Alles Teufelszeug? III

closs
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#1241 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Fr 2. Sep 2016, 00:04

Münek hat geschrieben:Der Gott der Bibel ist ein Hirngespinst - es gibt ihn nicht.
Das wäre eine Gewissheit auf materialistischer Basis - die Basis macht's.

Münek hat geschrieben:Das Theologie-Lehrbuch von Theißen/Merz trägt deshalb richtigerweise den Titel "Der historische Jesus".
Das hängt damit zusammen, dass man heute "historisch" mit "historisch-kritisch" gleichsetzt: Als das, das als "historisch" rauskommt, wenn man historisch-kritisch arbeitet. - Streng genommen eine begriffliche Schlampigkeit, da damit eine Realitäts-Größe mit einer Wahrnehmungs-Größe vermischt wird.

Münek hat geschrieben: Welche überlieferten Worte Jesu hat die dogmatische Kirche als "Fehl-Vermittlungen" identifiziert?
Mir ging es jetzt um Bibel-Aussagen im allgemeinen - bspw. erkennt man die Naherwartung von Paulus als irriges zwischenzeitliches Phänomen.

Was Jesu zugeordnete Aussagen angeht, steht ohnehin die Interpretation im Mittelpunkt - man behandelt also ein Zitat, als wäre es authentisch, indem man es authentisch interpretiert.

Münek hat geschrieben:Er und seine ausgesandten Jünger riefen ihre Zeitgenossen landauf landab lediglich zur Umkehr/Buße auf, "weil das Reich Gottes nahe war".
Richtig - die Nähe des Gottesreichs in Jesus hat einiges geändert. Und daraus hätte keine neue Religion werden müssen - es sollte eigentlich die jüdische Religion evolutionieren. - Hat aber nicht hingehauen.

Münek hat geschrieben:Wer stellt schon eine solche hypothetische Frage?
Wenn man nicht nur an Quellen-Pingpong, sondern an dem interessiert ist, was Jesus gemeint hat, MUSS man diese Frage stellen.

closs
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#1242 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Fr 2. Sep 2016, 00:07

Münek hat geschrieben:Richtig - wenn Gott "nicht der Fall" ist, gelingt es auch der allergrößten Glaubensgewissheit nicht, einen solchen existent zu machen.

Deshalb mein ständiger Hinweis: Man kann mit einem noch so starken Glauben historische Tatsachen weder schaffen noch verändern.
Da sind wir uns in der Argumentationsführung absolut einig. - Und je nach dem, ob es Gott gibt oder nicht, guckt der Glaube oder die (geistig-interpretierende !) HKM in die Röhre.

Pluto
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#1243 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Pluto » Fr 2. Sep 2016, 00:08

closs hat geschrieben:
Pluto hat geschrieben:Woher will man denn wissen, was authentisch und was irrend ist?
Das ist doch wurscht, wenn wir hier von dem reden, was der Fall ist. - Meine Aussage ist, dass das, was der Fall ist, auch ohne unser Wissen der Fall ist. Erst jetzt kommt Dein und unser Bemühen, dem auf welche Weise auch immer näher zu kommen. Und dafür ist die HKM sicherlich EINE gute Adresse - aber nie eine Garantie. Denn man weiss nie, ob das, was der Fall ist, UNSEREN jeweiligen Wahrnehmungs-Setzungen folgt.
Andersrum wird ein Schuh draus.
Was der Fall ist, muss sich immer der Wahrnehmung der Welt beugen.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#1244 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » Fr 2. Sep 2016, 00:11

closs hat geschrieben:Wenn Jesus als "wirkliches Phänomen" tatsächlich KEINE Naherwartung hatte, sind die diesbezüglich historisch-kritischen "Tatsachen" keine historischen Tatsachen. - So schnell geht das.
Zunächst einmal: Die historisch-kritische Wissenschaft operiert nicht mit dem Begriff "Tatsachen", sondern mit "Wahrscheinlichkeiten".

Dass Jesus angesichts der eindeutigen Aussagen in den Evangelien KEINE Naherwartung hatte, ist sehr, sehr, sehr unwahrscheinlich. :)
Der diesbezügliche wissenschaftliche Konsens besteht aus überzeugenden, sehr guten Gründen.

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#1245 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Fr 2. Sep 2016, 00:35

Pluto hat geschrieben:Was der Fall ist, muss sich immer der Wahrnehmung der Welt beugen.
Du formulierst auf wunderbar klare Weise exakt den Fehler, um den es hier geht. Was Du sagst, ist aus geistiger Sicht exakt falsch. - Aus geistiger Sicht beugt man sich vor dem, was der Fall ist, und bemüht sich aus dieser Grundhaltung, möglichst viel davon mitzukriegen.

Dein Ansatz ist anthropozentrisch, meiner ist theozentrisch.

