Vernunft in Glaubensdingen

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Demian
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#571 Re: Vernunft in Glaubensdingen

Beitrag von Demian » Mo 9. Jun 2014, 21:38

Pluto hat geschrieben:Diese Antwort war zu erwarten. Die Sünde ist schließlich ein Grundstein des Christentums, denn — Gäbe es in den Augen der Gläubigen keine Sünde, wäre der Kreuzestod Jesus' umsonst gewesen.

Davon hängt die Botschaft der Liebe nun wirklich nicht ab ;) Entscheidend ist der Glaube, dass ein Leben das von Gott belebt und geliebt wird, machtvoller ist, als der Tod.

Rembremerding
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#572 Re: Vernunft in Glaubensdingen

Beitrag von Rembremerding » Mo 9. Jun 2014, 21:44

Demian hat geschrieben: Davon hängt die Botschaft der Liebe nun wirklich nicht ab
Das ist die Botschaft der Liebe, der freiwillige Kreuzestod des Herrn.
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Pluto
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#573 Re: Vernunft in Glaubensdingen

Beitrag von Pluto » Mo 9. Jun 2014, 21:59

Rembremerding hat geschrieben:Das ist die Botschaft der Liebe, der freiwillige Kreuzestod des Herrn.
Könnt' ich nachvollziehen, wenn der Sündenfall nicht wäre.
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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Demian
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#574 Re: Vernunft in Glaubensdingen

Beitrag von Demian » Mo 9. Jun 2014, 22:02

Rembremerding hat geschrieben:Das ist die Botschaft der Liebe, der freiwillige Kreuzestod des Herrn.

Weshalb sollte es den brauchen, wenn wir aus der göttlichen Wirklichkeit nicht heraus fallen können? Darauf können wir vertrauen. Diese Hoffnung macht das Leben sinnvoll und veredelt es. Das ist der Kern des Osterglaubens.

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Naqual
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#575 Re: Vernunft in Glaubensdingen

Beitrag von Naqual » Mo 9. Jun 2014, 22:42

Rembremerding hat geschrieben: Für viele ist eben das Kreuz eine Torheit.
Die spannende Frage ist, warum das Kreuz als Torheit betrachtet werden kann. Paulus hat dies nicht direkt gesagt.
Aber er hat im gleichen Atemzug im Kontext sinngemäß gesagt: DEN GRIECHEN eine Torheit.
Jetzt nehmen wir den Kern der HEUTIGEN Sicht auf das Kreuz: Papa-Gott benötigt ein grausames Opfer, damit er vergeben kann. Sonst schafft er es nicht. Also wird jemand anders als der eigentliche Schuldige getötet. Das war den Griechen alles andere als eine Torheit. Das haben die in ihren Sagen zur Genüge gehabt, dass ein Halbgott oder anderer Gott die Schuld draufgebrummt bekam und ersatzweise für berechtigte Rache- und Ausgleichsgelüste eines anderen Gottes dran glauben musste. Das fanden die nicht unvernünftig, sondern bei ihren vermenschlichten Gottheiten war dies eigentlch ganz vernünftig.
Die Torheit für die Griechen bestand wohl eher darin, dass der liebevoller Sieger dabei alles verliert, sein Leben und seine Würde. Und man nachher so tut als sei Schwäche noch eine Stärke. Genau hier eskaliert ja der tiefe Sinn des Kreuzestodes Jesu! (im sehr positiven Sinn - so man es erfasst) Die heutige Sicht hat das Verständnis des Kreuzes aber griechisch gemacht.
Interessanterweise hat Jesu ja auch zur Nachfolge bis hin zum Kreuz aufgefordert und nie gesagt, "keine Angst Jungs, Schuld ist kein Problem mehr, der himmlische Vater bestraft ja mich an euerer statt."

