichtlich und für jeden erkennbar.
Der Gegensatz von "Banane" und "Steuererklärung" ist auch offensichtlich und trotzdem schräg.
Der Vergleich stammt ja auch von dir. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Setzung besteht aus der Anwendung einer wissenschaftlichen Methodik.
Das tut die Kanonik auch - das ist nicht der Unterschied. - Der Unterschied liegt in den Vorannahmen, BEVOR man wissenschaftliche Methodik einsetzt.
Die Kanonik geht von göttlich inspirierten und irrtumsfreien Texten aus. Insofern für historische Forschung völlig unbrauchbar.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Du hast doch selber eingesehen, dass es keine Wissenschaft gibt, die auf Glaubenbekenntnisse, Dogmen, Wunder und Geister angewiesen ist.
Die Wissenschaft ist auf zweierlei angewiesen:
1) Ihre Arbeitsweise
2) Ein Objekt, das sie untersuchen kann.
An Objekten, die man untersuchen kann, hat noch nie ein Mangel geherrscht. Das ist nicht der Punkt.
Wer aber meint, wissenschafltiche Methodik durch Glaubensbekenntnisse ersetzen zu können, der kann sich gleich das Wissenschaftslabel abschminken, wenn es um historische Forschung geht.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Warum meinst du schreibt Theißen im breiten Konsens mit der Forschung? „Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“
Weil er im Sinne seiner Methodik Grund dafür hat, so zu schreiben - es ist ein methodisches Ergebnis, das sicherlich NICHT beliebig austauschbar ist, aber auch nicht wissenschaftliche Exklusivität beanspruchen kann.
In der historischen Forschung schon. Und in der historischen Forschung geht es nun mal um den historischen Jesus. Alle Behauptungen, man könne sich mit anderen "geistigen" Methoden dem historischen Jesus besser nähern, sind irrelevant, weil völlig abwegig. So kann man sich dem nachträglich verklärten Jesus nähern, aber nicht dem historischen.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Dann ist die komplette Forschung wohl auf dem Holzweg.
Ist sie eh nicht, weil es nur die historisch-kritische Forschung betrifft. - Und selbst dann ist keine Häme angebracht, weil es nicht Folge von Unfähigkeit ist, sondern von den Vorannahmen, denen nach Jesus bis auf Widerruf (also immer :D ) nur als Mensch zu interpretieren ist. - Da kann Wissenschaft dann nichts mehr zurechtbiegen - man muss auf seiner Schiene bleiben - oder wie Theißen der Spur nach sagt: "Die Einhaltung der Methodik ist im Zweifelsfall wichtiger als das Ergebnis".
Was er mit Methodik meint, habe ich dir (auszugsweise) zitiert. Was Theißen damit meint, ist, dass man die Methodik nicht nach Belieben unterwegs wechseln kann, weil es einem opportun erscheint.
"Die Einhaltung der Methodik ist im Zweifelsfall wichtiger als das Ergebnis"
Genau so ist es, das Ergebnis ist offen, wichtig ist, dass die Methode sauber durchgehalten wird.
Kanonik macht es umgekehrt. Sie geht vom Ergebnis (Ziel) aus und ordnet alles andere diesem Ziel unter.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Verortung des Gottesreiches in ein jenseitiges Himmelreich ist christliche Veränderung.
Aber "christlich" ist doch das Äquivalenz zum Paradigmen-Wechsel Jesu. - Es ist doch nicht damit getan, Jesus auf ein paar Torah-Verschärfungen zu reduzieren. - Hättest Du recht, wäre Jesus ein Mini-Motzer innerhalb des Judentums gewesen, der von kaum einem gekannt wurde, liquidiert wurde und nicht einmal eine Randfigur war. - Und daraus hätte es der allmächtige Paulus vermocht, eine Weltreligion anzuleiern?
Damit hast du möglicherweise den Wanderprediger besser skizziert, als dir lieb ist.
Auch der Paulinisumus wäre wieder in der Versenkung verschwunden, wenn Konstantin das Christentum nicht zur Staatsreligion erhoben hätte und man alle konkurierenden Kulte und Religionen rücksichtslos bekämpft hätte. So viel zu Toleranz, Nächsten- und Feindesliebe.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Du bist mal wieder ausgewichen, indem du behauptet hast, von 10 Zitaten seinen nur 2 übrig geblieben und die anderen wären von andern Usern widerlegt worden.
Nicht widerlegt, sondern anders interpretiert worden - so wie es halt die Theologie macht. - Was hat das mit "Ausweichen" zu tun?
Ausweichen deshalb, weil du und deinesgleichen keine Erklärung für die eindeutig für die Naherwartung sprechenden Stellen bringen können und weil du mal wieder zur Veränderung der Adressaten schweigst.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:So hat die Leben-Jesu-Forschung auch mal angefangen. Was dann kam, ist Geschichte.
Passt - die HKM ist mit ihrer Hermeneutik genauso rangegangen wie die Theologie mit einer anderen Hermeneutik rangegangen ist, und kam zu anderen Ergebnissen im Sinne ihrer Hermeneutik, die man dann auch glaubt. - Alles ganz normal.
Nein, manche erhofften sich wissenschaftliche Bestätigung des kirchlich überlieferten Jesus. Das Entsetzen war groß, als so ziemlich das Gegenteil dabei herauskam.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:In der historischen Jesusforschung gilt "nah" eindeutig als Terminzusage.
Das gilt in der Theologie insofern ebenfalls, als dass die Auferstehung ein Termin ist, an dem eingelöst wird.
Aber nicht am St. Nimmerleinstag, sondern NAH. :roll:
Bei dir hat man manchmal das Gefühl, man schreibt mit einem social BOT.

