Descartes und Glaube

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sven23
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#311 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von sven23 » Do 5. Mai 2016, 12:12

closs hat geschrieben: So, wie ein Zahnarzt ohne Zahntechniker nicht kann, kann ein Literatur-Wissenschaftler nicht ohne HKM - und ein Theologe kann ebenfalls nicht ohne HKM. - ABER:

Hast Du jemals eine Zahntechniker erlebt, der über die Behandlung eines Patienten entschieden hat? - Wenn Deine Antwort NEIN ist, müsstest Du eigentlich Ratzinger und Berger verstehen.
Und wenn der Zahntechniker Murks angefertigt hat, kann auch der beste Zahnarzt nichts machen. Dann kannst du weiter auf der Felge kauen. :lol:
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closs
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#312 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Do 5. Mai 2016, 12:30

sven23 hat geschrieben:Wo arbeitet die Forschung mit Zirkelbeweisen?
Nach meiner Ansicht nirgends, weil der "Tatbestand" einer Setzung nichts mit Zirkelbeweisen zu tun hat. - Das gilt dann aber überall.

sven23 hat geschrieben:Was erwartest du?
Das Verständnis, dass derselbe Text unter unterschiedlichen Annahmen zu unterschiedlichen Interpretationen führen kann.

sven23 hat geschrieben:Du gibst also zu, dass Plausibilität und Ratio nichts in der Glaubensdogamtik zu suchen haben?
Nein - ich behaupte, dass ein säkulares Verständnis von Plausibilität und Ratio getoppt werden kann von einem spirituellen Verständnis von Plausibilität und Ratio.

sven23 hat geschrieben: Dafür wurde sie wiederbelebt.
Würde sich HKM zu substantieller Bibel-Auslegung verstehen wie der Zahntechniker zum Zahnarzt, würde die kanonische Exegese nicht wiederbelebt worden sein.

sven23 hat geschrieben:Und wenn der Zahntechniker Murks angefertigt hat, kann auch der beste Zahnarzt nichts machen.
So ist es. - Deshalb ist die HKM auch für Ratzi und Berger so wichtig.

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Thaddäus
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#313 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Thaddäus » Do 5. Mai 2016, 13:20

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Wo arbeitet die Forschung mit Zirkelbeweisen?
Nach meiner Ansicht nirgends, weil der "Tatbestand" einer Setzung nichts mit Zirkelbeweisen zu tun hat. - Das gilt dann aber überall.
Ein Zirkelbeweis liegt vor, wenn man das Zu-Beweisende als Voraussetzung des Beweises setzt. Genau das tun du und die kanonische Exegese, wenn ihr dogmatisch voraussetzt, dass Jesus sich als Messias und Gottessohn verstanden hat und dann von der historisch-kritischen Exegese fordert, dies bei der Untersuchung, OB aus den Texten überhaupt hervorgeht, Jesus habe sich als Messias und Gottessohn verstanden, zu berücksichtigen. Die Widersinnigkeit dieser dogmatischen Setzung ist offensichtlich. Dasselbe bei der dogmatischen Forderung, alle antiken Autoren, deren Schriften unmittelbar oder mittelbar in den christlichen Kanon einflossen, hätten bereits auf diesen Kanon hingeschrieben, was aus deren Schriften aber nicht hervorgeht. Aus den dogmatischen Setzungen können also beliebige Aussagen abgeleitet werden: ex falso quodlibet, aus Falschem folgt Beliebiges ...

Und weiter hast du immer noch nicht begriffen, was der Unterschied zwischen einer Annahme und einer Setzung ist: wenn Wolfgang Pauli aus seinen Gleichungen die Annahme ableitet, es müsse Neutrinos geben, dann muss noch bewiesen werden, ob sie tatsächlich existieren. Eine Setzung muss dagegen nicht weiter bewiesen werden, denn sie setzt, dass das Gesetzte existiert. Deshalb sollte eine Setzung unmittelbar evident sein, wie z.B. der Satz der Identität, der besagt, dass etwas mit sich selbst identisch ist. Denn es ist unmittelbar evident, dass etwas mit sich selbst identisch sein muss. Die HKM macht weder die Setzung, noch auch nur die Annahme, dass Jesus tatsächlih Gottessohn ist, denn aus den Texten kann solches nicht abgeleitet werden. Sie kann aber aus den einschlägigen Textstellen mit Wahrscheinlichkeit ableiten, ob Jesus selbst (über erwiesen echte Jesusworte) oder seine Rezipienten geglaubt haben, dass er Messias und Gottesohn ist.

closs
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#314 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Do 5. Mai 2016, 14:03

Thaddäus hat geschrieben:Ein Zirkelbeweis liegt vor, wenn man das Zu-Beweisende als Voraussetzung des Beweises setzt.
Korrekt.