Münek hat geschrieben:Die historisch-kritische Wissenschaft operiert nicht mit dem Begriff "Tatsachen", sondern mit "Wahrscheinlichkeiten".
Das ist nicht richtig - es wird oft mit dem Wort "Faktum" operiert. - Aber egal: Auch wenn man "wahrscheinlich" sagt, ist dies gemessen an der eigenen methodischen Wahrscheinlichkeit (und nicht unbedingt an der Wahrscheinlichkeit des Wirklichen).

Münek hat geschrieben:Der diesbezügliche wissenschaftliche Konsens besteht aus überzeugenden, sehr guten Gründen.
Ja - weil er methodisch zirkel-referent ist.

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#1246 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » Fr 2. Sep 2016, 00:49

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Der Gott der Bibel ist ein Hirngespinst - es gibt ihn nicht.
Das wäre eine Gewissheit auf materialistischer Basis - die Basis macht's.
Die Vermutung (= der Zweifel) wird zur Gewissheit. Die Gründe sind unwichtig...

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Das Theologie-Lehrbuch von Theißen/Merz trägt deshalb richtigerweise den Titel "Der historische Jesus".
Das hängt damit zusammen, dass man heute "historisch" mit "historisch-kritisch" gleichsetzt.
Nein - die mit historisch-kritischen Methoden arbeitenden Wissenschaftler untersuchen die "historische" Person Jesus von Nazareth, also eine wirkliche Person der Zeitgeschichte. Sie untersuchen nicht den "Christus des Glaubens", den angeblichen Sohn eines angeblichen Gottes.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben: Welche überlieferten Worte Jesu hat die dogmatische Kirche als "Fehl-Vermittlungen" identifiziert?
Mir ging es jetzt um Bibel-Aussagen im allgemeinen - bspw. erkennt man die Naherwartung von Paulus als irriges zwischenzeitliches Phänomen.
Du hast den Begriff "Fehl-Vermittlung" gebraucht. Pauli eigene Worte sind aber keine "Fehl-Vermittlungen", sondern authentische Eigenaussagen.

Da wurde nichts vermittelt - auch nicht fehlvermittelt.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Er und seine ausgesandten Jünger riefen ihre Zeitgenossen landauf landab lediglich zur Umkehr/Buße auf, "weil das Reich Gottes nahe war".
Richtig - die Nähe des Gottesreichs in Jesus hat einiges geändert. Und daraus hätte keine neue Religion werden müssen - es sollte eigentlich die jüdische Religion evolutionieren. - Hat aber nicht hingehauen.
Was sollte sich denn an der jüdischen Jahwereligion ändern? Dass Gott seine Herrschaft auf Erden errichten wird, war doch für Jesu Zeitgenossen absolut nichts neues.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Wer stellt schon eine solche hypothetische Frage?
Wenn man nicht nur an Quellen-Pingpong, sondern an dem interessiert ist, was Jesus gemeint hat, MUSS man diese Frage stellen.
Wie gesagt: Diese rein hypothetische Frage stellt aus gutem Grund weder die Kirche noch die Wissenschaft.

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#1247 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » Fr 2. Sep 2016, 01:16

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Die historisch-kritische Wissenschaft operiert nicht mit dem Begriff "Tatsachen", sondern mit "Wahrscheinlichkeiten".
Das ist nicht richtig - es wird oft mit dem Wort "Faktum" operiert.
Nein - das macht die theologische Wissenschaft todsicher nicht. Da ich theologische Fachbücher lese, weiß ich das 100%ig.

closs hat geschrieben:Aber egal: Auch wenn man "wahrscheinlich" sagt, ist dies gemessen an der eigenen methodischen Wahrscheinlichkeit (und nicht unbedingt an der Wahrscheinlichkeit des Wirklichen).
Nein - es geht immer nur um "historische" Wahrscheinlichkeiten.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Der diesbezügliche wissenschaftliche Konsens besteht aus überzeugenden, sehr guten Gründen.
Ja - weil er methodisch zirkel-referent ist.
Nein - es wird ja ergebnisoffen geforscht, so dass es jedermann freisteht, anderer historischer Auffassung zu sein. Der bestehende Konsens ist nicht bindend. Siehe unseren lieben frommen Freund Klaus Berger, der eine abweichende (Außenseiter-) Position vertritt.

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#1248 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » Fr 2. Sep 2016, 01:20

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Richtig - wenn Gott "nicht der Fall" ist, gelingt es auch der allergrößten Glaubensgewissheit nicht, einen solchen existent zu machen.

Deshalb mein ständiger Hinweis: Man kann mit einem noch so starken Glauben historische Tatsachen weder schaffen noch verändern.
Da sind wir uns in der Argumentationsführung absolut einig. - Und je nach dem, ob es Gott gibt oder nicht, guckt der Glaube oder die (geistig-interpretierende !) HKM in die Röhre.
Ja - einer guckt immer in die Röhre. :)

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#1249 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von closs » Fr 2. Sep 2016, 07:50

Münek hat geschrieben:Die Vermutung (= der Zweifel) wird zur Gewissheit.
Das ist bei der "geistigen Fraktion" dasselbe - ein klassischer hermeneutischer Prozess.