closs hat geschrieben: Mal ganz einfach formuliert: Stell Dir vor, Du stehst vor einem Riesen-Aquarium, das mit Brettern zugenagelt ist - Jetzt kommt jemand und sagt: "Der Blick auf die Fische ist ganz nah, denn ich habe die Werkzeuge, den Bretterverschlag wegzumachen". - Dann macht er den Verschlag weg, und der Blick auf die Fische ist "da" - und dann stirbt man und wechselt die Seiten und wird selber zum Fisch ("Dein Reich komme") - aber man sieht und spürt in sich vorher, wo es hingeht - und das ist neu. (Jetzt bitte keine Diskussion über Fische).
Keine Angst. Dieser schwachsinnige Vergleich spricht für sich, den lassen wir unkommentiert so stehen. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Er meint es sicher nicht in dem Sinne, dass er tagsüber als Forscher glaubt, dass Jesus eine Naherwartung hatte und nach Feierabend das Gegenteil davon.
Das ist gut möglich - am Tag untersucht er nach den Gesetzen einer Methodik, abends überlegt er, was aus seiner persönlichen Wahrnehmung das Naheliegende ist. - Das ist normal - oder kennst Du es nicht, dass man etwas macht und das Ergebnis so ist, dass man sagt: "Ich habe keine Fehler gemacht - aber irgendwas stimmt da nicht".
Das wäre genau so schizo, wie ein Geologe, der nach Feierabend Kurzzeitkreationist ist.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Es ist also bei weitem nicht so simpel und laienhaft, wie du es immer darstellst.
Keiner unterstellt Theißen Simpelhaftigkeit oder Laienhaftigkeit - die differenzierte Ausarbeitung seiner Methodik steht überhaupt nicht in Frage. - Aber was hat das mit der vorgeschalteten Frage zu tun, was ein "Ergebnis" ist?
Das Ergebnis muss offen bleiben. Wichtig ist die disziplinierte Anwendung der Methodik. Sie ist wichtiger, als das Ergebnis selbst. Und wenn das Ergebnis nicht gefällt, ist es eben so. Punkt.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wie soll es zu verstehen sein? Es heißt nichts anderes, als dass man Texte nicht gegen deren ursprünglichen Bedeutung lesen darf. siehe vorigen Abschnitt.
Wenn man einem Text gerecht werden will, darf man ihn nicht gegen dessen ursprünglichen Bedeutung lesen - richtig. - Man muss also bspw sagen: "Paulus meint an dieser Stelle tatsächlich, dass Jesus eine Naherwartung hatte" - und man darf NICHT sagen: "Paulus sagt an dieser Stelle, dass Jesus keine Naherwartung hatte". - Das weiß die Theologie auch - glaube mir.
Das ist ein laienhaftes Ablenkungsmanöver. Pauli Irrtum und die später entwickelte Parusieverzögerung sind bestens beschrieben in der Forschung.
Gemeint ist damit z. B. wenn man die Adressaten willkürlich verändert. Wenn Jesus zu seinen Jüngern spricht, "ihr werdet das alles noch erleben....", dann kann man nicht einfach die Jünger durch den Rest der Welt ersetzen. Adressatenveränderung ist ein no go in der Forschung und außerdem höchst unredlich.

closs hat geschrieben: Das hat aber primär nichts mit Jesus zu tun - was ER gedacht hat, hängt von ganz anderen Parametern ab.
Was er vermeintlich gedacht oder gesagt hat, hängt von den Quellen ab. Wenn er zu seinen Jüngern spricht, kann man nicht aus glaubensideologischen Gründen die Adressaten verändern. Das ist mit "gegen den Schriftsinn lesen" gemeint.
Zuletzt geändert von sven23 am Fr 23. Jun 2017, 14:10, insgesamt 1-mal geändert.
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#596 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Fr 23. Jun 2017, 12:50