Ich spreche aber von etwas anderem - nämlich: Dass unter verschiedenen Voraussetzungen verschiedene Ergebnisse resultieren (können). Deshalb führt eine Disziplin, die Jesus als nichts als einen "normalen" Menschen setzt, zu anderen Ergebnissen, als eine Disziplin, die Jesus als inkarnierten Gott setzt. - WAS von beidem Jesus ist, ist wissenschaftlich nicht erfahrbar, muss also gesetzt werden - wobei es keine Rolle spielt, ob man immanent methodisch oder expressis verbis setzt.

Thaddäus hat geschrieben: Eine Setzung muss dagegen nicht weiter bewiesen werden, denn sie setzt, dass das Gesetzte existiert.
Richtig - innerhalb dieses Modelles tut sie es. - Und das tun auf unterschiedliche Weise eben sowohl HKE als auch die kanonische Exegese - der eine methodisch immanent, der andere expressis verbis.

Thaddäus hat geschrieben: Die HKM macht weder die Setzung, noch auch nur die Annahme, dass Jesus tatsächlih Gottessohn ist, denn aus den Texten kann solches nicht abgeleitet werden.
Im Gegenteil: Sie setzt so lange, dass Jesus NICHT Gottessohn ist, solange das Gegenteil nicht erwiesen ist - also setzt sie generell, dass Jesus nicht Gottessohn ist, weil dies grundsätzlich nicht nachweisbar ist.

Daraus ergibt sich teilweise eine andere Interpretation DERSELBEN Quellen, als wenn man setzen würde, dass Jesus Gottessohn ist.

Deine Ausführungen sind mir seit gefühlten 100 Jahren geläufig - ich stimme Dir darin prinzipiell zu. - Nur: Darum geht es nicht. - Es geht hier nicht um die Frage, wie HKE arbeitet, sondern welche Konsequenzen ihre methodischen Setzungen haben. - Das ist das, was DU noch nicht verstanden hast.

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Queequeg
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#315 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Queequeg » Do 5. Mai 2016, 14:27

closs hat geschrieben:
Queequeg hat geschrieben:Oder einfacher gesagt: die HKM ist die herrliche Morgenröte der Theologie
Wenn man "die Lehre von Gott" als Lehre von dem versteht, von man "weiss", dass es ihn nicht gibt, hast Du recht. - Aber da braucht man sich nicht zu wundern, wenn es andere gibt, die räuspern. :lol:

Wenn man "die Lehre von Gott" als Lehre von dem versteht, von man "weiss",..., dann sollten endlich alle Theologen ihre Siebensachen packen und die Schüppe in die Hand nehmen, denn was weiß man von Gott?

Diese Frage ist tiefsinnig und durchaus berechtigt, denn was weiß ein Mensch von Gott wirklich? Tiefergehend betrachtet weiß er nur menschliches von Gott, weil, der Mensch...

Du verstehst?

Du darfst also verstehen, denn siehe, der liebe Gott hatte endlich die Schnauze voll, ein Lückengott zu sein und so schuf er in seiner unergründlichen Weisheit den HKM'emmler, um euch Ignoranten aus Lust und Hybris endlich zu erlösen, aber jetzt ergeht es den armen HKM'emmlern leider wie dem lieben Jesus aus Dostojewskis Großinquisitor...
Zuletzt geändert von Queequeg am Do 5. Mai 2016, 14:28, insgesamt 1-mal geändert.

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#316 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von sven23 » Do 5. Mai 2016, 14:27

closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und wenn der Zahntechniker Murks angefertigt hat, kann auch der beste Zahnarzt nichts machen.
So ist es. - Deshalb ist die HKM auch für Ratzi und Berger so wichtig.
Murks wäre in diesem Fall, wenn man die kanonische Exegese anwendet. Sie hat in der Leben-Jesu Forschung nichts verloren. Sei so gut und begreife das. :roll:
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#317 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von sven23 » Do 5. Mai 2016, 14:30