Münek hat geschrieben:die mit historisch-kritischen Methoden arbeitenden Wissenschaftler untersuchen die "historische" Person Jesus von Nazareth, also eine wirkliche Person der Zeitgeschichte.
Natürlich tun sie das - aber das tut die kanonische Exegese auch. Auch sie interessiert sich für den Jesus, "wie er wirklich der Fall war".

Der Unterschied:
Die Antworten auf diese identische Frage sind bei der HKM historisch-kritischer Natur (NICHT historischer Natur) und bei der kanonischen Exegese kanonisch-gläubiger Natru (und ebenfalls nicht historischer Natur). - Ganz einfach deshalb, weil "wie er wirklich der Fall war" ein Realitäts-Phänomen ist, während HKM und kanonische Exegese Wahrnehmungs-Phänomene liefern (anders geht es bei Wahrnehmung nicht).

Münek hat geschrieben:Pauli eigene Worte sind aber keine "Fehl-Vermittlungen", sondern authentische Eigenaussagen.
Natürlich sind es authentische Aussagen - aber diese haben doch eine Qualität gegenüber dem, was mutmaßlich der Fall war. Deshalb "Fehl-Vermittlung" - er hat sich getäuscht und deshalb etwas Unrichtiges gesagt/geglaubt.

Münek hat geschrieben:Was sollte sich denn an der jüdischen Jahwereligion ändern? Dass Gott seine Herrschaft auf Erden errichten wird, war doch für Jesu Zeitgenossen absolut nichts neues.
Aber nicht, dass Gott ab sofort nah war.

Münek hat geschrieben:Nein - es geht immer nur um "historische" Wahrscheinlichkeiten.
Nein - es geht um historisch-kritische Wahrscheinlichkeiten: "Was ist, gemessen an der HKM, wahrscheinlich?". - Für andere Perspektiven ist anderes nach deren Perspektive wahrscheinlich.

Münek hat geschrieben:Nein - es wird ja ergebnisoffen geforscht
Innerhalb der methodischen Grenzen ist das so - deshalb kommt die eine Methodik ergebnis-offen zu anderen Ergebnissen als die andere Methodik.

Münek hat geschrieben:Ja - einer guckt immer in die Röhre.
So ist es - aber auch das ist nur eine Etappe zum Ende, an dem jeder erkennt, wie er erkannt ist.

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#1250 Re: Alles Teufelszeug? III

Beitrag von Münek » Fr 2. Sep 2016, 10:20

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:die mit historisch-kritischen Methoden arbeitenden Wissenschaftler untersuchen die "historische" Person Jesus von Nazareth, also eine wirkliche Person der Zeitgeschichte.
Natürlich tun sie das - aber das tut die kanonische Exegese auch. Auch sie interessiert sich für den Jesus, "wie er wirklich der Fall war".
Eben nicht - sie interessiert sich ausschließlich für den "Christus des Glaubens", den angeblichen Sohn eines angeblichen Gottes.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Pauli eigene Worte sind aber keine "Fehl-Vermittlungen", sondern authentische Eigenaussagen.
Natürlich sind es authentische Aussagen - aber diese haben doch eine Qualität gegenüber dem, was mutmaßlich der Fall war. Deshalb "Fehl-Vermittlung" - er hat sich getäuscht und deshalb etwas Unrichtiges gesagt/geglaubt.
Paulus und die anderen Urchristen hatten unbezweifelbar eine Naherwartung hinsichtlich der Parusie Christi. Diese Erwartung war nicht "mutmaßlich der Fall", sondern ist eine erwiesene Tatsache.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Was sollte sich denn an der jüdischen Jahwereligion ändern? Dass Gott seine Herrschaft auf Erden errichten wird, war doch für Jesu Zeitgenossen absolut nichts neues.
Aber nicht, dass Gott ab sofort nah war.
Nein - im Volk herrschte auch eine Naherwartung in Bezug auf das irdische Eingreifen Gottes. Also nichts neues in der Jahwereligion.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nein - es geht immer nur um "historische" Wahrscheinlichkeiten.
Nein - es geht um historisch-kritische Wahrscheinlichkeiten: "Was ist, gemessen an der HKM, wahrscheinlich?".
Nein - es geht immer um in den Quellen überlieferte historische Geschehnisse, also um das, was sich geschichtlich tatsächlich ereignet haben könnte. Um geschichtliche Rekonstruktionen.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Nein - es wird ja ergebnisoffen geforscht
Innerhalb der methodischen Grenzen ist das so - deshalb kommt die eine Methodik ergebnis-offen zu anderen Ergebnissen als die andere Methodik.
Nein - für die kanonische Exegese steht das Ergebnis von vornherein fest.

closs hat geschrieben:
Münek hat geschrieben:Ja - einer guckt immer in die Röhre.
So ist es - aber auch das ist nur eine Etappe zum Ende, an dem jeder erkennt, wie er erkannt ist.
AMEN. :angel:

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