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Denn wenn Jesus als göttlich angenommen wird, können die Schriften erst recht nicht irren.
Leichtsinnige Schlussfolgerung. - Mit "Irrtumslosigkeit" sind NICHT Einzelsätze oder Anekdoten gemeint, sondern die Message als Ganzes - auch das wurde hier von einem Mitforisten belegt (wiewohl man auch selber drauf kommen kann). - Konkret:
Wenn Jesus göttlich ist, ist er deshalb immer noch nicht in Bethlehem geboren, wenn es dieses damals noch nicht gab. - Also KEINE Zirkelreferenz.
Wenn der Papst eine Frau ist, braucht er einen Büstenhalter. :lol:
Konkret: Weil er nicht in Bethlehem geboren ist, kann er nicht der in den alten Prophezeiungen vorhergesagte Messias sein. Die Juden verstehen das, auch geistig. Deshalb erfand man die Geburtslegenden.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Was Jesus "gewollt oder gedacht" hat, läßt sich nur über die Quellen ermitteln. Und nach diesen hatte er eine terminliche Naherwartung. Punkt!
Dein Satz ist ein geradezu geniales Beispiel dafür, dass Du mit beiden Aussagen recht hast und gleichzeitig etwas komplett anderes damit meinst als die Theologie.
Es ist das, was die Forschung sagt. Wenn sich die glaubensdogmatische Theologie gegen die Forschung positionert, ist das deren Problem. Sie ist in der Erklärungsnot....oder weicht auf den Glaubensentscheid aus.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Warum windest du dich dann bei der Naherwartung wie ein Aal im Tapetenkleister?
Moment: Mit "Foschungsergebnissen" meine ich rein sachliche Beobachtungen und NICHT deren Interpretation.
Dass die Naherwartung kein sachlich begründetes Forschungsergebnis sein soll, entscheidet zum Glück nicht der closs.
Der Zug ist längst abgefahren.
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#597 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Fr 23. Jun 2017, 17:19

sven23 hat geschrieben:Der Vergleich stammt ja auch von dir.
Ja - weil ich Deinen Vergleich imitiere.

sven23 hat geschrieben:Die Kanonik geht von göttlich inspirierten und irrtumsfreien Texten aus. Insofern für historische Forschung völlig unbrauchbar.
Ebenfalls eine falsche Verbindung, weil es darum nicht geht. - Es geht darum, dass geistige Wirklichkeit auch historische Wirklichkeit ist - unabhängig davon, ob man eine Schrift für göttlich inspiriert hält oder nicht.

sven23 hat geschrieben:Wer aber meint, wissenschafltiche Methodik durch Glaubensbekenntnisse ersetzen zu können, der kann sich gleich das Wissenschaftslabel abschminken
Vollkommen richtig - aber auch darum geht es nicht und ging es nie.

sven23 hat geschrieben:In der historischen Forschung schon.
In der historisch-kritischen Forschung mag das so sein (wahrscheinlich meint man das, wenn man verkürzt "historisch" sagt) - ontologisch ("Was war tatsächlich der Fall?") ist es falsch.

sven23 hat geschrieben: Alle Behauptungen, man könne sich mit anderen "geistigen" Methoden dem historischen Jesus besser nähern, sind irrelevant, weil völlig abwegig.
Aus Sicht der HKM mag das so sein - aber nicht aus Sicht dessen, was wirklich "ist". - Alte Leier: Du vermengst schon wieder MEthodisches und Ontologisches.

sven23 hat geschrieben:"Die Einhaltung der Methodik ist im Zweifelsfall wichtiger als das Ergebnis" Genau so ist es, das Ergebnis ist offen, wichtig ist, dass die Methode sauber durchgehalten wird.
Aber eben unter Umständen auf Kosten dessen, was wirklich ist.

Es ist doch ganz einfach: Wenn morgen Jesus kommt und Dir sagt "Sven - ich hatte echt nie eine Naherwartung - da hat sich die HKM vergaloppiert, weil ihre Grundannahmen falsch waren", und Du dann zweifelsfrei erkennst, dass es so ist, dann lösen sich Deine Absolutismus-Ansprüche der HKM in Bezug auf Geschichte in Nichts aus.

Warum macht man nicht einfach so: Man setzt die HKM als wirklich sehr intelligente MEthodik auf Geschichte an - holt sich seine Erfolgerlebnisse, weil man wirklich Grund dazu hat - und bleibt sich dessen bewusst, dass es bei historischem Geschehen, bei dem es um die Frage der Göttlichkeit Jesu geht, vorsichtig, weil man erkennt, dass dieser Fall nicht alltäglich ist. ---???---

sven23 hat geschrieben:Kanonik macht es umgekehrt. Sie geht vom Ergebnis (Ziel) aus und ordnet alles andere diesem Ziel unter.
Falsch - Du verrennst Dich da ständig ideologisch. - Die Kanonik arbeitet genauso diszipliniert wie die HKM, nur dass sie andere Vorannahmen hat - die historisch genauso richtig sein können wie die der HKM. - HKM geht von der Nur-Menschlichkeit aus und ordnet alles andere dieser Annahme unter - bei der Kanonik ist es anders rum. - Es ist alles so einfach, wenn man de-ideologisiert.