Thaddäus hat geschrieben: Ein Zirkelbeweis liegt vor, wenn man das Zu-Beweisende als Voraussetzung des Beweises setzt. Genau das tun du und die kanonische Exegese, wenn ihr dogmatisch voraussetzt, dass Jesus sich als Messias und Gottessohn verstanden hat und dann von der historisch-kritischen Exegese fordert, dies bei der Untersuchung, OB aus den Texten überhaupt hervorgeht, Jesus habe sich als Messias und Gottessohn verstanden, zu berücksichtigen. Die Widersinnigkeit dieser dogmatischen Setzung ist offensichtlich.
Ich fürchte, der gute closs wird das nie begreifen, oder noch schlimmer, er will es nicht begreifen. Denn dass dies einen durchschnittlich Gebildeten intellektuell überfordern würde, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen. Das muss rein ideologische Gründe haben.
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#318 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Queequeg » Do 5. Mai 2016, 15:05

closs hat geschrieben:
Queequeg hat geschrieben:Stelle sie einfach ein, deine literarischen Quellen und Zeugnisse
EINE Sache stelle ich zum Nachdenken rein - ansonsten mach Dich selber auf die Socken (wir werden hier sicherlich kein unproduktives Schiller-Seminar machen):

"Emil Staiger beklagte einmal die dekadente Moderne, d.h. Friedrich Schlegels Sieg über Schiller (1967). Dagegen kritisierte Hans-Robert Jauß die bedingungslose Erhöhung der klassischen Individualität, welche den Nationalsozialismus nicht verhindern konnte (1978). Es dürfte Staiger noch mehr irritieren, daß Kurt Schäfer in Schillers Demetrius eine Schlegelsche Ironie finden zu können glaubt (1984). Schäfer wendet in seiner Demetrius-Inter-pretation auch einen von P. Szondi für Demetrius und Boris Godunow herausgearbeiteten Charakterwechsel auf Demetrius und Romanow an. So erscheint hier wieder ein romantisches Zwillingsmotiv von Schiller" (Schillers "Demetrius" —Die Zerstörung eines Metabewußtseins—Norimi Tsuneyoshi)

Hähä, das hier als Beweis dafür anzuführen, das Schiller ein Romantiker ist, das gleicht deinem fanatischen Windmühlenritten gegen die von Gott geliebte HKM. Denn bei der HKM kommt Gott endlich zu Gott, bei der Theologie der dogmatischen Gegenfüßler wird Gott zum theologischen Hau-den-Lukas und verkommt endgültig zum kleinbürgerlichen Kinderschreck.

Wann lernst du endlich, das Leeraussagen auch nicht "voller" werden, wenn diese mehr oder weniger kunstvoll verclosst werden?

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#319 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von Queequeg » Do 5. Mai 2016, 15:07

sven23 hat geschrieben:
closs hat geschrieben:
sven23 hat geschrieben:Und wenn der Zahntechniker Murks angefertigt hat, kann auch der beste Zahnarzt nichts machen.
So ist es. - Deshalb ist die HKM auch für Ratzi und Berger so wichtig.
Murks wäre in diesem Fall, wenn man die kanonische Exegese anwendet. Sie hat in der Leben-Jesu Forschung nichts verloren. Sei so gut und begreife das. :roll:

Würde unser lieber clossen das begreifen, er würde sein Leben wohl in einem Schachforum beschließen, sozusagen als das.

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#320 Re: Descartes und Glaube

Beitrag von closs » Do 5. Mai 2016, 17:00

Queequeg hat geschrieben:denn was weiß man von Gott?
Eben - und weil man kein absolutes Wissen haben kann, kann man umgekehrt auch nicht so tun, als gäbe es ihn NICHT.

Queequeg hat geschrieben: aber jetzt ergeht es den armen HKM'emmlern leider wie dem lieben Jesus aus Dostojewskis Großinquisitor...
Naja - aus der HKM ein Opfer zu machen, kann nur ironisch gemeint zu sein - oder?

sven23 hat geschrieben:Sie hat in der Leben-Jesu Forschung nichts verloren.
Wenn Leben-Jesu-Forschung nichts anderes heisst als "Wir untersuchen Jesus unter dem Aspekt, dass er nichts anderes als ein Wanderprediger war", gebe ich Dir wirklich recht.

sven23 hat geschrieben: Das muss rein ideologische Gründe haben.
Diese versuche ich die ganze Zeit EUCH auszutreiben. :lol: So gleicht sich die Welt.

Thaddäus' Darstellung ist eines Zirkelschlusses ist doch richtig - aber eigentlich sind wir hier viel weiter. Dass dieser Schritt über das eigene Koordinatensystem so schwer ist, habe ich unterschätzt.

Queequeg hat geschrieben:Hähä, das hier als Beweis dafür anzuführen, das Schiller ein Romantiker ist
Das ist kein Beweis, sondern ein Hinweis, dass Schiller in seinen späten Jahren Abschied von der "Klassik" (Was auch immer das ist) Anschied nehmen muss, weil es Gründe dafür gibt. Diese These wird aus gutem Grund seit Jahrzehnten diskutiert - und Du setzt Dich einfach, auch noch zu Deinen Gunsten, darüber, weil Du nicht im Thema drin bist.

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