Pluto hat geschrieben:Wenn man die Quellen hat, ist Interpretation überflüssig.
Das ist schlicht falsch. - Quellen sprechen nie für sich selbst, sondern nur in der Interpretation. - Das ist doch der Grund, warum zu unserer Zeit die HKM in der Philologie nur als Quellengeber genutzt wurde: "Dort ist folgender Text zu finden, in dem folgendes ... steht - jetzt interpretiert ihn mal, dazu sind wir nicht da".
So wie die HKM hier in der Theologie zitiert wird, ist die HKM eine überwiegend interpretative Einrichtung - ähnlich wie die christlichen Exegesen.
Pluto hat geschrieben:Er konnte schreiben, aber ob bei seiner Herumhurerei wirklich den Weg zu Gott gesucht hat, bezweifle ich.
Hat er - dazu gibt es Unmengen an Zitaten und Facharbeiten. - Nur ein Satz:
"Goethe war weder ein Religionsverächter noch ein religiöser Mensch im konfessionellen Sinn. In einem Brief an Sulpiz Boisserée vom 22.März 1831 schreibt er, er habe "keine Konfession gefunden, zu der ich völlig hätte bekennen mögen." Stattdessen übte er schon früh Kritik an den positiven Formen geoffenbarter Religion und der Kirche und hielt sich schon in der Jugend an die Vorstellung einer natürlichen Religion, nach der ein höheres ordnendes Wesen nur in der Natur verborgen spürbar sei" (U.Homann).
Achtung: Das ist NICHT Pantheismus. - Goethe sagt damit nicht, Gott sei die Natur, sondern die Natur sei das, in der sich Gott offenbare.
sven23 hat geschrieben:Du verwechselst Interpretation mit Eisegese und Vergewaltigung der Texte.
Wieder einmal völlig haltloses Zeug. - Im Grunde sagst Du damit, dass die großkirchlichen Theologien eisegetische Veranstaltungen seien. - Was soll man da sagen?
sven23 hat geschrieben:Du tust ja gerade so, als sei das nicht mal innerhalb der Theologie ein Diskussionspunkt.
Jede Rezeption Jesu ist ein Diskussionspunkt. - Und natürlich hat auch Paulus seine Pros und Contras - aber er ist auf der großen Schiene dem Denken Jesu verpflichtet. - Allerdings ist das ein Thema, das wir hier nicht professionell abhandeln können - wir sind hier mitten in großen Fachthemen, bei denen ein paar Semester Theologie-Studium nicht reichen. - Wir sollten uns nicht übernehmen.
sven23 hat geschrieben:Was ist an der Diskrepanz zwischen historischem Geschehen und kirchlicher Überlieferung nicht zu verstehen?
DU verstehst nicht, dass die historische Rezeption (= Quellen) und unsere Rezeption auch deshalb unterschiedlich sein können, weil wir heute im Abstand mehr verstanden haben KÖNNEN (genauso können wir auch weniger verstanden haben - schwer entscheidbar). - Du grenzt diesen hermeneutischen Prozess ("Hermeneutischer Zirkel") vollkommen aus.
Es ist nicht damit getan nachzuweisen, dass es in den frühen Rezeptionen etwa das Wort "Trinität" nicht gibt, und daraus zu schließen, dass es keine Trinität gibt ("Ätsch-bätsch: Steht nirgends drin") - das ist unsäglich naiv gedacht. - Und wenn Du jetzt sagst, dass Du von "Geschehen" und nicht von "Rezeption" sprichst: Was ist denn "Geschehen" anderes als Interpretation der Rezeptionen?
sven23 hat geschrieben:dass die Forschung die HKM anwendet, weil sie die Standardauslegungsmethode ist, wurde schon 1000 mal gesagt.
Was ist denn DAS schon wieder ein Ausweichmanöver? - Es ging hier darum - zu Deinem Verständnis anders formulier - , dass sich die HKM an ihrer Regeln halten MUSS, was in sich eine Einschränkung der Ergebnisoffenheit mit sich bringt, sobald es über den möglichen Ergebniskorridor der HKM hinausgeht.
sven23 hat geschrieben:Das ist der Unterschied zur Kanonik, die die Texte als vom Heiligen Geist inspiriert und irrtumsfrei voraussetzt. Soviel zu deinen Setzungen.
Davon abgesehen, dass "irrtumsfrei" etwas anderes bedeutet, als Du denken magst, ist es korrekt, dass die Kanonik andere Setzungen hat als die HKE.
sven23 hat geschrieben:Aber der unabdingbare Garant dafür, die Texte nicht duch eigene ideologische Projektionen zu verhunzen.
Wenn man Kubitza als Sprachrohr historisch-kritischer Forschung versteht, ist er das Beispiel schlechthin für ideologische Projektion. - Diese Gefahr gibt es also auf beiden Seiten.
sven23 hat geschrieben:Neu war bei ihm, dass er das Gottesreich zeitlich für so nahe herbeigekommen sah, dass es schon zu wirken begann. Die Vollendung mußte unmittelbar bevorstehen.
Tut es auch - aber doch nicht physisch im Sinne der Apokalypse.
Wir haben dieses Thema nun wirklich viele hunderte Seiten diskutiert - und Du hast diesbezüglich die Chance gehabt zu verstehen, wie die Theologie mehrheitlich dieses Thema beurteilt - und die Gründe dafür. - Das heißt nicht, dass Deine Version (= HKM) falsch ist, aber Du könntest doch wenigstens verstanden haben, warum die Theologie hier die HKM nicht folgt.