sven23 hat geschrieben:Auch der Paulinisumus wäre wieder in der Versenkung verschwunden, wenn Konstantin das Christentum nicht zur Staatsreligion erhoben hätte
Du weißt aber, dass zwischen Paulus und Konstantin 250 Jahre lagen!?!!? - Das entspricht der Zeit zwischen 1750 und 2000 - meinst Du wirklich, dass eine unbedeutende Paulinismus-Sekte ohne Grund sich so lange halten konnte. - Hättest Du es auf Kaiser Nero bezogen, könnte ich Dir folgen.

sven23 hat geschrieben:Ausweichen deshalb, weil du und deinesgleichen keine Erklärung für die eindeutig für die Naherwartung sprechenden Stellen bringen können
Persönlich halte ich es für einen Rezeptions-Fehler des Verfassers - eine solche Stelle fällt aus dem Rahmen all der Zitate, die bei entsprechender Interpretation gegen eine Naherwartung sprechen. - Wie es umgekehrt auch das "inwendige Reich Gottes" gibt, das aus dem Rahmen all der Zitate fällt, die bei entsprechender Interpretation für eine Naherwartung sprechen.

Wollte man streng kritisch-rational vorgehen, wäre BEIDES - Naherwartung und Nicht-Naherwartung - biblisch widerlegt ("schwarzer Schwan"). - Man muss im Gesamtkontext lesen.

sven23 hat geschrieben: manche erhofften sich wissenschaftliche Bestätigung des kirchlich überlieferten Jesus. Das Entsetzen war groß, als so ziemlich das Gegenteil dabei herauskam.
Das klingt plausibel - und es war ja auch nötig. - Natürlich gab es einiges an Wunsch-Theologie, was von der HKM zu Recht gesäubert wurde - aber die HKM hat deutlich ihr Mandat und ihren Kompetenzbereich überschritten, wenn sie in geistige Fragen eingreift, was sie eindeutig tut.

sven23 hat geschrieben:Aber nicht am St. Nimmerleinstag, sondern NAH.
Die Auferstehung WAR doch nah. :? :?

sven23 hat geschrieben: Dieser schwachsinnige Vergleich spricht für sich, den lassen wir unkommentiert so stehen.
Deute es als verzweifelten Versuch meinerseits, Dir mit einfachen Worten etwas klarzumachen, was Du offen sichtlich inhaltlich nicht verstehst. - Du bist wie das Volk, das Gleichnisse hört und, statt zu verstehen, Maulaffen feilhält.

sven23 hat geschrieben:Das wäre genau so schizo, wie ein Geologe, der nach Feierabend Kurzzeitkreationist ist.
Das wäre ein extremes Beispiel - aber bleib doch erst mal bei den naheliegenden Beispielen: Man kann doch methodisch zu einem Ergebnis kommen, bei dem man selber sagt: "Keinen Fehler gemacht - aber das kann nicht richtig sein". - Das hat nichts mit "schizo" zu tun.

sven23 hat geschrieben:as Ergebnis muss offen bleiben. Wichtig ist die disziplinierte Anwendung der Methodik.
Es geht hier nicht darum, dass sich ein Ergebnis immer ändern kann, wenn bspw. neue Quellen gefunden werden - das ist eh klar. - Es geht hier darum, dass ein methodischer Ansatz zu einer speziellen Frage ungeeignet sein kann und deshalb zwar zu einem methodisch sauberen Ergebnis führt, das aber nichtsdestoweniger in Bezug auf die Wirklichkeit falsch ist.

sven23 hat geschrieben:Pauli Irrtum und die später entwickelte Parusieverzögerung sind bestens beschrieben in der Forschung.
Das gilt sowohl für die theologische wie die HKM-Forschung. - Ich könnte Dir recht geben, wenn Du der Theologie zu Recht vorwerfen könntest, sie behaupte, dass Paulus NICHT zeitweise eine Naherwartung gehabt hätte - aber das tut doch (meines Wissens) keiner.

Es geht hier nach wie vor um JESU Haltung zu diesem Thema und nicht darum, ob sich Paulus geirrt hat (ja, er hat sich geirrt).

sven23 hat geschrieben:Wenn Jesus zu seinen Jüngern spricht, "ihr werdet das alles noch erleben....", dann kann man nicht einfach die Jünger durch den Rest der Welt ersetzen. Adressatenveränderung ist ein no go in der Forschung und außerdem höchst unredlich.
Kapiere echt nicht, was Du da meinst.

sven23 hat geschrieben:Was er vermeintlich gedacht oder gesagt hat, hängt von den Quellen ab.
Nein - was Jesus gedacht hat, hat er mit oder ohne Quellen gedacht. - Was Du meinen könntest: Wir haben nur die Quellen, um es zu ermitteln.