Auch die Unterscheidung zwischen Sündenleib und Gnadenleib ist m.E. das Aneinanderreihen von Worthülsen. Der mit dem Gnadenleib sündigt, der mit dem Sündenleib auch. Was soll das dann?
Gott geht es darum, von der Sünde zu befreien, bei Gnadenleib geht es darum, von der Strafe befreit zu sein.
Es wird dann noch unvernünftiger, wenn man es mit einem anderen Dogma verknüpft, nämlich dass ein selbstloser liebender Gott von der kleinsten Sünde so abgestoßen ist, dass er für eine einzige Sünde ewige Hölle verdient hat. Nun haben wir einen nach wie vor sündigen Gnadenleib und auf einmal stört es ihn nicht mehr? Wenn es ihn nicht stört, warum dann der ganze Umstand? Das passt irgendwie nicht zusammen.
Die Erbsünde ist auch so ein Unding. Da der Mensch von seiner Beschaffenheit her von Gott getrennt ist, ist er automatisch in Sünde: er ist nicht allwissend, er kann nicht alles, er ist ein räumlich und zeitlich sehr begrenztes Wesen und genau deswegen wird er (auch) immer wieder sündigen. Damit ist er automatisch ein Sünder. Aber nicht Sünder im Sinne von schuldig. Und nur Schuld bedingt Strafe, sonst ist es Willkür.

closs
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#576 Re: Vernunft in Glaubensdingen

Beitrag von closs » Mo 9. Jun 2014, 23:08

Naqual hat geschrieben: Papa-Gott benötigt ein grausames Opfer, damit er vergeben kann.
Das ist leider ein Kernstück christlichen Aberglaubens.

Naqual hat geschrieben:Die Erbsünde ist auch so ein Unding. Da der Mensch von seiner Beschaffenheit her von Gott getrennt ist, ist er automatisch in Sünde
Auch das ist - im üblichen Jargon - Ausdruck christlichen Aberglaubens. - Vom Grunde her stimmt der Satz - aber er wird abergläubisch verstanden.

Deine Kritikpunkte sind vollkommen angebracht - leider hat das das Christentum noch nicht begriffen - oder wie der Fundamental-Theologe E. Bieser sagt: "Das Christentum ist immer noch auf dem Weg zu sich selbst - will heißen: hat das NT immer noch nicht kapiert.

Mein Problem: Wie will man Agnostikern erklären, was Christentum ist, wenn es das Christentum selber nicht weiß. - Per aspera ad astra.

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#577 Re: Vernunft in Glaubensdingen

Beitrag von Pluto » Di 10. Jun 2014, 00:19

closs hat geschrieben:Vom Grunde her stimmt der Satz - aber er wird abergläubisch verstanden.
Wie meinst du das... "abergläubisch"?
Der Naturalist sagt nichts Abschließendes darüber, was in der Welt ist.

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#578 Re: Vernunft in Glaubensdingen

Beitrag von closs » Di 10. Jun 2014, 00:32

Pluto hat geschrieben:Wie meinst du das... "abergläubisch"?
Vereinfacht: "falsch". - Das ist allerdings eine Privatmeinung, die allerdings hart begründbar ist.

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Demian
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#579 Re: Vernunft in Glaubensdingen

Beitrag von Demian » Di 10. Jun 2014, 01:16

closs hat geschrieben:Deine Kritikpunkte sind vollkommen angebracht - leider hat das das Christentum noch nicht begriffen - oder wie der Fundamental-Theologe E. Bieser sagt: "Das Christentum ist immer noch auf dem Weg zu sich selbst - will heißen: hat das NT immer noch nicht kapiert.

Darauf können wir uns gerne einigen. Ich bin auch sehr dafür dem (Heiligen) Geist seine schöpferische Phantasie und Ausdruckskraft zuzugestehen, sich - wie Rilke schrieb - den Glauben immer wieder neu zu erschaffen. An ihm zu arbeiten und ihn an sich arbeiten zu lassen.

Mein Problem: Wie will man Agnostikern erklären, was Christentum ist, wenn es das Christentum selber nicht weiß. - Per aspera ad astra.