Für einen spirituell denkenden und lesenden Menschen ist der Fall klar - keine Naherwartung. - Trotzdem ist (mir inzwischen) nachvollziehbar, wie man auf Deine Version kommen kann. - Diese Differenz wird immer bestehen bleiben, weil sie mehr über den Leser aussagt als über die Quellen. - Diese beiden Arten von Leser wird es immer geben.
sven23 hat geschrieben:Aus das wichtige gehst du natürlich wieder nicht ein, denn der Dienst spricht ganz klar von Unredlichkeit, die Texte umzudeuten.
Ist das das Wichtigste? - Halten wir fest: Der Verfasser ist anderer Meinung als andere und nennt das unredlich. - Was ist damit gesagt?
sven23 hat geschrieben:Es taugt halt nichts, wenn Gläubige ihre Ideologie in wissenschaftliche Arbeit einzuschleusen versuchen.
Sorry - ich muss jetzt mal etwas härter werden: Deine Art, selbst anspruchsvollste Darstellungen von Theologen als "unredlich" oder "ideologisch" darzustellen, hat wirklich faschistoide Züge - und damit bist Du nicht allein.
"Verstehen" geht anders. - ICH versuche bspw. nicht nur die theologische HKM, sondern auch deren interpretative Spitzen zu VERSTEHEN. - Man überprüft, ob diese Interpretationen rein handwerklich erklärbar sind (ja, sind sie), und fragt sich dann, welche weltanschauliche Hermeneutik dahinter steht. - Dazu gehört auch das Einordnen von Äußerungen, denen nach es innerhalb der HKM keine weltanschauliche Hermeneutik gäbe - auch das ist eine interessante Äußerung. - Und daraus macht man sich dann ein Bild unserer Zeit, die solche Konstrukte gebiert - alles durchaus wertfrei gemeint.
Denn es HAT mit unserer Zeit zu tun, wie man geistige Texte interpretiert. - Hier nur ein wik-Text zu Gadamers Hermeneutik:
"Eine hermeneutische Regel ist, das Ganze aus dem Einzelnen und das Einzelne aus dem Ganzen zu verstehen. Die Bewegung des Verstehens läuft von einem zum anderen und wieder zurück, wobei das Verständnis von beidem erweitert wird (hermeneutischer Zirkel).
Etwas zu verstehen bedeutet, einem Text, Gesprächspartner oder Kunstwerk mit einer konkreten Erwartung entgegenzutreten und diese dann während des Eindringens in den Sinn des Gegenübers beständig zu revidieren. Diese Erwartung ist eine Vormeinung oder auch ein Vorurteil zum jeweiligen Thema. Zum Verständnis des Gegenübers genügt es nicht, dessen Sinn in die eigene Vormeinung zu integrieren. Vielmehr muss man den Willen aufbringen, die eigene Vormeinung auf Geltung und Herkunft zu überprüfen und in Bezug zum Sinn des Gegenübers zu setzen. Daraus erwächst eine die eigene Vormeinung und den Sinn des Gegenübers umfassende Wahrheit im Sinne einer Horizonterweiterung.
Dem Vorurteil kommt eine besondere Bedeutung zu. Zu unterscheiden ist ein Vorurteil im Sinne von Voreingenommenheit und Engstirnigkeit von einem Vorurteil im Sinne von Vormeinung, die zu erweitern man bereit ist. Durch die Aufklärung ist dieser Begriff negativ im Sinne eines unbegründeten Urteils belegt worden. Die moderne Wissenschaft der Aufklärung will alles vernünftig und vorurteilsfrei verstehen. Damit ist nicht die Überlieferung, sondern die Vernunft letzte Quelle der Autorität. Ihr werden andere Autoritäten untergeordnet. Doch absolute Vernunft ist unmöglich, da auch der freieste Geist begrenzt - weil menschlich - ist und somit von Vorurteilen beherrscht wird. Ein menschlicher - also begrenzter - Geist kann niemals eine allumfassende - also unendliche - Wahrheit erfahren oder begreifen.
Die Betonung von Vernunft und Freiheit in der Aufklärung führten zur Negativbelegung des Begriffs der Autorität in Verbindung mit blindem Gehorsam. Gerade aus Vernunft sollte man jemandem, der an Einsicht und Urteil überlegen ist, Autorität zubilligen. Autorität muss durch Anerkennung der Überlegenheit in Urteil und Einsicht erworben und kann nicht verliehen werden. Damit ist eine Autorität eine Wahrheitsquelle, während sie von der Aufklärung als Vorurteilsquelle diffamiert wurde. Jede Tradition (z. B. die Wirklichkeit der Sitten) entspringt der Überlieferung. Somit ist für Gadamer die Tradition oder auch Überlieferung von übergeordneter Autorität. Denn auch die Wissenschaft der Vernunft ist Entwicklung und Veränderung unterworfen. Damit ist sie Teil der Geschichte und somit einer Tradition unterworfen".
Versteht ein Kubitza (stellvertretend für seine Zunft) so etwas?
sven23 hat geschrieben:Goethe ist ein gutes Beispiel dafür, dass ein hochgeistiger Mann wegen religiöser Mythen seinen Verstand nicht komplett über Bord wirft.
Viel zu flach:
"Goethe war weder ein Religionsverächter noch ein religiöser Mensch im konfessionellen Sinn. In einem Brief an Sulpiz Boisserée vom 22.März 1831 schreibt er, er habe "keine Konfession gefunden, zu der ich völlig hätte bekennen mögen." Stattdessen übte er schon früh Kritik an den positiven Formen geoffenbarter Religion und der Kirche und hielt sich schon in der Jugend an die Vorstellung einer natürlichen Religion, nach der ein höheres ordnendes Wesen nur in der Natur verborgen spürbar sei" (U.Homann).