Das ist prinzipiell richtig - allerdings kommt von den Quellen nichts anderes an als die Interpretation dieser Quelle durch unsere Vorannahmen - es geht nicht anders. - Und da haben wir bei der HKM halt andere Vorannahmen als bei der Theologie.

sven23 hat geschrieben:Weil er nicht in Bethlehem geboren ist, kann er nicht der in den alten Prophezeiungen vorhergesagte Messias sein.
Ach, so rum? Meinst Du, dass man damit entscheiden kann, was göttlich ist und was nicht? - Aus meiner persönlichen Sicht muss man das Christentum so universal sehen, dass solche Fragen vollkommen irrelevant sind.

Davon abgesehen: Auch heute tendieren Exegeten zu Bethlehem als Geburtsort (siehe bspw. Th. Söding) - persönlich habe ich keine Meinung dazu.

sven23 hat geschrieben:Es ist das, was die Forschung sagt.
Das sagt nicht "DIE Forschung", sondern Vertreter der HKM. - Im übrigen gilt auch hier: Wissenschaft arbeitet IMMER auf Basis von Vorannahmen - und die sind bei der HKM halt anders als bei der Theologie. - In DEINEM Wortschaft ist BEIDES "Glaubensdogmatik".

sven23 hat geschrieben:Dass die Naherwartung kein sachlich begründetes Forschungsergebnis sein soll, entscheidet zum Glück nicht der closs.
Ist auch nicht nötig, weil es offensichtlich ist. - Natürlich ist die HKM-Interpretation zu dieser Frage sachlich begründet - zwar auf einer spezifischen Hermeneutik basierend, aber selbstverständlich sachlich begründet. - Das muss man von Wissenschaft erwarten können. - Diese Frage ist und war nie das Problem in unserer Diskussion.

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#598 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von Pluto » Fr 23. Jun 2017, 17:45

closs hat geschrieben:Es geht darum, dass geistige Wirklichkeit auch historische Wirklichkeit ist - unabhängig davon, ob man eine Schrift für göttlich inspiriert hält oder nicht.
Geistige Wirklichkeit muss nicht historische Wirklichkeit sein. Geistliche Wirklichkeit existiert nur im Kopf des Betrachters.

closs hat geschrieben:In der historisch-kritischen Forschung mag das so sein (wahrscheinlich meint man das, wenn man verkürzt "historisch" sagt) - ontologisch ("Was war tatsächlich der Fall?") ist es falsch.
Du kannst du nicht wissen was tatsächlich der Fall ist. Jedenfalls sagt uns die HKM was tatsächlich historisch war.

closs hat geschrieben:Aus Sicht der HKM mag das so sein - aber nicht aus Sicht dessen, was wirklich "ist".
Wenn die HKM das eruiert hat, so ist es das Beste was wir haben. Oder hast du einen geheimen Zugang zu dem was ist? Bedenke, "das was ist" könnte auch nur in deiner Fantasie sein.

closs hat geschrieben:Es ist doch ganz einfach: Wenn morgen Jesus kommt und Dir sagt "Sven - ich hatte echt nie eine Naherwartung - da hat sich die HKM vergaloppiert, weil ihre Grundannahmen falsch waren...
Wenn das Wörtchen "wenn" nicht wär...

closs hat geschrieben:Warum macht man nicht einfach so: Man setzt die HKM als wirklich sehr intelligente MEthodik auf Geschichte an
Weil das intellekuell unredlich wäre.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Kanonik macht es umgekehrt. Sie geht vom Ergebnis (Ziel) aus und ordnet alles andere diesem Ziel unter.
Falsch - Du verrennst Dich da ständig ideologisch. Die Kanonik arbeitet genauso diszipliniert wie die HKM, nur dass sie andere Vorannahmen hat - die historisch genauso richtig sein können wie die der HKM.
Nein. Richtig!
Das Problem sind die Setzungen. Warum kann die Kanonik nicht auch mal (wie die HKM) ohne Setzung auskommen?

closs hat geschrieben:HKM geht von der Nur-Menschlichkeit aus und ordnet alles andere dieser Annahme unter...
Immer wieder dasselbe: Der Naturalismus sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

closs hat geschrieben:Du weißt aber, dass zwischen Paulus und Konstantin 250 Jahre lagen!?!!?
Ja, und? Das Christentum hat überlebt, weil Konstantin es zur Staatsreligion machte.
closs hat geschrieben:Das entspricht der Zeit zwischen 1750 und 2000
Der Vergleich hinkt.
Du übersiehst, dass die Entwicklung unseres Wissens, heute 1000 mal schneller verläuft als damals. Im 20 Jahrhundert, wahrscheinlich noch schneller.

closs hat geschrieben:Wollte man streng kritisch-rational vorgehen, wäre BEIDES - Naherwartung und Nicht-Naherwartung - biblisch widerlegt ("schwarzer Schwan").
Exakt! Wenn man streng historisch vorgeht, dann hat die Kanonik schlechte Karten!