Richtig. Wenn ich nur ein "halber" Christ bin, weil ich die Opfertheologie ablehne - bzw. ganz anders deute, denn das Kreuz hat für mich sehr wohl eine äußerst tiefe Bedeutung - dann wäre das Christentum philosophisch nicht sehr schlüssig.

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Naqual
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#580 Re: Vernunft in Glaubensdingen

Beitrag von Naqual » Di 10. Jun 2014, 09:22

Demian hat geschrieben:Richtig. Wenn ich nur ein "halber" Christ bin, weil ich die Opfertheologie ablehne - bzw. ganz anders deute, denn das Kreuz hat für mich sehr wohl eine äußerst tiefe Bedeutung - dann wäre das Christentum philosophisch nicht sehr schlüssig.
Die Opfertheologie wird auch von vielen Christen abgelehnt. Vor allem, dass es für Gottvater keinen anderen Ausweg gibt, als Schuld für Sünde auf einen anderen quasi als Ausgleich abzuladen. Das Denken ist nur im heutigen Christentum immer noch geprägt von der in der christlichen Theologie völlig überholten Vorstellung des "Erfinders" Bischof Anselm (noch in der Spätantike). Schwieriger wird es, das Kreuz positiv zu formulieren. Ein Opfer war es. Aber anders verstehbar.

Ich sehe es so: Die Botschaft des Jesus Christus war es, das Böse zu überwinden. Also ganz praktisch: in diesem Leben.
Der äußerste Punkt dieser Überwindung des Bösen ist es nun, wenn man seinen gesamten Egoismus überwindet und sein Leben auf alle ausrichtet. Das Böse wird überwunden wenn man vergibt. Solange man das Böse nicht vergibt, wirkt es virulent weiter. Im Kreuz findet die Überwindung seinen Höhepunkt: Jesus stirbt (ohne anderen Schaden zuzufügen) und vergibt denen, die ihm dies angetan haben quasi in seinem letzten Atemzug. Wenn man hierzu in der Lage ist... es ist eine Art Vollendung. Das Kreuz ist hier das Symbol zur aktiven Nachfolge im stetigen Kampf des einzelnen gegen sich selbst. Das zumindest theoretisch erreichbare Endziel der Entwicklung des einzelnen, der so von Gott durchdrungen ist, dass er das Ganze sieht und nicht mehr alles oder viel auf sich bezieht. Gnade ist hier das man nicht vollkommen sein muss und gleichzeitig sogar etwas tun kann: sich von der göttlichen Liebe durchdringen lassen und mit dieser wirken.
"Er (Jesus) nahm auf sich unsere Schuld" hat hier eine ganz andere Bedeutung: nicht die Strafübernahme, sondern aufgrund der Schuld des Menschen wurde es erforderlich, den richtigen Weg zu zeigen.
M.E. gibt es anders auch keinen Sinn. Was wäre sonst mit den Leuten vor Christus? Es ist ja schon auffällig, dass diese Frage im NT gar nicht gestellt wird, obwohl sie sehr wesentlich wäre in der Auseinandersetzung Juden und Urgemeinden.
Grundsätzlich gab es den Weg zum Vater auch ohne Jesus. Aber die Menschen mussten immer wieder an diesen Weg erinnert werden. Mit Jesus in seiner eindeutigsten, krassest möglichen Form. Beim "aktiven Verständnis des Kreuzes" (Nachfolge) entsteht das Problem mit dem "was ist mit den Leuten vor Christus, die noch gar nicht an ihn haben glauben können?" gar nicht erst.
Die Nuancen sind tückisch, sehr klein, kaum zu bemerken, aber die Folgen sind gravierender wie man es sich gar nicht mehr vorstellen kann: Jesus ist der Weg, heißt nicht der Glaube an Jesus, sondern das Begehen des Weges, der nicht mehr gesehen wurde. Manchmal nenne ich das: aus dem Glauben an die Botschaft wurde die Glaube an die Person Jesu. Menschlich ganz verständlich, den das Christentum begann sich von anderen abzugrenzen bis hin zu einem expliziten Alleinanspruch. Der funktioniert am effektivsten nur über den Glauben an die Person.

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