closs hat geschrieben:aber die HKM hat deutlich ihr Mandat und ihren Kompetenzbereich überschritten, wenn sie in geistige Fragen eingreift, was sie eindeutig tut.
"Ja und?", kann ich nur fragen. Wie kommst du darauf, dass die HKM ihre Kompetenz überschreietet? Sind geistige Fragen irgendwie tabu?

closs hat geschrieben:Es geht hier darum, dass ein methodischer Ansatz zu einer speziellen Frage ungeeignet sein kann und deshalb zwar zu einem methodisch sauberen Ergebnis führt, das aber nichtsdestoweniger in Bezug auf die Wirklichkeit falsch ist.
Konkret: Inwiefern ist die HKM ungeeignet den Bibeltext nach seiner Historizität zu untersuchen?

closs hat geschrieben:Es geht hier nach wie vor um JESU Haltung zu diesem Thema und nicht darum, ob sich Paulus geirrt hat (ja, er hat sich geirrt).
Der Punkt ist: Jesus hat sich auch geirrt. Ist alles in den Evangelien festgehalten.

closs hat geschrieben:Nein - was Jesus gedacht hat, hat er mit oder ohne Quellen gedacht. - Was Du meinen könntest: Wir haben nur die Quellen, um es zu ermitteln.
Das stimmt zwar, aber welche Quellen hat die Kanonik um der HKM zu widersprechen?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#599 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von closs » Fr 23. Jun 2017, 18:08

Pluto hat geschrieben:Geistige Wirklichkeit muss nicht historische Wirklichkeit sein.
Richtig - keiner spricht von "müssen". - Hier geht es um den Fall, dass Jesus geistig etwas ganz anderes gemeint hat, als die HKM vermutet. - Das ist dann schon historisch.

Pluto hat geschrieben:Du kannst du nicht wissen was tatsächlich der Fall ist.
Niemand kann das - von wirklich eindeutigen Dingen ("Heute ist ein Euro-Gipfel in Brüssel") abgesehen.

Pluto hat geschrieben:Jedenfalls sagt uns die HKM was tatsächlich historisch war.
NEIN. - prinzipiell ist es erst mal falsch. - Richtig ist, dass es oft gute Gründe gibt, die eigenen methodischen Ergebnisse als wirklich zu vermuten.

Pluto hat geschrieben: Oder hast du einen geheimen Zugang zu dem was ist?
Diesbezügliche theologische Modelle sind nicht "geheim".

Pluto hat geschrieben: "das was ist" könnte auch nur in deiner Fantasie sein.
Richtig - die Interpretation der Bibel auf Basis von "Jesus ist nur menschlich" kann aber ebenfalls nur Fantasie sein.

Pluto hat geschrieben:Weil das intellekuell unredlich wäre.
Es wäre unredlich, wenn man die HKM als Methode auf die Geschichte ansetzt?

Pluto hat geschrieben:Das Problem sind die Setzungen. Warum kann die Kanonik nicht auch mal (wie die HKM) ohne Setzung auskommen?
Das ist doch Dein traditioneller Irrtum: Du meinst, die HKM habe keine verbindliche Vorannahmen.

Pluto hat geschrieben:Der Naturalismus sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.
Natürlich stimmt das innerhalb des hermeneutischen HKM-Rahmens. - Das bezweifelt doch niemand - das ist auch nicht das Problem.

Pluto hat geschrieben:Das Christentum hat überlebt, weil Konstantin es zur Staatsreligion machte.
250 Jahre, nachdem Paulus gestorben war. - Da muss doch etwas in den 250 Jahren dazwischen gewesen sein, was nahelegt, dass Jesus und seine Evangelisten doch mehr waren als ein paar Spinner am Rand der Geschichte.

Pluto hat geschrieben:Exakt! Wenn man streng historisch vorgeht, dann hat die Kanonik schlechte Karten!
Die HKM wäre EBENFALLS widerlegt, weil es deutliche Hinweise gibt, dass Jesus NICHT eine Naherwartung hatte - also "schwarze Schwäne" auf beiden Seiten.

Pluto hat geschrieben:Wie kommst du darauf, dass die HKM ihre Kompetenz überschreietet? Sind geistige Fragen irgendwie tabu?
Wenn man per Vorannahmen spirituell-geistige Ansätze ausschließt, kann man danach keinen Rückzieher machen.

Pluto hat geschrieben:Inwiefern ist die HKM ungeeignet den Bibeltext nach seiner Historizität zu untersuchen?
Die HKM ist SEHR geeignet, die Bibeltexte auf reiner Sachebene auf ihre Historizität zu untersuchen. - Aber sie ist nicht geeignet, geistige Frage nach der Naherwartung Jesu gültig zu beantworten.

Pluto hat geschrieben:Das stimmt zwar, aber welche Quellen hat die Kanonik um der HKM zu widersprechen?
Dieselben wie die HKM - nur interpretiert sie anders, weil sie andere Vorannahmen hat als die HKM.

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#600 Re: Alles Teufelszeug? VI

Beitrag von sven23 » Fr 23. Jun 2017, 20:19

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Der Vergleich stammt ja auch von dir.
Ja - weil ich Deinen Vergleich imitiere.
Meine Gegenüberstellung war: Wissenschaft vs. Gaubendogmatik und spiegelt die paradoxe Situation in der Theologie wider.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Die Kanonik geht von göttlich inspirierten und irrtumsfreien Texten aus. Insofern für historische Forschung völlig unbrauchbar.
Ebenfalls eine falsche Verbindung, weil es darum nicht geht. - Es geht darum, dass geistige Wirklichkeit auch historische Wirklichkeit ist - unabhängig davon, ob man eine Schrift für göttlich inspiriert hält oder nicht.
Doch, genau darum geht. Setzt man eine Schrift als göttlich inspiriert und irrtumsfrei voraus, präjudiziert man die Ergebnisse. Ein Zirkelschluss so klar wie clossbrühe.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wer aber meint, wissenschafltiche Methodik durch Glaubensbekenntnisse ersetzen zu können, der kann sich gleich das Wissenschaftslabel abschminken
Vollkommen richtig - aber auch darum geht es nicht und ging es nie.
Doch, genau darum geht es in historischen Wissenschaften.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:In der historischen Forschung schon.
In der historisch-kritischen Forschung mag das so sein (wahrscheinlich meint man das, wenn man verkürzt "historisch" sagt) - ontologisch ("Was war tatsächlich der Fall?") ist es falsch.
Ontologie spielt in historischen Wissenschaften keine Rolle. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: Alle Behauptungen, man könne sich mit anderen "geistigen" Methoden dem historischen Jesus besser nähern, sind irrelevant, weil völlig abwegig.
Aus Sicht der HKM mag das so sein - aber nicht aus Sicht dessen, was wirklich "ist". - Alte Leier: Du vermengst schon wieder MEthodisches und Ontologisches.
Alte Leier:
Ontologie spielt in historischen Wissenschaften keine Rolle. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:"Die Einhaltung der Methodik ist im Zweifelsfall wichtiger als das Ergebnis" Genau so ist es, das Ergebnis ist offen, wichtig ist, dass die Methode sauber durchgehalten wird.
Aber eben unter Umständen auf Kosten dessen, was wirklich ist.
Es ist doch ganz einfach: Wenn morgen Jesus kommt und Dir sagt "Sven - ich hatte echt nie eine Naherwartung - da hat sich die HKM vergaloppiert, weil ihre Grundannahmen falsch waren", und Du dann zweifelsfrei erkennst, dass es so ist, dann lösen sich Deine Absolutismus-Ansprüche der HKM in Bezug auf Geschichte in Nichts aus.
Er könnte aber auch sagen: Sven, du kannst dir gar nicht vorstellen, was die Christen aus meiner Lehre gemacht haben. :lol:

closs hat geschrieben: Warum macht man nicht einfach so: Man setzt die HKM als wirklich sehr intelligente MEthodik auf Geschichte an - holt sich seine Erfolgerlebnisse, weil man wirklich Grund dazu hat - und bleibt sich dessen bewusst, dass es bei historischem Geschehen, bei dem es um die Frage der Göttlichkeit Jesu geht, vorsichtig, weil man erkennt, dass dieser Fall nicht alltäglich ist. ---???---
Weil Wissenschaft keine Wunschveranstaltung ist, in der man Ergebnisse vorwegnimmt.
Zur Vorsicht: du wirst keine wissenschaftlich fundierte Arbeit finden, die sich inhaltlich zur Göttlichkeit Jesu äußert, weder pro noch contra.
Bei Glauensdogmatikern sieht die Sache dagegen anders aus.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Kanonik macht es umgekehrt. Sie geht vom Ergebnis (Ziel) aus und ordnet alles andere diesem Ziel unter.
Falsch - Du verrennst Dich da ständig ideologisch. - Die Kanonik arbeitet genauso diszipliniert wie die HKM, nur dass sie andere Vorannahmen hat - die historisch genauso richtig sein können wie die der HKM. - HKM geht von der Nur-Menschlichkeit aus und ordnet alles andere dieser Annahme unter - bei der Kanonik ist es anders rum. - Es ist alles so einfach, wenn man de-ideologisiert.
Oder wenn man sich die Welt beliebig zurecht fantasiert, widdewiddewitt bumbum. :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Auch der Paulinisumus wäre wieder in der Versenkung verschwunden, wenn Konstantin das Christentum nicht zur Staatsreligion erhoben hätte
Du weißt aber, dass zwischen Paulus und Konstantin 250 Jahre lagen!?!!? - Das entspricht der Zeit zwischen 1750 und 2000 - meinst Du wirklich, dass eine unbedeutende Paulinismus-Sekte ohne Grund sich so lange halten konnte. -
Das Christentum war bis dahin eine von vielen mehr oder wenigen unbedeutenden Sekten.
Der Mithraskult war im ganzen römischen Reich verbreitet und verschwand erst mit seiner Bekämpfung durch das Christentum, nachdem dieses zur Staatsreligion erhoben wurde. Mit staatlicher Gewalt im Rücken lassen sich auch Religionen besser verbreiten.


closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Ausweichen deshalb, weil du und deinesgleichen keine Erklärung für die eindeutig für die Naherwartung sprechenden Stellen bringen können
Persönlich halte ich es für einen Rezeptions-Fehler des Verfassers -
Das wäre die Haltung einiger Exegeten, die Lindemann als unredlich anprangert. Sie sprechen einfach den Aussagen für die Naherwartung die Authentizität ab. Aber wie Lindemann in Übereinstimmung mit der Forschung sagt, hätten diese Aussagen schwerlich erfunden werden können, da sie sich schon bei Abfassung der Evangelien als Irrtum erwiesen haben. Man hat es hier also mit großer Wahrscheinlichkeit mit echtem Überlieferungsgut zu tun.

closs hat geschrieben: Wollte man streng kritisch-rational vorgehen, wäre BEIDES - Naherwartung und Nicht-Naherwartung - biblisch widerlegt ("schwarzer Schwan"). - Man muss im Gesamtkontext lesen.
Wieso widerlegt? Beides ist Bestandteil von Jesu Aussagen und hebt ihn damit von anderen Endzeitpropheten und Apokalyptikern ab.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben: manche erhofften sich wissenschaftliche Bestätigung des kirchlich überlieferten Jesus. Das Entsetzen war groß, als so ziemlich das Gegenteil dabei herauskam.
Das klingt plausibel - und es war ja auch nötig. - Natürlich gab es einiges an Wunsch-Theologie, was von der HKM zu Recht gesäubert wurde - aber die HKM hat deutlich ihr Mandat und ihren Kompetenzbereich überschritten, wenn sie in geistige Fragen eingreift, was sie eindeutig tut.
Sag das nicht mir, sondern schreib Theißen, dass er seine Kompetenzen überschreitet und mit ihm die gesamte Forschung. :lol:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Aber nicht am St. Nimmerleinstag, sondern NAH.
Die Auferstehung WAR doch nah. :? :?
Terminlich nah. Bist du sicher, dass du kein BOT bist? :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Das wäre genau so schizo, wie ein Geologe, der nach Feierabend Kurzzeitkreationist ist.
Das wäre ein extremes Beispiel - aber bleib doch erst mal bei den naheliegenden Beispielen: Man kann doch methodisch zu einem Ergebnis kommen, bei dem man selber sagt: "Keinen Fehler gemacht - aber das kann nicht richtig sein". - Das hat nichts mit "schizo" zu tun.
Vom Prinzip her ist es vergleichbar. Man kann nicht tagsüber etwas glauben und nach Feierabend das Gegenteil. Das ist schizo.

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:as Ergebnis muss offen bleiben. Wichtig ist die disziplinierte Anwendung der Methodik.
Es geht hier nicht darum, dass sich ein Ergebnis immer ändern kann, wenn bspw. neue Quellen gefunden werden - das ist eh klar. - Es geht hier darum, dass ein methodischer Ansatz zu einer speziellen Frage ungeeignet sein kann und deshalb zwar zu einem methodisch sauberen Ergebnis führt, das aber nichtsdestoweniger in Bezug auf die Wirklichkeit falsch ist.
Dann weise der Forschung doch nach, dass ihr methodischer Ansatz ungeeignet ist. Oder ist das wieder nur Geblubbere? :roll:

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Pauli Irrtum und die später entwickelte Parusieverzögerung sind bestens beschrieben in der Forschung.
Das gilt sowohl für die theologische wie die HKM-Forschung. - Ich könnte Dir recht geben, wenn Du der Theologie zu Recht vorwerfen könntest, sie behaupte, dass Paulus NICHT zeitweise eine Naherwartung gehabt hätte - aber das tut doch (meines Wissens) keiner.
Nein, das tut auch keiner und das ist auch nicht das Thema.

closs hat geschrieben: Es geht hier nach wie vor um JESU Haltung zu diesem Thema und nicht darum, ob sich Paulus geirrt hat (ja, er hat sich geirrt).
[/quote][/quote]
Was du nicht sagst? In der historischen Jesusforschung ist das ja eine ganz neue Erkenntnis. :lol: Und weil die Forschung dieses Thema untersucht hat, kann Theißen in Übereinstimmung mit der Mehrheit der Forschung sagen:

„Als Jesus den gegenwärtigen Beginn der Gottesherrschaft verkündigte, rechnete er mit deren Kommen während seines Lebens.“

Jetzt verstanden?
Freiheit ist das Recht, anderen zu sagen, was sie nicht hören wollen.
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